»Besondere Anlässe«

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Troll Incorporation
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»Besondere Anlässe«

Beitrag von Troll Incorporation »

Da hier ja gerade Fan-Fiction gesammelt wird ...
... eine Geschichte von mir, die so im Conbuch des 20. ColoniaCons 2012 erschienen ist.

Sie spielt irgendwann vor 3459 alte Zeitrechnung und ich komme jetzt darauf, weil in der Geschichte eine kleine Reminiszenz an "Planet der Puppen" von W. Voltz auftaucht, der gerade neu aufgelegt wird.
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Troll Incorporation
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Troll Incorporation »

Besondere Anlässe
von Dieter Bohn
»Ich bin geblendet!«
Orana Sestore zeigte ein unverschämtes Grinsen, als sie demonstrativ ihre Hand vor die Augen hielt.
Perry Rhodan betrachtete säuerlich sein Spiegelbild. Er trug eine lindgrüne Kombination, auf deren Brustbereich Orden blinkten. Eine farblich passende Schirmmütze beschattete sein Gesicht.
»Im Flottenjargon nannte man das ›Dienstanzug, Komma, groß, Komma, mit Lametta‹«, dozierte er. »Damals … vor tausendvierhundert Jahren. – Und du willst wirklich nicht mitkommen?«
»Damit die Medien sich auf mich als die ›zukünftige First Lady‹ stürzen?« Sie winkte ab. »Nee, lass mal!«
Rhodan stockte. Eine Frage lag ihm auf der Zunge. Doch dies war nicht der Ort und der Zeitpunkt dafür.
»Es gibt Jobs, um die ich dich nicht beneide«, fuhr Sestore fort. Sie ließ ihre Hand sinken und flegelte sich auf dem Bett ihrer Kabine. Es war eine ihrer ersten gemeinsamen Reisen in ihrer noch jungen Beziehung zum amtierenden Großadministrator des Solaren Imperiums.
Rhodan nickte. »Dabei beschränkt sich meine Anwesenheit bei Jubiläen bereits auf wenige ausgewählte Anlässe. Konsch’in’ua ist ein solcher. Der Planet ist eine der ersten Kolonien, die im Zug der Sturm- und Drangzeit des Solaren Imperiums …«
»Du meinst wohl ›Flegeljahre‹, alter Mann.«
»… von menschlichen Kolonisten besiedelt wurden«, überging Rhodan ihren Zwischenruf.
»… erobert wurden!«, stichelte seine Partnerin weiter.
»Eben nicht! Gerade weil diese Welt ein Paradebeispiel für das friedliche Miteinander von terranischen Kolonisten und der eingeborenen Bevölkerung ist, ist es meine Pflicht, bei dieser Jubiläumsfeier ein Zeichen zu setzen.«
Er seufzte und rückte die Schirmmütze zurecht. »Wenn es nach den Anfragen ginge, die über die offiziellen Kanäle reinkommen, müsste ich jeden Tag irgendwo in der Galaxis einem Jubiläum beiwohnen.« Er beugte sich zu der jungen Frau und gab ihr einen Kuss. »Und ich hätte keine Zeit mehr für dich. Mein ›Vorzimmer‹ in der Solaren Administration, die SolAb und meine Ordonanzen sorgen dafür, dass sich diese Anlässe auf einige wenige im Jahr reduzieren. Diese muss ich dann aber auch wahrnehmen.«
»Du kommst also viel herum, darfst Hände schütteln, bekommst Babys in den Arm gedrückt und wirst mit Geschenken überhäuft.«
»So lange ich keine Puppe in die Hand gedrückt bekomme, die mich zu unterjochen versucht. Wie damals auf Tammat.«
Orana lachte.
»Wir fanden das seinerzeit nicht zum Lachen«, gab Rhodan säuerlich zurück. »Es hätte nicht viel gefehlt, und das Plasmagehirn dieses Nebelplaneten hätte das Solare Imperium unterjocht.«
»Ach komm! So schnell wäre das Solare Imperium nicht gefallen. Wie immer hättet ihr damals irgendwie die Kurve gekriegt. Hier ein paar Mutanten, dort eine Flotte der Posbis, die zur Hilfe eilt.«
Sie schaute irritiert, als Perry Rhodan nicht auf ihre Spitzen einging, sondern seinen Arm mit dem Minikom an den Mund hob.
»Notiz! Für den Rückflug nach Terra möchte ich ein Dossier haben, was damals aus den beiden Formwandlermutanten Brent Borghese und seinem Sohn Kersh von Quentins Planet geworden ist.«
Er sah auf.
»Was ist? Unsterblich zu sein, heißt nicht, ein unendliches Erinnerungsvermögen zu haben. Es gibt Dinge, die fallen ›hinten runter‹, doch manchmal braucht es eines kleinen Anstoßes und alles kommt wieder hoch.«
Sestore hob eine Augenbraue. »Wenigstens verfällst du dabei nicht dem Plapperzwang, wie dein Freund Atlan.«

