Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

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Vivian-von-Avalon

Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

So, nun habe ich mich aufgerafft und eine kleine Lesergeschichte zu Papier - sorry, zu Computer - wir wollen ja korrekt bleiben ;) - gebracht.

Vorwarnung:
Es ist KEINE Action-Geschichte mit Kämpfen, rasanten Raumschlachten und Ähnliches - es ist auch KEINE "universale" Dimensions-Geschichte, sondern es geht um das über die Jahrtausende immer problematisch gewesene Verhältnis zwischen Perry Rhodan und seinem Sohn Michael/Roi Danton, egal in welche Richtung. Ich persönlich habe schon seit den 300-er Bänden immer den Eindruck gehabt, dass Perry Rhodan mit den Talenten und Fähigkeiten seines Sohnes nie so richtig umgehen konnte, wahrscheinlich war Roi immer eine Spur "zu gut" für den Vater, der sich einerseits darüber freute, aber auf der anderen Seite das nie so richtig zugeben bzw. anerkennen konnte ... (sorry, ist mein Eindruck).

Also, ich will nicht vorher spoilern (wäre ja gemein ...), aber so viel vorweg, damit jeder weiß, WAS er/sie da liest: Es ist eine sehr emotionale, psychologische Geschichte zum "Mitfühlen".

Ich stelle die Geschichte in zwei Teilen hier rein, das wird sonst zu lang - der zweite Teil (ist auch schon fertig, keine Sorge, nicht erst "in der Produktion) dann ein wenig später (keine Lichtjahre später ...).

Eine Bitte:
Über Feedback freue ich mich sehr, das kann gerne auch konstruktiv-kritisch sein. Das Schlimmste ist bei solchen Dingen GAR KEIN Feeback.

Also dann ... hier ist der erste Teil:
Vater-Sorgen
1
Terrania City, 1. Oktober 3460, morgens um 9.15 Uhr
„Du bist und bleibst ein uneinsichtiger Sturkopf! – Sonst könntest Du leicht verstehen, was in Deinem Sohn vorgeht. – Oder WILLST Du ihn einfach nicht verstehen?“

Reginald Bull funkelte seinen Freund ironisch an.

Perry Rhodan stöhnte. „Ich glaube, ich kann Mike einfach nicht mehr verstehen, Dicker. Für mich sieht es so aus, als ob wir uns gefühlsmäßig immer weiter voneinander entfernen – und ich verstehe einfach nicht warum.“

Bully ließ vom Servo, der zwischen ihnen schwebte noch zwei Becher Kaffee servieren.

Die beiden Männer saßen in Perrys Büro im Regierungsgebäude von Terrania-City und besprachen den unmittelbar bevorstehenden Einsatz auf dem Mond, wo nach dem Einschwenken von Terra und Luna um die Sonne Medaillon nun eine Meuterei einiger Flotten- und Abwehrangehöriger höherer Ränge entdeckt worden war – Männer und Frauen, die durch ihr Wissen und ihre Kampferfahrung der ganzen Menschheit extrem gefährlich werden konnten.

Obwohl die Angehörigen der Flotte genau darüber informiert worden waren, dass die Erfolgsaussichten für diesen Einsatz, d.h. lebend zurück zu kommen, von NATHAN mit nur 43 % eingeschätzt wurden, hatten sich fast fünfmal so viele Männer und Frauen gemeldet, als gebraucht wurden. Die endgültige Auswahl der Einsatzteilnehmer würde der Kommandoführer treffen, sobald er denn bestimmt war … - getreu der alten Gepflogenheiten in der Solaren Flotte und der USO, dass der Kommandoführer sich seine Gruppe selbst zusammenstellte. Und genau dieser Einsatzleiter war im Moment das Problem der beiden Unsterblichen.

„Mike fühlt sich von Dir zurück gesetzt“, sagte Bully gerade heraus.

Perry schaute ihn entsetzt an. „Wieso das?“

Bully tippte auf die Brust des Freundes – dort, wo unter der Uniformkombination der Zellaktivator um seinen Hals hing. – „Deshalb!“

Perrys Gesichtsausdruck wechselte von verständnislos über erschreckt bis zu entsetzt … „Was meinst Du, wie viele Gedanken ich mir um dieses Thema mache? Auf der einen Seite möchte ich Mike sofort einen der Reserveaktivatoren geben, auf der anderen Seite befürchte ich, dass er ihn ablehnen würde, weil er der Meinung ist, noch nicht genug dafür getan zu haben, ihn auch wirklich zu verdienen. Warum stellt er nur so hohe Anforderungen an sich selbst? – Gerade das verstehe ich nicht mehr.“

„Ich dafür sehr gut.“ Bully schaute durchdringend auf Perry. „Und wie beurteilst Du selbst die Leistungen von Mike?“

„Er ist ein absoluter Profi, sowohl als Kosmonaut und Hochenergietechniker wie auch als Kämpfer und Anführer. Er hat Führungsfähigkeiten, von denen andere nur träumen können.“ Perry lächelte dünn.

„Und warum sagst Du ihm das dann nicht?“

„Weil er das nicht glauben würde. Er würde es wieder einmal für Schmeichelei halten.“ Perry seufzte.

„Nicht wenn Du es ihm sagst – und zwar als Vater, nicht als Befehlshaber. Er sehnt sich nach der Anerkennung seines Vaters, nicht die des Befehlshabers ist für ihn wichtig.“ Bullys Gesicht war jetzt versteinert. Er liebte Michael, als ob es sein eigener Sohn wäre. „Was ist daran so schwer zu verstehen?“ fuhr er fort. „Wie oft hast Du ihn in seiner Jugend oder auch später gelobt, wirklich gelobt?“

Perry hob hilflos die Schultern. „Wahrscheinlich viel zu wenig. Ich dachte immer, lieber weniger, damit der Junge nicht überheblich wird eben aufgrund seiner Herkunft.“

„Und dafür haben andere, häufig leider diese ‚netten’ Speichellecker – ihn um so mehr gelobt – und ihm alle Steine aus dem Weg geräumt – ist es da ein Wunder, dass er misstrauisch war und ist?“

„Sicherlich nicht“, resignierte Perry. Ein bittender Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Kannst Du es ihm nicht sagen?“

„Abgelehnt. Du musst es ihm einfach selbst sagen. Warum nur bist Du als Vater so schwerfällig, Freund?“ – Bully sah ihn eindringlich an. „Ihr müsst miteinander reden – und das dringend! – Für Euch beide! Sonst entfernt Ihr Euch einfach aufgrund dieses Nicht-Redens immer weiter voneinander. Ich bin Dein ältester Freund – und ich glaube, ich habe deshalb das Recht, Dir das so deutlich zu sagen!“

