Teil 13
Die Ritter von Gorlan
Als die Derros angriffen, packte Kator sein Schwert aus ellwischen Lemurstahl und stürzte sich in die Schlacht. Ein Kampf mit dem Schwert war für ihn nichts Besonderes. Mit einer solchen Waffe hatte er schon viele Kampfklone der Hikons getötet, und diese Derros hier konnte er vermutlich leichter töten. Er sollte sich nicht täuschen.
Seine Hiebe und Stiche töteten oder verwundeten viele der oberflächlich betrachtet bestienhaften Wesen. Im Eifer des Gefechtes achtete Kator nicht darauf, wohin es ihn im hitzigen Kampf trieb. So kam es, dass er sich schließlich abseits der Freunde allein wieder fand.
Um ihn herum lagen tote und verwundete Derros, doch genauso viele standen noch auf den Beinen und kreisten ihn erbost und hasserfüllt ein. Kator begriff, dass er einen Fehler begangen hatte. Er hätte mehr bewusst kämpfen sollen und sich nicht instinktiv treiben zu lassen. So verlor er seine Missionskollegen. Die Derros schnitten ihm nun den Rückweg zu seiner Gruppe ab.
Die hässlichsten humanoiden Wesen, die Kator je gesehen hatte, stießen wütende Schreie aus. Doch noch wagten sie sich nicht näher an ihn heran. Anscheinend hatte er ihnen mächtigen Respekt eingejagt.
„Worauf wartet ihr noch?“, schrie er sie provozierend an. „Machen wir dem ein Ende.“
Einer der Derro lächelte ihn bösartig an. Bevor Kator begriff, was das bedeutete, spürte er einen Schmerz in der Hüfte. Ein Schwerthieb hatte ihn von hinten getroffen. Das meiste des Hiebes hatte allerdings seine Kettenrüstung aus diesem leichten Lemurstahl der Ellwen abgefangen, doch der Rest erzeugte noch eine tiefe Fleischwunde. Blitzschnell drehte Kator sich um und tötete den vorwitzigen Derro mit einem einzigen schnellen Hieb. Er hatte gelernt unter höheren Gravitationswerten kämpfen zu müssen. Beim G-Wert normal O Lemur bewegte er sich so, weit schneller und kraftvoller als seine Feinde. Deshalb kam er zuvor wie eine Naturgewalt über sie.
Der verletzte Anthurianer begriff, dass er trotzdem nur sein Heil in der Flucht suchen konnte, um zu überleben. Gegen diese Übermacht hatte er verwundet keine Chance. Er lief unter Schmerzen in die Dunkelheit hinein. Die Derros verfolgten ihn mit lautem Gebrüll. Im Wald hatte er bessere Möglichkeiten den Bestien zu entkommen, da ihm die Finsternis zusätzlich half. Zudem besaß er verbesserte Augen, die auch in der Dunkelheit ziemlich gut sehen konnten. Zumindest besser als seine Feinde. Es war von Vorteil, wenn ihn seine einflussreichen Eltern in einem ‚Geburtshort’ der Lichtkräfte genetisch verbessern ließen. Auch sie entstammten einer langen Reihe von Tenoy, die sich nicht der Dunkelheit ergeben hatten, sondern immer auf der Seite der ‚Allianz des Lichts’ kämpfen. Diese ‚Allianz des Lichts’ (AdL) existierte auf vielen Planeten. Wie so viele Anthurianer, die jetzt als Scouts und Kampfexperten für die USO in Atlantis kämpften, hatte er zuerst einen Kinderhort und danach eine Akademie für Wächter der AdL besucht.
Als er auf einen großen Baum mit riesigem Wurzelwuchs zustolperte, nützte er die Gelegenheit aus.
Schnell schlüpfte er in das Wurzelgeäst. Die Derros liefen in großer Zahl im Wald umher, und auch oft an seinem Baum vorbei. In der Akademie durften nur Lemuriden zu Tenoy ausgebildet werden, die Abjinfähigkeiten besaßen. Er nutzte jetzt seine verbesserte Fähigkeit des Tarnens. Er griff mit seinem Abjinsinn hinaus in die fünfdimensionale Strukturebene und legte ein schwaches suggestives Tarnfeld über das Wurzelgeflecht. Normale Sinne würden jetzt in keinem Falle die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass in diesem Wurzelsystem der Geflohene stecken könnte. Wesen mit aktivierten Abjinsinn schon. Aber bei diesen Derros handelte es sich nur um normale ‚organische Kampfmaschinen’. Die Kämpfer des Lichts standen in der Regel immer in der Unterzahl gegen ihre Gegner, deshalb mussten sie individuell einfach besser sein. Viele Tenoy- Abkömmlinge besaßen leichte Abjinpotentiale, die in den Akademien der Tenoy, der Lichtwächter, ausgebildet wurden.
Durch seine abjinmäßige Tarnung fanden sie ihn nicht. Allerdings wusste Kator, dass er nun alleine zu Recht kommen musste. Die vielen Derros hatten seine Freunde gezwungen ihn zurückzulassen, wenn sie nicht ihr Leben riskieren wollten. Vielleicht hatte er noch die Chance sie an Land einzuholen, indem er dem Flusslauf folgte. Eine kleine Hoffnung, aber wenigstens etwas. Unter Umständen konnte er sich auch bis zu dieser Festungsstadt durchschlagen, die sie vor kurzem passiert hatten.
