So heute nochmals ein Teil zum Lesen auf die Feiertage.
12. Teil
„Der letzte Ritter!“
Ab jetzt folgen einige Teile über Atlan da Gonozal, den letzten Ritter der Tiefe. Er stammt aus Homer G. Adams (Homerius) Paralleluniversum und wurde von ES in dieses Universum, welches wir Neo 2 nennen, geschickt, um hier Aufgaben zu erfüllen.
Danach geht es wieder mit Ricardo de Navia nach Mexiko…
1823 Rocky Mountains, nahe Santa Fe
„Sie sollten sich noch schonen, Ritter. Der interdimensionale Transferschock ist für organische Lebewesen eine Tortur. Selbst meine Ultrahochleistungs- Mikroquantronik hatte anfangs einige Aussetzer. Wir nennen es bekanntlich den Strangeness- Schock.
„Seit dem Transfer sind neun Monate vergangen, Rico. Ich fühle mich topfit!“
„Alle meine Handlungen dienen nur zu Ihrem Besten, Ritter. Ich bin schließlich einer ihrer Orbiter!“
„Die synthetische Intelligenz hat sich auch in den letzten Monaten weiterentwickelt. Interessant!“ Wisperte es in meinem Kopf. Die ‚Stimme‘ war so zu vernehmen, als flüstere mir jemand direkt ins Ohr. Mein Extrasinn meldete sich auch wieder.
Ich fühlte mich körperlich und psychisch wirklich gut. Neun Monate im biologischen Tiefschlaf reichten mir. Die Reanimation meines Körpers und Geistes war in drei langen Monaten an Bord des ‚Ritterschiffs’ vor sich gegangen. Besser ausgedrückt des in den Rockys bei Santa Fe notgelandeten Schiffs, das durch seine Reanimations- und Selbstreparatur-Mechanismen noch Jahre benötigen würde, um wieder voll aktiv werden zu können. Dazu notwendig waren auch bestimmte seltene Metalle, die Rico und meine Wenigkeit noch auf der Erde besorgen mussten.
Nein, ich strotzte wieder vor Tatendrang. Jede Form von Aktivität schien mir recht zu sein. Mein wackerer Rico - der sich längst zu einem Superroboter (sein Körper stammte aus dem Arsenal von ES) mit einer hochwertigen Künstlichen Intelligenz entwickelt hatte - schien dies endlich begriffen zu haben.
Das ‚Ritterschiff’, eine spezielle von ES stammende ‚Silberkugel’, hatte mich auf die temporale und interdimensionale Spur des verschwundenen Freundes Homer G.Adams geführt. Allerdings materialisierten wir in einem misslungenen künstlich generierten Tryortan-Schlund zu weit weg vom Transferpunkt von Homers Silberkugel.
Tryortanschlünde waren für die Raumfahrer des Tai Ark'Tussan nichts Neues. Bereits in den ‚Ersten Archaischen Perioden‘ - die um dreitausend da Ark einsetzten und etwa siebenhundert Ark - Jahre später zu Ende gingen (siebzehntes Jahrtausend vor Christus) - kam es zu solchen Erscheinungen. Bei ihnen handelte es sich um natürliche unkontrollierte interdimensionale Transfertunnel in weit entfernte Räume, Zeiten – ja selbst in parallele Universen - wie wir wussten und auch künstlich durch die Supertechnik der SI ES initiiert, nutzten.
Natürliche Tryortanschlünde galten als unkontrollierbare interdimensionale Ungeheuer, die jegliche Materie in sich aufsaugten und irgendwo wieder ausspuckten. Eine Öffnung ins Nichts, die nicht nur Raumschiffe, sondern auch beispielsweise Reste eines Riesenplaneten mitbefördern konnten.
Eine Technik, die mit künstlich initiierten Tryortanschlünde arbeitete, riskierte viel, machte allerdings auch Vieles möglich. Beispielsweise interdimensionale Reisen in Parallel-Universen oder Zeitreisen.
