talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

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Günther Drach
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talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Eigentlich wollte ich bis zum 24. warten, aber ...

Die folgende Geschichte habe ich letztes Jahr im Dezember angefangen, aber wie üblich schnell den Mut verloren. Vor ein paar Wochen habe ich die Datei wieder gefunden und das ganze schließlich zu Ende geschrieben.

Honor_Harrington war netterweise bereit, den Text gegen zu lesen. Er fand diverse Kritikpunkte, die ich dann (teilweise) berücksichtigt habe (warum habt ihr nur alle was gegen meine geklammerten Einschübe?). Ich möchte mich hiermit nochmals für die Mühe bedanken, die sich Honor mit dem Korrekturlesen gemacht hat. Die zahllosen Grammatik- und Schreibfehler gehen natürlich nur aif mein Konto.

Wer den Fanroman (2004-2008) bzw meine Beiträge im besonderen nicht mochte, für den ist wohl diese Geschichte nichts.

Wer die wichtigste Figur der Perry Rhodan-Serie nicht mag, für den ist wohl diese Geschichte nichts.

Wer nur Action und wildes Geballere mag, für den ist wohl diese Geschichte nichts.

Und sie ist kitschig und sentimental und irgendwie hat sie auch kein richtiges Ende.

Und sie ist etwas lange (34 Postings).

Und falls jetzt doch noch jemand übrig geblieben ist: ich wäre sehr an deiner Meinung interessiert.

Nevertheless, frohe Weihnachten.
Zuletzt geändert von Günther Drach am 22. Dezember 2012, 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Günther Drach
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Es war jene Zeit des Jahres.
NATHAN liess es schneien über der großen Stadt.
Menschen und Außerirdische trällerten auf den Plätzen Festtagslieder. Berüchtigt war jener Haluter, der nun im achtzehnten Jahr in Folge 'Stille Nacht, heilige Nacht' in eben diese Nacht röhrte, diesmal am Stardust-Denkmal.
Weihnachtabend.
Die Zeit der Liebe.
Die Zeit der Besinnung.
Die Zeit des Gemeinsamseins. Mit der Familie, den Freunden, den Geliebten.
Die schönste Zeit des Jahres.

Die grausamste Zeit des Jahres.
Für die, die an diesen Feiertagen keine Möglichkeiten fanden, ihre Einsamkeit durch Arbeit zu betäuben.
Für jene, die gerade in festtagstrunkenen Mengen so unendlich allein waren.
Frohe Weihnachten, Herr Guck
-- eine Art Weihnachtsgeschichte --
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Günther Drach
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Es war einmal! Märchen müssen mit 'Es war einmal' anfangen."
Also, es war einmal ein Mausbiber, Gucky, der letzte seiner Art. Vor langer Zeit hatte er die verloren, die er geliebt hatte. Hatte er sein Volk verloren. Seitdem lebte er unter den Terranern, nach außen ein fröhlicher Geselle, ein knuddeliges Kerlchen. Und innen? Tief drinnen, unter der Schale der Fröhlichkeit, war er das einsamste Wesen der Galaxis. Aber dann, nach Jahrhunderten, Jahrtausenden der Einsamkeit, schenkte ihm das Schicksal die zurück, die er für immer verloren geglaubt hatte: seine Frau, seinen Sohn. Um sie ihm nach einem Moment des Glücks endgültig zu entreißen.
Es war einmal ein einsamer Mausbiber namens Gucky zu Weihnachten. Das Universum musste gerade nicht gerettet werden -- das war seine Beschäftigungstherapie, um die Einsamkeit zu unterdrücken und zu vergessen: das Universum retten. Einladungen zu diversen Partys hatte er abgelehnt, die Wiederkehr und der endgültige Tod seine Lieben lag nur wenige Monate zurück und er fühlte sich dem Feierwahn der Menschen einfach nicht gewachsen. Die Hauspositronik hatte er angewiesen, alle Anrufe nett aber bestimmt abzuwimmeln -- außer natürlich, es handelte sich um einen dringenden Fall des Universum-in-furchtbarer-Gefahr -- und Besucher bereits am Zauntor abzuweisen. An Besuch jedweder Art war er nicht interessiert.
Also saß er auf seinem Sofa, drehte eine kleine Schnitzerei in den Händen und warf ab und zu einen Blick auf die Holowiedergabe eines Feiertagsprogramms. Ein uralter 3D-restaurierter Film mit Schauspielern, die schon vor Jahrtausenden zu Staub zerfallen waren, lief. Der Film stand, wenn er sich nicht irrte, jedes Mal zu Weihnachten auf dem Programm der vielen Nostalgiesender. Der Mausbiber betrachtete mit großen, traurigen Augen die Hologramme, lauschte den Worten, aber tatsächlich verstand er nichts. Er fühlte sich leer, müde, zerschlagen.
Sein Blick fiel wieder auf die kleine Skulptur in seinen Händen. Die Holzschnitzerei stellte einen Mausbiber dar. Gucky seufzte leise, dann stand er auf und ging, die kleine Figur schützend an die Brust gedrückt, zum Wandregal und setzte sie vorsichtig auf ihrem angestammten Platz ab.
Just in diesem Moment krachte es entsetzlich und ein Ruck ging durch das gesamte Haus. Die Decke bog sich ächzend durch, Putz bzw. der entsprechende Baustoff des Jahres Tausendirgendwas NGZ rieselte, nein schneite herab. Dann setzte sich das, was da eben auf seinem Dach gelandet war, quietschend in Bewegung, und rutschte. Rutschte zum Dachrand. Der Blick des verdatterten Gucky flog zum Panoramafenster und er konnte gerade noch erhaschen, wie etwas großes, funkelndes von seinem Dach schlitterte und in seinen Garten einschlug.
"Was?" Im nächsten Moment stand Gucky im Garten, neben dem alten Apfelbaum, ein paar Meter neben dem ... Ding. Er warf einen kurzen Blick zu seinem Haus zurück. Das Dach sah zwar etwas eingedrückt aus, aber einen Einsturz gab es wohl nicht zu befürchten.