Er stand auf und wanderte durch das Büro. Abrupt drehte er sich um. „Lass mich raten … Du suchst nach einer Möglichkeit, Mike von der Teilnahme an dem Mond-Einsatz abzuhalten? – Dass er der ideale Einsatzleiter ist, darüber brauchen wir wohl nicht reden. Die Männer würden mit ihm sogar den Teufel aus der Hölle holen.“

„Weiß ich – aber …“ Perrys Gesicht war plötzlich regelrecht verzweifelt. „Ich habe Angst, dass er nicht zurück kommt. Frage mich bitte nicht, warum, aber ich habe sie. Wie viele Männer musste ich schon in Risikoeinsätze schicken, zum Wohle der Erde, aber jetzt habe ich einfach Angst um meinen Sohn – ich will ihn nicht verlieren.“

Bully legte dem Freund die Hand auf die Schulter. „Und gerade darum musst Du ihn gehen lassen, Alter, egal wie gefährlich der Einsatz wird!“ Seine Augen schauten tief in die von Perry. „Sonst verlierst Du ihn als Sohn, nämlich seine Achtung, gerade weil Du versuchst, ihn aus der Gefahr heraus zu halten. Das will er nämlich nicht. Er selbst will sich beweisen, obwohl er das zum Teufel wohl nicht mehr braucht … – Auch ich habe Angst um ihn, genau wie Du! Aber …“ Er seufzte. „Schade, dass Atlan nicht hier sein kann. Er würde es uns sicherlich genauer erklären.“

Perry lächelte leicht, als Bully Atlan erwähnte, den alten Lehrmeister seines Sohnes. Auch der liebte Michael wie einen eigenen Sohn – und er hatte ihn teilweise ausgebildet – streng und hart, so wie er es selbst von Arkon her kannte. Manchmal hatte Perry bei sich gedacht, dass sogar damals zu Zeiten der Space-Force sein Chef Lesly Pounder ihn nicht so hart ran genommen hatte wie Atlan seinen Sohn – aber Michael hatte es selbst gewollt, er wollte damals seine absoluten Grenzen erfahren – und er war seinerzeit mit 23 Jahren wahrhaftig alt genug gewesen, das zu entscheiden. Und er – sein Vater – hatte seine Einwilligung gegeben, allerdings musste er vor sich zugeben, dass er selbst es niemals übers Herz gebracht hätte, Michael gegenüber diese Härte und Strenge an den Tag zu legen. – Wahrscheinlich war der Sohn auch und gerade wegen Atlans harter Schule ein so guter Anführer geworden.

Er schob seinem Freund aus den ersten Tagen der Weltraumfahrt einen Stapel Folien zu. „Das letzte psychologische Gutachten über Mike, gerade erst knapp drei Wochen alt.“ Die Angehörigen von Flotte und Abwehr mussten sich genau wie die von Atlans USO in regelmäßigen Abständen einem ausführlichen Gespräch mit Psychologen stellen – reine Routine …

Freudlos lachte er auf. „Den ganzen ersten Kram kannst Du Dir sparen, sind alles bekannte Tatsachen. Der letzte Punkt ist höchst interessant – und genau der macht mir diese großen Sorgen.“

Bully setzte sich wieder und blätterte die Folien bis zur letzten durch. Als er sie gelesen hatte, pfiff er anerkennend durch die Zähne.
„Schau an, diese Seelenklempner merken ja doch mal was. Hätte ich ihnen gar nicht so zugetraut“, spöttelte er – um danach gleich wieder völlig ernst zu werden. - „Völlig einwandfreier, loyaler Charakter, Einsatzwilligkeit usw. usw. usw.“, Bully macht eine wegwerfende Handbewegung. „Kennen wir wohl schon länger bei Mike – zum Glück! Aber das: In letzter Zeit immer weiter ansteigende Risikobereitschaft im persönlichen Bereich mit ausgeprägter Gefahr der Eigengefährdung besonders bei gefährlichen Einsätzen. Gefährdung anderer Intelligenzen sieht der Herr Professor nicht, im Gegenteil. Mike würde sich eher für andere opfern.“

Bully schaute nachdenklich aus dem Fenster, hatte aber anscheinend keinen richtigen Blick für den großartigen Ausblick von hoch oben über die Stadt, die jetzt von der Sonne Medaillon beschienen wurde anstatt von der heimatlichen Sonne Sol.
„Er kämpft immer in vorderster Front. Ein Draufgänger war er ja schon immer – aber ich habe auch genau wie der Professor den Eindruck, dass das immer mehr wird.“ Perry schaute auch aus dem Fenster, vermied es seinen Freund anzuschauen.

Bully war kurz vor dem Explodieren, seine roten Bürstenhaare standen senkrecht vom Kopf ab. „Von wem er das hat, darüber brauchen wir wohl nicht zu diskutieren. So – und nun werde ich Dir mal erklären, was mit Mike los ist. Dass Du das noch nicht selbst bemerkt hast. Dazu brauche ich keinen Seelenklempner mit Professorentitel. Es reicht mir, dass ich Mike kenne und ihn wohl so gut einschätzen kann wie Du es als Vater auch solltest.“ – Diesen Seitenhieb konnte er sich trotz des offensichtlichen Gemütszustandes seines besten Freundes nicht verkneifen. Mit diesem Problem kämpften er und Atlan schon gefühlte Ewigkeiten. Aus Angst seinen Sohn zu bevorzugen, versagte Perry ihm wichtige Dinge, die Mike sich einfach wünschte und auch nach Bullys Ansicht schon mehr als tausendfach verdient hatte.

Er setzte sich wieder zu ihm schaute ihn eindringlich an. „Auch wenn er nicht so aussieht, Mike ist biologisch älter als Du, sein Vater! – Und genau damit kommt er nicht klar. Er weiß eigentlich genau, dass er aufgrund seiner Leistungen schon seit so einigen Jahren einen Zellaktivator verdient hätte, aber da Du ihm kein Gerät zukommen lässt, denkt er immer wieder, Dir wären seine Leistungen nicht genug. Deshalb wirft er sich in vorderste Front, riskiert sein Leben, leistet wirklich Unmögliches usw. Natürlich wird er sein Leben nicht unbedacht riskieren, aber seine Risikobereitschaft steigt. Ich vermute, er will eine Entscheidung quasi von Dir erzwingen. Wahrscheinlich ist ihm das selbst nicht bewusst. – Aber diesen Punkt hat ja der Herr Seelendoktor nicht überprüfen sollen, daran hat niemand gedacht – und der selbst am Allerwenigsten.“

Perry hob hilflos die Schultern. „Und warum fragt er mich dann nicht nach einem Aktivator, wenn er einen möchte und meint, ihn verdient zu haben?“

Jetzt konnte Bully sich nicht mehr beherrschen. „Sag mal, wie genau kennst Du Deinen Sohn eigentlich“, schrie er Perry an. „Denk doch mal nach? Der Junge ist dafür zu stolz – und ich kann ihn sehr gut verstehen. Nachdem Du gar nichts tust, würde ich das an seiner Stelle auch nicht machen.“

„Was soll ich denn machen?“ Perry stand jetzt auch innerlich aufs Tiefste erregt auf.

