Ach so? Geht's auch 'ne Nummer kleiner?GruftiHH hat geschrieben:Planetoiden...
Teil XVI.
Spoiler:
XVI.
Nach Luft schnappend erreichte Adah die Biegung, die zur Orterzentrale führte, blieb einen Moment stehen und hielt die Hand an den Sensor des Öffnungsmechanismus. Der Terkonitstahl glitt beiseite und sie betrat eine Atmosphäre hektischer Betriebsamkeit. Die unterschwellige Panikstimmung erfüllte sie mit zynischem Amüsement.
Auf dem Rund des umlaufenden Großbildschirms entfalteten sich Fenster mit flackernden Außenaufnahmen der Schiffshülle und der Hangarbereiche, den sie eine gefühlte Ewigkeit vorher verlassen hatte. Sie zeigten, was über die Einzelbildsschirme lief. Auch im zentralen Holo entstand kein stabiles Bild, stattdessen blitzten unwirklich verzerrte Aufnahmen der Räumlichkeiten auf, um gleich wieder zu verlöschen. Dahinter stand die Schwärze des Alls mit den schwach leuchtenden Farbschleiern des NGC 6334 und seiner Weißen Riesen.
Sie sah sich um. Der kreisförmige Raum war voll besetzt. Sie rutschte in den einzigen freien Platz neben Fred Herschel, der zügig arbeitete und fuhr ihren Zugang hoch, las die Anzeigen und legte ihm dann eine Hand auf den Unterarm. Er schälte sich aus der Konzentration und sah sie fragend an.
„Was ist los?“, fragte sie. „Ist meine Schicht, aber du weißt, dieser flexible Gleitzeit – ich war ich draußen. Führ mich bitte ein.“ Sie schluckte. Das hatte doppelte Bedeutung und war ein Schritt in den neuen Lebensabschnitt. Die ungewöhnliche Freistellung des Redundanzpersonals hatten sich ihre speziellen Freunde ausgedacht, als Mitglieder des bordeigenen Bürokratenvereins. Damit war es wohl vorbei. Einen Moment lang schweifte sie ab in Gedankenketten, Bilder, Erinnerungen, die ebenso grelldunkel flackerten wie die schnell wechselnden Holobilder, und zwang sich zurück in die Wirklichkeit.
Fred schüttelte den Kopf. „Ich halte das für ein Unding. Ich verstehe nicht, welchen Vorteil es bringen soll, wenn man möglichst lange vom Arbeitsplatz wegbleiben kann. Schließlich kann jederzeit was passieren. Und jetzt haben wir jedenfalls den eindeutigen Beweis, dass es so nicht geht.“ Er tippte herum und vergrößerte einen nach dem anderen mehrere Ausschnitte voll wirrer grauer Striche, die fingergleich über das Display zuckten. „Ein ganzer Bereich der Bordüberwachung und der Außenortung sind ausgefallen, uns erreichen nur wirre Signale. Vabian als Schichtleiter ist unauffindbar, und Caren ebenso. Ines hat übernommen.“
Adah lehnte sich zurück. „Das geht doch gar nicht“, erwiderte sie mechanisch. „Wo könnnen die denn sein?“
Sie runzelte verwirrt die Stirn. Es war eine gute Gelegenheit, konfus auszusehen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.
„Wo ist Kkroktok-Win?“, fragte sie.
„Der war bis eben hier und hat versucht, dass er die Geräte klar kriegt und die Fehlermeldungen sinnvoll bündelt. Jetzt ist er direkt zur Zentrale bestellt worden, weil die keine Übersicht über die anfallenden Probleme haben und Vabian als Schichtleiter verschwunden ist“, erwiderte Fred, „Er ist eben hier raus. Kannst du mal übernehmen?“
Adah schrak zusammen. „Klar. Entschuldigung. Gib mir doch bitte paar Ansatzpunkte, über die ich in das Chaos reinkomme.“
Fred schüttelte den Kopf. „Ist jetzt alles auf deinem Bildschirm. Mehr gibt's nicht.“
Adah machte sich an die Arbeit. Langsam gerieten die Daten wieder in Fluss.
