So hier die erste Story:
Graue Allianz 2.0 Neo
Erste Staffel
Band 1
„Der Sheriff von Terrania“
Von Keith Lennardsen (Roi Danton)
Einleitende Worte:
Falls folgende Begriffe in der GA 2.0 Neo-Serie vorkommen: Perry Rhodan®, Atlan ® und Mausbiber Gucky®, so sind sie eingetragene Warenzeichen der Pabel-Moewig-Verlags KG, Rastatt.
Die GA 2.0 Neo Serie basiert auf der Perry Rhodan Romanserie und ihres kosmologischen Hintergrunds. Sie greift teilweise auf Elemente der Originalserie und der PR-Neoserie zurück, spielt allerdings in einem eigenen nichtkanonischen „Parallelen PR-Universum“.
Die „Graue Allianz 2.0 Neo-Saga“, versteht sich ausschließlich als eine Fan-Fiktionserie aus dem „Perryversum“ und dient nicht kommerziellen Zwecken. Deshalb wird auch an den oder die Autoren und eventuellen Graphikern kein Honorar bezahlt.
Die GA 2.0 Neo-Serie wird ausschließlich aus Spaß an der Sache produziert. Der Hauptautor Keith Lennardsen, möchte das Schreiben und publizieren, was er selbst gerne liest oder diskutiert. Die Serie soll vor allem die Leser inspirieren und ansprechen, die gerne den „Sense of Wonder“ der PR-Serie in sich erleben und weiterspinnen möchten.
Die GA 2.0-Neo Serie möchte auch die Ausbreitung der Menschheit ins All ansprechen und fiktiv ausleben.
Die Serie ist kosmologisch und philosophisch ausgerichtet, bringt aber auch genügend Aktion und Crime-Elemente mit in die Handlung ein. Selbstverständlich sollen auch „Wein, Weib und Gesang“ in Anlehnung an den leider verstorbenen Autoren Hans Kneifel nicht zu kurz kommen.
Selbstverständlich möchte die GA 2.0 Neo-Serie auch an den verstorbenen Autor William Voltz erinnern, dessen erfundenes „Zwiebelschalenmodell“ der Kosmischen Evolution, den Verfasser dieser Zeilen in jungen Jahren sehr geprägt hat. Wahrscheinlich regte er ihn damit an, sich schon in frühen Jahren für Kosmologie zu interessieren.
Der Hauptautor der Serie, Keith Lennardsen, greift teilweise auf eigene Storys, die eventuell bereits separat und in einem anderen Zusammenhang in Clubpublikationen veröffentlicht wurden zurück.
Er bedankt sich ferner bei der Fan-Autorin „Selena“, auf deren teilweise bereits in einem anderen Zusammenhang veröffentlichten Texte in Clubpublikationen, er ebenfalls zugreifen durfte.
Diese Texte wurden umgeändert, angepasst und in den Storyrahmen der Serie adaptiert.
Aufgrund des alleinigen Schreibens und dem Umfang der Fanserie und der bereits in Bearbeitung befindenden zweiten Staffel werden umfangreiches „Textmaterial“ benötigt und dieses Verfahren angewendet.
Alle Namen, Ortsnamen und Personen sind frei erfunden. Übereinstimmungen mit realen Personen
und Geschichten sind rein zufälliger Natur.
Ausdrücklich möchte ich Overhead danken, der nach eigenen Worten: „leicht lektoriert hat“ und die Datei zur Probe gelesen hat. Merci!
Wir suchen noch Mitstreiter für die Serie. Falls Sie an dieser Fanfiktion-Serie als Autor, Graphiker, Zeichner, Ideengeber und vor allem als Lektor mitarbeiten wollen, dann bitte melden unter:
GraueAllianzNeo@email.de
Kosmologische Überlegungen des Scriptoren Belenus
Ich bin der letzte lebende Scriptor oder Bibliothekar der „Kosmischen Bibliothek“ auf Aurora.
Wenn ich meinen bewussten Blick in die Sterne erhebe, auf Aurora ist das gut möglich, weil der Planet immer mehr seiner Sonne enteilt, sehe ich Tausende Galaxien über mir. Es ist wirklich ein überwältigendes Bild. Ein normales organisches Wesen könnte ohne technische Hilfsmittel auf diesem atmosphärelosen Planeten nicht mehr überleben. Es sei denn, es wäre wie ich bereits kristallin. Dank meiner formwandlerischen Fähigkeiten verschmilzt mein Körper als Einzelkristall immer mehr mit dem großen Mutterkristall. Mein Bewusstsein wird in nicht ferner Zukunft eins werden mit der Seele des Monolithen.
Vor knapp siebzehn Millionen Jahren begann meine Existenz als organisches Wesen auf Aurora und ich war einer von Tausenden Nachkommen der formwandlerischen Progenitoren, die mit der Installierung der „Primären Kosmischen Bibliothek“ auf Aurora, einen neuen Sinn bekamen.
Wir wurden Scriptoren, Bibliothekare, Kundschafter und Sammler der Kosmischen Bibliothek, sammelten Wissen überall in einem bestimmten Bereich des Universums, brachten es nach Aurora zurück und speicherten es in dem Großen kristallinen Monolithen ein. Wir blieben immer neutral und griffen nie in das Ewige Kosmische Ringen der beiden antipodischen Kräfte im Universum und ihrer Anhänger ein.
Jeder Besucher unserer Bibliothek durfte gegen ein gewisses Entgelt, alles Wissen entnehmen, dass er oder sein Volk fassen konnte.
Als Entgelt verlangte der Große Vater/Mutter Kristall eine Spende von vitalenergetischer oder anderer psionischer Energie, die nun einmal jedes organische Lebewesen besaß oder erwerben konnte, wenn es ein kybernetisches Wesen war. Der Kristall entschied immer nach der Entnahme des Wissens wie viele Energien oder Psi-Materie er forderte. Für höchstes entnommenes Wissen konnte er auch Einzelbewusstseine fordern, die dann in die kollektive Seele des Großen Vater/Mutter-Kristalls überging.
Der Obelisk benötigte diese Energien und Kräfte um funktionieren zu können. Diese energetischen Kollektorfähigkeiten lagen jedem Obelisken und seinen zahlreichen Ableger zugrunde.
Alle Diener der Bibliothek, ob Nachkommen der Progenitoren oder nicht, werden am Ende unseres individuellen Seins in der Großen Vater/Mutter aufgehen.
Diese Informationen stelle ich allen Lesern meiner Überlegungen kostenlos zur Verfügung und schicke sie voraus, um meine künftigen mentalen Reflexionen besser verstehen zu können. Mein heutiges Thema sind allgemeine Kosmologien.
Dienen die biologischen Lebensformen und Intelligenzwesen des Universums vorrangig dazu, psionische Energien und Vitalkraft schlussendlich für die Großen Attraktoren zu generieren?
