nanograinger hat geschrieben:
Wie heißt es schon bei Schwejk: "Es hat alles seinen tiefen Sinn." So auch hier (wobei es trotzdem an den Haaren herbeigezogen ist, wie du sehen wirst).
Der Fall mit dem Gahlmann-Virus hat, wie erwähnt, später noch eine tiefere Bedeutung und gilt eigentlich als Beleg dafür, dass Zellaktivatoren quasi intelligent sind, also zwischen nützlicher und schädlicher Infektion unterscheiden können. Der einzige Zufall besteht darin, dass Rhodan mit dem Virus infiziert wird, was nicht weniger zufällig ist, als auf dem Mond auf einen havarierten Arkonidenkreuzer zu treffen
, danach übernimmt ein kosmokratisches Erzeugnis das Kommando. Zu dem „Zufall“ aber noch eine weitere, vielleicht aufhellende Anmerkung weiter unten.
Zum Roman Nr. 830 ...BULLOC leidet vor allem an einer bei Voltz so beliebten Identitätskrise. Vor kurzem habe ich mal erwähnt, dass Voltz gerne in seinen Romanen die Thematik der „Selbstentfremdung“ u. „Fremdbestimmung“ benutzt, was ich an dieser Stelle noch einmal aufgreifen möchte. In Nr. 819 „Die fliegende Stadt“ stellt Voltz ein Zitat von Joscan Hellmut dem Roman voran, welches auf diese Thematik anspielt:
„Zweifellos sind die Identitätsprobleme Douc Langurs faszinierend, aber je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich davon, daß wir alle Schwierigkeiten dieser Art haben.“
Joscan Hellmut
Sprecher der Solgeborenen
Hier wird die Selbstentfremdung als Identitätskrise bezeichnet. Fast alle Figuren von Voltz unterliegen einer Identitätskrise und dieser Roman, die Nr. 830 und besonders die Nr. 819 ist voll von Identitätskrisen der handelnden Figuren:
Seit dem Aufenthalt auf Drakrioch, trägt Rhodan einen speziellen Kristall und offenbart ein seltsames Verhalten, welches ihn Atlan und den Solanern gegenüber verdächtig macht. Im Roman selber unterliegt Rhodan durch den Einfluß des Transports in der Gravoröhre der Varben noch einmal einer starken Wesensveränderung, was die „Selbstentfremdung“ noch überhöht. Als Rhodan schließlich den Inkarnationen BARDIOCs gegenübersteht, verhält sich Rhodan dermaßen fremdartig, dass die Inkarnationen sogar an seiner Echtheit zweifeln.
Alaska Saedelaere, als Träger eines Cappin-Fragments und einer Maske, ist auf der ständigen Suche nach seiner eigenen Identität und Rolle in der Gesellschaft.
Bjo Breiskoll bzw. der „Katzer“ wird aufgrund seiner körperlichen Andersartigkeit abgelehnt. Schon auf Drakrioch wurde er von den Solgeborenen gemobbt, wobei die Solgeborenen wiederum vom Leben auf Planeten entfremdet sind, also selbst unter einer Identitätskrise leiden.
Douc Langur, der Forscher der Kaiserin von Therm, unterliegt einer Identitätskrise seitdem er vermutet ein künstliches Wesen bzw. ein Roboter zu sein. Wie künstlich Langur tatsächlich ist, erfährt man später noch.
Sogar VERNOC, SHERNOC und CLERMAC, die Inkarnationen BARDIOCS, unterliegen in der Nr. 819 einer existentiellen Identitätskrise, erwarten sie doch in naher Zukunft die Werdung der vierten Inkarnation BULLOC, die schließlich das Ende ihrer eigenen Identität in Nr. 830 bedeutet. Die Inkarnation BULLOC wiederum ist sich ihrer eigenen Rolle ungewiß („BULLOC dachte an BARDIOC. Er war ein Teil der Superintelligenz, trotzdem konnte er sich kein rechtes Bild von seiner Beziehung zu ihr machen.“) und träumt davon BARDIOC gegenüberzustehen, um ...was zu tun?
Vermutlich hat Voltz sich damit an solchen Werken wie „Homo Faber“ von Max Frisch orientiert, dessen Kernthemen „der Konflikt zwischen persönlicher Identität und sozialer Rolle, die Bestimmung des Daseins durch Zufall oder Schicksal, den Gegensatz von Technik zu Natur und Mythos, die misslungene Beziehung zwischen den Geschlechtern und das verfehlte Leben“ [Wikipedia] waren. In den Sechziger- u. Siebzigerjahren waren das sehr aktuelle Themen.
Den Gegensatz von Technik zu Natur findet man bei den SOL- u. Planetengeborenen wieder. Das Rhodan zufällig infiziert wurde, ist von Voltz also anscheinend sehr gezielt auch als „Zufall“ inszeniert und eingesetzt worden, um auf die Bestimmung des Daseins durch Zufall hinzuweisen.
(Wer auf sein Leben zurückblickt, wird vielleicht einige Momente erkennen, an denen der Zufall auch bestimmend war.)