„Was ich jetzt hereinbekomme, ist alles klar“, meldete sie. „Aber es liegen gar keine Speicherdaten der letzten Dreiviertelstunde vor, mindestens. Als ob alles gelöscht wäre. Wie kann so was denn passieren! Das kommt mir so unwirklich vor wie die Szenerie eines Alptraums.“ Erneut setzte sie Systemkontrollen in Gang.
Insgeheim erlaubte sie sich ein breites inneres Grinsen. Das sah gut aus.
Sie arbeitete weiter. Während eine Verbindung nach der anderen wieder zustande kam, standen die Bilder der letzten Stunde überlebensgroß und grell vor ihrem geistigen Auge. Im Kontrast dazu zeigte ihr Bildschirm die sauberen, leeren Korridore. Die Hangarbereiche VI, VII, VIII, IX. - leer, als wäre nichts geschehen. „Das geht doch gar nicht“ hallte durch ihre Gedanken.
Unberührt der Vorraum, die kleine Werkstatt. Umschalten auf deren Innenraum. Im Regal lag der multivariable Desintegratorkopf des Walzenstirnfräsers. Unwirklich friedlich glänzten seine runden Pieken, als wäre nie was geschehen. Spikes, verbesserte sie sich.
Das Symbol der aktuellen Schichtleiterin blinkte auf: Bitte mehr Aufmerksamkeit auf die Außenhülle. In Ordnung. Sie schaltete um auf die Kameras, die die Außenhülle im Aufnahmewinkel hatten. Sah hinter dem optisch aufgehellten Rund der VERNAL PIKE die dort montierten Vorrichtungen, maß Strahlungsdichten an, Magnetfelder, Materialdichte, schaltete von verstärkter Normalsicht auf Infrarot. Suchte so flüchtig wie möglich nach Hyperstrahlung. Sie wollte definitiv keine Hyperstahlung.
Adah war angespannt. Deshalb führte sie mit peinlicher Genauigkeit die Routinen durch, von denen sie keine Überrraschungen erwartete. Wenn es Ungewöhnliches gab, sollte es ein anderer finden, der nichts mit der Sache zu tun hatte.
Währenddessen spulten sich in ihrem Hinterkopf die turbulenten Ereignisse erneut ab wie ein wild gewordener Film. „Das geht doch gar nicht“, pochte es. „Das geht doch gar nicht“. Dann fraßen sich die Gedanke an einem Punkt fest: An der Begegnung mit Sieglinde in der Hydroponik. Sieglinde, der Caren erzählt hatte, wohin sie wollten. Sie hatte die Wahrheit gesagt. Das konnte doch kein Zufall gewesen sein.
Fieberhaft versuchte sie, einen Zusammenhang zu erkennen. Arbeiteten die zusammen? Wo hatte Lar gesteckt? Was hatte er getan? Und beobachtet? Auf welcher Seite stand er? Wo steckte der Topsider? Ihre Gedanken bewegten sich im Rhythmus ihrer Schaltvorgänge. Warum war Gregor aufgetaucht? Caren hatte nicht die Wahrheit gesagt, beruhigte sie sich. Nur eine oberflächliche Auskunft gegeben, die die wahren Pläne verdeckte. Gelogen also. Das Bild stimmte wieder.
Ein Summton ertönte. Gleichzeitig flammte ein hektisch blinkender roter Punkt im Zentralholo auf und wurde auch auf ihrem Bildschirm gemeldet. Etwas näherte sich. Das dazu gehörende Beschriftungsfeld war bis auf die Entfernungsangabe und Geschwindigkeit leer: Keine Kennung, also kein Raumschiff oder wenn doch, ein unbekanntes. Sie fühlte einen Kloß im Hals. Kamen die Angreifer wieder?
Immerhin - das Objekt war interessant genug, um eine kleine Abweichung von den Anweisungen zu legitimieren. Sie schaltete auf herkömmliches Radar mit 1,25 Gigahertz und zugleich den Hyperwellen-Radar in den Passivmodus. So würde er nur Hyperstrahlung messen, statt seine Reichweite zu nutzen, die sie aufgrund der Nähe des Objekts nicht brauchte. Jetzt hatte sie doch das Gefühl, dass was Wichtiges herannahte.