Als es Tag wurde, wagte sich Kator aus seinem Versteck. Seine Wunde hatte er längst mittels seines USO- Medopacks behandelt und eine rasche Heilung setzte Dank hoch entwickelter USO- Medotechnik ein. Derros waren auch schon einige Zeit nicht mehr an ihm vorbeigelaufen. Nach einiger Zeit erreichte er den Platz, wo sie überfallen worden waren. Zu seiner Erleichterung fand er unter den herumliegenden Toten keinen seiner Freunde.
Da Kator aufgrund seiner Ausbildung unter erhöhten Gravitationswerten in der Akademie ein guter und ausdauernder Läufer wurde, konnte er trotz seiner noch leichten Behinderung wegen der heilenden Verletzung lange am Fluss entlang laufen, ohne eine Pause einlegen zu müssen. Zu seinem großen Bedauern holte er seine Freunde aber trotzdem nicht mehr ein. Bis zum Abend sah er auch keine Derros mehr.
Dann glaubte er, Geräusche zu hören. Er blieb stehen und lauschte. Entlang des Flusses gab es einige kleine Hügel. Die Landschaft empfand er als lieblich und mit Blumenwiesen und hohem Gras bewachsen. Schnell lief er den kleinen Hügel mit hohem Gras hinauf. Kurz vor der Spitze blieb er allerdings stehen, legte sich hin und robbte die letzte Strecke hinauf.
Was für ein Glück, das er das getan hatte und seiner Intuition vertraute. Denn unten tobte ein Kampf. Eine Gruppe dieser hässlichen Kreaturen griff eben vier gepanzerte menschliche Reiter an. Eines der Pferde lief schon herrenlos umher. Der ehemalige Besitzer lag reglos am Boden. Die übrigen Drei kämpften verzweifelt gegen die Übermacht. Einer ging gerade getroffen zu Boden und sofort stürzte sich eine ganze Horde Angreifer auf ihn. Der Mann war ohne Zweifel verloren.
Seine beiden Kameraden konnten ihm nicht helfen, denn sie kämpften selbst um ihr Leben. Kator überlegte nicht lange. Rasch holte er den Köcher mit Pfeil und Bogen vom Rücken. Es handelte sich um eine ausgezeichnete Ellwenwaffe. Mit wenigen Bewegungen legte er sich zahlreiche Pfeile zurecht. Er als gelernter Krieger konnte natürlich auch ausgezeichnet mit dem Bogen, wie mit allen archaischen Waffen umgehen. Pfeil um Pfeil schoss er ab, und jeder traf genau und wuchtig sein Ziel.
Unter den Derros entstand rasch Panik, denn sie wussten nicht, woher der unerwartete Angriff kam. Die beiden überlebenden berittenen Kämpfer schöpften Hoffnung und griffen mit neuer Zuversicht und Energie an. Nachdem Kator seinen letzten Pfeil verschossen hatte, ergriff er sein Schwert und stürmte den kleinen Hügel hinunter. Gemeinsam gelang es nun den Dreien, die letzten Derros zu töten oder in die Flucht zu schlagen.
Erschöpft hielten die drei Männer schließlich inne. Einer der Männer sah Kator an. Es handelte sich um einen großen und kräftigen Mann mit mächtigen Muskelpaketen. Trotzdem kämpfte er mit katzenhafter Geschmeidigkeit. Er mochte fast so groß wie Kator sein. Im Gegensatz zu dem anthurianischen Krieger besaß er allerdings längere und braune Haare, dazu einen gepflegten Kinnbart. Er blickte Kator dankbar allerdings auch extrem neugierig an. Der fremde Ritter trug eine Rüstung, ähnlich der, welche Kator von den Zeut Ellwen erhalten hatte. Auf seiner Brust war jedoch ein Wappen der einen Baum mit Sternen symbolisierte. Genauer gesagt zwölf Sterne, die sich um einen Dreizehnten gruppierten. Das Wappen symbolisierte, dass er auf der Seite der Berlen Taigonii und des Verihato und damit für die interstellar tätige Licht-Allianz kämpfte.
