~~~ Die Reisenden - Reiseberichte von George

[George]

Was bisher geschah ...

[George]

Ort: BASIS-Kugel
Zeit: 2654 PR

Rahiq Aslan erwachte. Einen Moment lang genoss sie das Gefühl der Schläfrigkeit, dann fielen ihr siedend heiß die Geschehnisse der letzten Tage ein. Sie riss die Augen auf und stöhnte gequält.

Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit wollte sich breit machen. Nein, sagte sie zu sich, ich werde kämpfen. Sie warf energisch die Bettdecke zur Seite, setzte sich auf die Bettkante, reckte und streckte sich. Als sie sich erhob, fiel ihr Blick auf den Mann, der noch schlafend da lag. Sie lächelte einen Moment liebevoll, dann riss sie sich los und ging zur Türöffnung.

Sie trat hinaus auf die Veranda der Holzhütte. Vor ihr dehnte sich ein breiter Strand vor einem endlosen Meer aus. Sie ging - nackt wie sie war - hinaus auf den Strand und zielstrebig auf das Wasser zu. Dort angekommen, stürzte sie sich kopfüber in die Fluten. Während sie sich treiben ließ, wurde sie von Wirbeln aus einer Wasseremulsion durchgewalkt. Ihre Haut wurde gereinigt und die Körperfunktionen stimuliert. Sie hatte ein paar Tage gebraucht, um sich an diese Art der Morgentoilette zu gewöhnen, aber nun mochte sie sie nicht mehr missen.

Gereinigt und erfrischt betrat sie wieder den Strand. Eine Windhose erschien aus dem Nichts, erfasste sie, blies sie trocken und verschwand wieder. Nun umwehte Rahiq nur noch eine warme, leichte Brise während sie sich auf den Rückweg machte.

Auf dem Weg zur Hütte kam sie unter einer Palme entlang. Sie blickte hinauf und fixierte nacheinander zwei Kokosnüsse. Diese lösten sich im nächsten Moment und fielen herab. Geschickt fing sie die Nüsse auf und schlenderte damit weiter zum Haus.

Im Schlafzimmer angekommen, ließ sie sich auf das Bett fallen. Eine Kokosnuss legte sie vor das Gesicht des schlafenden Mannes, die andere nahm sie in ihre Hand. Mit den Fingern der freien Hand klopfte sie leicht gegen die Nuss. Es knackte als die Nuss sich teilte. Sie nahm das obere Stück ab und trank aus der unteren in kleinen Schlucken.

„Guten Morgen“, sagte der nun erwachte Mann.

„Guten Morgen, Kapitän Nelson“, gab Rahiq lachend zurück. „Na, du Schlafmütze, ihr Beiboot-Leute führt an Bord des Mutterschiffs wohl ein Lotterleben“, neckte sie ihn.

„Hast du eine Ahnung“, erwiderte er empört. „Da jagen sich die Besprechungen, das Schiff muss aus- oder umgerüstet werden, die Besatzung muss geschult werden und jede Menge Test-, Schutz- und Explorer-Flüge müssen absolviert werden. Und, und, und ...“

„Ja, ich weiß“, sagte Rahiq ernst und wirkte traurig.

„Was ist?“ fragte er besorgt.

„Ach!“ Sie seufzte. „Es gibt Ärger mit George. Er hat Gucky psionisch abgereicherte Mohrrüben untergejubelt, und als der Ilt seiner Mutanten-Fähigkeiten beraubt war, hat George ihn in einem Hangar an der Decke fliegen lassen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wütend Gucky ist. Er verlangt, dass George abgeschaltet wird. Wortwörtlich sagte er, er lasse den irren Roboter solange gegen die Decke fliegen bis die letzte lose Schraube abgefallen sei. Ich muss in die Polizeistation und mit George sprechen. Ich hoffe, ich kann ihn retten.“

„Ganz bestimmt. Wenn man sich überlegt, was Gucky schon alles angestellt hat, dann war so ein kleiner Streich überfällig und angemessen. Man sollte George einen Orden verpassen. Ich sehe mal zu, was ich machen kann.“ Sie ergriff seine Hand und blickte ihn dankbar an.

Dann drehte sie sich um und öffnete das Etui auf ihrem Nachttisch. Darin waren eine Halskette und fünf erbsengroße Kugeln: Zwei blaue, zwei schwarze und eine rote. Sie tippte mit den Fingerspitzen auf die blauen Kugeln. Diese hafteten an den Fingern bis sie Kontakt mit den inneren Augenwinkeln bekamen. Von dort flossen die Kugeln auf die Augen und formten Datenlinsen über den Iriden.

Die schwarzen Kugeln führte Rahiq an die Ohren. Kaum hatten die Kugeln Kontakt mit den Ohren, da wurden sie scheinbar lebendig und schoben sich in die Gehörgänge, reinigten sie und schmiegten sich schließlich an das jeweilige Trommelfell. Ein Gefühl von Frische und Hellhörigkeit ließ sie wohlig erschauern.