Dieses Universum, wird so weit wir wissen, durch ein gewaltiges Ringen zwischen zwei antipodischen Grundprinzipien beherrscht: dem Attraktor der Ordnung und dem Attraktor des Chaos.
Diese dynamischen systemischen inzwischen bewussten Zustände zeigen sich auch im Ringen zweier mächtiger Kosmischen Koalitionen: der Graue Allianz (Chaos) und dem Wächterorden (Ordnung).
Den beiden Mächten zugeordnet werden eine Vielzahl von Einzelpersonen, Hilfsorganisationen, Gruppen und Hilfsvölker, welche jeweils die eine antipodische Richtung unterstützen. Dieser Kampf zwischen den genannten Mächten wird schon seit siebzehn Millionen Standardjahren, gerechnet nach ursprünglicher auroranischer Norm, in vielen Galaxien innerhalb eines bestimmten schlauchförmigen kosmischen Bereichs, der sich über Hunderte Millionen Lichtjahre hinzieht, ausgetragen.
Beide Richtungen nutzen technische Artefakte einer geheimnisvollen Urrasse, welche die „Uralten“ oder Progenitoren genannt werden.
Wie bereits erwähnt stammen alle Auroraner von diesen Progenitoren ab.
Die Graue Allianz und die Ordnungs-Wächter stoßen immer wieder auf die Artefakte der Uralten. Diese repräsentieren die technisch höchststehende Technik und Wissenschaft, im bekannten Universum, innerhalb des Schlauches, der auch „Kosmische Schneise“ genannt wird.
Sowohl die Graue Allianz, als auch der Wächterorden sind zellenartig und hierarchisch aufgebaut. So kann verhindert werden, dass zu viel Wissen über die beiden Antipoden bekannt wird.
Heute möchte ich nur noch einige Gedanken verlieren, auf die ich später noch näher eingehen möchte.
Die Progenitoren benutzten für ihre Reisen nur noch selten Raumschiffe, sondern griffen auf durch sie geschaffene interdimensionale Tore oder Portale zurück, die auf der Quartalen Kraft innerhalb der Universalen Schneise basieren. Diese Weltentore funktionieren allerdings nur auf Transferpunkten innerhalb des Faltpunktsystems der Quartalen Kraft. Diese Quartale Kraft ist eine Verdichtung des Universalen Psionischen Netzes, welches als multidimensionales Netzwerk das Universum durchzieht. Diese Verdichtung zieht sich schlauchförmig etwa zehn Millionen Lichtjahre durchmessend und etwa siebenhundert Millionen Lichtjahre in der Länge, als „Kosmische Schneise“, durch das Universum. Wir Scriptoren wissen noch nicht - oder haben das Wissen darüber verloren - woher diese Verdichtung rührt. Die Antworten können wahrscheinlich nur die beiden Super-Attraktoren selbst.
Da viele Planeten in der Schneise solche Faltpunkte besitzen – diese Transferpunkte liegen oftmals auch im All - ist das Transportsystem zwar begrenzt, trotzdem gigantisch.
Soweit meine heutigen Überlegungen.
(Belenus, Scriptor der Primären Kosmischen Bibliothek von Aurora im Jahr 16.666.663 der Bibliothek)
Es begab sich:
Südwesten der USA, Anfang Juli 2036
Beginn des Bürgerkriegs in den Outlands der Vereinigten Staaten
Mündungsblitze und das Stakkato aus Schnellfeuerwaffen erhellten die Dunkelheit und unterbrachen die trügerische Ruhe der Nacht.
James Livermore bremste abrupt die mit Brennstoffzellen betriebenen Harley ab und wäre fast aus dem Sattel geschleudert worden. Er deaktivierte den Motor und die Scheinwerfer und warf einen Blick auf die durch seine Infrarotbrille sichtbar gemachte Szenerie vor seinen Augen.
Auf dem großen Hügelplateau erhob sich auf der Hochebene eine archaisch wirkende kleine Stadt, umgeben von einer Stadtmauer aus Betonplatten und Stacheldrahtsperren.
Livermore überlegte, wo er seine Harley verstecken könnte.
„Halt, wer da?“
Wie ein Schatten tauchte der schwer bewaffnete Mann aus der kühlen Nacht auf. Sein automatisches Gewehr richtete er auf Livermore. Zudem lauerte irgendwo im Hintergrund ein Scharfschütze. James konnte dessen Präsenz körperlich fast fühlen. Seine Sinne waren in diesem Dunklen Zeitalter, des Jeder gegen Jeden sensibilisiert worden. Er stellte in den Augen dieser Menschen, die noch die Werte der alten Welt vertraten, eine gute Beute dar. Seine Ausrüstung einschließlich der Harley war hier und jetzt ein kleines Vermögen wert.
“Ich bin nur ein Security- Mann, der einen neuen Job sucht“, log er.
„Das kann jeder sagen.“
„Nun, du kannst es an meiner Ausrüstung erkennen.“
„Sie könnte gestohlen sein.“
Misstrauische dunkle Augen beäugten ihn eingehend. Sein Gegenüber, ebenfalls mit einem Kampfanzug bekleidet, war über und über mit Munitionsbändern behängt. Neben dem automatischen Gewehr trug er noch eine Pistole an einem Seitenholster. Auf dem Rücken trug er einen Ausrüstungstornister. Livermore hätte ihn allein wohl bezwungen, aber der verborgene Scharfschütze hinderte ihn daran, den Söldner anzugreifen.
Der Wächter untersuchte Livermores Ausrüstung und nahm ihm die Waffen ab. Er ging gründlich vor und entdeckte fast alle Geheimverstecke.
Schleichende Schritte waren zu hören. Drei weitere Kämpfer tauchten auf.
„Wen hast du denn da gestellt, Olaf? Oh, der Kerl schleppt ein komplettes Miniarsenal mit sich herum!“
Der Sprecher, eine weit finstere Type, als der mit Olaf Angesprochene, schlug Livermore mit der flachen Hand die Lippen blutig.
„Sprich, was willst du hier, Kerl? Den Eingeschlossenen Hilfe bringen? Das ist nicht mehr nötig. Wir haben diese verdammte Brut, die sich für was Besseres hält und diesen verdammten terroristischen Verräter Rhodan unterstützt, in Kürze niedergewalzt.“
„Ihr täuscht euch. Ich bin auf der Durchreise und suche als fahrender Söldner nach einem neuen Dienstherrn. In Zeiten wie diesen, wo nichts mehr ist wie es war, ist meine Art sehr gefragt, die nicht nach der politischen Ansicht seiner potentiellen Auftraggeber fragt, sondern nur seinen Job erledigen möchte.“
„Hm, hm. Wenn das stimmt, wärst du uns willkommen. Ich vermute in dir allerdings einen verdammten Spitzel dieser liberalen Ökograswurzler, die sich diesen deutschen Namen Heimstatt gegeben haben, der sich als Söldner verkleidet hat. Dieses Volk ist und bleibt einfach verräterisch und heimtückisch. Die neue deutsche Bundesregierung soll sogar diesen Verräter Rhodan unterstützen. Wir hoffen das Drummond dieses Verräterpack ausradiert und gleich halb Europa mit.“ Er spuckte aus.