„Endlich eine Entscheidung treffen“, brüllte Bully in beachtlicher Lautstärke. „Gib ihm endlich einen Aktivator. Wenn ihn jemand verdient hat, dann wohl er. Und vorab noch zwei Dinge: lobe ihn endlich mal so, dass er es auch richtig versteht – und zweitens: gib ihm die Einsatzleitung auf Luna. Sonst“, er unterbrach sich und holte tief Luft, um dann im Gegensatz zur vorherigen Lautstärke nur noch zu flüstern: „verlierst Du Deinen Sohn – und zwar nicht dadurch, dass er im Kampf fällt, sondern als Deinen Sohn, falls Du endlich verstehst, was ich meine – und was übrigens auch die Meinung des Kleinen ist und auch die von Atlan.“

„So schlimm ist es schon“, brachte Perry tonlos hervor. „Und ich habe das nicht bemerkt …“ Anscheinend wollte er noch etwas sagen, brach aber ab. - „Okay“, sagte er statt dessen, wandte sich zu dem großen Monitor um und wählte ein Rufzeichen. Auf dem Schirm wurde das Abbild seiner Sekretärin sichtbar. Im Gegensatz zu vielen anderen bevorzugte er immer noch Menschen in solchen Positionen anstatt Roboter.
„Sir?“
„Ist Roi Danton in Terrania?“
„Ja. Er ließ mich wissen, dass er in seinem Büro auf einen Anruf von Ihnen wartet bzgl. des Briefings über den Luna-Einsatz.“
„Bitte verständigen Sie ihn, dass ich ihn so schnell wie möglich hier bei mir sehen möchte.“
„Ja Sir.“ Die Sekretärin schaltete ohne weiteren Kommentar ab. Als gute und erfahrene Chefsekretärin sparte sich sie sich jeglichen Kommentar oder Nachfrage – sie handelte wie es von ihr ganz einfach erwartet wurde.

„Da siehst Du es“, polterte Bully statt dessen los. „Er erwartet, dass Du ihm die Leitung überträgst.“ Fast flehend sah er seinen alten Freund an. „Bitte, mach jetzt keinen Fehler. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Ihr Euch noch weiter voneinander entfernt.“

„Nein, Dicker, keine Sorge.“ Perry hatte sich wieder gefangen. „Ich werde ihm die Leitung übertragen, auch wenn ich mir riesige Sorgen um ihn mache dabei … - aber ich sehe ein, dass Ihr recht habt. - Vielleicht sollte ich als Vater doch noch dazu lernen …“

Bully klopfte ihm in einer tief-freundschaftlichen Geste auf die Schulter. „Irgendwie scheint das bei Vätern oder Müttern immer mal wieder so zu sein, dass sie einen Anschub brauchen.“

Schweigend verbrachten sie die kurze Zeit, bis Michael Rhodan, der sich immer noch lieber Roi Danton nannte – eben um seine Eigenständigkeit von seinem Vater zu unterstreichen – das Büro betrat. Michael trug die lindgrüne Uniformkombination, die im normalen Dienst und auf Raumschiffen üblich war. Schlank, groß, sportlich durchtrainiert, mit rotblonden kurz geschnittenen Haaren und nachtblauen Augen, die niemand, der einmal tief in sie hinein gesehen hatte, je wieder vergessen würde. In ihnen stand zu lesen, dass er schon sehr viel mehr erlebt und erlitten hatte, als es seinem biologischen Alter von 58 Jahren entsprach. Sein Aussehen entsprach dagegen eher dem eines Enddreißigers – dank der Lebenserwartung, die er als Kind von zwei Zellaktivatorträgern mit ca. 300 Terra-Jahren ohnehin schon hatte.

Ein Gedanke durchzuckte Perry wie ein Stromschlag: „Vielleicht habe ich deshalb einfach gewartet und konnte mich nicht entscheiden mit dem Aktivator.“ Ein tiefes Schuldgefühl kam in ihm auf, das ihn zu erdrücken drohte. Er nahm sich in dieser Sekunde vor, ihm den Aktivator, den Iwan Goratschin getragen hatte und der seit 28 Jahren in seinem Tresor lag, zu geben, sobald er aus dem Einsatz wieder zurück kam. Jetzt vorher traute er sich nicht, weil er befürchtete, das Mike – obwohl er sich sehnlichst einen wünschte – ihn aus Stolz ablehnen würde. Jetzt, nachdem ihm vieles klar geworden war – einfach durch ein Gespräch mit seinem ältesten Freund – konnte er nur hoffen, das alles gut ging und Mike unverletzt und erfolgreich wieder zurück kommen würde – das würde der Aufhänger sein letztendlich …

„Er hat sich gut erholt“ dachte er bei sich und dankte der modernen Medizintechnik des 35. Jahrhunderts, die Mike zusammen mit seinem starken Willen, der seinem eigenen in nichts nachstand und seiner robusten Konstitution nach dem letzten Einsatz das Leben gerettet hatte.

Michael begrüßte zuerst Bully, obwohl das seinem Vater gegenüber eine Unhöflichkeit war, dies schien ihn aber nicht zu stören. Auch das zeigte sehr deutlich sein im Moment zum Vater sehr distanziertes Verhältnis.
„So weit ist es schon“, dachte Perry traurig.
„Hallo, Onkel Bully! Es freut mich, Dich hier zu sehen“, sagte Michael herzlich zu seinem Patenonkel.
Danach wandte er sich etwas zurückhaltender seinem Vater zu. „Hallo, Dad.“
Perry gab sich einen Ruck.
„Mike, ich habe mich entschlossen, Dich mit der Einsatzleitung auf Luna zu beauftragen.“
Ein Leuchten ging über Michaels Gesicht. „Danke“, antwortete er aber nur, so als ob er mit nichts anderem gerechnet hatte.
Perry fügte wohl überlegt hinzu: „Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich weiß, dass Du der Beste bist, den wir zur Verfügung haben. Du bist ein hervorragender Anführer für diese heikle Angelegenheit.“
Michael schaute ihn unsicher an, sagte aber nichts.
„Das meine ich absolut ehrlich“, setzte Perry hinzu. „Das ist eine völlig neutrale und logische Feststellung“.
Der Gesichtsaudruck von Michael änderte sich von unsicher über erstaunt bis hin zu ungläubig – und dann echte Freude, die es Perry warm ums Herz werden ließ.
„Danke“, sagte sein Sohn nur, dabei leuchteten seine wissenden und tiefen Augen auf.