Das ... Gefährt, das sich in seine Karottenbeete gebohrt hatte, sah auch nicht sehr beschädigt aus. Einige Christbaumkugeln waren zerplatzt, mehrere Lichterketten hatte es zerfetzt, aber der Schlitten schien unbeschädigt. Gucky stapfte vorsichtig in seinen Pantoffeln durch die aufgewühlte Erde. Das Ding sah tatsächlich aus einer jener Schlitten, in denen angeblich dieser Nikolaus oder wie er hieß zur Zeit die Welt unsicher machte. Eine Art Kutsche auf Kufen, Und vom Kutschbock richtete sich jetzt eine Gestalt auf, eben in Weihnachtsmannmütze und -jacke, winkte Gucky zu und rief: "Sorry. Frau am Steuer." Ja, es handelte sich wohl um ein weibliches menschliches Wesen, die entsprechenden Körperformen ließen sich trotz der seltsamen Kluft eindeutig feststellen, Bully hätte angesichts dieser Silhouette wohl schon falsch und schrill gepfiffen.
Eine Klappe in dem Kutschwagen ging auf und drei kleine Gestalten, ebenfalls als Weihnachtsmänner verkleidet, kletterten heraus. Zwerge? Kinder.
Gucky stutzte. Das war nun seltsam - er hatte automatisch 'geespert'. Dieses telepathisch Lauschen hatte sich bei plötzlichem unangemeldeten Besuch, der mit der Tür beziehungsweise hier fast mit dem Dach ins Haus fiel, schon häufiger als sehr nützlich erwiesen, aber bei diesen vier Gestalten konnte er nichts wirklich Brauchbares eruieren. Bei der Person auf dem Kutschbock stieß er völlig ins Leere, als würde diese Frau überhaupt nicht denken. Bei den drei Kleinen, die gerade lachend in den Matsch seines Gartens purzelten, empfing er zumindest etwas wie kindliche Vorfreude, aber sonst erwiesen sie sich als sehr effizient gegen sein Psi abgeschirmt.
"Was zum Teufel ...", begann der Ilt, stemmte die Fäuste in die Seiten und ... hielt inne. "Was zum Teufel?!" Da staksten vier, nein fünf, nein sechs riesige Viecher vor dem abgestürzten Schlitten herum. Riesige hirschartige Tiere auf langen schlaksigen Beinen, mit gewaltigen Geweihen, staksten in seinen Karottenbeeten herum, scharrten im Boden und ... "Das sind meine Karotten!" Einer der Elche zog einen prächtigen Mohrrübenstrunk heraus und begann, zufrieden darauf herum zu kauen!
In diesem Moment warfen sich die drei Mininikoläuse hinterrücks auf Gucky.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Rote Pausbäckchen, leuchtende Kinderaugen, strahlende Gesichtchen. Jauchzend und japsend hingen die drei Derwische an ihm, drückten ihm Küsschen auf Schnauze, Wangen und Ohren und brabbelten: "Frohe Weihnachten, Gucky!", "Ich hab' ihn! Ich hab' ihn!" und "Gucky! Gucky! Gucky!"
"Heh!" Er ging zu Boden, drei Weihnachtsmännchen auf ihm, glucksend und lachend. Weihnachtsmädchen, korrigierte er sich, vielleicht vier, fünf Jahre alt, runde Gesichter mit hellen blauen Augen, Stupsnasen, flachsblondem, lockigem Haar -- es mochten Drillinge sein. "Heh!"
"Lasst ihn leben, ihr Monster!" Das war die Schlittenfahrerin. Goldene Hände pflückten die Kleinen von dem verwirrten Ilt. Dann beugte sich die junge Frau vor, packte Gucky unter den Armen, hob ihn hoch und verpasste ihm nun ihrerseits einen sanften Kuss auf die Wange.
Gucky befreite sich schließlich telekinetisch aus der Umarmung und hielt auch die drei Minifurien auf diese Art von sich. "Was soll das?", keuchte er, ein bisschen, aber wirklich nur ein klitzekleines bisschen verärgert.
"Mistelzweig", antwortete die Große und deutete nach oben.
Gucky warf einen Blick hoch und fand zu seiner Überraschung an dem einen Ast des alten Apfelbaumes tatsächlich so ein Kraut kleben. "Was? Wer?", echote er etwas dümmlich.
"Altes terranisches Brauchtum: Stehst du unterm Mistelzweig, wirst du abgeknutscht. -- Veronika. Bambi. Bianca.", zählte die junge Frau auf und wies mit dem Finger auf das jeweilige Menschlein. Dann klopfte sie sich an die Stirn. "Babe."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Misstrauisch starrte der Ilt die andere an.
Sie hatte die Mütze abgenommen und strich mit einer Hand durch das knapp schulterlange, glatte Haar. Seinen Blick erwiderte sie mit einem freundlichen Schmunzeln.
Sie trug einen rotsamtigen, mit flauschigem Pelz besetzten Mantel und dazu passende Stiefel. Im Gegensatz zu den Kindern hatte sie in ihrem Weihnachtsensemble auf die Hose verzichtet und zeigte perfekt geformte Beine.
Honigfarbenes Haar. Samtgoldene Haut.
Gucky kniff die Augen zusammen. Das erklärte die psionische Stille.
Diese junge Frau bestand nicht aus Fleisch und Blut. Der ganze Körper, auch wenn er sich weich und warm anfühlte: goldfarbenes Metall. Die schalkhaft blitzenden Augen in dem Gesicht: geschliffene Diamanten. Die makellosen Zähne, die ihr Lächeln offenbarte: weißes Metall. Ein Roboter. Ein Roboter mit dem perfekt nachgebildeten Körper einer jungen, mittelgroßen Frau. Einem, wie schon erwähnt, selbst unter dem dicken Mantel sichtlich sehr weiblichem Körper. Babe, wie passend.
"Du bist ein Roboter."
"Kosmokratenroboterfräulein, das eine und wahre", berichtigte sie lächelnd.
Der Ilt hüstelte. "Yipee, genau das hat der Welt noch gefehlt", murmelte er.
Babe nickte. "Sag ich auch immer."
"Wir sind als Weihnachtsmädels unterwegs", krähte das Menschlein in der Mitte, also Bambi.
"Deine Elche fressen meine Möhren."
"Rentiere. Es sind Rentiere.", korrigierte Babe. "Hmm, deine Möhren scheinen ihnen wirklich zu schmecken. Komisch."
"Komisch? Meine Möhren sind prämiert! Natürlich schmecken die!"
"Es sind keine echten. Die Rentiere, meine ich, sie sind nachgemacht, so wie der Schlitten."