Unser jetzt schwer angeschlagenes Schiff schaffte es zwar zuvor mittels eines künstlich generierten Tryortanschlundes in das richtige Paralleluniversum überzuwechseln, kam allerdings auf die hiesige Erde zur falschen Zeit an. Denn die noch vereinzelt funktionierende interdimensional arbeitende Orter registrierte keine energetische Dimensionsspur von Homer G. Adams Silberkugel, die den gleichen Interdimensionsantrieb, wie mein Ritterschiff verfügte. Die Signatur fehlte. Adams Silberkugel landete wenn überhaupt in diesem Universum nicht in dieser Zeit!
Mit letzter Energie schaffte es mein nahezu wrackes autonom von einer KI gelenktes Schiff nach dem Dimensionstransfer in einem Hochtal der irdischen Rocky Mountains eine Notlandung hinzulegen und sich zur Tarnung mit Geröll zu bedecken. Fast keine Systeme funktionierten mehr. Die Restenergie wurde aufgewendet, um für mich und Rico autonom funktionierende Überlebenszellen zu aktivieren. Mehr ging vorerst nicht, zu zerstört war damals das Ritterschiff.
„Wie sieht es jetzt aus Rico? Wie lange braucht die LAST KNIGHT noch zur völligen Selbstreparatur?
„Meine Hochrechungen lassen mich extrapolieren, dass es zwei Jahrzehnte dauern kann, mein Ritter. Allerdings benötigt das Schiff noch eine Vielzahl von in diesem Zeitalter nur schwer beschaffbaren seltenen Rohstoffen. Das nötige Kapital verschaffen wir uns durch Umwandlung von Blei in Gold. Da wir keine einsetzbaren Gleiter besitzen – noch nicht – habe ich einige Flüge in meinem Schutzanzug mit Aktivierung des Tarnfeldes in die Städte Santa Fe und New Orleans unternommen und insgesamt eine halbe Tonne Blei beschafft. Das Schiff hat es mittels des wieder beschränkt verfügbaren Materiewandlers mit seinen verfügbaren Energiereserven in Gold verwandelt. Wir verfügen jetzt über fünfhunderttausend Dollar in ungeprägtes Gold. Unser Materie/Energiewandler hat nach meinen Angaben und nach einigen Mustern von originalen Goldpesos das Rohgold in Goldpesos transformiert. Kein irdischer Spezialist kann feststellen, dass die Goldpesos nicht in einer mexikanischen Münzanstalt geprägt wurden.
Ein Vermögen in diesem Zeitalter, wie wir noch aus diesen Zeiten in unserem Heimatuniversum der dortigen Erde wissen.“ Er grinste mich verschwörerisch an.
„Gute Arbeit, Rico“, lobte ich und grinste zurück. Die Ursprungsbewusstseinszelle von Rico stammte noch von ‚meinem Rico’. Aber nur die. Das Bewusstsein hatte sich längst weiter entwickelt.
Der Androide hatte wieder ‚Maske‘ gemacht und wirkte nun wie ein Durchschnittsmensch. Der Biokokon bestand zwischenzeitlich aus neutralen geklonten Stammzellen, was die Originalität der Körperhülle noch unterstrich. Er warf mir einen kurzen strafenden Blick zu. Für Lob zeigte seine Persönlichkeit immer noch kein Verständnis. Es war für ihn selbstverständlich, dass er seinem ‚Ritter’ mit der höchstmöglichen Effizienz diente.
„Da ist noch was, mein Ritter.“ Fragend blickte ich meinen synthetischen Freund an.