„Ich bin weder Deutscher, Europäer, Chinese oder sonst was. Meine Vorfahren waren uramerikanische Weiße, die treu zu den alten amerikanischen Freiheitswerten standen.“
Der Anführer der Wächter blickte ihn immer noch skeptisch an. „Hm, es spielt keine Rolle, was wir glauben. Olaf und Hank, bringt den Kerl zum General. Er soll jemand schicken, der die Harley und die Ausrüstung abholt. Das Zeug ist verdammt wertvoll. Egal, wer der Fremde ist, die Beute ist nicht schlecht. Und verpasst ihm Handfesseln“.
James Livermore stand kurz davor den Anführer zu verprügeln, aber er kam allein gegen diese Bande nicht an. Der Scharfschütze hatte ihn immer noch im Visier. Er wäre durchaus in der Lage gewesen zwei oder drei der Kerle zu erledigen, aber dann hätte der versteckte Schütze immer noch Zeit genug, ihn in Stücke zu schießen. Gegen eine Infrarot-Ausrüstung half die Dunkelheit nicht viel. Also ergab er sich vorerst in sein Schicksal und ließ sich die Handfesseln anlegen. Die beiden gingen kein Risiko ein und banden ihm die Hände auf den Rücken, anschließend trieben sie ihn voran.
Endlich, nach zehn Minuten, erreichten sie das Camp der Belagerer. Etwa zehn Hundertschaften Bewaffneter versuchten die Heimstattsiedlung zu überrennen. Den Belagerern standen neben den automatischen Waffen noch zwei Raketenwerfer zur Verfügung. Panzer oder bewaffnete Fahrzeuge waren keine zu sehen. Zumindest nicht auf den ersten Blick.
Im Moment schien eine Kampfpause zu herrschen.
Er wurde in das Kommandozelt des Generals gebracht. Dieser besprach mit drei Unteroffizieren, die Kampftaktik, als plötzlich Unruhe aufkam.
Ein Livermore bekanntes, wenn auch nicht erwartetes Motorengeräusch, verwandelte die Disziplin der Sölderarmee in eine um Deckung bemühte Chaostruppe. Das Donnern und Dröhnen mehrerer Kampfhelikopter drang an sein Ohr und das Prasseln ihrer Miniguns, die tausende Kugeln und Miniraketen auf ihre Kampfstellungen feuerten, hallte so laut in seinen Ohren wider, dass er meinte, die Welt ginge im Moment unter. Seine Haut fühlte sich an, als stünde sie ständig unter Strom. Das fürchterliche Hämmern des Maschinengewehrfeuers aus den Kampfhelis wurde nur noch übertönt von dem dumpfen Dröhnen der Rotorblätter.
Überall warfen sich die Männer und auch einige Frauen in Gräben. Der Gefangene wurde einfach stehen gelassen. Selbst der General und seine Offiziere verschwanden, aber nicht um in Deckung zu gehen, sondern um mit Anti-Raketen die Kampfhubschrauber vom Himmel zu holen.
Das Lager verwandelte sich in Sekundenschnelle in eine einzige Hölle. Überall ballerten die Soldaten mit ihren Handwaffen nach den Koptern. Diese waren allerdings gegen diesen Beschuss geschützt. Nur durch Zufall wäre es wohl einem der Schützen gelungen, eine der Flugmaschinen der neuester Bauart vom nächtlichen Himmel herunter zu holen. Um Livermore herum starben die Söldner im schweren Kanonenfeuer der Flugmaschinen. Der General und die beiden höheren Offiziere schafften es nicht, ihre mobilen Rakwerfer einzusetzen. Vorher wurden sie von einer Kanonensalve in Stücke gerissen.
James geriet in diesem Wahnsinn ebenfalls in Panik. Zusammen mit mehreren Dutzend Soldaten rannte er in die Dunkelheit hinein. Um ihn herum starben die Fliehenden von einem unerbittlichen Kanonier mit einer hochwertigen Infrarot-Ausrüstung verfolgt. James Livermore wunderte sich, dass er immer noch lebte und schöpfte langsam Hoffnung zu entkommen. Dann traf ihn etwas und löschte sein Bewusstsein aus.
Outlands, Ende Juli 2036
Mit einer Farborgie ging die Sonne über der Hochfläche auf. Die Strahlen malten das gesamte Firmament in rote Farben.
Die Festung mit ihren hohen Mauern aus Stahlbetonplatten und Schutztürmen, erinnerte den Jogger an ein längst vergangenes Zeitalter. Aber befestigte Städte waren in diesem sinnlosen, völlig unnützen, Bürgerkrieg wieder notwendig geworden, in einer Zeit, in der das Chaos und die nackte Gewalt herrschten, weil die Menschen, anscheinend vor allem Amerikaner, das Neue fürchteten, das aus Terrania in die Welt kam. Das Weltbild aller Menschen hatte sich angesichts der Existenz von Arkoniden und wahrscheinlich anderer Aliens einfach in Luft aufgelöst. Und dem Neuen standen weltweit viele Menschen regelrecht feindlich gegenüber. Manche Menschen rasteten regelrecht aus und griffen zu den Waffen, um mit Jenen abzurechnen, die ihnen fremd oder unbequem waren. Besonders in diesem Teil der USA wütete der Bürgerkriegswahnsinn extrem und verheerend. Da hier viele Aussteiger mit ihren dem Normalbürger fremdartigen Ansichten eigene Siedlungen fern dem Konsumterror errichtet hatten, waren diese vorrangig das Ziel der Marodeure und Vigilanten. Dieses Gebiet war schon vor dem Bürgerkrieg im allgemeinen wirtschaftlichen und strukturellen Niedergang der Vereinigten Staaten aus Geldmangel besonders hart betroffen und wurde das „Outland“ genannt, in dem Quasi ein rechtsfreier Zustand herrschte. Zumindest gemessen an den Rechtsnormen einer freiheitlichen Zivilgesellschaft.
Da die Landschaft immer mehr verwilderte, weil sich die Normalamerikaner auch aus klimatischen Gründen von hier zurückzogen, wurde das Gebiet zu einem Eldorado für Aussteiger, Individualisten und sozial Benachteiligte. Die in den letzten Wochen entstehenden Bürgerwehrarmeen, Vigilanten und Plündererhorden fielen deshalb liebend gern in die Outlands ein, um die Fremdartigen für ihre Lebensweisen und Ansichten zu „bestrafen“. Da half nur die Selbsthilfe.