"Nachgemacht?"
"Wir sind die kleinen Helfer vom Weihnachtsmann", brabbelte die eine Kleine. "Aber weil wir so klein sind, können wir nicht so viel machen. Deshalb brauchen wir dich, Gucky!"
"Nachgemacht. Den Originalen nachempfunden. Virenkonstrukte. Deshalb ist es ja komisch, dass sie Möhren fressen."
"Den Originalen?", echote Gucky.
"Du bist lustig, Gucky!", rief eines der Mädchen. "Unser Schlitten sieht genauso aus wie der vom Weihnachtsmann und unsere Rentiere genauso wie Rudolf und die anderen. Guck, die rote Nase!"
"Wir sind die kleinen Helfer vom Weihnachtsmann", wiederholte die eine Kleine ihren Text. "Aber weil wir so klein sind, können wir nicht so viel machen. Deshalb brauchen wir dich, Gucky!"
Die zweite hielt ihm eine rote Santajacke, -hose und -mütze entgegen, die dritte die passenden Stiefel. Alle drei sahen ihn mit all ihrem verfügbaren kindlichen Ernst an.
Gucky schüttelte den Kopf. "Tut mir wirklich leid, aber ..." Die eine Bambi/Bianca/Veronika verbog seinen linken Arm, BBV Nummer zwei versuchte, ihn in einen Jackenärmel zu stopfen, und Gucky konnte telekinetisch gerade noch verhindern, dass die dritte ihm die Hose runterzog.
Auf dem Trottoir marschierte Familie Hubermann -- Mann, Frau, drei Kinder -- vorbei. Die Nachbarn grüßten höflich, die Kleinste streckte wie üblich die Zunge raus. Gucky nickte zurück, Babe winkte freundlich, die drei Minimonster streckten ihre Zungen raus. Irgendwie schienen sich die Hubermanns weder an dem komischen Ding in Guckys Garten noch an den Möhren mampfenden Pseudorentieren zu stören.
"Also?"
"Also was?"
"Du wolltest gerade erklären, dass es dir eigentlich leid tut, aber du eben keine Zeit hast, uns bei der Geschenkauslieferung zu helfen. Du wolltest uns erzählen, dass du viel wichtigere Dinge zu tun hast: Trübsinn blasen, den Rest der Welt ausschließen, deine Freunde vor den Kopf stoßen, depressiv in deiner Einsamkeit und Trauer zu schwelgen. Bambi würde zu flennen anfangen, sie hätte nie erwartet, von ihrem geliebten Gucky so enttäuscht zu werden. Veronika würde dir frustriert ein paar Faustschläge in den Bauch versetzen, und Vorsicht, sie hat eine knallharte Rechte! Ich und Bianca würden versuchen, dich mit unseren Verführungskünsten umzustimmen. Und schließlich würdest du ja doch mit uns gehen." Babe machte eine kurze dramatische Pause, seufzte tief und schloss dann: "Also sparen wir uns das, okay?"
Ob es nun an der Androhung körperlicher Gewalt durch Veronika lag, daran dass Gucky kleine Mädchen einfach nicht Weinen sehen konnte oder er den klimpernden Wimpern Biancas und Babes unterlag: Gucky ergab sich in sein Schicksal. Und zog sich die Santahose über das Pyjama-Unterteil.
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Günther Drach
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Er musste zugeben, das Ding in seinem Garten sah wirklich beeindruckend aus. Ein Kasten in Appartmentgröße auf zwei mächtigen Kufen, üppig mit zahlreichen Verzierungen, Christbaumkugeln und -sternen, Lichterketten, Ornamenten, Lametta und dergleichen ausgestattet. Das kristallartige, silberne Material des Kasten gleiste und funkelte.
"Hmm. Und wer kommt für den Schaden an meinem Haus und meinem Garten auf?", fragte der auf der Kufe sitzende Mausbiber zu dem Robotermädchen hin, während sich die Kinder mit den Stiefeln und seinen Füßen abmühten.
"Keine Bange, das bringe ich nach unserer Rückkehr wieder ins Reine."
"Nach unserer Rückkehr."
Der Roboter -- Gucky stellte fest, dass es ihm ungemein schwer fiel, das Roboterfräulein als Maschine, als sächliches Ding zu sehen. Sie wirkte so freundlich, ihre Stimme klang so sympathisch. Ihr Lachen. Zu menschlich, zu lebendig erschien alles an ihr, die Mimik, die Bewegungen -- die junge Frau mit dem Roboterkörper lächelte. "Nach unserer Rückkehr. Du wirst gar nicht merken, dass irgendetwas kaputt war. Weihnachtsbabeehrenwort. Aber wir sollten jetzt aufbrechen." Sie kramte in der einen Jackentasche und beförderte eine uralte Taschenuhr hervor. Das Ding verfügte sogar noch über ein analoges Ziffernblatt, über Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger. Gegenwärtig zeigte es 8 Uhr an, also wohl Terrania Standard, aber der Sekundenzeiger legte wirklich ein Höllentempo an den Tag.
"Warum haben sich Hubermanns nicht über den Schlitten aufgeregt? Dieses Ding, wie hast du es genannt? LVH?"
"VLH-16. Viren-Lichtzellen-Hybrid."
"Dieses LVH hat meinen Garten verwüstet. Warum wimmelt es hier nicht von LFT-Truppen?"
Gucky brummte nachdenklich. "Ich kriege telepathisch keinen Pieps von dir oder deinen Gören. Alaska ist der Trottel, der ohne Anzug in einen Zeitbrunnen hüpft. Ich bin eigentlich vorsichtiger. Ein Kosmokratenrobotermädchen." Er kratzte sich hinterm Ohr. "Ernsthaft: Kosmokratenrobotermädchen?"
"Fräulein." Sie nickte. "Ernsthaft." Babe setzte ihm eine flotte Santamütze zwischen die Ohren. "Ich nehme an, es ist der geballte Charme von uns vier Grazien. Gucky, ich verspreche dir noch einmal, in vier Stunden bist du zurück. Und wie jeder weiß, halten Kosmokratenroboterfräuleins und Weihnachtsbabes immer ihre Versprechen."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Die Rentiere scharrten ungeduldig mit den Hufen, das rotnäsige Exemplar warf Gucky einen herablassend gehässigen Blick zu, während seine ausladenden Kiefer provozierend langsam und genüsslich kauten.