„Ich danke Euch, Fremder! Mein Name ist Abenor. Ihr habt mir und Calloron das Leben gerettet. Woher kommt ihr? Ihr seht aus, als kämt Ihr aus Aldor.“
Kator hatte keine Ahnung, wo Aldor lag, aber er mochte den Ritter auf der Stelle. „Ich heiße Kator und bin nicht aus Aldor. Meine Heimat liegt weit weg. Ich bin mit Freunden den großen Fluss hinuntergefahren. Gestern wurden wir von den Derros überfallen, und dabei wurde ich von meinen Freunden getrennt. Seither versuche ich, sie einzuholen.“
„Am Fluss entlang? Ohne Pferd? Seid Ihr von Sinnen? Der Gysera fließt sehr schnell, und an seinem Ufer wimmelt es am Unterlauf von Derros. Ihr holt Eure Freunde zu Fuß nie ein. Warum schließt Ihr euch nicht uns an?“
Der andere Mann, Calloron, hatte seine Freunde untersucht. „Feldmarschall! Cortanir und Manir sind tot.“
Abenors Gesicht verdüsterte sich. „Sie gehörten zu meinen besten Männern. Das werden mir die Derros büßen. Binden wir die Toten auf eines der Pferde und bringen sie in unser Lager zurück. Sie werden ein ehrenhaftes Begräbnis erhalten.“
Abenor blickte Kator wieder an. „Nun, Fremder, was haltet Ihr von meinem Vorschlag?“
„Einverstanden“, sagte der Anthurianer. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Und vielleicht konnte er mit Hilfe dieser Ritter Reginald Bull und die anderen wieder finden.
„Es wird allerdings einige Zeit dauern, bis wir nach Gorlan zurück reiten. Meine Männer und ich sind auf Derrosjagd“, sagte Abenor grimmig.
„Umso besser!“ sagte Kator entschlossen und schwang sich in den Sattel eines der Pferde, nachdem sie die beiden Toten auf das andere geladen hatten. Calloron nahm die Zügel in die Hand, während Abenor neben Kator ritt. „Das macht mir nichts aus.“
„Und woher kommt Ihr nun?“, fragte der Ritter neugierig.
„Von weit her“, antwortete Kator wahrheitsgemäß und blickte Abenor an. Konnte er die anderen darüber informieren, woher er kam? Oder würde es dieser Ritter nicht verstehen? Wahrscheinlich nicht. Also beschloss er es, etwas zu vereinfachen. „Wir sind auf einer Reise, um einen Gegenstand der Aure genannt wird, zu suchen. Bei einem gigantischen Wald trafen wir auf Zeut Ellwen, die uns Boote gaben und den genauen Weg beschrieben. Einer von ihnen ist unser Führer.“
„Zeut Ellwen? Ihr seid mit einem Ellwen gereist? Und Ihr sucht das Aure? Ihr müsst verrückt sein. Wisst Ihr nicht, dass das Aure nur eine Legende der Ellwen ist?“
„Ja, aber die Ellwenkönigin versicherte uns, dass es existiert.“
„Wie lautete ihr Name?“
„Ellwyna.“
„Ihr wart bei dieser Ellwenhexe im verwunschenen Wald? Kein Wunder, dass Ihr nun an Märchen glaubt.“
„Sie ist keine Hexe, sondern eine wunderschöne Frau.“
„Das wird sie ohne Zweifel sein. Mein Bruder ist auch so einer, der an die Legenden der Zeut Ellwen und der abjinfähigen Tenoy glaubt. Doch das alles ist Unsinn, glaubt es mir.“
„Wir werden sehen“, meinte Kator mit einem zweifelnden Tonfall. „Ist Euer Bruder auch im Lager?“
„Nein, meist ist er in Gorlan oder bei den Waldläufern in Ost Nacras und sichert dort die Grenzen zum Dunklen Land. Wie Ihr selbst gesehen habt, sind die Derros wieder frecher geworden. Noch nie sind sie in so großer Zahl aufgetreten. Im Moment weiß ich allerdings nicht, wo sich mein Bruder aufhält. Ich mache mir Sorgen um ihn.“
Das konnte Kator verstehen. Sie erreichten nach kurzer Zeit das große Lager, wo Abenor von allen ehrfurchtsvoll begrüßt wurde. Kator wunderte sich nicht, bei einem Feldmarschall. Während Abenor mit seinen Männer sprach, fragte er Calloron danach.
„Wisst Ihr das nicht? Dann müsst Ihr wirklich von weit her kommen. Abenor ist der älteste Sohn des Tamaron Aiczuk CVIII und der Lord-Feldmarschall des Gorlanischen Reiches.“
Der Sohn des Tamaron und oberste Heerführer! Kator erinnerte sich an Haldirs Erklärung, wonach der Tamaron der Herrscher des Landes Gorlan wäre.
Kator blickte sich langsam um. Das alles gefiel ihm. Wenn er Reginald Bull und die anderen schon nicht mehr einholen konnte, würde er eben hier bleiben. Vielleicht gab es bei der Rückkehr der anderen die Möglichkeit, wieder zu ihnen zu stoßen. Bis dahin würde er sich eben Abenors Rittern anschließen.
Ankunft in Thonor
In den letzten anderthalb Tagen wurden die Gefährten von den Derros verfolgt. Es schien sie am Südlauf des Gysera in großen Massen zu geben. Mehrmals hatte Reginald Bull darauf gedrängt umzudrehen oder an Land zu gehen, doch jedes Mal waren nach kurzer Zeit Derros aufgetaucht, und sie hatten ihr Heil erneut in der Flucht suchen müssen.
„Ich fürchte euer Freund ist tot“, meinte Haldir, als sie endlich sicheres Gebiet erreichten. Die Stadt Thonor musste nun in der Nähe liegen.
„Das glaube ich nicht“, meinte Syrena.