Perry schob ihm einen umfangreichen Stapel Folien zu. „Dann an die Arbeit, Junge. Wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen. Die Zeit arbeitet im Moment eher für die Meuterer. Das sind die Akten der Freiwilligen, die sich gemeldet haben. Bitte suche Dir Deine Mannschaft aus. Außer Dir 20 Männer.“
Mike nickte, nahm die Folien an sich und sah die beiden Männer fragend an.
„Wir sehen uns heute nachmittag um 16.00 Uhr im großen Konferenzraum zur Einsatzbesprechung“, ergänzte Perry. „Schaffst Du die Auswahl bis dahin?“
„Leicht“, Michael machte eine zustimmende Geste.
„Okay.“
Perry hielt ihn noch einmal zurück. „Mike, bitte pass auf Dich auf, das wäre mir sehr wichtig!“
Michael lächelte nur, zuckte nachlässig die Schultern, setze zu einer Erwiderung an und brach dann aber ab. Statt dessen salutierte er vorschriftsmäßig vor dem Befehlshaber. „Ja, Sir.“ Bully lächelte er freundlich zu und verließ das Büro.

Bully stieß pfeifend die Luft aus. Es hörte sich an wie ein Dampfkessel, der kurz vor dem Explodieren gestanden hatte.
„Alter, das war knapp“, gab er nur von sich.
Perry nickte nachdenklich. Oh ja, diesen Eindruck hatte er jetzt auch … „Sozusagen eine Sekunde vor Mittag“, ergänzte er traurig.

Fortsetzung folgt ...
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R.B.
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von R.B. »

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut.

Perry Rhodan wurde insbesondere in den Anfangsjahren als eine Art Supermann geschildert (geringe telepathische Fähigkeiten, Sofortumschalter, etc.), bei dem einfach alles funktionierte, was er anpackte. So ziemlich das Einzige, was schiefging, war sein Verhältnis zu seinem ersten Sohn, Thomas Cardiff. Bei dem gespannten Verhältnis zu seinen Kindern ist es in der Folge stets geblieben: Seiner Tochter gönnt er natürlich den Schwiegersohn nicht (sowas schaffen andere Väter allerdings auch), sein zweiter Sohn löst sich von seinem Vater, macht seinen eigenen Verein auf und wird zu einem vermeintlich geckenhaften Stutzer.

Und auch in späteren Jahren bei Eirene und Nachfolgern hat er sich nicht unbedingt als Vater bewiesen. Mich hat bei unserem Superhelden damals schon beruhigt, dass es in seinem Leben zumindest eine Seite gibt, die nicht so einwandfrei funktioniert und wo er so manches Mal von seinen Freunden das richtige und normale Verhalten unter die Nase gerieben bekommen musste.

Natürlich ist sich Perry bewusst, und das hast Du klar herausgearbeitet, dass er kein Vater wie jeder andere ist. Daraus resultiert seine beim Thema Kinder immer wieder kehrende rührende Hilflosigkeit. Wie gut, wird er sich nach der Beauftragung seines Sohnes gedacht haben, dass man echte Freunde wie Bully hat. Der stand schon immer trotz ZA mit beiden Beinen mitten im Leben, hat vor nichts und niemandem Respekt (falsch, Respekt schon, aber keine Angst) und hat sich noch nie gescheut, wem auch immer die Meinung zu sagen. Gut, dass Du Bully genommen hast, denn vom ihm kommt das besser rüber als z.B. von Atlan oder Gucky.

Deine Schilderung ist eine kurze, aber sehr wichtige Sequenz aus seinem Leben.

Daumen eindeutig hoch.

:st: :st: :st: :st: :st:
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Excalibur
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Excalibur »

Wirklich sehr gelungen, Vivian !
Ich bin wirklich gespannt, wie Du das weiter verfolgst.
Bin gespannt, ob Du das Thema SOL auch noch einbringst, oder Dich auf Danton einschreibst...
Vivian-von-Avalon

Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

R.B. hat geschrieben:...

Perry Rhodan wurde insbesondere in den Anfangsjahren als eine Art Supermann geschildert (geringe telepathische Fähigkeiten, Sofortumschalter, etc.), bei dem einfach alles funktionierte, was er anpackte. So ziemlich das Einzige, was schiefging, war sein Verhältnis zu seinem ersten Sohn, Thomas Cardiff. Bei dem gespannten Verhältnis zu seinen Kindern ist es in der Folge stets geblieben: Seiner Tochter gönnt er natürlich den Schwiegersohn nicht (sowas schaffen andere Väter allerdings auch), sein zweiter Sohn löst sich von seinem Vater, macht seinen eigenen Verein auf und wird zu einem vermeintlich geckenhaften Stutzer.

Und auch in späteren Jahren bei Eirene und Nachfolgern hat er sich nicht unbedingt als Vater bewiesen. Mich hat bei unserem Superhelden damals schon beruhigt, dass es in seinem Leben zumindest eine Seite gibt, die nicht so einwandfrei funktioniert und wo er so manches Mal von seinen Freunden das richtige und normale Verhalten unter die Nase gerieben bekommen musste.

Natürlich ist sich Perry bewusst, und das hast Du klar herausgearbeitet, dass er kein Vater wie jeder andere ist. Daraus resultiert seine beim Thema Kinder immer wieder kehrende rührende Hilflosigkeit. Wie gut, wird er sich nach der Beauftragung seines Sohnes gedacht haben, dass man echte Freunde wie Bully hat. Der stand schon immer trotz ZA mit beiden Beinen mitten im Leben, hat vor nichts und niemandem Respekt (falsch, Respekt schon, aber keine Angst) und hat sich noch nie gescheut, wem auch immer die Meinung zu sagen. Gut, dass Du Bully genommen hast, denn vom ihm kommt das besser rüber als z.B. von Atlan oder Gucky.
...
Diese "Supermann-Schilderung" ist meiner Meinung nach sowohl eine Erscheinung des damaligen Zeitgeistes als auch eine "Marotte" von K.H. Scheer selbst. Wir haben in den 60-er und 70-er Jahren Helden gesucht, sogar regelrecht "verzweifelt" gesucht, Vorbilder, an denen wir uns orientieren konnten. Da kamen dann solche Schilderungen gerade recht. Ich lese auch heute noch die alten Romanen von K.H. Scheer immer noch mal gerne, aber eben mit anderen Augen. Sie sind für mich heute spannend und seine "Supermann-Schilderungen" und seine Frauenfeindlichkeit (sorry, mein Eindruck) nehme ich als Ausdruck des Zeitgeistes einfach hin. - Ein Text wie ich ihn geschrieben habe, damit wäre ich damals wohl "hinter den Mond" gejagt worden - ging ja gar nicht ... ;)