Das Roboterfräulein schnalzte mit der Zunge, die Viecher liefen los, sprangen in die Luft und rissen den Schlitten mit sich. Das seltsame Gefährt gewann rasend schnell an Tempo und Höhe, so dass dem Mausbiber zumindest der weitere Anblick seines geschändeten Gartens erspart blieb. Gucky hielt sich an der Sitzbank fest, die Kinder neben ihm hüpften begeistert auf und ab.
Babe deutete nach links, wo die hell beleuchtete Stahlorchidee wie ein Weihnachtsornament am Himmel hing, die Rentiere reagierten unverzüglich. Zweimal umkreiste der VLH den Regierungssitz, die Mädchen und Babe winkten den Feiernden auf den Aussichtsplattformen zu bzw. streckten ihnen alternativ die Zungen raus, dann hatten die Tiere genug und zogen fast senkrecht nach oben, die Kutsche im Schlepptau.
Sekunden später kullerte der Mond an ihnen vorbei. Der Weltraum war wie üblich ziemlich dunkel und mit Sternen gespickt.
Gucky schüttelte langsam den Kopf. Surreal.
Unermüdlich strebten die Rentiere voran, ihre Nüstern dampften, von den Hufen sprühten Sternschnuppen.
"Und wie heißt diese große Murmel?"
Das eine Mädchen guckte unschuldig zur Seite, seine volle Aufmerksamkeit galt einem hübsch blinkenden Sternchen ganz rechts oben. Das zweite sah dermaßen erschrocken und ertappt drein, dass Gucky sich schon zu ihm beugte, um ihm die Antwort ins Ohr zu flüstern. Das dritte reckte den rechten Arm hoch und winkte damit ungeduldig, bis es endlich auf Babes Nicken hin triumphierend die Antwort verkünden durfte: "Jupiter! Das ist der Jupiter!"
"Richtig, Bianca", bestätigte Babe. "Sehr gut." In Anerkennung des beeindruckenden Wissens ihrer Schwester verdrehte Veronika die Augen, während Bambi erlöst die Luft ausstieß.
"Gehen wir rein."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Natürlich erwies sich das Innere des 'Schlitten' als erheblich größer als es seinen äußeren Maßen zufolge sein konnte. Traumlogik. Babe brachte ihn zunächst in den Frachtraum, eine gewaltige Halle, die bis zum Rand vollgepackt war. Die Palette reichte von kleinen Päckchen bis zu großen Transportcontainern. Nach dem ersten Blick war Gucky überzeugt, dass sie in dieser kurzen Zeit nur einen Bruchteil der vorhandenen Geschenke würden ausliefern können, aber das Weihnachtsbabe sagte nur: "Nö, das klappt schon."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Der Container war riesig. Er enthielt offenbar eine komplette mobile Sanitätsstation.
"Ich bezweifle, dass ich mit diesem Ding teleportieren kann. Es muss Tonnen wiegen."
"52 metrische Tonnen, ein paar Zerquetschte", bestätigte Babe. "Aber ich bezweifle es nicht." Sie drehte sich im Kreis und deutete auf weitere der MobMeds. "Insgesamt 27 davon. Die Koordinaten, an denen du die Stationen absetzt, hat dir das Virenbewusstsein von VLH-16 bereits übermittelt. Du musst einfach an Ziel 1, Ziel 2, ... bis Ziel 27 denken und springen."
"Kann dein VLH die Stationen nicht einfach absetzen?"
"Und wozu haben wir dann einen Gucky angeheuert? Beim ersten Sprung nimmst du uns bitte mit. Ich muss die anwesenden Ärzte instruieren."
"Ich ..."
"Gucky, wir haben einen Zeitplan einzuhalten."
"Klar." Okay, dann würde er also jetzt versuchen, mit 52 Tonnen und vier Personen -- okay drei davon Leichtgewichte -- zu teleportieren. An sich müsste ihn die Anstrengung sofort ausknocken.
"Gucky."
Er sprang.
Die Station rumpelte neben ihm in den Sand, erwachte summend zu Leben. Schotte öffneten sich, Module wurden ausgefahren.
Gucky keuchte und kämpfte damit, seinen Mageninhalt bei sich zu behalten. Es hatte sich nicht nach 52 Tonnen angefühlt aber es hatte ihn dennoch ziemlich mitgenommen.
Sie standen in einer Wüste, am Rande einer Oase. Aus weißen Gipsbauten kamen in diesem Moment Gestalten gerannt.
"Gut. Gucky, du machst mit den anderen 26 weiter. Wir reden mit den Behörden."
"Nur einen Moment. Ich muss ..."
"Dich beeilen. Du machst das prima, Gucky."
"Mädchen, bis jetzt warst du mir erstaunlicherweise nicht mal unsympathisch." Sprach's und sprang.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Das klapperdürre Wesen besaß drei Arme und Beine. Sein Kopf glich einer dicht behaarten Ananas, dort mochten sich irgendwo Augen, Ohren, Mund verbergen, aber Gucky hatte sie noch nicht entdeckt. Das Wesen flüsterte "Danke" und nahm der freudestrahlenden Veronika vorsichtig den Korb mit Früchten aus den Händen.
Gucky kannte dieses Volk nicht, es beherrschte Interkosmo, mochte deshalb wohl in der Milchstraße beheimatet sein. Ananaskopf, dreiarmig, dreibeinig. Verelendigt am Rande einer Millionenstadt, deren beeindruckendes Lichterspiel den Horizont erleuchtete.
Die hier waren die Verlierer dieser Gesellschaft. Verarmt, hungernd, abgedrängt in die Slums.
"Frohe Weihnachten", blubberte Bianca und drückte einer Triped, zwischen deren Beinen sich ein kleiner Vertreter dieser Art versteckte, ein Paket Spielsachen in die Hände.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Die LFT, das Galaktikum ... alle größeren Staatengebilde der Milchstraße unterhalten Förderprogramme für Not leidende Welten. Übergreifende Hilfsorganisationen ..."
"Ja. Und alle sind überlastet. Immer noch Nachwirkungen der Dunklen Jahrhunderte, der Verwüstungen durch TRAITOR ... Und du weißt, dass gegenwärtig Wohltätigkeit keinen zu großen Stellenwert einnehmen kann. Polyport. Man darf den Anschluss nicht verpassen, hier sind Gelder für die Zukunft richtig angelegt."