Während die ersten Werte des Radars eintrafen, nahm sie den phasenkohärenten Laser für die optischen Frequenzmessungen des unbekannnten Objekts und zur Bestimmung der Rydberg-Konstante hinzu, um die Wasserstoffdichte im Raum zwischen ihnen und dem Objekt zu bestimmen. Sie schaltete ihn auf die Wellenlänge von Stickstoff, um über die Phasenkohärenz dessen Anwesenheit zu messen und über die Längenkohärenz deren Entfernung. Dann suchte sie nach einer geeigneten Arbeitsfrequenz.
Keine Ermahnung des Schichtleiters. Gut. Sicherlich machte alle anderen das Gleiche wie sie. Endlich bekam sie genug Werte. Was sich näherte, war ein Asteroid.
Erleichtert lehnte sie sich zurück. Zugleich kam die Information, dass die weitere Untersuchung des Himmelskörpers Aufgabe der Abtaster sei und die Orter an ihre Aufgabe zurückkehren sollten. Das Blinken im Holo veränderte sich zu Rot-Blau-Rot, und eine Beschriftung erschien mit der neuen Kennnummer des Bordrechners. Der Asteroid war bisher nicht untersucht worden. Das Bild blieb auf dem Display stehen, rückte aber aus dem Fokus des allgemeinen Interesses in ihrem Arbeitsbereich.
Einige Sekunden lang machte sie Pause. Sie hatten abgegeben. Die Abtastungsspezialisten würden nun dieses Objekt scannen, die verwendeten andere Frequenzen und Möglichkeiten, um Art und Ausmaß an ausgestrahlter Energie, Bewegungsrichtung, Spin und Taumelbewegungen zu erfassen und auch die Zusammensetzung.
Zögernd wandte sie sich wieder ihrem Untersuchungsbereich zu. Behutsam, als betaste sie eine genähte Wunde, näherte sie sich optisch dem Schott des fraglichen Außenhangars und wollte ihn gerade routiniert übergehen, als eine Einbuchtung der Außenhülle sichtbar wurde, Das konnte sie nicht ignorieren, Eigentlich wollte sie es auch wirklich gerne untersuchen. Ihr Herz klopfte.
Als sei ihr die Stelle völlig neu, markierte sie sie und erarbeitete sich einen Überblick über den Schaden. Dann ging sie näher ran. Ihre Gedanken hatten zu rasen aufgehört und waren wieder ganz klar.
Die Kennung des Quarantänebehälters – war es das, was ihr im Kopf herumspukte? Würde das auffallen? Die beiden hatten das ganze System unterwandert. Wenn sie Kkroktok-Win darin hatten abtransportieren wollen, hätten sie auch die Abwesenheit des Behälters entsprechend ins System gefüttert. Oder hatten sie das hinterher machen wollen? Oder den leeren Behälter zurückstellen? Vielleicht hätte ihnen das zu lange gedauert.
Mit einem mal fiel ihr siedendheiß ein, was sie übersehen hatte. Klar ging das nicht, dass die beiden verschwunden waren. Sie hatte nur an die Gegenstände gedacht, nicht an die Menschen. Die Biodaten! Sämtliche Besatzungsmitglieder wurden jederzeit von Medostationspositronik überwacht. Nun war ein Besatzungsmitglied über Bord und das andere konnte in keinem guten Zustand sein. Das musste die merken, bei so was ging ohne Verzögerung der Alarm los und Medorobots machten sich auf den Weg.
Unwillkürlich fasste sie sich an den Mund. Das konnte man nicht verbergen, so vollständig konnte eine Sensormanipulation gar nicht sein. Irgendwann musste die ständige Überwachung der Biodaten unterbrochen worden sein. Auch wenn der Topsider nachträglich etwas manipuliert hatte. Wenn er wiederum daran gedacht hatte.
Langsam begann sie nervös zu werden. Sie blickte um sich. So lange konnte die Besprechung doch gar nicht dauern. Die redeten alles Mögliche, und wer weiß, wa die wussten und was er daraus machte. Es machte sie rasend, nicht dabei zu sein. Vielleicht steckten sie gar alle unter einer Decke und berieten, wie man ihr alles in die Schuhe schieben konnte?
Dreimal hintereinander zoomte sie die Delle heran und ging dann langsam wieder auf Übersicht. Beim vierten Mal erschrak sie. Captain Michael Sauerwort stand neben ihr. „Kommst du bitte mal mit?“, fragte er knapp.