... Und das finde ich gerade so gut an den "neuen" Autoren, dass sich das geändert hat. Die gehen heute "näher dran" an die Personen, so möchte ich es mal nennen. Früher war es denn zwar auch mal so, dass eine Hauptperson mal reichlich "zerfleddert" aus einem Einsatz zurückkam z.B., aber wie er dann wieder gesund wurde, was er dabei empfand, wie er kämpfte, das wurde so ziemlich ausgespart, da hieß es dann so in dem Stil: ".... meldete sich nach xxx Tagen wieder als dienstfähig zurück" oder so ähnlich. - Gerade das stört mich als "unrealistisch".

In diesem Zusammenhang eine kleine "Vorwarnung", ohne das ich damit spoilern will ;) - im zweiten Teil gehe ich noch "näher" ran ...

R.B., Du beziehst Dich direkt auf Bully ... Ich wollte zuerst Atlan nehmen - aber da fiel mir ein, dass das historisch inkorrekt gewesen wäre, weil Atlan zu der Zeit nicht auf der Erde, sondern in der Provcon-Faust war. Als ich es geschrieben hatte, fiel mir aber das Gleiche auf wie Dir - Bully ist dafür wirklich besser geeignet!
Vivian-von-Avalon

Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

Excalibur hat geschrieben:Wirklich sehr gelungen, Vivian !
Ich bin wirklich gespannt, wie Du das weiter verfolgst.
Bin gespannt, ob Du das Thema SOL auch noch einbringst, oder Dich auf Danton einschreibst...
Da ich das schon in meiner Ankündigung im Thread "Rückkehr von Roi Danton" geschrieben habe, spoiler ich damit ja nicht ... ;) - ich habe die SOL ausgespart und mich auf Roi "eingeschrieben" weil es sonst einfach zu lang geworden wäre. Emotionale und psychologische Schilderungen lassen sich - leider? - nicht so kürzen wie Action-Geschichten, die brauchen ihre Länge ...
Vivian-von-Avalon

Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn - Teil 2

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

Wie das Wetter bei Euch ist, weiß ich ja nicht genau, nur das was dem Wetterbericht zu entnehmen ist ...

Hier an der Nordseeküste haben wir keinen Sommer mehr (im Moment ...), sondern eher Ofen- und Rechner-Wetter. Gerade eben habe ich die Heizung angemacht und dicke Wintersocken angezogen - am 23. August!!!!!!!

Wie dem auch sei, vielleicht ist dadurch ja ein wenig mehr Zeit zum Lesen ... Deshalb jetzt schon hier Teil 2, den ich "eigentlich" erst morgen reinsetzen wollte ...

Die Vater-Sorgen von Perry Rhodan!

2
Drei Wochen später …


Wieder saß Perry Rhodan in seinem Büro hoch oben über Terrania City. Der Kaffee in dem Becher vor ihm war inzwischen kalt geworden. Fünf Tage Nachdenken, Grübeln, Zweifel, Selbstvorwürfe und schlaflose Nächte lagen hinter ihm. - Er hatte das Gefühl, dass sein Kopf in einem dichten Nebel gefangen war, der das Denken immer schwerer machte. Seine Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis, immer wieder um das gleiche Thema: seinen Sohn Michael, seitdem er vor fünf Tagen schwer verletzt in akuter Lebensgefahr von dem Einsatz auf Luna zurück gebracht worden war, seitdem lag er im Koma auf der Intensivstation in Imperium-Alpha.

Michael hatte das Kunststück fertig gebracht, seine Männer alle lebend nach Hause zu bringen, unterschiedlich schwer verletzt, total erschöpft, aber niemand außer ihm so schwer verletzt, dass er in Lebensgefahr schwebte. Mike hatte als Letzter den Rückzug seiner Leute gedeckt, schon mit schwersten Verletzungen. Nur sein unbändiger Wille hatte ihm noch das Handeln ermöglicht. Dann war er als Letzter durch den Fluchttransmitter gegangen – und diesen Transmittersprung hatte sein Körper nicht mehr verkraftet – er lag schon in tiefer Bewusstlosigkeit, als er aus dem Rematerialisierungsfeld gezogen wurde. Sein Kampfanzug hatte ihn vor Verbrennungen geschützt, aber er hatte zahlreiche innere Verletzungen. Lunge, Nieren und Leber standen kurz vor dem Versagen, trotz der Anwendung modernster medizinischer Möglichkeiten.

Eben hatte der Chefarzt der Klinik von Imperium-Alpha Perrys Büro verlassen, nachdem er ihm so einfühlsam wie es ihm möglich war, mitgeteilt hatte, dass er gemäß seinem ärztlichen Eid weitere lebensverlängernde Maßnahmen nicht mehr mit tragen könne. Falls es im Laufe der Nacht kein Anzeichen für ein Erwachen Michaels gäbe, beabsichtige er, die Maschinen, die im Moment sämtliche Körperfunktionen übernahmen, am nächsten Morgen abzuschalten.

Perry hatte seine Entscheidung getroffen. Mit leicht bebenden Fingern nahm er den Zellaktivator, den der Mutant Iwan Iwanowitsch Goratschin getragen hatte, aus dem Tresor und umklammerte das goldene Ei mit der rechten Hand. Schon so spürte er den belebenden Strom des Aktivators – die wirklich allerletzte Chance des Sohnes. Auf seine dementsprechende Frage hatte der Arzt geantwortet, er wisse nicht, ob die belebenden Impulse Mike noch retten konnten, aber er wäre dafür, während dieser entscheidenden Nacht einen entsprechenden Versuch zu wagen.

Fest biss er die Zähne zusammen und fragte sich zum wohl tausendsten Mal, ob es seine Schuld war, dass Mike jetzt um sein Leben ringen musste, dass er zu lange gewartet hatte, ihm einen Aktivator auszuhändigen, dass er vielleicht mit dem Gerät nicht so viel riskiert hätte, weil er dann nichts hätte vor sich beweisen müssen – wobei er wieder an das psychologische Gutachten dachte.