„Bei meinem letzten Anzugstransport von Blei wurde ich von irgendwo in den östlichen Rockys geortet. Leider konnte ich nur annähernd das Gebiet abgrenzen. Es ist riesig. Da wir nicht wissen, ob unsere Gegner, hier nennt man ihn laut den Informationen die uns ES gab, das DUNKLE MYSTERIUM, mit seinen Hilfsorganisationen von unserer Anwesenheit wissen, müssen wir vorerst auf den Einsatz von Rittertechnik verzichten.“
„Also back to the roots!“
Rico nickte grinsend. “Ja, wie in alten Zeiten, Sir! In der Zeit, als Sie noch infolge des Strangeness-Schocks in der Überlebenszelle der wracken LAST KNIGHT lagen, ich war nur einen Monat funktionsunfähig, habe ich mit sieben wieder instand gesetzten Mehrzweck-Arbeitsroboter, oberhalb des kleinen Talkessel indem unser Schiff verschüttet liegt, ein großes Blockhaus bauen lassen. Einen Lifttunnel bauten wir auch zum Schiff. Soweit reichten unsere einsetzbaren Ressourcen. Das Blockhaus mag aussehen, wie eine hiesige etwas groß geratene zweistöckige Berghütte der Mountain Men, aber sie verfügt über einige versteckte primitive Technikeinrichtungen. Beispielsweise eine Dusche für Sie und eine halbautomatische Küchenzelle und eine Energiezelle, die einige getarnte Geräte und Lampen mit Strom versorgt. Die Kühlschränke sind voll bestückt. Auch mit ihrem geliebten Arabischen Kaffee. Sie können Cappuccino bereiten lassen. In New Orleans gibt es alles zu kaufen, was dieser Planet anbietet.“ Rico grinste sarkastisch.
„Super gemacht Rico!“ Ich lächelte zurück. „Wir haben dort sogar einen kleinen Stall für vier Maultiere. Die richtigen Tiere in dieser bergigen Gegend“, informierte er mich weiter.
„Das ist korrekt. Maultiere sind Ideal für die Wege in den Bergen und Täler der Rockys“, bestätigte ich. „Wie sieht es für eine Maske meinerseits aus?“
„Sehr gut, mein Ritter! Auf einer meiner Flüge stieß ich auf einen schwer verletzten Mountain Man, Ihrer Größe und Gestalt. Ein Riesengrizzly hat ihn tödlich verwundet. Ich brachte ihn trotzdem in eine Überlebenszelle der LAST KNIGT. Das Schiff konnte gerade für eine Medozelle etwas Energie abzweigen. Trotz aller Bemühungen unsererseits, starb der Mountain Man. Wir konnten allerdings mit Rittertechnik sein Gedächtnis durchforsten. Auch hatte er einige Briefe aus seiner deutschen Heimat bei sich. Wir konnten seine Geschichte nahezu perfekt rekonstruieren, selbst sein heimatliches Umfeld, von dem er vor zwei Jahren floh. Da er Ihnen in der Statur ähnelte, kann ich Sie in ihn verwandeln. Niemand wird es auffallen, dass Sie nicht echt sind, nicht einmal seinem Bruder oder seiner Familie.“
„Gut, dann mache es!“
Ich legte mich in den Maskensessel, der sogar Operationen durchführen konnte.
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Ein Tag später blickte mich in einem Feldspiegel ein fremdes Gesicht an. Rico stand neben mir und betrachtete wohlgefällig sein ‚Werk’.
„Sie sind jetzt Benjamin Jäger aus dem Großherzogtum Baden. Vor zwei Jahren sind Sie ausgewandert und haben drüben in ihrer alten Heimat noch die Familie ihres Bruders, der dort ein großes Gut betreibt. Da Sie sich in Ihre Schwägerin verliebten, gingen Sie ins Exil in die Vereinigten Staaten und versuchen sich hier als Trapper und Indianerhändler. Übrigens eine gute Tarnung, um die seltenen Rohstoffe in den nächsten zwanzig Jahre zu besorgen. Das nahe Santa Fe bietet eine gute Möglichkeit dort einen Handelsstützpunkt aufzubauen. Nicht nur mexikanische Händler, sondern seit einigen Jahren auch die jährlichen großen Trecks der amerikanischen Händler auf dem so genannten ‚Santa Fe Trail’ bieten sich dafür an. Mit einem solchen Treck kamen Sie, als Benjamin, vor zwei Jahren hier an, Sir. In Santa Fe setzen wir an, Sir!“
Ich lächelte zum wiederholten Male in mich hinein. Immer wenn er mich ‚Sir’ nannte kam das Ur-Rico-Bewusstsein zutage. So nannte er mich im letzten Jahrhundert in unserer Zeit der Gefangenschaft auf ‚meiner’ Erde. Das sich entwickelte und von ES manipulierte Bewusstsein, nannte mich dagegen ‚mein Ritter’. Eigentlich hatte ich den ganzen ‚Ritter-Klimmbing’ immer nur als Titel wahrgenommen. Seit ich allerdings der letzte Ritteraura-Träger wurde, könnte sich das verändern…
„Auf nach Santa Fe. Pelze hast du von den Indianern erhandelt. Und Goldpesos haben wir auch genügend“, sagte ich unternehmenslustig.