*


Vor wenigen Stunden war er von seinem Flagschiff auf dieses Schiff, die EX 117, gewechselt.
Man hatte die Explorer extra für diesen Anlass von seinem Raumschiffsfriedhof geholt und mit einem Tender vor Ort geschleppt. Rhodan würde mit dem Raumschiff auf Konsch’in’ua landen, das damals die ersten Menschen hierher gebracht hatte.
Während er langsam zur Bodenschleuse schlenderte, verklangen die Geräusche der Landung. Das Gurgeln der hydraulischen Leitungen, vielfältige Schwingungen, die sich in der Kugelzelle ausliefen und das tief im Infraschall angesiedelte Wummern des auslaufenden Triebwerks. Mit Hilfe eines Transmitters hätte er im Nu in der Nähe der Bodenschleuse sein können, doch er hatte bewusst diesen Weg gewählt. Es war wie ein Weg zurück in die Vergangenheit, seine Vergangenheit.
Jede Generation von Raumschiffen besaß ihre eigene akustische Kulisse. Diese hier hatte er seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Sie brachte eine Fülle von Erinnerungen mit sich, denen er sich an diesem Tag gerne hingab. Es herrschte relative Ruhe in der Galaxis. Zur Abwechslung drohte mal keine kosmische Katastrophe und lauerte kein übermächtiger Feind. Doch wer wusste schon, was morgen war. Deshalb gab er sich in diesem Moment der Entspannung gerne der Nostalgie hin.
In diesen Raumschiffen waren die Terraner in den Weltraum vorgestoßen, waren auf erbitterte Feinde und treue Freunde gestoßen.
Die Konsch’in waren solche Freunde. Zwar als Echsenabkömmlinge ›nicht menschlich‹ im eigentlichen Sinne, doch menschlicher als so mancher Humanoide lemurischer Abstammung.
Freunde, die eines besonderen Schutzes bedurften.
Die ersten Jahrzehnte hatten terranische Entwicklungshelfer versucht, die Eingeboreren im übertragenen Sinne ›bei der Hand zu nehmen‹ und sanft in die Moderne zu führen. Jedoch lagen Fortschritt und Eroberung nicht in ihrem Naturell. Und so verharrten sie seit Jahrhunderten in einer selbst gewählten Primitivität, die an Kolonialvölker des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts der Erde erinnerte. Deshalb konnte er sich eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Ein bisschen kam er sich vor, wie in diesem alten Film, den er als Jugendlicher gesehen hatte. Damals, als die Bilder noch flach waren. Mit … wie hieß er noch gleich? Ah, ja, Michael Caine! Gerade so kam sich vor; wie der arrogante Abgesandte des Britischen Empires, der eine kleinen Karibikinsel besuchte. Scharen von Eingeborenen säumten die Straßen und jubelten dem Besucher und der Queen zu.
Er schüttelte dieses Schreckensbild ab.
Das war das Letzte, was er wollte: Sich als Kolonialherr einer vermeintlich zurückgebliebenen Kultur aufspielen. Terra war nicht das Maß aller Dinge. Jedes Volk hatte seine Daseinsberechtigung.
Rhodan hatte das innere Schott der Bodenschleuse erreicht. Kurz hielt er inne, gab sich ein letztes Mal dem Gefühl der Melancholie hin, mit dem ihn dieser Explorer überfallen hatte. Dann holte tief Luft und betätigte den Öffnungsmechanismus.
Die Pflicht rief.

*


»Du siehst so gestresst aus«, empfing ihn Orana Sestore in seiner Kabine. Sie saß im Schneidersitz auf seiner Schlafliege. »Alles O.K.?«
Alles O.K.?, echote es in Rhodan. Er schloss die Augen.
Wieder zogen diese irrealen … surrealen Bilder vor seinen Augen ab.
Ein Meer von gelben Leibern in quietschbunter Kleidung. Die rotstichige Sonne bricht sich auf schillernden Schuppen. Eine Kakophonie aus Zischen, Zwitschern und Gurren. Das Wogen von tausenden von Leibern. Erwachsene und Kinder, die alle die Kleinausgabe der terranischen Flagge schwenken.
Ein Hadrosaurier im Miniformat – der Oberste Gelegebewahrer – tritt ans Akustikfeld. Worte dröhnen über die Menge. Worte, die alles hinfällig werden lassen.