„Dem stimme ich zu. Kator ist ein Überlebensspezialist mit hohem Survivalpotential“, sagte Reginald Bull. „Er schlägt sich bestimmt zu dieser Festungsstadt durch. Dort kann er dann auf uns warten.“
Haldir blickte ihn zweifelnd an. Doch er wollte seinen Freunden nicht den Rest von Hoffnung rauben. „Ich hoffe, ihr habt Recht. Dann sehen wir Kator auf dem Rückweg in Gorlan wieder.“
Am Abend dieses Tages tauchte Thonor vor ihnen auf. Nun mussten sie die Kanus aufgeben und sich ein größeres Schiff kaufen. Zahlungsmittel hatten sie genug von Ellwyna bekommen. Sie trugen das Gold und die Juwelen in Leibgürteln, unterhalb ihrer Rüstung. Ihr Gepäck bis auf ihre Notgürtel mit Nahrungskonzentratwürfeln und kleinen Medopacks hatten sie aufgeben müssen. Aber nicht ihre Geldmittel.
Haldir entschloss sich nun doch, die komplette Reise mitzumachen. Alleine umzukehren, wäre viel zu gefährlich gewesen. Außerdem hatte er inzwischen gefallen an der Reise gefunden. Egal was später seine Herrscherin dazu sagen würde.
[Anmerkung Autor: Na geht doch!
]
Die Stadt Thonor entpuppte sich als der Haupthafen des Gorlanischen Reiches am Gorlanischen Golf. Eine Reichsflotte lag auch heute vor Anker. Die Stadt diente als Basis für Gorlans maritime Angriffe und Verteidigung gegen die Horon, die in Umbar auf der gleichnamigen Insel ihre Hauptbasis besaßen.
Mit Haldirs Hilfe und ihres Goldes respektive ihrer wertvollen Juwelen, fiel es ihnen leicht ein kleines Segelschiff, die Seeschlange zu kaufen. Ausreichend Proviant besorgten sie sich im Hafengebiet. Ihr Schiff lag etwas abseits der großen gorlanischen Kriegsschiffe, im Hafenteil der Händler.
Bull stand gerade an Deck der Seeschlange, als ihm ein Schiff auffiel, das nicht weit weg von ihnen entfernt ankerte. Die Besatzung hatte sich anders gekleidet als die normalen gorlanischen Händler und sie sahen sich auch aufmerksam und genau jedes andere Schiff an. Auch die Seeschlange musterten sie eingehend. Doch der kleine Segler schien ihnen nicht beachtenswert.
Haldir tauchte neben Bully auf. „Darf ich fragen, was da so interessant ist?“
„Das Schiff dort drüben.“
Haldir blickte interessiert hinüber. Bully verschwand kurz unter Deck und kam mit einem kleinen Fernglas wieder.
„Das gefällt mir gar nicht“, meinte Haldir, der wegen seiner guten Ellwen- Augen kein Fernglas benötigte. „Es sind maskierte Horon, die ihr wahres Wesen unter einer Schminke und Kapuzenmäntel verbergen. Ohne Maske würde man sie sofort als Horon erkennen. Allerdings sind ihre Maskenbildner eine Klasse für sich! Ihre extrem hagere Gestalt tarnen sie mit diesen Kapuzenmänteln, die auf Abjinos weit verbreitet sind. Die besten Agenten werden sogar mit Fleischhüllen ausgestattet, die ihre dürre fast skelettierte Horonform kaschieren. Auch ihre Totenköpfe werden unter Fleischhüllen verborgen. In ihrer Urform gleichen sie fast den mythischen Gulen.“
„Und sie haben einen Gefangenen.“
„Ja, sie bringen ihn von Bord. Sie machen es so heimlich, dass ich denke, dass sie etwas Verbotenes tun.“
„Ist das bei Gefangenen nicht immer so?“ sagte Bully sarkastisch und dachte sofort an Kator, verwarf den Gedanken allerdings wieder. Was sollten die Horon auch von Kator wollen?
„Und überhaupt! Ich dachte, die Horon wären Gegner der Gorlanianer. Warum dürfen sie dann hier unbehelligt ankern?“
„Sie sind nicht wie Horon gekleidet und wie vorhin erwähnt, als Menschen maskiert. Ihr Benehmen gleicht prinzipiell den Menschen. Diese Stadt ist zudem Treffpunkt vieler Völker, da fallen maskierte Horon nicht weiter auf. Natürlich einem scharfsinnigen Ellwen schon.“ Haldir grinste und fuhr fort: “Wer immer der Gefangene ist, ich möchte ihn nicht in der Hand von Horon wissen“, sagte Haldir düster und von einer Ahnung getrieben. „Wir verfolgen sie und befreien ihn. Es kann sich nur um einen wichtigen Gorlanianer handeln. Wir können da nicht zusehen!“
Bull war seltsamerweise einverstanden, auch wenn es sich nicht um Kator handeln würde. Zudem gefährdete diese unnötige Aktion ihre komplette Mission. Er fragte sich ernsthaft, wieso er Haldir trotzdem zustimmte? Irgendeine Intuition sagte ihm allerdings dass Haldir richtig handelte. Oder beeinflusste ihn Haldir irgendwie? Egal, die Aktion war zwar unsinnig, trotzdem richtig!