Präsident Drummond hatte längst das Kriegsrecht über diesen Teil der Vereinigten Staaten verhängt. Aber die Armee wurde von den Vigilanten in diesem Landesteil, den Outlands, einfach vertrieben. Hier herrschte im Moment das blanke Faustrecht.
Organisierte zukunftsorientierte sozioökologische Lebensoasen wie jene der Heimstatt, waren zum Anziehungspunkt von Plünderhorden und den Vigilanten geworden.
Seit die sozialen Systeme und die politischen Strukturen in der westlichen Welt zusammenbrachen oder am Abgrund standen, war nichts mehr, wie es zuvor gewesen war.
James Livermore trabte durch das Nordtor in das innere der Wehrsiedlung hinein. Auch hier nickten ihm die Wächter freundlich zu. Sie wussten längst, wer er war und dass er seit seiner Genesung jeden Morgen um diese Zeit Sport trieb.
Er grüßte zurück und schlenderte langsam zur Kantine der eng gedrängten Siedlung. Über achttausend Menschen mochten hier wohnen. Die Stadt war auf allen Ebenen total autark. Nur so konnte im Outland und im Bürgerkrieg eine größere Gemeinschaft in Sicherheit und geordnet überleben. Es gab unterirdisch angelegte Werkstätten, kleine Produktionsanlagen, Handwerksbetriebe, die beiden geothermen Kraftwerke, ein eigenes Wasserwerk, Schulen, Gemeinschaftsräume, eine Klinik usw.
Am meisten ähnelte Helberg City einem Kibbuz, obwohl es Privateigentum gab.
James erreichte das Gebäude mit der Großkantine. Sie wurde zu dieser frühen Stunde schon beachtlich frequentiert. Er setzte sich an den Tisch, an dem ihn Helberg bereits erwartete.
„Ich zeige nachher einigen viel versprechenden Neuankömmlingen die Siedlung. Für mich ist diese Tätigkeit eine Abwechslung von der Verwaltungsarbeit, die ich mir manchmal gönne. Möchten Sie mitkommen?“
„Natürlich, gerne.“
„Übrigens Ihre Söldnerdienste sind hier sehr gefragt, nachdem Sie sich in den letzten zweieinhalb Wochen mit erstaunlicher Geschwindigkeit von Ihren Verletzungen erholten. Unser Ärzteteam stellte fest, dass die Heilgeschwindigkeit Ihres Körpers offensichtlich genetisch bedingt war.“
Die dunklen Augen des knapp Fünfzigjährigen ehemaligen Präsidenten von Helberg Nano-Biotec, die ihre ersten Milliarden mit einer globalen Vermarktung von Algenprodukte auf allen Ebenen machte, blickten ihn nachdenklich an. Markus Helberg hatte in den dunklen Jahren nach dem letzten großen Börsenzusammenbruch, seine Konzernzentrale von München nach hier verlegt. Er hatte erst vor etwa zwölf Jahren die Firma seines Vaters übernommen, nachdem sein Bruder Alexander bei einem Unfall so schwer verletzt wurde, dass er ein Jahr komplett ausfiel. Als Alexander wieder fit war, hatten sie das väterliche Milliarden-Erbe aufgeteilt und jeder ging seines Weges. Die beiden Brüder hatten zu Allem konträre Ansichten. Zwei fast gleichstarke Persönlichkeiten konnten offensichtlich nicht miteinander. Beide waren auf ihre Art erfolgreich. Alexander als Luftfahrtingenieur, baute mit großem geschäftlichem Erfolg neue suborbitale Flugzeuge. Sein Traum war eines Tages wirkliche interplanetare Raumschiffe zu bauen. Mit der Entdeckung von Alientechnik würde dieser Traum wohl wahr werden.
Bevor Markus Helberg Unternehmer wurde, war er als Paläo-Archäologe, mit einigen Büchern bekannt geworden, die davon sprachen, dass es die Atlantiszivilisation gegeben habe und diese durch einen Supersturm, hervorgerufen von fremden Waffenwirkungen untergegangen wäre.
Natürlich hatte die wissenschaftliche Welt den reichen Autodidakten wegen seiner Warnungen in seinen Büchern nur belächelt. Nur wenige wussten, dass er gleichzeitig Mitglied eines mysteriösen ganzheitlich orientierten uralten Ordens war und dort bereits eine führende Stellung einnahm.
Die Konzernübersiedlung auf diesen geothermen perfekten Platz im amerikanischen Outland, dem ehemaligen Traumziel der Aussteiger und Ökofreaks war vor vier Jahren die Geburtsstunde von ‚Helberg City‘ gewesen. Weitere Unternehmen, die den Beinahezusammenbruch (wieder einmal!) des globalen Wirtschaftsystems 2031 überlebten, beschlossen ihren Hauptsitz ebenfalls, zusammen mit arbeitslosen Soldaten, hierher zu verlegen. Die Bewegung, die entstand, war basisdemokratisch organisiert und sie gründeten weltweit Siedlungen wie Helberg City und bildeten eine lockere Allianz. Sie nannten sich „Heimstattbewegung“. Allen war gemeinsam, dass sie ihre Energie aus geothermen Quellen speisten und so den Stürmen und der Energieknappheit trotzten. Das bald zur Neige gehende Öl war praktisch nicht mehr bezahlbar. Auch die Flächen zum Anbau von Ölpflanzen reichten zur Deckung des Energiebedarfs nicht mehr aus. Solare Energieanlagen konnten sich längst auch nicht alle mehr leisten. Zumindest nicht in den Outlands, die es leider weltweit gab. Die Entwicklung neuer Energiequellen war immer noch der Alltag des Jahres 2036. Bis Perry Rhodan und die neuen Technologien kamen. Alles veränderte sich seither und führte in der momentanen globalen Krise, leider zu Auswüchsen wie den Bürgerkriegen, vor allem in den USA.
„Es tut mir Leid, Bürgermeister. Meine Erinnerung reicht nur bis vor zwanzig Jahren zurück. Wandernde Söldner fanden mich in den Slums von Dallas. Ich irrte dort als etwa Elfjähriger, ohne Gedächtnis umher. Dank meiner besonderen Qualitäten, die ihre Ärzte offensichtlich ebenfalls feststellten, wurde ich geduldet und adoptiert. In den Jahren danach wurde ich zu einem gefürchteten Söldner, der seine Wohltäter alle überlebte. Seit zwei Jahren reise ich allein durch die Welt, die neuerdings endgültig verrückt geworden zu sein scheint.“
„Ihr Ruf als Spezialist für Sondereinsätze eilt Ihnen voraus.“
Wieder der skeptische gleichzeitig interessierte Blick Helbergs.