Pikes Peak, 1832
Sicherlich, der Tod einer meiner bisher größten Lieben – Isabella de Navia – bei der Geburt unseres gemeinsamen Sohnes vor zwei Jahren, warf mich aus der Bahn und ich tat so, als ob der Sohn - wir hatten schon vorher, falls es ein Sohn sein würde den Namen Richard oder Ricardo bestimmt – nicht existierte.
Eine noch von Isabella bestimmte Amme aus dem Hause de Navia kümmerte sich um ihn. Sie holte ihren Patron, den damals bereits wohlhabenden mexikanisch- asturianischen Grafen de Navia, dem ich seit damals stets mit Feindschaft begegnete. Dieser nahm mir in meinem halbverrückten Zustand das Kind und die Amme wieder weg. Sie zogen nach Sonora auf ihre riesige Hazienda. Das bekümmerte mich damals nicht, auch nicht, als ich einige Monate später von einem Anwalt die Papiere bekam, dass ich von einem mexikanischen Gericht für nicht qualifiziert erklärt wurde, um ein Grafenkind aufzuziehen.
Santa Fe gehörte damals noch zu Mexiko. Selbst wenn ich gewollt hätte, wären meine Chancen gleich Null gewesen, meinen Sohn zurückzubekommen. So ließ ich es bis heute bei diesem Zustand. Natürlich erholte ich mich von meinem jammervollen Zustand. Die Zeit schien wirklich alle Wunden zu heilen.
In meinem immer noch schwer angeschlagenen psychischen Zustand, hatte ich ein Ziel den Pikes Peak gewählt. Wieso ihn, keine Ahnung. In dieser Zeit der persönlichen Krise identifizierte ich mich mehr mit meiner Hauptmaske, des Benjamin Jäger. Der Ritter der Tiefe Atlan da Gonozal schien für die nächsten zwanzig Jahre weit weg zu sein.
Noch immer war die LAST KNIGHT ein Wrack, noch immer mussten wir wegen unserer heimlichen Feinde auf die Hochtechnik verzichten und noch immer suchten Rico und ich die seltenen Rohstoffe irgendwo auf der Welt zusammen. Geldprobleme hatten wir keine, weil mehrere Schürfroboter inzwischen in dem goldhaltigen Teil der Rockys, dessen Koordinaten ich mit meinem photografischen Gedächtnis aus meinem Heimatuniversum kannte, große Mengen von Gold zusammensuchten.
Auch beteiligte ich mich offiziell an einer Silbermine nahe Santa Fe, die ich dank meines fotographischen Gedächtnis ‚entdeckte’ und mit einem mexikanischen Bergbauunternehmen zusammen ausbeutete. Die Mine brachte mir bis 1850 jährlich etwa 15000 Dollar oder Peso. Dies erklärte meinen plötzlichen Reichtum auf eine natürliche Weise.
Wochenlang durchstreifte ich damals die Berge der Sangre de Christo Mountains, probierte meine neue von Rico gefertigten in diese Zeit passenden Waffen aus, begab mich damit auf die Jagd, um durch den Jagderfolg auf andere Gedanken zu kommen.