„Syrena, du bleibst mit Cari auf unserem neuen Schiff. Lavenia, Haldir und ich werden die Horon verfolgen und versuchen den Gefangenen zu befreien.“
„Sollte ich da nicht mitkommen, Solarmarschall?“, fragte Syrena.
„Einer allein kann nicht auf das Schiff aufpassen, und ich glaube nicht, dass Cari trotz seiner kämpferischen Fähigkeiten alleine genügt. Er wirkt manchmal in normalen Dingen einfach weltfremd. Das Schiff ist extrem wichtig. Kapital für ein Zweites haben wir nicht“, sagte Bully leise zu Syrena.
Diese stimmte ihm schließlich mit schweren Herzen zu und blickte den Dreien mit sorgenvoller Miene nach, als sie dem Ochsenwagen der maskierten Horon folgten.
Etwas vorher
Das Schiff, auf dem Talenor gefangen gehalten wurde, fuhr weiter den Fluss hinunter. Da die Luke die ganze Zeit geschlossen war, wusste Talenor nicht, wie viel Zeit verging und welche Tageszeit sie jetzt hatten. Schließlich bemerkte er an den Bewegungen des Schiffes, dass sie anlegten. Talenor vermutete, dass mindestens eineinhalb Tage vergangen sein mussten. Bisher hatte er nur die Stimmen der Besatzung vernommen, doch nun gesellten sich noch andere laute Geräusche hinzu. Deshalb nahm er an, dass sie Thonor erreicht hatten. Vielleicht ergab sich jetzt eine Gelegenheit zur Flucht oder wenigstens eine Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Noch befanden sie sich in Gorlan und somit im Reich, dass sein Vater regierte. Und noch immer lagen hier die mächtigen Kriegsschiffe des Aiczuk vor Anker.
Oben an Deck machte sich Geschäftigkeit breit. Doch es dauerte lange, bis sich die Luke öffnete. Zwei Männer stiegen in den kleinen Raum hinunter und durchschnitten die Stricke, die ihn an den Pfosten fesselten. Danach zerrten sie ihn rücksichtslos hoch und überprüften die anderen Fesseln. Die Stricke an seinen Beinen wurden durchtrennt. Sie packten ihn grob und zerrten ihn die kleine Holztreppe hoch. Oben warteten weitere Krieger auf ihn, unter ihnen der Mann, in dem Talenor den Anführer vermutete.
Seine dunklen Augen musterten den extrem hungrigen und durstigen Gefangenen durchdringend. Talenor erwiderte den Blick, ohne sich seine aufkeimende Furcht anmerken zu lassen. Die Maskenbildner der Horon verstanden ihr Handwerk und machten aus ausgezerrt wirkenden Humanoiden, Gorlanianer oder Aldoraner. Die Agenten der Horon waren berühmt für ihre Maskierungen. Wenn man unter ihre Maske blickte kam die Hässlichkeit der Mutierten zutage. Alle wirkten sie überschlank, auch in ihrer Gorlanermaske. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie in ihrer originalen Gestalt dürre ausgezerrt wirkende haarlose Wesen mit einer Art von Totenkopf darstellten. Nicht umsonst galten die Horonmaskenbildner, als Meister ihres Fachs. Selbst ihre Bärte und ihr Haupthaar wirkten echt.
„Falls du an Flucht denkst, Prinz, vergiss es. Meine Leute haften mit ihrem Leben, dass du nicht entkommst. Sie haben zwar den Befehl, dich nicht zu töten, aber eine Verwundung schließt das nicht aus. Es liegt an dir, wie du das Ziel erreichst: heil und gesund oder verwundet. Was ist dir lieber?“
„Das Erste natürlich“, antwortete Talenor wahrheitsgemäß. „Trotzdem werde ich jede Gelegenheit dazu nützen, um zu fliehen.“
Der horonische Agent blickte ihn erstaunt an. Vielleicht hatte er angenommen, Talenor wäre ein verweichlichter verwöhnter Edelmann, und nun erkannte er, dass er sich geirrt hatte oder auch falsch informiert worden war. „Wir werden das zu verhindern wissen“, lachte er nur. „Vorwärts jetzt!“
Talenor blickte sich interessiert um. Sie hatten abseits der belebten Anlegestellen, natürlich im Handelshafen angedockt. Seine Entführer, es mussten an die zwanzig Mann sein, hatten alles genau geplant und vorbereitet. Er sah momentan nur ein kleines Segelschiff in der Nähe, dessen Besatzung aber nichts von seiner Entführung zu bemerken schien.
Talenor wurde vom Boot geschleppt und in einen Planwagen gebracht, der von vier schweren Ochsen gezogen wurde. Die ganze Zeit sah er sich nach Hilfe um, doch außer seinen Entführern vermochte er niemand zu sehen. Und diese ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Im Wagen wurde er wieder an den Beinen gefesselt und drei Wächter setzten sich ihm gegenüber auf den Boden des Karrens.