Ein Luftzug ließ ihn zusammen zucken.
„Nein – und nochmals nein“, hörte er eine piepsige Stimme, die im Gegensatz zu sonst nicht frech und fröhlich klang, sondern leise und von Tränen erstickt. Gucky war direkt neben ihm materialisiert und schlang seine Ärmchen um ihn. Der kleine, nur ein Meter große pelzige Kerl drückte sich fest an ihn. „Diesmal war es keine Draufgängeraktion von Mike, das weißt Du auch selbst! Es war ganz einfach eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Er hat genau wie Du es sonst machst, alles riskiert, um seine Männer heil nach Hause zu bringen.“

Perry versuchte ihn vorwurfsvoll anzuschauen – so recht gelang es ihm nicht. „Du hast wieder mal gelauscht“, meinte er schwach.
„Richtig“, gab der Mausbiber sofort zu. „Sonst wird man hier ja auch nicht von selbst informiert.“ Tränen flossen über die bepelzten Wangen und liefen bis zu den Lippen, hinter denen der Nagezahn verborgen war, der sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu sehen war.

„Du weißt, dass der Arzt hier war“, Perry konnte jetzt auch die Tränen nicht mehr zurück halten. Er schämte sich ihrer nicht vor seinem kleinen Freund, der ihn schon seit anderthalb Jahrtausenden begleitete – und der auch einer der besten Freunde seines Sohnes aus Kindertagen war – bis heute.
„Deine Entscheidung ist richtig“, verkündete der Ilt und fasste Perrys Hand. „Also los, ich bringe Dich zu Mike, jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Sobald Mike das Ding hat, informiere ich den Dicken und hole ihn.“

Der Mausbiber handelte schnell und konsequent. Im nächsten Augenblick hörte Perry das unwillige Fluchen des Chefarztes, der an Mikes Bett stand. Gucky war direkt auf seinen Füßen materialisiert, seine Konzentration litt anscheinend sehr unter der Situation. Eine Entschuldigung hielt der Ilt aufgrund der Situation für überflüssig. Er setzte sich auf die Bettkante und schaute traurig auf Michael herab.
Der lag bewegungslos auf dem Rücken im Bett, den Tubus der künstlichen Beatmung in Mund und Rachen, in der Nase den Schlauch der Magensonde, die die Flüssigkeit aus dem Magen ableitete, da Mikes Körper nicht mehr in der Lage war, irgend etwas zu verarbeiten. Am Hals hingen die dünnen Schläuche mit den Mehrweghähnen des Zentralvenenkatheters, über den er künstlich ernährt wurde und man ihm Unmengen von Medikamenten verabreichte – in der Hoffnung, dass irgend etwas anschlug – im Moment sah es eben nicht danach aus.

Perry zögerte auch nicht mehr länger. Er legte den Aktivator auf die nackte Brust des Sohnes. Da er wegen der Schläuche die Kette nicht über seinen Hals ziehen konnte, sah er sich nach Klebematerial um. Der Arzt reichte Klebestreifen aus Biomolplastpflaster. Die Erleichterung machte sich bei Perry umgehend in bleierner Müdigkeit bemerkbar. Es war noch lange nicht klar, ob Mike es nun mit dem Aktivator schaffen würde, aber er hatte ihm das Gerät nicht länger vorenthalten – er hatte die Entscheidung getroffen, die wohl schon längst überfällig war.

Gucky lag halb auf Michael und weinte nur noch. Seine Händchen hielten eine Hand des Freundes. Dann seufzte er, stand auf und meinte zu Perry: „Ich hole jetzt den Dicken.“ Damit verschwand er ohne ein weiteres Wort.
20 Minuten später kehrte er mit Reginald Bull zurück. Dessen Gesicht war versteinert, er versuchte die Tränen zu unterdrücken, was ihm nicht gelang. Er setzte sich mit Gucky zusammen auf die andere Seite von Mikes Bett. Alle schwiegen. Der Arzt hatte taktvoll das Zimmer verlassen, der Patient wurde über den Monitor überwacht, der sofort Alarm geben würde, wenn sich etwas veränderte. Außerdem stand ein Medoroboter still hinter Michaels Bett.

Obwohl Perry eigentlich eine wichtige Sitzung hätte jetzt leiten sollen, blieb er diesmal bei seinem Sohn – diesmal wollte er dabei sein, wenn es für Mike um die entscheidenden Stunden oder Minuten ging. Er hatte sich noch nicht einmal entschuldigt, alle Konferenzteilnehmer wussten um den Zustand von Mike und würde diesmal ohne ihn auskommen müssen. Er empfand Befriedigung darüber, dass er diesmal – endlich! – die Gefühle für seinen Sohn über die Pflicht stellte, was er sonst meistens nicht getan hatte. Deshalb hatte sein Sohn seit Beginn seines Lebens so viel von seinem Vater entbehren müssen. Er schwor sich, das zukünftig zu ändern, sofern Mike dies überlebte – und sofern er das dann überhaupt noch zulassen würde, dass sein Vater ihm so nahe kam. – Aber so weit waren sie noch nicht, davor stand erst einmal diese Nacht. Sie würde zeigen, ob der Zellaktivator ihn noch retten konnte.

Einige Stunden saßen sie still so zusammen, Gucky lag halb über Mikes Bett, als ob er ihm ganz nah sein wollte und ihm soviel von seiner kuscheligen Pelzwärme abgeben wie irgend möglich. Perry hielt wortlos die eine Hand des Sohnes, Bully die andere.
Dann erhob sich Gucky, tippte Bully an und meinte leise: „Wir gehen. Wir sollten Vater und Sohn jetzt allein lassen.“ Fragend schaute er Perry an. Der wusste, was Gucky ausdrücken wollte. Er und Bully hatten Abschied genommen von Mike. Sie würden ihn entweder am kommenden Morgen „neu geboren“ wieder sehen, wenn der Aktivator es geschafft hatte – oder …

Perry nickte. Er wusste, dass die beiden ihm Gelegenheit geben wollten, allein mit seinem Sohn zu bleiben.
„Ich espere weiter“, piepste der Ilt noch, dann verschwanden er und Bully so plötzlich wie sie gekommen waren.
Perry wandte sich Mike zu und schaute ihn aus brennenden Augen an. Immer noch lag er ruhig und bewegungslos dort im Bett. Das einzige Geräusch kam von der Beatmungsmaschine.
Die Schwester, die alle Stunde nach ihrem Patienten sah und auch Blutproben zur Untersuchung entnahm, nickte Perry jedes Mal zu und fragte ihn, ob er etwas zu essen oder zu trinken haben wolle. Jedes Mal lehnte er ab. Er bekam einfach nichts runter, was ihm dann einen milden Verweis der Schwester einbrachte. „Sir, Sie schaden sich selbst. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie das Gefühl haben, nichts herunter zu bekommen. Wenn Sie nichts essen wollen, okay, aber Sie sollten auf jeden Fall etwas trinken. Mit einem Zusammenbruch Ihrerseits ist Ihrem Sohn ganz bestimmt nicht gedient.“
Damit drückte sie ihm einen Becher dampfenden Kaffee in die Hand, den Perry auch mühsam Schluck für Schluck trank. Er sah ja ein, dass sie recht hatte.