"Aber dir ist auch klar, wie verschwindend wenig deine Aktionen hier bewirken. Selbst nur auf diesen Planeten bezogen, sind deine Spenden kaum mehr als ein Tropfen auf einem glühend heißen Stein."
Babe neigte den Kopf zur Seite, betrachtete die Tripedmutter, die geduldig ihr Kleinkind fütterte. "Das ist Ansichtssache."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Lebensmittel, Saatgut, Medikamente, Decken, Kleidung, Spielsachen ...
Planet nach Planet. Babe nannte zu jeder Welt den Namen, aber dieser sagte dem Mausbiber in der Regel nichts.
Die Kinder wurden nicht müde.
Babe sowieso nicht.
Und Gucky seltsamerweise auch nicht.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Die Kleinen versorgten ihn mit Süßigkeiten. Babe war irgendwo in diesem seltsamen Raumschiff zugange, um das nächste Ziel der Reise anzusteuern. Die Drillinge kümmerten sich um Guckys -- und auch das eigene -- leibliche Wohl.
"Die bringt uns immer Tante Pasty mit!", erklärte Veronika und hielt ihm einen Teller mit diversen Schokoriegeln hin. Als der Mausbiber dankend ablehnte, mussten sich eben die drei der Leckereien erbarmen.
Bambi deutete auf eine Schüssel mit Gebäck, welches keinen Abnehmer fand. Undeutlich, weil kauend, mit schokoladeverschmiertem Schnütchen verkündete sie: "Die hat Tante Babe selbst gebacken." Seufzte, legte das Stirn in Falten und fügte nach einigem Nachdenken großmütig hinzu: "Sie meint es ja gut."
"Kochen und Backen ist einfach nicht ihr Ding", bestätigte Bianca und alle drei nickten heftig.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Irgendeine Menschenwelt. Ein Kinderhospital.
Eines von zahllosen Krankenhäusern dieser endlosen Vierstundenreise.
Dieser Planet war arm, die Ausstattung der Klinik miserabel. Veronika, Bambi und Bianca liefen durch die Zimmer, drückten den Insassen Stoffguckys, Teddybären, Barbiepuppen, Bausätze in die Hände. Babe übergab der überwältigten Chefärztin Medikamente, Hygienesets und Medokits, Tonnen von Material, die Gucky heranschaffte.
Als Gucky mit der letzten Ladung im Innenhof materialisierte, packte ihn die wartende Bambi am Arm und zog ihn hinter sich ins Krankenhaus. Sie rannte mit ihm im Schlepptau durch die Gänge, bis sie in einem abgedunkelten Sektor des Baus ankamen. Bambi führte den Ilt zu einem der Zimmer, öffnete die Tür und schob ihn hinein.
Eine Krankenschwester, die auf einem Stuhl neben dem Bett saß, blickte auf.
"Hallo", sagte Bambi, knickste und zerrte den Ilt zu dem Bett.
"Kleines, ich hab dir schon gesagt, dass hier kein Besuch ..."
"Sssh. Gucky, das ist Louis. Louis ..."
"Hallo Louis." Der Ilt setzte sich an das Bett des ausgemergelten Jungens. Das Kind sah aus wie ein Greis. Sein Kopf war kahl und glich einem Totenschädel. Louis hielt in den kraftlosen Händen eine Mausbiberpuppe und erklärte mühsam und mit kaum hörbarer Stimme, dass er Guckys größter Fan sei.
"Louis braucht Ruhe", sagte die Krankenschwester und blickte mit strengem Gesichtsausdruck auf sie herab.
Gucky sah die Angst in den Augen des Kindes aufflackern. Er las seine Gedanken, er las die Gedanken der Betreuerin. Das Bündel Leben vor ihm war sechs Jahre alt, nächste Woche stand sein siebter Geburtstag an. Die Krankenschwester ging nicht davon aus, dass er diesen Tag erleben würde.
Louis flüsterte etwas.
"In Ordnung." Gucky nickte. "Ich bin hier. Ich gehe nicht weg." Zu der älteren Frau hin wiederholte er: "Ich gehe nicht weg. Hmm. Das ist ein großer leerer Raum hier. Was hältst du davon, Louis' Freunde hierher zu holen? Katy, Anziones, Willy und wie sie alle heißen. Frag' jemanden, der das bewilligen kann und will."
Und der Mausbiber verbrachte die nächsten Stunden damit, Louis und den sich um sie herumversammelnden Kindern Anekdoten aus seinem Leben zu berichten und ihnen telekinetischen Kunststückchen vorzuführen. Die Story, wie Icho die Unterhosen geklaut wurden, kam wie immer sehr gut an.
Als Babe und die anderen beiden hereinsahen, erklärte er, dass er die Weihnachtstour abbrechen und noch ein paar Tage bleiben müsse.
Babe strich mit der Hand sanft über Louis' Kopf und sagte: "Das ist kein Problem. Es gibt einige Dinge, die wir ohne dich erledige können. Wir holen dich ab."
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Günther Drach
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Der Mausbiber harrte am Bett des Jungen aus, erzählte ihm Geschichtchen, fütterte er ihn geduldig, gab ihm zu trinken, tupfte ihm den Schweiß von der Stirn. Er hielt seine Hand, tröstete. Er lauschte seinen Fieberträumen.
Er war da, als Louis kurz vor der Morgendämmerung aus dem Schlaf schreckte, in Gedanken vor Angst und Schmerzen schreiend, unfähig einen Ton zu formulieren, unfähig nach Luft zu schnappen.
Gucky hielt seine Hand, während der Kleine ihn mit geweiteten Augen anstarrte. Er versuchte vergeblich, seine versagende Lunge am Arbeiten zu halten.
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Günther Drach
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Der Weihnachtsmannanzug bestand nicht aus normalem Gewebe, er war aus Virenmaterie gefertigt. Er verwandelte sich in einen dunklen Anzug, so dass Gucky in einer angemessenen Kleidung an der Beerdigung des Jungen teilnehmen konnte.
Und so, am Mittag dieses Tages, stand Gucky allein im Friedhof nahe des Kinderkrankenhauses, starrte auf das frische Grab, starrte auf die anderen kleinen Grabsteine und -stelen. Er las die Geburts- und Todesdaten: so kurze Lebensspannen, nur Promille seines eigenen Lebens.