Rhodan riss die Augen auf.
»Hoffentlich habe ich heute Nacht keine Alpträume.«
»War’s so schlimm?«
»Schlimmer! Sie ließen mir keine Chance! Meine vorbereitete Rede über nationale Identität, Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein, … mit einem Satz nichtig geworden. Alles, was ich hatte sagen wollen … es hätte sie zutiefst beleidigt, gekränkt … verletzt.«
Er setzte sich neben sie auf die Bettkante. Sestore rückte näher und rieb tröstend seine Schulter.
Rhodan schüttelte den Kopf. »Und wenn noch tausend Jahre vergehen: Ich werde mich nie daran gewöhnen, wenn ein Wesen, das wie ein archaischer Saurier auf zwei Beinen aussieht, mit einem terranischen Fähnchen wedelt und mit Inbrunst verkündet: ›Ik binn ain Terraner!‹«
Ende
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Retrogame-Fan1 »

Ich hab erstmal bloß den letzten satz gelesen: Spüre ich da etwa ein wenig JFK? Ich bin ein Berliner
Aufgrund aktueller Vorkommnisse im Forum möchte ich darauf hinweisen:
Meine Beiträge stellen lediglich meine eigene/persönliche Meinung dar (solange nicht anders beschrieben) und sind nicht zu verallgemeinern.
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Schnurzel
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Schnurzel »

Eine schöne Story. Die Süffisanz zwischen Orana und Perry hat mir besonders gut gefallen.

Auf welchen Film hast du angespielt?
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Hideo
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Hideo »

Höre ich da schöne, unterschwellige Ironie?? :D

Gefällt mir :st:
Alles hier gepostete ist meine eigene Meinung und auch als solche zusehen. Sollte sich jemand davon angegriffen fühlen, so kann er es gerne sagen.
Noch besser wäre es dann aber, in sich hinein zu horchen, um festzustellen, wieso...


Ein bisschen Lesestoff? Bödde: Vimes für's Kindle oder Vimes Thread

Mehr Stardust?
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Troll Incorporation
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Troll Incorporation »

Schnurzel hat geschrieben:Eine schöne Story. Die Süffisanz zwischen Orana und Perry hat mir besonders gut gefallen.

Auf welchen Film hast du angespielt?
"Wasser - Der Film"

http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser_%E2%80%93_Der_Film
http://www.dvdheimat.de/seiten/wasserderfilm.shtml

Ein tolle Komödie, mit Micheal Caine als dauer-kiffender Gouverneur.
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Schnurzel
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Schnurzel »

Troll Incorporation hat geschrieben:
Schnurzel hat geschrieben:Eine schöne Story. Die Süffisanz zwischen Orana und Perry hat mir besonders gut gefallen.

Auf welchen Film hast du angespielt?
"Wasser - Der Film"

http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser_%E2%80%93_Der_Film
http://www.dvdheimat.de/seiten/wasserderfilm.shtml

Ein tolle Komödie, mit Micheal Caine als dauer-kiffender Gouverneur.
Bin filmmäßig recht gut ausgestattet, aber diesen kenne ich noch nicht. Muss ich mir merken. Danke für die Info.
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Troll Incorporation »

Retrogame-Fan1 hat geschrieben:Ich hab erstmal bloß den letzten satz gelesen: Spüre ich da etwa ein wenig JFK? Ich bin ein Berliner
Auch das :D
Und auch diese Szene ist von "Wasser" inspiriert. Ich fand das so herrlich skurril, als sich die ganze (tiefschwarze) Inselbevölkerung versammelt hat, den Union Jack schwenkt und lauthals skandiert "Wir sind Briten!" oder "Wir sind Engländer!"
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Hofnarr
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Re: »Besondere Anlässe«

Beitrag von Hofnarr »

Troll Incorporation hat geschrieben:
Schnurzel hat geschrieben:Eine schöne Story. Die Süffisanz zwischen Orana und Perry hat mir besonders gut gefallen.

Auf welchen Film hast du angespielt?
"Wasser - Der Film"

http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser_%E2%80%93_Der_Film
http://www.dvdheimat.de/seiten/wasserderfilm.shtml

Ein tolle Komödie, mit Micheal Caine als dauer-kiffender Gouverneur.
und George Harrison als singender Revolutionär :D
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