Irgendwann in den frühen Morgenstunden – Perry war inzwischen am Bett des Sohnes in recht unbequemer Haltung auf seinem Stuhl eingeschlafen – gab der Überwachungsmonitor Alarm. Drei Ärzte einschließlich des Chefarztes und zwei Krankenschwestern stürmten in das Zimmer, schoben Perry einfach zur Seite. Sie riefen sich gegenseitig Anweisungen und Erklärungen zu.
Einige Minuten später verließen alle bis auf den Chefarzt das Zimmer wieder. Perrys Herz schlug bis in den Hals. Er meinte, keine Luft mehr zu bekommen. War das das Ende des Sohnes, war er mit dem Aktivator zu spät gekommen?

Der Arzt wandte sich Perry zu, das Gesicht nur noch ein einziges Staunen. „Es scheint wirklich ein Wunder zu geschehen, Sir.“ Er atmete tief durch. „Natürlich ist es noch viel zu früh, eine endgültige Prognose abzugeben, aber der Aktivator scheint seine Wirkung zu haben. Es sieht nach den Vitalzeichen so aus, als ob Ihr Sohn in der nächsten Stunde aufwacht – und laut der letzten Blutuntersuchungen scheinen die Leber- und Nierenwerte sich rapide zu stabilisieren.“

Perry konnte es kaum glauben. Mit weit aufgerissenen, ungläubigen Augen schaute er den Arzt an. Der nickte beruhigend. „Ich lasse Sie jetzt mit Ihrem Sohn allein, Sir. – Wenn Sie etwas besorgt macht oder Sie etwas benötigen, klingeln Sie bitte. Sonst können Sie auch sicher sein, dass wir durch die Monitorüberwachung sofort reagieren können.“
Perry war klar, dass der Arzt sich aus Taktgründen zurück zog. Er wollte, sofern jetzt alles gut ging, diesen einzigartigen Moment nicht durch seine Anwesenheit stören.
Dankbar und schweigend saß er an Mikes Bett. Nach fast einer Stunde begannen die Augenlider zu flattern und die Hand, die er immer noch hielt, zuckte leicht.
Perry konnte es immer noch kaum glauben. War er diesmal rechtzeitig gekommen, nicht zu spät wie so oft wenn es wichtig für Mike gewesen war?

Langsam und mühsam öffneten sich Michaels Augen. Die nachtblauen Augen, in denen so viel Leid und großes Wissen lag, schauten sich suchend um. Anscheinend musste er erst langsam versuchen zu realisieren, was ihm passiert war, seine letzten Eindrücke vom Einsatz zusammen zu ketten mit diesem nüchternen Krankenzimmer. Das zumindest war Mike nicht unbekannt. Er war sehr oft nach einem Einsatz mit Verletzungen in eine Klinik eingeliefert worden.
Die Augen wanderten und suchten. Da er immer noch durch die Unterstützung der Maschine atmete, brauchte er für den Atemvorgang keine Kraft aufzuwenden, sondern konnte sich voll darauf konzentrieren, was sich ihm zu sehen bot.

Dann – nach scheinbar endloser Zeit – schien Michael zu bemerken, dass seine Hand gehalten wurde. Ein fragender Ausdruck erschien in den Augen. Nur mit ihnen konnte er im Moment seine Gefühle ausdrücken, er konnte weder Kopf noch sonst ein Körperteil auch nur leicht bewegen.
Perry erhob sich und bewegte sich ganz vorsichtig in das Gesichtsfeld hinein. Er wollte sich schon wieder zurück ziehen, als er neben Erstaunen auch ein leichtes Erschrecken in dem Blick seines Sohnes wahrzunehmen glaubte. Dann wandelte sich der Blick schlagartig. Das Erschrecken schlug in – wie Perry meinte – ungläubiges Staunen um – als ob Mike gar nicht fassen konnte, wen er da an seinem Bett sah.
Vorsichtig und leise fragte Perry: „Mike, kannst Du mich verstehen?“
Ganz langsam drückten die Augen Zustimmung aus. Anscheinend erschien es dem Sohn so unvorstellbar, dass sein Vater bei ihm war.
„Du bist im Krankenrevier, zu Hause auf Terra. Der Einsatz ist gelungen dank Deinem Einsatz. Du hast alle Männer wieder lebend nach Hause gebracht. Danke, Junge! Ich bin wirklich stolz auf Dich. Ich glaube, ein anderer hätte das nicht geschafft.“

Perry fragte sich, ob sein Sohn ihm das wirklich glauben würde, weil er so ein Lob vom eigenen Vater viel zu selten gehört hatte in seinem Leben. Auch schien sein Verstand erst langsam wieder Stück für Stück zu sich zu kommen.
Mikes Augenlider flatterten wieder. Die Erschöpfung übermannte ihn, die Augen schlossen sich wieder.

Keine fünf Minuten später zuckten die Augenlider wieder. Ungläubig riss er die Augen auf. Sein Blick suchte den des Vaters.
Perry hätte es nie für möglich gehalten, so eine Ungläubigkeit … und gleichzeitig Dankbarkeit in den Augen des Sohnes zu sehen. Anscheinend hatte er gerade eben die belebenden Ströme des Zellaktivators auf seiner Brust gespürt und realisiert, was der Vater ihm hatte zukommen lassen.

„Ich bin wirklich ein schlechter Vater“, warf sich Perry innerlich vor. „Warum habe ich ihn so lange warten lassen und ihn so lange gequält? Allein dieser Blick sagt doch alles.“ Die Freude von Mike über seinen Augenausdruck war für ihn ein unendlich wertvolles Geschenk.

„Darüber reden wir später“, piepste es neben ihm. Er hatte gar nicht bemerkt, dass Gucky zusammen mit Bully per Teleportation im Krankenzimmer aufgetaucht waren. Natürlich hatte der Ilt wieder mal Perrys Gedanken gelesen. Sonst wäre er erstens nicht so zeitgenau erschienen, nachdem Vater und Sohn die ersten Momente des Erwachens gemeinsam und allein erleben konnte – und hätte zweitens nicht so zielgerichtet Perrys Gedanken ansprechen können.