Ein Schatten fiel auf ihn und er blickte hoch. Der VLH, in Schlittengestalt mit seinem lächerlichen Rentiergespann, flog über den Friedhof hinweg und verschwand hinter den Gebäuden des Krankenhauses. Müde und langsam setzte sich der Ilt in Bewegung.
Als er das schmiedeeisern Tor aufschob, kamen ihm Babe und die drei Kinder entgegen.
"Bleibt bei ihm, ich bin sofort wieder da.", sagte Babe zu den Mädchen.
An der Friedhofsmauer stand eine kleine Bank. Gucky schlurfte zu ihr und setzte sich. Er sah die drei Mädchen an und murmelte: "Er ist gestorben. Louis ist heute morgen gestorben."
Die drei sahen ihn betreten an.
"Ich konnte ihm nicht helfen."
Die eine, es mußte sich um Bambi, eigentlich die Schüchterne von ihnen, handeln, drehte ihre Mütze in den Händen, dann sagte sie langsam und stockend: "Du hast ihm geholfen."
"Nichts habe ich für ihn tun können. Dasitzen und warten. Ich ..."
"Du warst sein Held, Gucky."
"Sein Held." Gucky der Retter des Universums. 3000 Jahre. Louis. Gerade mal sechs Jahre. Gucky der Retter des Universums.
"Du warst bei ihm. Du hast ihm geholfen."
Gucky sah die Kleine an. Ihre Augen glänzten feucht und ihr Kinn zitterte. Bambis Gedanken waren Gucky immer noch verborgen, aber er spürte die tiefe Zuneigung, die sie ihm entgegen brachte. Und ihre Angst. Er ließ den Kopf sinken. "Es tut mir leid, Mädchen. Ich bin nur ... Ich bin nur so schrecklich traurig."
Er hörte, wie Bambis Füße in ihren roten Stiefelchen über den Kies trappelten. Er spürte, wie sie ihre Arme um ihn legte, wie sie ihr tränennasses Gesicht in seinen Pelz drückte. Sie flüsterte erstickt: "Du musst nicht traurig sein. Du hast ihm geholfen."
Rechts und links von ihm kletterten Bambis Schwestern auf die Bank und schlangen ihre Arme um ihn.
Gucky stellte fest, dass ihm der so dargebotene Trost und die Zuneigung gut taten und ließ die Menschlein dankbar gewähren.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Kinder. Gucky. Wir sollten uns wieder auf den Weg machen."
Gucky hob den Kopf und die drei Mädchen lösten ihre Griffe. Babe stand vor ihnen und sah auf ihre Schützlinge herab. Nein, dachte Gucky, das ist kein Roboter. Kein Roboter könnte soviel Liebe und Stolz vermitteln.
Nachdem die Drillinge von ihm gelassen hatten, erhob sich der Ilt schwerfällig. Er bemerkte, wie seine Kleidung sich in Farbe, Struktur, Schnitt änderte. Schon bald würde er wieder im Weihnachtslook gewandet sein.
"Du warst da für Louis in seinen letzten Tagen. Du hast ihm damit seinen größten Wunsch erfüllt. Er war nicht allein. Sein größter Held war bei ihm. Bambi hat recht: Du hast ihm geholfen."
Gucky sah an Babe vorbei auf den Friedhof. Blumen blühten auf jedem Grab: Rosen, Orchideen, Lilien aus hauchzartem Kristall, wenn ein Sonnenstrahl auf ihr Gewebe fiel, leuchteten sie in allen Farben des Regenbogens.
"Er war so jung. Diese Gräber. Sie hatten so wenig Zeit."
"Ein Freund von mir hat einmal gesagt, das Universum wäre ein kalter Platz, ohne Gefühl, ohne Verständnis, ohne Mitleid. Er meinte, wir wären dafür zuständig, Wärme in diese Welt zu bringen. Trost, Barmherzigkeit, Liebe. Ich denke, er hat Recht.", sagte das Roboterfräulein leise. "Diese Blumen werden ewig blühen. Bring uns bitte in den VLH zurück."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Wir haben noch eine ganze Menge zu tun und die Zeit wird allmählich knapp."
Gucky nahm Bambi dankbar eine Tasse Kakao ab. Nachdenklich betrachtete er den noch immer voll gestopften Laderaum. "Ich war zwei Tage auf diesem Planeten. Die vier Stunden sind längst abgelaufen."
Babe präsentierte ihm ihre Taschenuhr, die eine halbe Stunde bis Mitternacht zeigte. "Du willst dich doch nicht etwa drücken?"
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Der Mann saß fast regungslos zwischen den Geschenken. Er trug Uniform, eine abgenutzte Montur und seine Hände umklammerten ein Gewehr. Er starrte aus blutunterlaufenen Augen ins Leere, seine Kiefer mahlten, er kaute beständig -- das schien die einzige Lebensäußerung zu sein, die mahlenden Kiefer in diesem schmutz- und blutverkrusteten Gesicht. Er reagierte nicht auf Veronika, die ihm eine Schale mit Obststücken hinhielt. Gucky versuchte, seine Gedanken zu lesen, fand aber nur Bilder von Zerstörung und Tod. Seine Umwelt schien der magere Mann, der Gucky trotz allem recht jung vorkam, nicht wahr zu nehmen, vor seinem inneren Auge wiederholten sich nur immer wieder die gleichen Szenen. Körper, die von Kugeln zerfetzt wurden. Verstümmelte, qualvoll schreiend. Er selbst, der einen anderen mit dem Bajonett seiner Waffe aufschlitzte.
Gucky sah ratlos zu Babe hoch.
"Der Krieg ist vorbei", sagte das Robotermädchen leise. "Eine Seite hat gewonnen. Unzählige haben verloren. Viel zu wenige kehren zurück zu ihren Eltern, ihren Geliebten. Manche haben überlebt, aber kehren nie zurück." Sie beugte sich zu dem Mann, küsste ihn auf die Stirn und hielt Gucky die Hand hin.
Die meisten Häuser waren zerstört, verkohlte Skelette, Ruinen umgeben von Schutt. Nur wenige Gebäude waren verschont geblieben. Die Nacht war kalt, der Wind schnitt in ihre Gesichter. Der Mann neben Gucky und dem Roboterfräulein begann zu zittern. Gucky lauschte in seinen Gedanken, die schrecklichen Bilder waren noch vorhanden, aber abgeschwächt, nur noch Schatten, die immer mehr zurückgedrängt wurden. Stattdessen sah er Gesichter, den Vater, die Mutter, die Schwester, das Mädchen. Er hörte den Schwur, den der Mann seinem Mädchen geleistet hatte: "Ich komme zurück. Das versprech' ich dir. Du wartest, ich komme zu dir zurück."