Livermore seufzte. „Ich bin nicht dafür verantwortlich, Mister Helberg, dass fortgeschrittene Genetiker uns schufen oder modifizierten. Gerade von Ihnen hätte ich mehr erwartet. War die Helberg Nano-Biotec AG nicht Zulieferer für die gentechnische Revolution ab dem Jahr 2000? Ein Biogen-Labor in München, das mich untersuchte, übrigens in meinem Auftrag, besaß Unterlagen, über ihren weltweit führenden Konzern auf diesem Gebiet.“
Markus Helbergs Gesicht veränderte seine Farbe. Aber er schwieg eisern und schien plötzlich sehr nachdenklich geworden zu sein.
Der Mann der sich James Livermore nannte, lächelte in sich hinein.
„Ich verurteile Sie nicht, dafür was sie getan haben, Sir. Mir geht es nur darum ihre Arroganz und Heuchelei bloßzulegen.“
Helbergs Gesichtszüge wurden zugänglicher. „Sie haben Recht, Herr Livermore. Die vergangenen Jahre veränderten auch mich. Wie früher als Konzernchef eines globalen Unternehmens, so muss ich heute als Bürgermeister eines autarken Ministaates, Entscheidungen treffen, die nicht leicht sind. Natürlich können Sie nichts für ihre Existenz. Sie sind ein Opfer von skrupellosen Forschern und Unternehmern, die vergaßen lediglich, dass der Mensch keine reine Ansammlung von Atomen und Genen ist, sondern eine multidimensionale Persönlichkeit besitzt. Früher sagte der Mensch ‚Seele‘ oder ‚Geist‘ dazu.“
„Sie sind der Ansicht, dass der natürlich geborene Mensch die Schöpfung einer Entität, welche die Gläubigen ‚Gott‘ nennen, ist?“
James maß den ehemaligen Präsidenten eines Großkonzerns mit großen ungläubigen Augen.
„Sie glauben an einen Schöpfer?“
Livermore wusste nicht ob er lachen oder weinen sollte. Offenbar existierte hier wie in der übrigen Heimstattbewegung noch eine mystische Komponente des New Ages. Die Stadt besaß eine so gesicherte materielle Existenz, dass sie sich die alten Philosophien leisten konnte.
„Halten Sie sich selbst für einen seelenlosen biologischen Roboter, ohne geistig-ethische Komponente?“
Livermore nickte müde. „Ich habe keinen Grund etwas anderes zu denken. Die meisten von uns kämpfen nur ums Überleben. Sie haben keine Zeit und Muße, um in einer immer mehr feindlicheren Umwelt, so etwas wie Ethik zu entwickeln. Auch ich kann zu einem Kampfroboter werden, wenn ich um mein Überleben kämpfe.“
„Aber Sie sind anders, James. Ich bin sicher, dass Sie so etwas wie eine Seele besitzen. Alle tun wir das. Es spielt keine Rolle, ob wir dazu im modernen Wissenschaftschargon ‚multidimensionale Persönlichkeit‘ sagen oder es mit den alten Begriffen der Religionen benennen.“
„Ich interessiere mich nicht für diese alten Zöpfe, Bürgermeister. Wenn es tatsächlich einen Schöpfer gibt, wieso lässt er dieses schleichende Armageddon für seine Kreaturen zu?“
Helbergs Gesicht verfinsterte sich für einige Augenblicke, dann gewann er wieder seine alte Sicherheit zurück.
„Vielleicht verdient es der Mensch nicht anders. Er war auf einen solchen Irrweg, dass die geistigen Hierarchien, wohl keinen anderen Weg sahen und es zumindest zuließen.“
James Livermore konnte nicht glauben, was ihm der ehemalige Konzernchef und Wissenschaftler ala Indiana Jones da an Ansichten auftischte.
Geistige Hierarchien! So ein Unsinn!
Helberg mochte ein bewundernswertes Werk aufgebaut haben, aber er lebte noch im alten irrelevanten Glauben. Hatte nicht die Wissenschaft eindeutig bewiesen, dass Gott nicht existierte. Und wenn doch, dann hegte er einen großen Groll gegen ihn.
„Mister Helberg! Verschonen Sie mich mit Ihrem Aberglauben! Wir leben in einem aufgeklärten Zeitalter. Die Wissenschaft steht nach dem Auftauchen von Arkoniden und den übrigen Aliens vor einer großen Zukunft. Die Magie ist endgültig tot.“
Helbergs Augen schienen Blitze auszusenden. Ausbrüche des Zorns über diese Worte. Dann beherrschte er sich wieder. „Ich könnte Ihre Worte zerpflücken, ihr reines Verstandesdenken auseinander nehmen und Ihr engstirniges Weltbild zertrümmern, dem ich selbst lange Zeit anhing. Aber wieso soll ich dies tun? Auch für Sie gilt: Der Weg ist das Ziel.“
Livermore vermied es Helberg anzuschauen. Es war zum verzweifeln. Wenn selbst fähige Leute wie sein Gastgeber zum Aberglauben zurückkehrte, wie so viele Menschen, vor allem in der ‚Heimstattbewegung‘, dann sah er sein Ideal: die reine Vernunft, ferner denn je. Nicht einmal die Beinahe-Apokalypse hatte die Menschen von ihrem mystischen Hang befreit.
Livermore hatte nicht die geringste Lust weiter über dieses Thema zu diskutieren. Helberg schien es in diesem Augenblick begriffen zu haben. Der Söldner hörte mit seinen gentechnisch verbesserten Ohren, wie er leise in sich hineinseufzte.
„Wir überprüfen gerade ihren genetischen Code mit den vorhandenen gespeicherten Daten im zentralen Computer der Stadt. Die Konzerndatenbanken der zusammen geschlossenen Firmen sind darin enthalten.“
„Danke für Ihre Mühen, Sir. Allerdings möchte ich nicht meine genetischen Erzeuger kennen lernen.“
Markus Helbergs Augen tränten leicht. Er zwinkerte die Flüssigkeit weg. Offenbar war er sehr erregt.