Als sich der Wagen rumpelnd in Bewegung setzte, richtete einer der Wächter seinen Bogen auf ihn. „Wenn du versuchst, um Hilfe zu rufen, bist du tot, egal, was der Anführer sagt. Und diejenigen, die dir zu Hilfe eilen wollen, auch.“
Talenor sagte nichts. Er kannte die Skrupellosigkeit und Kampfkraft der Horon. Zuerst hörten sich die Geräusche draußen laut an, dann wurde es immer ruhiger um sie herum. Bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen. Nach schier endlos erscheinender Fahrt auf einer extrem holprigen Straße hielt der Wagen an, wohl für eine Essenspause. Die Entführer schienen sich etwas sicherer zu fühlen, nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten. Auch Talenor wurde vom Wagen geholt und durfte sich unter scharfer Bewachung die Beine vertreten und dabei etwas essen und trinken.
Er blickte sich mampfend um. Der Sonne nach mochte es später Nachmittag sein. Vor ihnen lag offenes Gelände. Rechts von ihm befanden sich mit Gras bewachsene Hügel. Nur das Zwitschern von Vögeln und die Stimmen der essenden Männer unterbrach die Stille.
Die Rast und das karge Mahl dauerten allerdings nicht lange. Immerhin war er das erste Mal in seiner Gefangenschaft nicht hungrig oder durstig.
Als die Horon daran gingen, ihn erneut in den Wagen zu verfrachten, geschah es. Talenor sah drei seiner Bewacher mit tödlichen Pfeilen im Leib zu Boden sinken, und eine Stimme rief: „Lasst ihn auf der Stelle frei!“
Erstaunt blickte Talenor hoch und sah auf dem Hügel neben dem Weg, drei Gestalten stehen. In den Händen hielten sie ellwische Kriegsbögen, und die Pfeile waren drohend auf die Horon gerichtet.
Als die Entführer keine Anstalten machten Talenor loszulassen, fuhren einige weitere Pfeile auf die Horon zu und drei weitere Männer sanken tot zu Boden.
Eine weibliche Stimme rief jetzt ungeduldig in Hoch-Lemur: „Worauf wartest du noch? Lauf endlich los, du Narr!“
Talenor begriff, dass er gemeint war, und da seine Füße noch nicht gefesselt waren, lief er einfach los. Der Hügel lag direkt vor ihm. Hinter sich hörte er das Fußgetrampel und die Schreie seiner Entführer, welche seine Aktion völlig überraschte. Und von oben gaben ihm die drei potentiellen Retter Feuerschutz.
Mit nach hinten gefesselten Händen war es nicht leicht, den flachen Hügel hinauf zu stolpern, außerdem wurden seine Beine durch die lange Fesselung schlecht durchblutet, doch es blieb seine einzige Chance, also gab er sein Bestes. Auf halber Höhe riskierte er einen Blick zurück. Einer der Verfolger hatte ihn fast erreicht, doch von oben kam ihm einer der Befreier zu Hilfe. Sein ellwisches Schwert leuchte hell im Sonnenlicht auf, fegte den Horon von den Beinen und die Kraft des Stoßes warf den Horon tot den Hügel hinunter.
Talenor lief weiter, verstärkte seine Anstrengungen und erreichte den Kamm des Hügels, wo der zweite Mann und die Frau noch immer Pfeil um Pfeil auf die Verfolger abschossen. Der Mann, der ihm entgegen kam, stand wieder neben ihm und ließ ihm keine Zeit sich zu besinnen.
„Beeil dich gefälligst!“, herrschte sein Retter ihn gnadenlos an. Sie liefen um ihr Leben, doch seine Befreier schienen genau zu wissen, wohin sie wollten. Hinter dem Hügel begann ein großes Waldgebiet, welches ihr Ziel zu sein schien.
Inzwischen hatten auch die überlebenden Horon den Hügel erklommen und setzten zur Verfolgung an. Der Vorsprung, der Vier, schien zu genügen, um lange vor ihnen, den Wald zu erreichen. Dort liefen sie zwischen den Bäumen hindurch und standen bald vor einem scheinbar undurchdringlichen Dornengestrüpp. Doch seine Retter schienen vorbereitet zu sein, denn sie entfernten einige Büsche und zerrten Talenor mit sich. Ein schmaler Pfad begann dahinter. Die Frau verwischte blitzschnell mit einem bereit liegenden buschigen Ast routiniert und gekonnt ihre Spur und verschloss den ‚Eingang’ wieder. Dann kam sie zu ihnen. Der Pfad endete auf einer winzigen Lichtung, auf der alle vier gerade Platz fanden. Sie kauerten sich auf den Boden und warteten angespannt mit den Schwertern in der Hand.
Die Verfolger erreichten auch das Dornengestrüpp, doch sie liefen weiter, da sie nichts von dem Durchgang sahen oder wussten. Auch fanden sie keine Spuren, da sie Lavenia verwischt hatte. Und das sich die Verfolgten in das Dornendickicht wagten, hielten sie für unmöglich. Die Retter und der Befreite warteten lange, ohne ein Wort zu sagen, denn es war immerhin möglich, dass die Verfolger zurückkamen und sie sprechen hörten.