Nach Luft schnappend erreichte Adah die Biegung, die zur Orterzentrale führte, blieb einen Moment stehen und hielt die Hand an den Sensor des Öffnungsmechanismus. Der Terkonitstahl glitt beiseite und sie betrat eine Atmosphäre hektischer Betriebsamkeit. Die unterschwellige Panikstimmung erfüllte sie mit zynischem Amüsement.
Auf dem Rund des umlaufenden Großbildschirms entfalteten sich Fenster mit flackernden Außenaufnahmen der Schiffshülle und der Hangarbereiche, den sie eine gefühlte Ewigkeit vorher verlassen hatte. Sie zeigten, was über die Einzelbildsschirme lief. Auch im zentralen Holo entstand kein stabiles Bild, stattdessen blitzten unwirklich verzerrte Aufnahmen der Räumlichkeiten auf, um gleich wieder zu verlöschen. Dahinter stand die Schwärze des Alls mit den schwach leuchtenden Farbschleiern des NGC 6334 und seiner Weißen Riesen.
Sie sah sich um. Der kreisförmige Raum war voll besetzt. Sie rutschte in den einzigen freien Platz neben Fred Herschel, der zügig arbeitete und fuhr ihren Zugang hoch, las die Anzeigen und legte ihm dann eine Hand auf den Unterarm. Er schälte sich aus der Konzentration und sah sie fragend an.
„Was ist los?“, fragte sie. „Ist meine Schicht, aber du weißt, dieser flexible Gleitzeit – ich war ich draußen. Führ mich bitte ein.“ Sie schluckte. Das hatte doppelte Bedeutung und war ein Schritt in den neuen Lebensabschnitt. Die ungewöhnliche Freistellung des Redundanzpersonals hatten sich ihre speziellen Freunde ausgedacht, als Mitglieder des bordeigenen Bürokratenvereins. Damit war es wohl vorbei. Einen Moment lang schweifte sie ab in Gedankenketten, Bilder, Erinnerungen, die ebenso grelldunkel flackerten wie die schnell wechselnden Holobilder, und zwang sich zurück in die Wirklichkeit.
Fred schüttelte den Kopf. „Ich halte das für ein Unding. Ich verstehe nicht, welchen Vorteil es bringen soll, wenn man möglichst lange vom Arbeitsplatz wegbleiben kann. Schließlich kann jederzeit was passieren. Und jetzt haben wir jedenfalls den eindeutigen Beweis, dass es so nicht geht.“ Er tippte herum und vergrößerte einen nach dem anderen mehrere Ausschnitte voll wirrer grauer Striche, die fingergleich über das Display zuckten. „Ein ganzer Bereich der Bordüberwachung und der Außenortung sind ausgefallen, uns erreichen nur wirre Signale. Vabian als Schichtleiter ist unauffindbar, und Caren ebenso. Ines hat übernommen.“
Adah lehnte sich zurück. „Das geht doch gar nicht“, erwiderte sie mechanisch. „Wo könnnen die denn sein?“
Sie runzelte verwirrt die Stirn. Es war eine gute Gelegenheit, konfus auszusehen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.
„Wo ist Kkroktok-Win?“, fragte sie.
„Der war bis eben hier und hat versucht, dass er die Geräte klar kriegt und die Fehlermeldungen sinnvoll bündelt. Jetzt ist er direkt zur Zentrale bestellt worden, weil die keine Übersicht über die anfallenden Probleme haben und Vabian als Schichtleiter verschwunden ist“, erwiderte Fred, „Er ist eben hier raus. Kannst du mal übernehmen?“
Adah schrak zusammen. „Klar. Entschuldigung. Gib mir doch bitte paar Ansatzpunkte, über die ich in das Chaos reinkomme.“
Fred schüttelte den Kopf. „Ist jetzt alles auf deinem Bildschirm. Mehr gibt's nicht.“
Adah machte sich an die Arbeit. Langsam gerieten die Daten wieder in Fluss.
„Was ich jetzt hereinbekomme, ist alles klar“, meldete sie. „Aber es liegen gar keine Speicherdaten der letzten Dreiviertelstunde vor, mindestens. Als ob alles gelöscht wäre. Wie kann so was denn passieren! Das kommt mir so unwirklich vor wie die Szenerie eines Alptraums.“ Erneut setzte sie Systemkontrollen in Gang.