"Dein Elternhaus wurde zerstört und sie mussten beim Bruder deines Vaters Zuflucht nehmen. Es ist dieses Haus." Sie drehte den Soldaten in die entsprechende Richtung. "Siehst du die Lampe im Fenster? Mari lässt sie jede Nacht brennen, obwohl das Öl rationiert ist."
Der Mann wollte einen Schritt tun, brach in die Knie. Babe nahm ihn in die Arme, trug ihn zu dem Haus. Sie setzte ihn vor der Haustür ab und schlug mehrmals gegen die dort angebrachte Glocke. Dann lief dann zu Gucky zurück. Gucky sah, wie Licht in den Zimmern anging, wie sich die Haustür öffnete. Er hörte den Schrei einer Frau. Er sah, wie diese sich über den Knienden beugte, ihn umklammerte.
"Du hast seine Erinnerungen gelöscht."
"Er hat Dinge gesehen, Dinge getan. Ohne diese Erinnerungen wird er leben können." Sie hielt ihm die Hand hin. "Wir müssen hier noch einige Tonnen Heizmaterial und Proviant abliefern."
Er nickte. Sowenig Zeit. Soviel zu tun.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Und dann war der Lagerraum leer.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Nun. Ich muss sagen ... Es hat mir geholfen. Diese Aktionen hier haben mir tatsächlich gut getan. Es hat mich von meinen trüben Gedanken abgelenkt, ich konnte anderen helfen." Er schnaubte. "Ich muss euch Danke sagen."
"Gern geschehen, Gucky. Aber wir sind noch nicht fertig. Eine Station fehlt. Einen müssen wir noch glücklich machen." Babe blickte auf ihre Uhr. "Zehn Minuten. Das schaffen wir gerade so."
Gucky drehte sich etwas ratlos im Kreis. "Aber es ist nichts mehr da."
"Letzte Station, Mädels", rief das Roboterfräulein den drei hereinspazierenden Knirpsen zu.
"Hier ist absolut nichts mehr", bemerkte der Mausbiber noch einmal.
"Pfote."
Er zuckte mit den Schultern und ergriff Babes Hand. Die Mädchen drängelten sich an ihn.
"Und wo geht's hin?"
"Mädels?"
Die Drillinge krähten unisono: "Siebenschläfer."
"Die Daten sind schon in deinem Kopf. Spring."
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Sie materialisierten am Rand eines kleinen Wäldchens. Ein paar Dutzend Meter entfernt stand ein kleines Häuschen mit Veranda. Schatten bewegten sich hinter beleuchteten Fenstern. Gucky glaubte Gelächter und Stimmen zu vernehmen. Sein telepathischer Sinn vermittelte ihm nur undeutliches Rauschen.
Es war Nacht und es herrschte ein angenehm kühles, aber definitiv nicht winterliches Klima. Über ihnen glitzerten Sterne; Gucky versuchte vergeblich, bekannte Sternbilder auszumachen.
"Gemüseanbau", bemerkte der Ilt. "Könnten Gurken sein. Riesenkarotten?"
"Vegetarier." Babe ging voran. "Aber ich habe gehört, ihr Kartoffelschnaps soll ausgezeichnet sein."
"Was bringen wir ihnen mit?"
Die vier Weihnachtsmädels schwiegen. Gucky folgte ihnen brummelnd zu dem Häuschen. Es handelte sich tatsächlich um Riesenkarotten. Faszinierend.
Gucky konzentrierte sich auf die Fenster, aber da tauchte keine Gestalt mehr auf. Es schien, als hätten die Einwohner des Hauses die sich Nähernden bemerkt und würden sich jetzt verstecken.
Aus unerfindlichen Gründen wurde er unruhiger, je näher sie dem Gebäude kamen.
Die Verandatreppe, die Stühle, Tische, Bänke schienen allesamt für klein gewachsene Wesen, vielleicht von Guckys Größe, ausgelegt.
"Gucky?"
Der Mausbiber drehte sich um. Babe hatte sich auf die Knie nieder gelassen und sah ihn ernst an. Bambi lief an ihm vorbei zur Tür. Veronika und Bianca begannen, seinen Kragen zu richten und die Jacke ordentlich zu knöpfen. Gucky ließ dies stoisch über sich ergehen und sah das Roboterfräulein fragend an.
Die wirkte tatsächlich verlegen, druckste ein bißchen, bis sie schließlich anfing: "Du solltest eines wissen, Gucky. Siebenschläfer ist eigentlich so gut wie unmöglich zu erreichen. Siebenschläfer ... es liegt nicht in deinem Universum. Nur zu bestimmten Zeiten, sehr selten, unter bestimmten Voraussetzungen ..."
"Ja?"
"Wir haben es uns gewünscht", wisperte Bianca. Gucky hörte Bambi an die Tür klopfen.
"Es war der Wunsch der Kinder", bestätigte Babe. "Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich hatte Angst vor deiner Reaktion. Was auch immer du denkst, ich und die Kinder, wir wollen dich hiermit nicht verletzen."
Die Tür öffnete sich, knarrend wie es sich für Holztüren in einer solchen Situation geziemte. Eine Stimme sagte etwas.
Bambi antwortete in der gleichen Sprache.
Gucky fühlte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. Er kannte die Sprache. Vor ein paar Monaten hatte er in dieser Sprache Liebkosungen geflüstert, sie zuvor Jahrhunderte, Jahrtausende lang nicht verwendet.
Es war die Sprache seines Volkes, die Sprache der Ilts.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

"Das hier ist Gucky. Oder, wenn er das vorzieht, Plofre.", sagte Babe auf Iltisch. "Gucky, das hier sind Diogenes, seine Frau Gundy und ihr Enkel Samson. Samsons Frau Gerwyn. Ihr Jüngstes Fran."
Guckys Beine verweigerten ihren Dienst. Er konnte sich einfach nicht umdrehen, starrte hilflos auf Babe, Bianca und Veronika. Schießlich ergriff ihn Babe an den Schultern und drehte ihn sanft um.