Endlich nach den ganzen Tagen war mal wieder der Nagezahn zu sehen – und Bully sah aus, als ob ihm Zentner vom Herzen gefallen wären.
Gucky drängelte sich vorwitzig zu Mike und nahm seine Hände in seine kleinen Pfötchen. Mikes Augen zeigen sofort Erkennen – und auch eine tiefe Freude, seinen kleinen Freund aus Kindertagen jetzt bei sich zu haben.

Bully verließ nach einem kurzen Rundumblick das Zimmer und erschien kurz danach in Begleitung des Chefarztes wieder. Der zeige sich hocherfreut mit dem Zustand von Michael.
„Sir, jetzt haben wir wieder Hoffnung“, flüsterte er Perry erleichtert zu und machte sich an die Kontrolle der Monitorwerte und der zahlreichen Schläuche, die in Mikes Körper steckten.
Alle Anwesenden hatten den Eindruck, dass er damit eigentlich nur Zeit gewinnen wollte und etwas vorbereitete. Nachdem er seine Kontrollen abgeschlossen hatte, wandte er sich an Michael. „Ich bin sehr zufrieden, Sir. Ich gehe Ihnen jetzt ein leichtes Beruhigungsmittel, damit Sie sich entspannen können.“
Mikes protestierenden Augenausdruck ignorierte er und spritzte den Inhalt einer großen Spritze in eine der Zuleitungen des ZVK. Übergangslos schlossen sich Mikes Augen und er schien sofort einzuschlafen.

Danach wandte sich der Arzt Perry zu. „Als Arzt ist es meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass auch Sie sich Ruhe gönnen sollten, Sir. Sie haben über Nächte nicht geschlafen. Ich schlage Ihnen eine Tiefschlafinjektion vor. Sie wissen ja, dass wir diese bei Bedarf sofort mit dem Gegenmittel wieder aufheben können. Also brauchen Sie sich keine Sorgen um Ihren Sohn zu machen.“
Perry wollte protestieren, wurde aber von Bully schon im Ansatz unterbrochen. „Du wirst dem Arzt gehorchen, oder ich kündige Dir die Freundschaft auf.“
Perry setzte wieder an, wurde aber diesmal von dem Mausbiber unterbrochen.
„Doktorchen“, wandte sich dieser an den Arzt. „Es ist doch sicher möglich, hier noch ein zweites Bett reinzustellen?“
Der Arzt nickte. Er ahnte, worauf Gucky hinaus wollte.
„Selbstverständlich.“ An Perry gewandt: „Ich glaube, ich weiß, welche Idee Gucky hat, Sir. Ich lasse Ihnen ein Bett hier hereinstellen, dann können Sie bei Ihrem Sohn sein.“
Perry resignierte. „Wenn Ihr Euch alle gegen mich verschworen habt, habe ich wohl keine Chance mehr.“ Er merkte auch selbst, wie müde er war und dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Sein Kopf schien in einer dicken Wattepackung zu stecken.

Das angeforderte Bett wurde von einem Medoroboter auf einem Antigravpolster herein geschoben. Perry zuckte die Schultern, entledigte sich ganz selbstverständlich seiner Uniformkombi und schlüpfte unter die Decke, die Bully ihm einladend hoch hob. Als er sich zurück legte, merkte er erst, wie leer und ausgebrannt er war. Fast schlagartig drehte sich das Krankenzimmer um seinen Kopf. Er konnte keinen Punkt mehr klar fixieren, im Innern des Kopfes fing es an zu hämmern und leichte Übelkeit stieg in ihm hoch.
„Das ist jetzt wohl dieses komische ‚Entspannungssyndrom’, von dem die Psychologen immer sprechen nach einer intensiven Belastung, wenn der Druck nachlässt“, dachte er sarkastisch zu sich selbst.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Sir“, vernahm er die beruhigende Stimme des Arztes. „Gleich werden Sie nichts mehr spüren.“
Telekinetisch schob Gucky sein Bett direkt neben das von Mike – wieder fluchte der Arzt, weil er auch jetzt „im Weg“ stand und zur Seite gehen musste. Gucky hob genauso telekinetisch Perrys Hand, als der Abstand gering genug war und legte sie auf die schlaffe und abgemagerte Hand seines Sohnes.
„So, meinte er befriedigt“, das ist für Euch beide wichtig.“
Gucky kuschelte sein pelziges Gesicht an seines und seufzte leicht.

Perry vernahm noch das Zischen einer Hochdruckspritze, dann Gucky: „Der Dicke und ich passen auf Euch beide auf.“
Er schaffte noch einen kurzen Blick auf Mike, der im Bett neben ihm schlief und nahm das zufriedene Gefühl mit sich, dass er diesmal das Richtige als Vater getan hatte und ganz dicht bei Mike war. Der Sohn würde wieder gesund werden, da war er sich ganz sicher. Und diesmal, da schliefen er und sein Sohn gleichzeitig nebeneinander in einem Krankenzimmer unter der Obhut von Ärzten, Schwestern und Medorobotern. Dieses überaus gute Gefühl nahm er mit in seinen tiefen und traumlosen Schlaf.
Ende
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R.B.
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von R.B. »

Liebe Vivian,

bist du Schriftstellerin? Das liest sich ja wie bei Theodor Storm - bei dem bin ich immer der Meinung, nicht von einem Sturm an euren Küsten zu lesen, sondern mitten in diesem Sturm zu stehen. Das gleiche Gefühl stellt sich hier ein.
Vielleicht liegt das an der guten Luft da oben...

Daumen hoch.

:st: :st: :st:
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Vivian-von-Avalon

Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

Nein, ich bin keine Schriftstellerin ... das Schreiben dieser kleinen Geschichte hat nur einfach Freude gemacht ...

Danke für das Lob!
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Faktor10
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Faktor10 »

Mir hat deine Geschichte gut gefallen!
Unbelehrbarer Altleser.Allem Neuen aber aufgeschlossen. Leider mit ausgeprägter Rechtschreibschwäche.
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Croco
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Croco »

WOW!

Toll geschrieben, meine Güte! In sich stimmig, sehr einfühlsam und absolut zum Stil der Bände 650 - 700 (und folgende) passend.

Du bist keine Schriftstellerin? Hmm, würd ich mal drüber nachdenken...
:respect:
Liebe Grüße aus Wien!
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Faktor10
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Faktor10 »

Und ein schönes Avatar hast du auch :st:
Unbelehrbarer Altleser.Allem Neuen aber aufgeschlossen. Leider mit ausgeprägter Rechtschreibschwäche.
Vivian-von-Avalon

Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Vivian-von-Avalon »

Ein ganz großes DANKE für Euer Lob. Das freut mich ganz riesig!
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Atlantis
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Re: Eine Lesergeschichte über Perry Rhodan und Sohn ...

Beitrag von Atlantis »

Sehrgut :st:
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