1) Story
Vorweg gesagt: Es gab in der bisherigen NEO-Serie kein Roman, welches so gemischte Gedanken und Gefühle in mir auslöste. Und es gäbe im Detail soviel zu notieren, dass angesichts dieser Fülle mir die Lust daran vergangen ist – es wären Seitenlange Anmerkungen geworden.
Am Besten gefallen haben mir die jeweiligen Notizen aus „Nimm deine Träume ernst“, die ich wirklich interessant fand. Der ganze Rest indes kam mir vor wie eine moderne Abenteuergeschichte aus den Erzählungen des Baron Münchhausen! Immerhin ist Hermann Ritter ein routinierter Autor, der aus den Vorgaben des Expokraten das Beste zu machen versucht .
a) Orsons und Tifflor
Die Erklärung, warum die beiden nun diesen Gefrierschock überlebt haben, kann man mit einer sehr großherzigen Gutmütigkeit irgendwie akzeptieren.
Wobei ich dennoch drei Fragezeichen setzen möchte:
1) Wie kann das Gift der Bleichsauger wirken, wenn die Personen in einem geschlossenen Schutz/Kampfanzug sind.
2) Wenn die Personen nicht in einem geschlossenen Anzug sind, wie kann Orsons im umschlossenem Eis blinzeln?
3) Wie kann das Gift je nach – Autorenbedarf – unterschiedlich dosiert sein? Mal ist das Wesen über Wochen und Monate betäubt und dann („Lockvogel“) nur für paar Stunden, um dann wieder (warum und wie) aufzuwachen?
Nun denn – jedenfalls sind die Beiden wieder im Spiel.
b) Reginald Bull
Vielleicht hat der vorherige Autor, Alexander Huiskes, seinen Job zu gut gemacht. Jedenfalls erinnere ich mich noch sehr gut an der Passage:
„...wie die Roboter, die Bull bisher verfolgt hatten, plötzlich auseinandergefächerten und alle zusammen das Feuer eröffneten. Die grellen Lichtbahnen waren nicht misszuverstehen: Sie richteten ultraheiße, tödliche Energiestrahlen auf den fliehenden Bull. Einem Atemzug später war Bull fort.“ (Seite 79)
Wenn Roboter positronikgesteuert ultraheiße tödliche Energiestrahlen abschießen, gleichzeitig und auseinandergefächert, dann ist das Ergebnis eindeutig: Tod, Tod, Tod – verpulvert in molekularen Atomen.
Aber oh nein: aufgrund der Fügung höherer Mächte hat Bull irgendwie aus nicht näher erläuterten Gründen mit einer – zugegeben – heftigen ekeligen Wunde überlebt. Toll!
Das ist bis dato das schlechteste, was ich in NEO gelesen haben und ist für mich absolut ungenügend an den Haaren herbeigezaubert.
Einmal davon abgesehen, ist die Erzählung über die Erlebnisse von Reginald sehr schön geschrieben und nimmt die Schwerpunktsetzung dieses Chara vor, was bei der PREA in den ersten 500 Heften immer wieder innig herbeigesehnt angemahnt worden war.
Genervt hat mich dabei der beschworene Humanismus, der völlig fehl am Platz ist. Zum einem, weil selbst nach menschlichen Maßstab dieser nicht haltbar ist (wenn ich mir mal so unsere Verhältnisse auf Erden anschaue) und zum zweiten auch nicht im Sinne einer egozentrischen Ausdehnung des eigenen Maßstab auf die (unbekannten) galaktischen Völker. Da kommt mir persönlich immer der Brechreiz hoch.
Ich gehe mal davon aus, dass diese Groteske vom Autor / Expokraten beabsichtigt ist – denn wie der Naat Novaal sagte: Sie haben noch keine Erfahrung gesammelt mit den galaktischen Völkern und deren Sitten und Gepflogenheiten.
In diesem Sinne also ein Stück gewollten „Lerneffekt durch Praxis“ in der galaktischen Sittengemälde.
c) Die Naat
Also die weitere Vertiefung dieser Spezies hat mir mit Abstand am besten gefallen. Sie passen als zukünftiger Gegenspieler (?) einfach optimal zu den Topsider. Jedenfalls haben sie die gleiche Philosophie.
Im Übrigen birgt es ein enormes Potential – insofern sich mir die Frage stellt, ob der arkonidische Regent sich nicht immens in die Finger geschnitten hat. Wer eine andere Spezies über Jahrtausende massiv brutal unterdrückt, sollte damit rechnen, dass sich solches im kollektivem Bewusstsein einprägt – und irgendwann zu einem massiven Racheakt führt. Ich denke, dass mit den Naats, die aufgrund ihrer Nähe zum arkonidischen Zentralsystem abhängig und verwundbar sind, dennoch einen hasserfüllten Kriegerkaste zum Feind hat, die existenziell zurückschlagen werden, sofern es nur ein Hauch von Chance gibt („das dekadente Rom wird fallen“).