Schließlich legte sie noch die Halskette an und verrieb die rote Kugel über ihre Lippen.

Rahiq erhob sich, ging zum Schrank und öffnete ihn. Sie griff nach einer einteiligen Bordkombi. Das weite Kleidungsstück war vorn geöffnet, so dass sie leicht hineinschlüpfen konnte. Ihre nackten Füße glitten die Hosenbeine hinab bis in die integrierten Stiefel. Nachdem sie mit Beinen und Unterleib im Anzug war, steckte sie die Arme in die Ärmel und zog das Oberteil über die Schultern. Sie schloss die Einstiegsöffnung. Der Anzug begann sich nun wie eine zweite Haut an ihren Körper anzuschmiegen.

Aus einem der Schrankfächer entnahm sie einen schwarzen, fingerdicken, unterarmlangen Stab. Sie strich damit über ihre Haare. Das Gerät lockerte und ordnete mit elektrostatischen Kräften die Haare, gab Halt und Volumen.

Sie blickte in den seitenrichtig darstellenden Feldspiegel am Schrank und prüfte ihr Aussehen. Sie spitzte die roten Lippen. „Lippen. Blass-rosa“, sagte sie. Die Nanosonden änderten ihr Farbschema. Sie nickte zufrieden.

Nach einem Abschiedskuss verließ sie das Haus. Draußen schaute sie in den Himmel und rief: „Ausgang!“ Ein Antigravfeld erfasste sie und hob sie in den Himmel. Sie flog mit rasender Geschwindigkeit auf eine Plattform zwischen den Wolken zu. Dort wurde sie sanft abgesetzt. In der Mitte der Plattform stand ein Schott. Als sie darauf zu ging, öffnete es sich.

Ein Korridor wurde erkennbar. Sie stieg hindurch und blickte nun von der anderen Seite auf das sich schließende Schott mit einer Aufschrift: „Simulator Lusamuntra“. Ein wirklich hübscher Name, dachte sie, da haben wir wirklich einen schönen Ort zum Ausruhen gefunden. Viel besser als diese konventionellen Raumschiffskabinen.

Dann kehrten ihre Gedanken zu ihrer Aufgabe zurück. Wie konnte sie George retten?

[George]

Ort: BASIS-Kugel
Zeit: 2654 PR

Diese humorlosen Menschen hatten mich tatsächlich eingesperrt. In gewisser Weise wurde damit mein Verdacht bestätigt, dass der Ilt Gucky alias Plofre, der sich offiziell als witzig und spaßig gab, eine dunkle Seite verborgen hielt. Jeder, der sich gegen ihn stellte, musste mit ernsten Konsequenzen rechnen. Womöglich hatte ich mich bereits zu weit vorgewagt. Das Leben eines Roboters galt bei Menschen nicht viel. Und bei Gucky schon gar nicht, wenn man sich die von ihm verübten Massenvernichtungen von ganzen Roboterarmeen ansah.

Man hatte meine Aktoren und Sensoren mit einem Fesselfeld neutralisiert. Meine Kommunikation war weitestgehend geblockt. Ich konnte nur noch eine Verbindung zum Bord-Forum herstellen, in dem die Besatzung der BASIS in ihrer Freizeit über alle möglichen Dinge plauderte.

Das alte Forum der BASIS musste im Rahmen der Kampfhandlungen und der Transformation der BASIS aufgegeben werden. Ein neues Forum war erst seit einigen Tagen aktiv, und es herrschte nun ein reges Kommunikationsbedürfnis nach all den Geschehnissen der letzten Zeit.

Da ging es mitunter hoch emotional zu. Besonders auffällig war die Aufregung um die Zählerstände der Beiträge. Es wurde hier viel Aufmerksamkeit und Energie investiert, um die Stände zu verfolgen und zu erhöhen. Jegliche Äußerung zu dem Thema konnte zu heftigen Reaktionen führen.

Einen Moment lang war ich versucht, ein kleines Programm zu schreiben, dass meinen Zähler in uneinholbare Bereiche anhob. Als ich mir die möglichen Reaktionen vorstellte, nahm ich jedoch wieder Abstand von dieser Idee. Ich musste mit offener Feindseligkeit, wenn nicht sogar mit dem völligen Ausschluss aus dem Forum rechnen. Und damit wäre meine letzte Verbindung zur Außenwelt gekappt.

Stattdessen hoffte ich auf Hilfe aus dem Forum. Ich musste zu meiner Verteidigung Tatbestände zu der Person Gucky zusammentragen. Vielleicht kannte im Forum jemand relevante Vorkommnisse. Ich beschloss, die Akte Gucky anzulegen.

[George]

Die Akte Gucky