Der Prinz blickte sich derweil vorsichtig um. Die Frau könnte ein Ellwen- Menschmischling sein und sie zog zwischendurch ein Messer. Damit durchtrennte sie Talenors Fesseln. Erleichtert rieb er sich die Hände.
„Danke!“
„Gern geschehen.“
Nun hatte er Gelegenheit, die Drei näher zu betrachten. Einer von ihnen war groß gewachsen und schlank. Die Frau hatte langes braunes Haar, das von einem einfachen roten Band nach hinten gehalten wurde. Sie bekleidete sich mit einem knielangen Rock, gefertigt aus feinsten silbern wirkenden Kettengliedern. Talenor erkannte auf den ersten Blick, dass die Glieder aus ‚Mithril’ bestanden, einer Spezialmischung von Lemurstahl wie es nur ein Ellwenvolk oder die Darven anfertigen konnten. Die Füße steckten in Schuhen aus feinstem Leder, die bis zum Rock hoch geschnürt wurden. Sie trug ein feines Kettenhemd und darüber eine Rüstung aus den festen silberähnlichen Lemurstahlkettengliedern, die ihren Oberkörper schützte. Ein breiter Gürtel umspannte ihre schmalen Hüften. Daran hatte sie ein Schwert in einer Scheide befestigt. Kurzum, eine tolle Frau, wie er fand.
Der eine der Männer war kurz, allerdings sehr muskulös und stämmig gebaut und hatte rotes, aber kurz geschnittenes Haar, dazu wasserblaue Augen, die ihn ernst musterten. Irgendwie ähnelte er den Darven, wenn er auch ein normales menschliches Gesicht besaß und keinen der langen gezwirbelten und geflochtenen Zwergenbärte. Außerdem war er etliches größer als ein Darve. Seine Bekleidung bestand aus einer Hose und einem Hemd aus feinem weichem dunklem Leder; das Kettenhemd, das seinen Oberkörper schützte, war ebenfalls aus diesem silberähnlichen Spezialstahl hergestellt worden.
Der zweite Mann, der schlanke Hochgewachsene, entpuppte sich zu seiner Überraschung als ein Zeut Ellwe. Er besaß blonde Haare und ein zeitloses Aussehen. Seine Bekleidung war fast mit der des rothaarigen kleineren Mannes identisch.
Alle Drei trugen noch einen Umhang aus dunkelgrüner Ellwenseide, der von einer Spange in Blattform gehalten wurden.
Als nach einiger Zeit nichts mehr von den Verfolgern zu hören war, blickte der Ellwe Talenor nachdenklich an. „Mein Name ist Haldir. Das sind Bully und Lavenia.“
„Ich bin Talenor aus Gorlan. Vielen Dank für meine Rettung.“
Haldir sah ihn überrascht an. „Talenor? Der zweite Sohn des Tamaron? Dann haben wir eine gute Tat vollbracht.“
„Ja, aber nun ist es an der Zeit von hier zu verschwinden!“, mischte sich die Frau sachlich ein.
Als erster verließ der Ellwe, der Waldläufer, das Versteck. Er winkte ihnen zu. Bully, Lavenia und Talenor verließen ihr Versteck mit aller gebotenen Vorsicht. Als sie den Waldrand erreichten, hielten sie erst nach ihren Verfolgern Ausschau. Von diesen konnten sie zum Glück nichts sehen oder hören. Trotzdem mussten diese noch in der Nähe sein, denn die Horon würden nicht so leicht aufgeben. Als es Abend wurde, suchten sie sich ein Versteck für die Nacht. Im Schutze der Bäume setzten sie sich auf den Boden. Bully und Lavenia holten etwas zu essen aus ihren Taschen und gaben auch Talenor davon. Es war ein karges kaltes Mahl, doch es sättigte und das genügte.
Während des Essens hatten sie Zeit, sich ihre Geschichte zu erzählen.
„Woher kommt ihr?“, fragte Talenor.
„Aus einer fernen Stadt, die wir Atlantis nennen“, erklärte Lavenia. „Du wirst bestimmt nicht davon gehört haben.“
„Nein, dieser Ort ist mir unbekannt. Seid ihr alle drei Zeut Ellwen?“
„Zeut Ellwen?“, meinte Reginald Bull amüsiert. „Sehe ich wie ein Ellwe aus?“ Bully lachte sarkastisch. „Nur Haldir ist einer. Meine Heimatwelt heißt Terra und die von Lavenia Gonza. Wir kamen durch ein Weltenportal im Orbit eures Planeten. Unser Raumschiff funktioniert jedoch leider nicht auf eurer Welt, also waren wir gezwungen, nach einem Gegenstand zu suchen, damit wir es wieder benützen können, um endlich von diesem primitiven Planeten verschwinden zu können.“
„Weltenportal im Orbit? Raumschiff? Ihr benutzt seltsame Worte. Wenn ihr keine Zeut Ellwen seid oder eine Abart davon, was seid ihr dann? Seid ihr etwa von den positiven Hohen Mächte geschickt worden?“
Bully und Lavenia sahen sich erstaunt an. „Nein, diese schickten uns nicht. Wir sind aus eigenem Antrieb hier.“
„Wenn die Hohen Mächte euch nicht schickten, was ist dann der Grund für euer Hiersein?“
„Das war eigentlich ein Unfall. Und nun suchen wir das Aure. Das ist ein Gegenstand von großer Macht und von Wesen hergestellt, die sich Lemurer nannten. In der Hafenstadt Thonor liegt unser Schiff, die Seeschlange. Als wir an einem abgelegenen Dock anlegten, sahen wir zufällig, wie deine Entführer dich von einem Schiff zerrten. Das weckte unsere Neugierde, sodass wir beschlossen, euch zu folgen“, erzählte Reginald Bull und wunderte sich über seine naive Ehrlichkeit gegenüber einem Fremden, mochte er auch zehnmal ein Prinz sein.