„Sie verstehen nicht ganz, James. Sie sind kein Klon. Wir haben festgestellt, dass sie normal im Mutterleib geboren wurden.“
„Das weiß ich, Bürgermeister. Die Münchner Biogenetiker gaben mir ein umfangreiches Dossier darüber. Seit meiner Zeugung wurden allerdings die Gene manipuliert. Auf diese Art sind einige meiner Art entstanden. Wir sind keine Klone. Sehen Sie uns als genetisch gezüchtete und modifizierte Menschen an, so genannte Augments. “
„Richtig! Aber bei Ihnen muss noch irgendetwas anders gewesen sein.“
„Das spielt für mich keine Rolle, Mister Helberg. Ich möchte es einfach nicht wissen. Bitte akzeptieren Sie dies.“
Helberg schwieg und blickte gedankenverloren über die Kantinenbesucher hinweg. Teilweise wurden sie in ihrem Wortwechsel belauscht. Neugierige, feindselige aber auch einige bewundernde Blicke von einigen Frauen streiften Livermore. Selbst einige Männer warfen ihm undefinierbare Blicke zu. Er kannte das und es berührte ihn nicht mehr. Die Welt in der nun schon seit 2031 anhaltenden verschärften Krisenzeit hatte ihm keine langen Beziehungen erlaubt. Vor drei Jahren war er fünf Monate lang intensiv mit einer Frau zusammen gewesen. Die Kugel eines Verbrechers hatte sie getötet. Dieses Ereignis war ihm eine Lehre gewesen. Kurze sexuelle Abenteuer gut, aber nicht mehr. Er wollte sich nicht mehr mit intensiven Gefühlen belasten. Die Welt war zu kalt und gefährlich dafür. Ob sich das jemals änderte? Für ihn bedeutete Perry Rhodan und seine „Terraner“ eine neue Hoffnung. Terrania würde sein nächstes Ziel sein.
Markus Helberg schien seine Gedanken zu spüren. Schließlich richtete er seinen intensiven Blick wieder auf Livermore. Schade, dass er einem solchen Irrglauben anhing, den ihn zu einem Fanatiker machte. Er hätte sonst ein guter Freund werden können. Irgendetwas verband sie beide. Helberg war weit mehr, als er zugab zu sein. Ein winziger Augenblick kam ihm ein unglaublicher Gedanke. Aber er verwarf ihn wieder. Nein, sie glichen sich äußerlich zu wenig. Trotzdem ...
„Ich verstehe Sie besser, als sie glauben, James. Lernen Sie die Welt besser kennen und erweitern Sie Ihre Fähigkeiten, vor allem Ihre mentalen und geistigen. Sie haben eine Aufgabe. Ich spüre das, kann allerdings nicht sagen, was sie beinhaltet. Gehen Sie nach Kreta an den Fuß des Ida. Dort existiert ein Ökodorf der Heimstattbewegung. Wir treffen uns dort Anfangs Oktober und möchten unsere lockere Allianz zu einer umfassenden und stabilen Organisation weiter entwickeln. Vielleicht können Sie dort ihre Neugier befriedigen. Aber nun essen wir. Ich habe Hunger. Das Frühstück wartet“, meinte der Ältere, stand auf und schlenderte zur Kantinentheke hinüber.
Livermore folgte ihm. Sie bedienten sich. Es gab Kornkaffee, Frischkornbrei, frische Brötchen aus der eigenen Bäckerei und aus Alplankrill-Mehl, Honig und Marmelade.
Nach dem Frühstück schlenderte das Duo zum großen Versammlungssaal. Dort erwarteten sie bereits die zehn Neuankömmlinge. Es handelte sich um vier Frauen und sechs Männer, insgesamt zwei Familien und zwei Singles. Die Kinder waren schon im Kindergarten und in der Schule. Zwei der Männer waren ehemalige Soldaten in Diensten von Armeen, die inzwischen von militant gewordenen Superkonzernen bezahlt wurden. Sie brachten einen durch Brennstoffzellen betriebenen Panzerwagen in die Gemeinschaft ein. Der flüssige Wasserstoff wurde mit Hilfe von Solarenergie in Helberg City selbst produziert.
Die Gruppe der zwölf Menschen begab sich in das Areal des Gärtnerhofes, der sich noch innerhalb der Wehrsiedlung, direkt an das Kantinengebäude anschloss. Draußen im Stadtgebiet existierten größere Glasgewächshäuser mit angebauten Hühnerställen. Die Folien- und Glashäuser wurden von den Fußbodenheizungen, die die geothermen Röhren lieferten und der Wärme der angegliederten Hühnerställe beheizt und ermöglichten drei bis vier Ernten im Jahr.
Die zwölf Menschen betraten eines der Glashäuser, das immerhin fünfzig Meter lang und sieben Meter breit war.
„Erstaunlich", meinte eine attraktive Frau in mittleren Jahren. "Solche Anbauanlagen habe ich noch nie gesehen. Erzählen Sie doch bitte etwas über diese...hm, Hügelanbaumethode, Dr. Helberg."
Der Bürgermeister musterte die Schwarzhaarige für eine Sekunde länger als nötig. Livermore schmunzelte leicht in sich hinein. Also hatten auch ‚Heilige‘ solch triviale Gedanken. Soweit James wusste, war Helberg seit dem Tode seiner Frau in den Wirren des Beinahe-Zusammenbruchs nicht mehr verheiratet gewesen. Wahrscheinlich hatte die Aufbauarbeit und die Not der Menschen all seine Kraft gefordert.
"Gerne! Sie sehen hier eine so genannte Hügelanbaukultur vor sich. Je vier fünfzig Meter lange und 1,5 Meter breite Reihen erstrecken sich vor Ihnen. Die Hügel selbst sind mit einer so genannten Mischkultur bepflanzt, die sich im Wachstum gegenseitig ergänzt und fördert. Sie sehen dies selbst, an dem prächtigen Gedeihen der Gemüsepflanzen. Wie Sie sich vielleicht denken können, erzeugt diese Schichtung des Hügelaufbaues permanent Wärme, durch die dauernde Gärung der unteren Laub und Grobkompost-Schichten, sodass in dem heutigen milden Klima es von außen keiner regelmäßigen Energiezufuhr mehr bedarf. Wenn beispielsweise auf dem Dach des Hühnerhauses noch ein Solarmodul eingebaut wird, wie bei unseren Anlagen, erzeugt das System mehr Energie, als es benötigt. Gerade die Solar- oder Windenergienutzung sind weitere typische permakulturelle Energiegewinne, weil diese im Gegensatz zu den fossilen Brennstoffen durch die Sonneneinstrahlung ‚kostenlos‘ zur Verfügung gestellt werden.
Wir nutzen beispielsweise durch die Körperwärme der Hühner für die Heizung des Gewächshauses eine ‚biologische Ressource‘, anstelle von Öl oder Strom von fossilen Energieträgern. Diese Ressourcen können von den Menschen noch genutzt werden, wenn die fossilen Brennstoffe wie Öl, Kohle und Rohstoffe endgültig verbraucht wurden.