Insgeheim erlaubte sie sich ein breites inneres Grinsen. Das sah gut aus.
Sie arbeitete weiter. Während eine Verbindung nach der anderen wieder zustande kam, standen die Bilder der letzten Stunde überlebensgroß und grell vor ihrem geistigen Auge. Im Kontrast dazu zeigte ihr Bildschirm die sauberen, leeren Korridore. Die Hangarbereiche VI, VII, VIII, IX. - leer, als wäre nichts geschehen. „Das geht doch gar nicht“ hallte durch ihre Gedanken.
Unberührt der Vorraum, die kleine Werkstatt. Umschalten auf deren Innenraum. Im Regal lag der multivariable Desintegratorkopf des Walzenstirnfräsers. Unwirklich friedlich glänzten seine runden Pieken, als wäre nie was geschehen. Spikes, verbesserte sie sich.
Das Symbol der aktuellen Schichtleiterin blinkte auf: Bitte mehr Aufmerksamkeit auf die Außenhülle. In Ordnung. Sie schaltete um auf die Kameras, die die Außenhülle im Aufnahmewinkel hatten. Sah hinter dem optisch aufgehellten Rund der VERNAL PIKE die dort montierten Vorrichtungen, maß Strahlungsdichten an, Magnetfelder, Materialdichte, schaltete von verstärkter Normalsicht auf Infrarot. Suchte so flüchtig wie möglich nach Hyperstrahlung. Sie wollte definitiv keine Hyperstahlung.
Adah war angespannt. Deshalb führte sie mit peinlicher Genauigkeit die Routinen durch, von denen sie keine Überrraschungen erwartete. Wenn es Ungewöhnliches gab, sollte es ein anderer finden, der nichts mit der Sache zu tun hatte.
Währenddessen spulten sich in ihrem Hinterkopf die turbulenten Ereignisse erneut ab wie ein wild gewordener Film. „Das geht doch gar nicht“, pochte es. „Das geht doch gar nicht“. Dann fraßen sich die Gedanke an einem Punkt fest: An der Begegnung mit Sieglinde in der Hydroponik. Sieglinde, der Caren erzählt hatte, wohin sie wollten. Sie hatte die Wahrheit gesagt. Das konnte doch kein Zufall gewesen sein.
Fieberhaft versuchte sie, einen Zusammenhang zu erkennen. Arbeiteten die zusammen? Wo hatte Lar gesteckt? Was hatte er getan? Und beobachtet? Auf welcher Seite stand er? Wo steckte der Topsider? Ihre Gedanken bewegten sich im Rhythmus ihrer Schaltvorgänge. Warum war Gregor aufgetaucht? Caren hatte nicht die Wahrheit gesagt, beruhigte sie sich. Nur eine oberflächliche Auskunft gegeben, die die wahren Pläne verdeckte. Gelogen also. Das Bild stimmte wieder.
Ein Summton ertönte. Gleichzeitig flammte ein hektisch blinkender roter Punkt im Zentralholo auf und wurde auch auf ihrem Bildschirm gemeldet. Etwas näherte sich. Das dazu gehörende Beschriftungsfeld war bis auf die Entfernungsangabe und Geschwindigkeit leer: Keine Kennung, also kein Raumschiff oder wenn doch, ein unbekanntes. Sie fühlte einen Kloß im Hals. Kamen die Angreifer wieder?
Immerhin - das Objekt war interessant genug, um eine kleine Abweichung von den Anweisungen zu legitimieren. Sie schaltete auf herkömmliches Radar mit 1,25 Gigahertz und zugleich den Hyperwellen-Radar in den Passivmodus. So würde er nur Hyperstrahlung messen, statt seine Reichweite zu nutzen, die sie aufgrund der Nähe des Objekts nicht brauchte. Jetzt hatte sie doch das Gefühl, dass was Wichtiges herannahte.