Der Tod Isabellas und die Wegnahme meines Sohnes belasteten mich noch immer schwer. Sicherlich, ich hätte mir mit meinen Möglichkeiten Richard zurückholen können. Aber was wäre dann gewesen? Sobald, das Ritterschiff wieder funktionierte musste ich zurück in mein Heimatuniversum, um dort meine Aufgaben als ‚letzter Ritter der Tiefe’ zu erfüllen. Und mein Sohn benötigte eine intakte Familie, die ihn gemäß seiner Herkunft aufzog und ihm die Chance gab, eine große Persönlichkeit zu entwickeln. Er brauchte keinen Vater, den er als Abenteurer wahrnehmen würde, der sich permanent auf der Achse befand.
Hin und wieder traf ich auf diesem ‚Selbstfindungstrip oder Walk About’ den einen oder anderen Indianer, vom Stamme der Utahs, die mir Felle anboten. Allerdings nahm ich den Handel nicht an, sondern jagte nur mit ihnen. Irgendwann gewann ich ihre Freundschaft und den Frieden mit mir selbst zurück.
Fassungslos begutachteten sie meine Zauberbüchse, die zwanzigmal schießen konnte oder meine Pistole, die es sechsmal vermochte. Sie zeigten allerdings eine große Scheu, diese beiden Wunderwaffen auch nur zu berühren. Sie nannten mich seit damals unter anderem die ‚Große Büchse’. Monatelang durchstreifte ich schließlich im Jahr 1832 bis in den Spätherbst hinein die Mountains und die Vorprärie.
Schließlich stand ich allein, meine indianischen Begleiter hatten mich als Freunde verlassen und würden an den Lagerfeuern von dem ‚Großen weißen Jäger’, der ‚Großen Büchse’ oder noch mit weiteren Namen bedacht, erzählen. Vor allem sprachen sie von der Zauberbüchse und dem weißen Jäger, der diesen Zauber handhaben konnte.
Wie gesagt, plötzlich stand ich vor dem Pikes Peak, vor dieser Masse eines mehr als viertausend Meter hohen einzeln stehenden Bergmassivs. Trapper, die von Saint Louis durch die Kansa-Prärien zogen, hatten mir in Santa Fe berichtet, dass man ihn noch in Kansas sehen könne. Die Handelstreck auf dem südlichen ‚Santa Fe Trail’ benutzten ihn eine zeitlang als westlichstes Wegzeichen auf ihrem Weg südlich vorbei an den Sangre de Christo Mountains nach Santa Fe. Diese Karawanen zogen seit 1821 jährlich regelmäßig vom Missouri oder Arkansas nach Santa Fe. Eine von ihnen hatte der originale Benjamin Jäger 1823 benutzt, um vom Arkansas her die Hauptstadt des mexikanischen Teils von Nordamerika zu erreichen.
Nach dem Tod des originalen Benjamin kaufte ich in der Maske von Ben Jäger in Santa Fe ein Haus, trieb ein wenig Handel, nur um meine Tarnung aufrecht zu erhalten oder die notwendigen seltenen Metalle von den amerikanischen Händlern kommen zu lassen. Dort traf ich Isabella, die mit ihrem Vater in Handelsgeschäften in Santa Fe weilte. Damals begannen mein kurzes Glück mit ihr und das bis heute anhaltende Unglück.
Nun, wie bereits angesprochen, hatte mein monatelanges Jagen und Fallenstellen mit den Utah-Indianern mein Gemüt beruhigt. Sie hatten mir viele Dinge der Wildnis neu beigebracht und ich hatte vor allem mit dem jungen Ute-Häuptling Kahpote, Bruderschaft geschlossen, welche bis zu meinem Weggehen aus Santa Fe und vom Pikes Peak anhalten sollte.
So stand ich also damals am Fuße des gewaltigen Bergmassivs und überlegte wie es weitergehen sollte. Vor meinem Auge materialisierte plötzlich ‚Mirona’, die KI meiner Psitronik, die ich neben meinem Logiksektor zusätzlich von Homunk XY in der Maschinenstadt auf Wanderer implantiert bekam. Mein Extrasinn hatte einige Schwächen, die meine neuartige ‚Psitronik’ kompensierte. Schließlich sollte ich meinen ‚Rittertitel’ mit Leben erfüllen.