Im Übrigen kann man daran auch den Unterschied zwischen dem nahen Ferronen und den Terranern erkennen – es ist ein anderer Weg.
d) Ernst Ellert
Also da bin ich wirklich nur gefrustet. Unbeschadet dessen, was da noch kommen wird („der Auftrag“) halte ich das Erscheinen für eine völlig überflüssige Wundertüte-Aktion. Die Chara Ernst Ellert hatte (in der PREA) immer einen gewissen fantastischen Reiz, bis dieser nach 1.000 Heften das geworden ist, was er bereits bei NEO mit Band 31 ist: ein Botengänger in einer Wundertüten-Raumschiff. So kann man halt Figuren völlig nutzlos verbrennen.
Insgesamt betrachtet, hat der routinierte Autor das Beste aus dem ihn vorgesetzten Expose gemacht und immerhin noch soweit ausgebügelt, dass die Story nach meinem empfinden noch gerade ausreichend ist.
2) Schreibstil
Fand ich gut.
3) Was hat der Roman für die Staffel gebracht
Wenn ich mir die Charaktersierung der Naats angucke, dann würde ich sagen, dass die Staffel weiter gekommen ist. Betrachte ich jedoch die wundersame Erweckung von Orsons und Tifflor sowie die fantastische Überleben von Reginald Bull dann erscheint es mir einen Rückschritt!
Tja, wie bewertet man so was? Jedenfalls unausgewogen und eher mangelhaft.
Fazit:
Mein Ratschlag an Hermann Ritter: Alle negative Kritiken und Noten unbesehen an den Expokraten Frank Borsch weiterleiten. Denn er ist es, der dieses ganz klar zu verantworten hat. Selbst der fähigste Autor kann den M*** nicht mehr professionell ausbügeln, der einem vorgesetzt wird.
Korrekterweise hätte Frank Borsch die beiden Bände #29 und #31 selber schreiben müssen. Wer mit solchen schriftstellerischen Effekthascherei arbeitet, sollte sich gefälligst das Echo selber reinziehen und nicht auf andere Autoren abwälzen.
Alexander Huiskes hat für seine rasante und dramatische Darstellung gute Kritiken erhalten, weil es wirklich großes Kino und eine konsequente Beschreibung eines Desasters, einer immer mehr sich vertiefende Katastrophe war. Nur um dann in der folge den Leser eine Nase zu drehen und zu sagen: ha, da haben wir euch ja einen schönen schrecken eingejagt (positiv) oder da haben wir euch ja nett ver***** (negativ). Diese Ernüchterung muss nun eben Hermann Ritter unverdientermaßen ausbaden.
Für solche billigen Tricks sollte also jener beide Elemente schreiben und sowohl im Guten wie im Schlechten die Ernte einfahren.
Sicherlich konnte man bereits beim lesen von #29 davon ausgehen, dass Bull überlebt, da er ja einer der wichtigsten Protagonisten der Serie ist (und bin ich natürlich auch). Dennoch muss man das Geschriebene ernst nehmen und auch als solches bewerten.
Daher finde ich beispielsweise „Abenteuer“ die die Hauptpersonen erleben nie wirklich so spannend, weil man davon ausgehen kann, dass diese überleben müssen.
Andererseits Bestände zumindest eine schwache Hoffnung, dass die Konzeption Handlungsläufe konsequent bis zum bitteren Ende durchzeichnen; und das bedeutet eben: auch Helden können sterben!
Dazu wurde auf der LKS in den 1.600er mal geschrieben: Um den schrecken, den Schmerz, das Entsetzen und die Trauer wirklich nachfühlbar zu beschreiben, müssen auch tragende Figuren – zumindest aus der 2. Reihe – sterben. Der Tod von irgendwelchen abstrakten No-Name-Statisten berührt und kümmert niemanden.
Bleibt für die Zukunft nur zu wünschen, dass der Expokrat Frank Borsch endlich aufhört, billige schriftstellerische Standarttricks von Effekthascherei zu nutzen und endlich beginnt, in sich selbst stimmige Plots zu entwickelt, die überzeugen können.
HH
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Als naiver Mensch sehe ich es allerdings positiv, dass Neo überhaupt existiert und eine Ergänzung zur EA bietet. Danke dafür und möge Neo trotz aller Schwächen noch möglichst lange Zeit bestehen und mir Lesevergnügen bereiten.