Oder sehen sie sich diese Zusatzbeleuchtung an, die wir an den Folien oder Wandbeschichtungen schaffen.“
Livermore nickte. „Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, woher dieses Zusatzlicht direkt aus den Beschichtungen stammt.“
Alles blickte Markus Helberg an. Er lächelte. „Ein weiteres Produkt von Helberg Nano-Biotec AG. Wir schufen eine bioaktive Schicht, die sowohl als transparente Innenwandlackierung oder als Beschichtung aller Art angebracht werden kann. Diese bioaktive Schicht setzt sich aus Mikrolebewesen zusammen, die mit Hilfe spezieller Enzyme in der Lage sind, sich von der ebenfalls dort vorhandenen Versorgungsmasse sehr langsam zu ernähren, wobei die Ausscheidungen ihrer Stoffwechselprozesse Licht erzeugen. Sie reicht von sich aus, um ein Halbdunkel zu schaffen, das sowohl zur Orientierung als auch für den Pflanzenwuchs genutzt werden kann. Zusammen mit den durch die ständigen geothermen Dampfnebel gefilterten Sonnenstrahlen, schaffen sie ein für den Pflanzenwuchs höchst zuträgliches Licht und Aufzucht- Mikroklima.“
„Denken Sie daran, dass Permakulturisten vor allem Planer sind. Es kommt darauf an die richtigen Komponenten miteinander zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Im vorigen Beispiel haben wir gesehen, wie der Hühnerauslauf mit einem Weizenfeld oder einem Obst- und Gemüsegarten verbunden wurde. Dies kann auf höchst einfache Art durch eine Tür geschehen. Um beim Beispiel des Huhns zu bleiben. Wenn der Hühnerstall mit einem Gewächshaus verbunden wird, kann der Gas- und Wärmeaustausch zum Nutzen des Gesamtkonzepts erfolgen.
In der konventionellen Landschaftsplanung wurde früher meistens nur die Komponente Verschönerung angegangen. Eine wirkliche Nutzung war nicht vorgesehen. Ein permakultureller Planer dagegen würde die Landschaft produktiv, selbsterhaltend und nachhaltig gestalten wollen. Trotzdem wäre eine solche lebendige Landschaft auch ‚schön‘, eben so wie es natürliche Ökosysteme sind.
In einer Permakultur-Landschaft werden ethische Gesichtspunkte selbstverständlich berücksichtigt. Mensch, natürliche Ökosysteme, Pflanzen und Tieren haben hier ihren Platz.
Ein Permakulturist lässt Tiere alles tun zum Nutzen des Gesamtsystems, was sie auch natürlicherweise tun würden. Wir praktizieren dies in den so genannten Graswurzelsiedlungen, wo uns immer noch natürliche Lebensräume zur Verfügung stehen.“
Nach diesem Vortrag eines permakulturellen Fallbeispiels herrschte Stille. Es gab viel zum Nachdenken. Selbst der beherrscht kühle Livermore zeigte sich beeindruckt.
„Aber nun kommen Sie. Ich zeige Ihnen weitere Bereiche von Helberg City.“
Stolz klang in den Worten von Helberg mit. Der Bürgermeister führte sie aus dem Gärtnerhofbereich heraus in den angrenzenden Werkstätten - und Kleinfabrikenbereich. Markus zeigte ihnen eine große Halle, in der konzentriert gearbeitet wurde.
Die Arbeiter, Monteure und Meister ließen sich nicht von ihrer Tätigkeit abhalten. Sie waren wohl "Besucher" gewöhnt. Schließlich war vieles in Heimstatt vorbildlich und zukunftweisend für eine neue Zukunftsgesellschaft hier auf der Erde und bald auch auf menschlichen Kolonialplaneten.
"Hier sehen Sie die Werkstatt in der die Lastwagen, Traktoren und andere notwendigen Fahrzeuge auf Brennstoffzellenbetrieb umgerüstet werden. Wie Sie bekanntlich wissen, gibt es so gut wie kein bezahlbares Benzin mehr. Die Schwarzmarktpreise sind astronomisch hoch. Der flüssige Wasserstoff ersetzt nicht nur das Benzin, sondern ist diesem sogar energetisch überlegen. Er wird mittels solarenergetisch betriebener Elektrolyse erzeugt, die sogar die durch die geothermen Dämpfe gefilterten Sonnenstrahlen nutzen können. Sie sehen selbst die Anlagen auf den Flachdächern der Hallen, aber auch an der Westmauer der Siedlung. Wir erzeugen mehr Wasserstoff als wir benötigen. Der Überschuss wird an andere freundschaftlich verbundene Siedlungen innerhalb der Heimstättenbewegung mittels der neuen Währung, ‚Globo‘ weitergetauscht. Wir importieren vor allem Siliziumsand, den einige Heimstattsiedlungen hier in der Nähe abbauen.“
„Wieso ausgerechnet Siliziumsand?“ fragte Virginia.
Livermore wunderte sich über soviel Unwissen. Sie hatte sich offensichtlich zuviel um die ökologischen Traumtänzereien und esoterischen Illusionen gekümmert und ihren praktischen Verstand austrocknen lassen. Er fing sich einen unfreundlichen Blick von Helberg ein. Ob der geheimnisvolle Bürgermeister ein Telepath war? Markus Helberg blickte die Amerikanerin allerdings freundlicher an, als ihr nach Livermores Meinung zustand. Sie war nicht sein Typ, außerdem um fünfzehn Jahre zu alt. Der ehemalige ‚Indiana Jones‘ der Neuzeit und Konzernchef dachte offenbar anders darüber.
„Virginia stellt eine durchaus berechtigte Frage, denn nicht alle sind Technikfreaks.“ Ein kurzer Seitenhieb in Richtung Livermore.
„Nun, Wasserstoff als Treibstoff für die Allgemeinheit, hat sich längst als eine Illusion entpuppt, da er nur bei 240 Grad Celsius unter Druck flüssig bleibt. Aber in chemischer Verbindung mit dem Element Silizium entstehen herkömmlichem Benzin ähnelnde Siliziumwasserstoffe, die so genannte Silane. Genau diesen neuen Brennstoff stellen wir und jede andere Heimstattsiedlung selbst her. Dafür benötigen wir den importierten Siliziumsand. Dieser ist erfreulicherweise überall auf der Erde in fast unbegrenzter Menge verfügbar. Unsere Laster holen ihn aus Siedlungen im Umkreis von einhundert Kilometern."
"Dieses Gemeinwesen soll eine der ersten fastautarken Siedlungen in der weltweiten Heimstatt-Bewegung gewesen sein und darin eine wichtige Rolle spielen", wurde er von Virginia unterbrochen.
„Das ist richtig.“
James Livermore verfolgte die Diskussion nur noch am Rande.
Er blickte Helberg City etwas genauer an. Sie war wirklich zu einer HEIMSTATT, zu einer Oase des Lebens geworden, in einer ansonsten äußerst kargen, wüstenhaften Gegend. Alle diese Gefühle, die auch seine eigenen waren, konnte James in den Zügen des Älteren lesen. Mit seinen hohen Wehrmauern, den Türmen einschließlich der schweren Maschinengewehren, Schnellfeuerkanonen und den aufmerksamen Wächtern, bildete das Gemeinwesen eine archaische Kulisse. Ganz im Gegensatz zu den modernen sturmsicheren Hallenzweckbauten, den Werkstätten, Gewächshäusern, sowie den mehrstöckigen Wohnhäusern. Es ging im Outland nicht mehr um die Schönheit und Harmonie der Architektur, sondern um reine Zweckmäßigkeit, die das Überleben sicherte. Besonders ins Auge fielen die beiden flachen kuppelförmigen Gebäudekomplexe, welche die geothermen Anlagen nebst Kraftwerken bargen. Das meiste davon war unterirdisch angelegt, wie so vieles in Helberg City. Livermore war sich sicher, dass vor allem der Stadthügel innerhalb der Kuppel mehrere Subetagen besaß. Man munkelte von geheimnisvollen Forschungen auf dem Gebiet der Kristalltechnologie und der Kalten Fusion.