"Hallo Gucky", begrüßte ihn Gundy, umarmte ihn und rieb ihre Schnauze an seiner. "Oder Plofre?"
Guckys Herz hämmerte wie verrückt und in seinen Ohren rauschte das Blut. "Gucky", stotterte er. Unter dem Namen Plofre war er geboren worden. Gucky hatte er Jahrtausende lang gelebt. "Gucky bitte."
Diogenes ergriff seine Hände. "Es freut uns ungemein, dich kennen zu lernen."
Samsons Händedruck war zögerlicher.
Gundy nahm Gerwyn das Baby aus den Händen, diese umarmte Gucky und rieb sanft ihre Schnauze an seiner. Das Baby beobachtete das Geschehen misstrauisch. Gucky warf einen Blick zu Babe, die grinsend zur Decke deutete. Mistelzweig.
Hinter den fünf standen neugierig andere Gäste des Hauses. Junge und Alte. Männer, Frauen, Kinder.
Mausbiber.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Mausbiber.
Es waren Mausbiber.
Gucky unterhielt sich mit Diogenes und den Männern über Mohrrübenanbau und über Siebenschläfers Wirtschaft.
Er ließ sich von Gundy, Gerwyn und den Frauen über die leidigen Probleme der Haushaltsführung und der Kindererziehung aufklären. Das Unglaubliche war: er hätte ihnen Stunden einfach nur zuhören können.
Er erzählte von der Erde, von den Menschen. Von Rhodan, Bull und den anderen. Überraschenderweise zeigten sich die Siebenschläfer-Mausbiber recht gut informiert über Guckys Leben und Welt.
Er spielte mit den Kindern.
Er aß den besten Gemüseeintopf seit Ewigkeiten, leistete sich zu Gundys Freude vier große Stücke ihres Kürbiskuchens und sprach dem wirklich ausgezeichneten Karottenschnaps ausgiebig zu.
Er flirtete mit zwei jungen Mausbiberinnen. Er flirtete tatsächlich! Und sein alter Charme wirkte immer noch! Es war nicht zu glauben: Er flirtete!
Er hielt Fran in den Händen, eine Handvoll Leben, ein paar Wochen alt. Es war das wundervollste Geschöpf, das er in Jahrtausenden gesehen hatte. Das kleine Mausbiberfräulein zwickte ihm mit winzigen Händchen in die Nase, klammerte sich minutenlang an seinem Nagezahn fest, gähnte dann gelangweilt und schlummerte ein.
Ab und zu warf er einen Blick zu dem Kosmokratenroboterfräulein, das sich in eine Ecke des Zimmers zurückgezogen hatte und dort umringt von einer Schar Kinder -- Ilts und den drei Rabauken -- aus einem Buch Märchen vorlas. Immer wenn er sie fragend ansah, hob sie beruhigend ihre Uhr hoch, auf der sich der Sekundenzeiger mannhaft weigerte, auch nur einen Millimeter weiter zu rücken.
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Re: talentfreie zone: eine art weihnachtsgeschichte

Beitrag von Günther Drach »

Der junge Ilt saß alleine auf der Verandatreppe und blickte den bewaldeten Anhang hinauf. Gucky trat neben ihn und folgte seinen Blicken. Zwischen den Bäumen glitzerte der VLH. Erstaunlich, dass die Pseudorentiere kein Interesse an Diogenes' Mohrrübenzucht zeigten.
"Hallo Samson. Du hast nichts dagegen, wenn ich mich etwas zu dir setze?"
Der graupelzige Ilt nickte nur. Gucky ließ sich ächzend nieder. Samson rückte unwillkürlich von ihm weg.
"Deine Großeltern und deine Frau ...", Gucky wies zum erleuchteten Fenster hin. "Sie haben darum gebeten, dass ich mich etwas mit dir unterhalte." Er zuckte mit den Achseln und brummte. "Sie scheinen sich Sorgen um dich zu machen."
Samson warf ihm einen kurzen Blick zu.
"Du bist kein sehr gesprächiger Typ. Ist in Ordnung."
Minutenlang saßen sie nebeneinander da, betrachteten die Sterne, den Wald, die Felder. Schließlich hatte der Junge all seinen Mut zusammengerafft und sagte: "Mein Vater ... Mein Vater war einer der größten Ilts, die je gelebt haben."
"Ja?"
"Alles was ich in meinem Leben getan habe, war ihm nachzueifern. Ich wollte, dass er stolz auf mich sein konnte."
"Fordert er das von dir? Dass du dich würdig erweisen sollst? Komischer Knabe."
"Nein. Er fordert nichts von mir." Samson starrte ihn mit tränenden Augen an. "Er und meine Mutter starben kurz nach meiner Geburt."
"Das tut mir leid."
"Ich wollte sein wie er, ein Held." Samson schnaubte. "Ich war Telepath, Telekinet, Teleporter wie er. Den größten Teil dieser Kräfte habe ich verloren. Ein ... ein Unfall, den ich mehr tot als lebendig überstanden habe. Ich werde nie ein Held wie mein Vater sein."
"Samson, Junge." Gucky ergriff die Hände des Jüngeren und musterte sein Gesicht. "Junge, das ist Quatsch." Er schüttelte den Kopf. "Samson, du ergehst dich in Selbstmitleid, weil du dir einbildest, den Anforderungen deines Vaters nicht gerecht werden zu können. Obwohl du nicht einmal weißt, ob dein Vater überhaupt solche Anforderungen stellen würde?"
"Ich ..."
"Quatsch. Er war einer der größten Ilts von Siebenschläfer? Wenn er wirklich so ein toller Typ war, dann hätte er nicht im Traum von seinem Sohn verlangt, sich zu beweisen." Gucky seufzte tief. "Ich sag dir, dein Vater, würde er leben, er wäre stolz auf das, was du erreicht hast." Er nickte zu den erleuchteten Fenstern hin. "Du hilfst deinem alten Großvater, seine Felder zu bewirtschaften. Du hast eine wunderbare Frau, einen prachtvollen Sohn und ein süßes Baby. Sie lieben dich. Verdammt nochmal." Er senkte den Kopf. "Du weißt nicht, wie sehr ich mir eine solche Familie wünschen würde. Wärst du mein Sohn, ich wäre gewaltig stolz auf dich." Er ließ den Nagezahn aufblitzen. "Und du musst wissen, ich bin in der Milchstraße auch ein einigermaßen berühmter Ilt."
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