Während die ersten Werte des Radars eintrafen, nahm sie den phasenkohärenten Laser für die optischen Frequenzmessungen des unbekannnten Objekts und zur Bestimmung der Rydberg-Konstante hinzu, um die Wasserstoffdichte im Raum zwischen ihnen und dem Objekt zu bestimmen. Sie schaltete ihn auf die Wellenlänge von Stickstoff, um über die Phasenkohärenz dessen Anwesenheit zu messen und über die Längenkohärenz deren Entfernung. Dann suchte sie nach einer geeigneten Arbeitsfrequenz.
Keine Ermahnung des Schichtleiters. Gut. Sicherlich machte alle anderen das Gleiche wie sie. Endlich bekam sie genug Werte. Was sich näherte, war ein Asteroid.
Erleichtert lehnte sie sich zurück. Zugleich kam die Information, dass die weitere Untersuchung des Himmelskörpers Aufgabe der Abtaster sei und die Orter an ihre Aufgabe zurückkehren sollten. Das Blinken im Holo veränderte sich zu Rot-Blau-Rot, und eine Beschriftung erschien mit der neuen Kennnummer des Bordrechners. Der Asteroid war bisher nicht untersucht worden. Das Bild blieb auf dem Display stehen, rückte aber aus dem Fokus des allgemeinen Interesses in ihrem Arbeitsbereich.
Einige Sekunden lang machte sie Pause. Sie hatten abgegeben. Die Abtastungsspezialisten würden nun dieses Objekt scannen, die verwendeten andere Frequenzen und Möglichkeiten, um Art und Ausmaß an ausgestrahlter Energie, Bewegungsrichtung, Spin und Taumelbewegungen zu erfassen und auch die Zusammensetzung.
Zögernd wandte sie sich wieder ihrem Untersuchungsbereich zu. Behutsam, als betaste sie eine genähte Wunde, näherte sie sich optisch dem Schott des fraglichen Außenhangars und wollte ihn gerade routiniert übergehen, als eine Einbuchtung der Außenhülle sichtbar wurde, Das konnte sie nicht ignorieren, Eigentlich wollte sie es auch wirklich gerne untersuchen. Ihr Herz klopfte.
Als sei ihr die Stelle völlig neu, markierte sie sie und erarbeitete sich einen Überblick über den Schaden. Dann ging sie näher ran. Ihre Gedanken hatten zu rasen aufgehört und waren wieder ganz klar.
Die Kennung des Quarantänebehälters – war es das, was ihr im Kopf herumspukte? Würde das auffallen? Die beiden hatten das ganze System unterwandert. Wenn sie Kkroktok-Win darin hatten abtransportieren wollen, hätten sie auch die Abwesenheit des Behälters entsprechend ins System gefüttert. Oder hatten sie das hinterher machen wollen? Oder den leeren Behälter zurückstellen? Vielleicht hätte ihnen das zu lange gedauert.
Mit einem mal fiel ihr siedendheiß ein, was sie übersehen hatte. Klar ging das nicht, dass die beiden verschwunden waren. Sie hatte nur an die Gegenstände gedacht, nicht an die Menschen. Die Biodaten! Sämtliche Besatzungsmitglieder wurden jederzeit von Medostationspositronik überwacht. Nun war ein Besatzungsmitglied über Bord und das andere konnte in keinem guten Zustand sein. Das musste die merken, bei so was ging ohne Verzögerung der Alarm los und Medorobots machten sich auf den Weg.
Unwillkürlich fasste sie sich an den Mund. Das konnte man nicht verbergen, so vollständig konnte eine Sensormanipulation gar nicht sein. Irgendwann musste die ständige Überwachung der Biodaten unterbrochen worden sein. Auch wenn der Topsider nachträglich etwas manipuliert hatte. Wenn er wiederum daran gedacht hatte.
Langsam begann sie nervös zu werden. Sie blickte um sich. So lange konnte die Besprechung doch gar nicht dauern. Die redeten alles Mögliche, und wer weiß, wa die wussten und was er daraus machte. Es machte sie rasend, nicht dabei zu sein. Vielleicht steckten sie gar alle unter einer Decke und berieten, wie man ihr alles in die Schuhe schieben konnte?
Dreimal hintereinander zoomte sie die Delle heran und ging dann langsam wieder auf Übersicht. Beim vierten Mal erschrak sie. Captain Michael Sauerwort stand neben ihr. „Kommst du bitte mal mit?“, fragte er knapp.