Die übrigen Mitglieder der Gruppe schienen ähnlichen Gedanken nachzuhängen. Der Turm war mit fünf Wächtern besetzt, die stumm an ihrem Maschinengewehr und der Schnellfeuerkanone saßen und die ‚Besichtigung‘ mit stoischer Ruhe ertrugen.
"Sie wollten uns etwas über das alternative Energiekonzept, also jenseits der geothermen Kraftwerke, erzählen, Dr. Helberg?" meinte Virginia und machte eine allumfassende Geste über die Siedlung.
"Hm, ja", meinte Markus geistesabwesend und schien langsam aus seinen Gedankenwelten zurückzukehren.
"Nun, einmal haben wir das bereits erwähnte Solarerzeugte flüssige Wasserstoffkonzept. Wir verwenden den Silikatwasserstoff nicht nur zum Antrieb unserer umgerüsteter Traktoren, Baumaschinen, Erntemaschinen, Lastwagen, Omnibusse und Kampffahrzeuge, sondern auch zur Energieerzeugung. Sehen Sie dort hinten das große Gebäude? Darin befindet sich ein Generator, der aus reinem flüssigem Wasserstoff Strom erzeugt. Bei stationären Großanlagen können wir die Druckbehälter problemlos warten, die den Wasserstoff flüssig hält. Sehen Sie, dass alle Hallendächer und die neuartigen sturmsicheren Fensterscheiben, entweder Solarzellen oder aber Solarkollektoren benutzen, die das Brauchwasser erhitzen oder den erzeugten Strom in das stadteigene Netzwerk fließen lassen? "
"Aber woher kommt Ihr Wasser?", fragte ein bisher schweigender dunkelhaariger Mann, ein ehemaliger Soldat
"Wir beziehen das Wasser aus den Tiefen des Hochplateaus! Vielleicht wissen Sie nicht, dass das gesamte Gebiet nicht nur mit geothermen Strömen, sondern auch mit unterirdischen Seen und Flüssen durchzogen ist. Wir haben eine solche Kaverne angebohrt und seither besitzen wir kristallklares sauberes Wasser aus dem Innern der Erde. Über den Tiefbrunnen bauten wir die Wasserhalle dort drüben.“ Dr. Markus Helberg zeigte auf ein eindrucksvolles kuppelförmiges Gebäude, am Fuß des zentralen Hügels.
"Sie wollten noch etwas über die Kalte Fusion erzählen?", fragte Virginia beiläufig.
Helberg lachte. „Das ist nur eine Legende, ebenso die Theorie, dass die führenden technologischen Firmen der Heimstattbewegung tief in verborgenen Labors, an dieser neuartigen Energiegewinnung arbeiten. Reine Science Fiktion!“
Virginia war offenbar nicht überzeugt und Livermore fühlte, dass der Bürgermeister log. Das hörte sich wirklich interessant an. Kalte Fusion, ein Traum würde wahr werden. Er traute den Heimstättern, die inzwischen zusammen mit der Graswurzel weltweit zweihundertfünfzig Siedlungen oder Neustädte zu ihrer Bewegung zählten, durchaus solche Experimente zu. Er wusste dass in der Organisation exzellente Wissenschaftler und Ingenieure arbeiteten. James war sich sicher, dass tief unter der Siedlung nicht nur Schutzbunker für die Bevölkerung, sondern auch solche geheimen Labors existierten. Virginia schien die gleichen Gedanken zu haben, schwieg aber.
„Dr. Helberg, Sie sprachen vorhin über die neue Währung der Heimstattbewegung. Ist sie mit den Tauschringen verwandt?“
Der Heimstätten-Leiter lächelte die Amerikanerin an. „Im Prinzip schon. Aber eigentlich ist es eine Mischung aus einem Tauschring-Kredit und einer Indexgesicherten Umlaufwährung. Ich möchte etwas ausholen ...“
Dann erreichten sie eine Schule in der eine neue Art des Lernens versucht wurde.
„Bisher lernten wir“, erklärte Markus Helberg, „immer noch für das Industriezeitalter, das mehr denn je überwunden wird, je mehr die Robotertechnik eingesetzt werden wird. Die Kinder wurden bislang auf „Bulimie-Lernen“ trainiert. Das bedeutet, dass sie so schnell wie möglich viel Wissen in sich hineinfressen und dann wieder ausspucken mussten. Wir machten uns bislang zu wenig darüber Gedanken, dass die heutige und speziell die künftige Arbeitswelt Tätige benötigt, die eine hohe Problemlösungskompetenz besitzen, kreativ und flexibel sein sollten, um die Zukunftsanforderungen zu bewältigen. Dies hat allerdings mit der Art und Weise, wie in der heutigen Schule bislang gelehrt wurde, nichts zu tun. Als Lösung versuchen wir in der Heimstättenbewegung, das Lernen neu zu erfinden.“
„Ein interessanter Lösungsansatz für die Jugend eurer Bewegung“, meinte Livermore überlegend. „Ich sehe gerade eure Praxis. Ein Mathelehrer erklärt die Auswirkungen seiner Sparte auf das uns alle berührende Thema Klimawandel.“
„Das ist korrekt“, dozierte Helberg weiter. „Auch der Physik- und beispielsweise der Sozialkundelehrer sind natürlich in das „Themenlernen“ involviert. Sie können erkennen, meine Damen und Herren, mit welchem Feuereifer die Kinder bei der Sache sind. Das Thema interessiert sie persönlich und sie sind daher mit Begeisterung dabei. Die Neurologen haben uns längst bewiesen, dass das Lernen eines Stoffes in unserem Gedächtnis nur dann langfristig haften bleibt, wenn das Gelernte als Neuromuster im Gehirn verknüpft wird und das geschieht nun einmal am Besten, mit einem emotionalen Interesse daran.
Sie sprachen noch einige Zeit und in Livermore wuchs trotz allem Faszinierenden, was er in der Heimstattbewegung erkannte, die Überzeugung nach Terrania auszuwandern.
Später nahm er Kontakt mit seinem Kumpel Antonio Gomez, genannt Chico, auf und die beiden beschlossen nach Terrania zu gehen. Die Vorbereitungen würden noch heute beginnen.