„Das wüsste ich aber!“ beklagte sich mein Gedankenbruder. Ich ignorierte ihn. Seit dem Strangeness- Schock funktionierte er nicht mehr richtig. Meine Psitronik hatte sich dagegen rasch erholt. Die KI meines Implantats projizierte sich als Holofigur von Mirona auf meine Netzhaut und ich nahm ihre Gedanken wie die meines Logiksektors in meinen Ohren wahr.
„Meine nanobotischen Sensoren registrieren einige Impulse im ‚Rittercode’. Ich zeige dir die Spur als holografischer Pfeil. Du solltest ihm folgen, mein Ritter. Der Code stimmt.“
„Danke Mirona!“ Das Bild der KI hatte ich nach Mirona Thetin abbilden lassen. Ich überlegte schon geraume Zeit, ob ich die KI nicht bitten sollte, sich als Isabella zu zeigen.
„Das würde permanent kaum verheilte Wunden neu aufreißen. Davon rate ich ab!“ riet mir die Gedankenstimme meines Extrasinnes. Erholte sich der Logiksektor wieder?
„Das wüsste ich aber!“
„Ruhe!“
Der holografische Pfeil von Mirona zeigte mir den Weg.
Wie ein Wahnsinniger rannte ich den gigantischen Berg hoch. Solange bis ich außer Puste in die Knie ging und mich erholte. Die verdammte KI meldete sich in dieser Zeit nicht.
Nachdem ich mich erholt hatte, versicherte ich mich, dass meine Büchse noch um meinen Leib auf dem Rücken hing und der Revolver, das Jagdmesser und die Gürteltasche sich noch an ihrem Platz befand. Alles Okay. Erst dann blickte ich mich interessiert in der wunderbaren Natur um.
Im Westen erhoben sich die Häupter der Rockys hinter einer terrassenförmig ansteigenden Prärie. Vor mir erhob sich der Pikes Peak, der erstmals 1820 von dem Botaniker Edwin James und zwei Begleitern bezwungen wurde. Sie gehörten der von Stephen Long angeführten Expedition an, die sich auf den Spuren von Zebulon Pikes befanden.
Bis zur Vegetationsgrenze kleidete sich der Berg in eine üppige Botanik. Zedern, Kiefern und Hickorys vermochte ich sofort zu erkennen. Oberhalb davon erkannte ich viele Klüfte, Schründe und Canons in den Felsen, in diesem nackten Gestein und ganz oben sah ich bereits eine Schneekappe.
Wohlan!
Mein kontrollierter Aufstieg begann immer dem holografischen Pfeil folgend. Es ging hinein in die Wälder und die Hänge hinauf. Immer hatte ich die Gefahren, ob sie denn von einem Puma, Bären, Wolf oder von jagenden Indianer ausging vor Augen. Wären es Utah gewesen, dann hätte ich nichts zu befürchten, aber auch südliche Cheyennen oder gar Kiowas trieben sich nach der Aussage von Kahpote hier herum. Von den beiden letztgenannten Stämmen hätte ich durchaus etwas zu befürchten. Aber es ging gut und ich folgte einem für mich sichtbaren indianischen Jagdpfad. Die Monate mit den Utah- Indianern in ihren Bergen und Prärien zeigten längst wieder ihre Wirkung. Ich war wieder in Form gekommen. Den Pfad vermochte ich inzwischen zu erkennen.
Dann erreichte ich einen erhöhten Punkt, eine Art von Felshochsitz, eingeschmiegt und von zwei Seiten geschützt von höheren Wänden. Nur jene Seite, die ich hochkletterte und eine weitere, die mich die eigentliche Höhe des Berges erkennen ließ, zeigte mir was ich mir mit meinem Bergabenteuer eigentlich vorgenommen hatte.
Wahnsinn, nicht weniger oder mehr war es!