„Diesem Umstand verdanke ich meine Freiheit“, sagte Talenor freundlich lächelnd. Da fiel ihm etwas ein. „Ihr sucht das Aure? Aber das ist nur eine Legende.“
„Die Zeut Ellwen in Zeutdoras sind sicher, dass das Aure existiert. Es muss sich weiter unten im Süden befinden“, erklärte Lavenia.
Talenor blickte Haldir neugierig an. „Du kommst aus Zeutdoras? Dann werde ich mich euch anschließen. Im Gegensatz zu meinem Bruder, fand ich eure Art schon immer faszinierend.“
„Das wäre fantastisch“, fügte Lavenia hinzu. „Dann schlage ich vor, wir ruhen noch etwas und gehen anschließend nach Thonor zurück.“ Es gab keinen Widerspruch.
Noch weit vor Sonnenaufgang brachen sie auf. Da der Wagen der Horon auf dem Hinweg nur langsam über den unwegsamen alten Handelsweg hatte fahren können, hofften sie für den Rückweg weniger Zeit zu benötigen. Da aber die Südländer bestimmt noch nach ihnen suchten, wagten sie nicht den normalen Weg zu benutzen.
Haldir, Reginald Bull und Lavenia kannten einen im Dickicht verborgenen Pfad, der nicht weit von der Handelsstraße entfernt verlief. Diesen hatten sie bei der Verfolgung schon entdeckt und benützt. Er wand sich zwischen den Felsen, dem Dickicht und manchmal zwischen dicht stehenden Bäumen hindurch. Der Pfad entpuppte sich als sehr ungepflegt. Manchmal vermochten sie ihn kaum noch zu erkennen, weil das Unterholz ihn überwuchert hatte.
Zweimal erblickten sie auf dem Hauptweg kleine Gruppen der Horon, die sich anscheinend aufgeteilt hatten. Einmal konnten sie nur mit großem Glück eine Entdeckung vermeiden. So waren sie froh, als sie endlich die ersten Häuser der Hafenstadt auftauchen sahen.
Sie beeilten sich die Docks des Handelhafens zu erreichen. Dort herrschte wie immer viel Betrieb. Es roch nach Fisch und gebratenem Fleisch, Gewürzen und einigen Düften, die sie nicht einordnen konnten.
„Ich werde eine Nachricht an meinen Vater schicken, damit er sich keine Sorgen mehr zu machen braucht. Und auch auf keine Forderung der Horon eingehen muss“, erklärte Talenor.
„Wird er nicht ärgerlich sein, wenn du nicht gleich nach Hause zurückkehrst?“, fragte Haldir.
„Er ist immer ärgerlich auf mich. Was immer ich auch tue, nichts kann ich ihm recht machen“, erklärte Talenor bekümmert.
Lavenia sah ihn mitfühlend an. „Das tut mir Leid. Warum behandelt dich dein Vater so?“
„Der Tamaron ist der Meinung, dass man in solchen kriegerischen Zeiten wie den unseren, seine Zeit nicht mit der Wissenschaft, Kunst und Musik vergeuden sollte. Für ihn zählt nur das Kriegshandwerk.“
„Aber du siehst wie ein erfahrener Krieger aus“, meinte Reginald Bull.
„Das bin ich auch, doch mein Vater will das nicht wahrhaben. Doch lassen wir das Thema. Suchen wir lieber jemanden, der die Nachricht meinem Vater überbringen kann.“
Nach einiger Zeit fanden sie einen Flussschiffer der Gorlanianer, welcher den Gysera hinauf und hinab fuhr. Der Kapitän fühlte sich sehr geehrt, den jungen Prinzen persönlich kennen lernen zu dürfen. Er wollte ihn nicht mehr ziehen lassen, weil er das Unternehmen für töricht hielt. Talenor ließ sich jedoch nicht umstimmen, und so versprach der Kapitän, dem Tamaron oder seinem obersten Ratgeber Falasthur eine Nachricht zu überbringen. Ihr Schiff würde gleich ablegen und den Gysera hinauffahren, sodass Ranner Aiczuk am anderen Tag die Botschaft erhalten würde. Eine angebotene Eskorte für das Unternehmen, an welchem der Prinz teilnehmen wollte, lehnte Talenor ebenfalls ab.
Das kleine Schiff, welches Talenor hergebracht hatte, hatte den Handelshafen verlassen. An Bord der Seeschlange lernte Talenor noch zwei Freunde von Bully, Haldir und Lavenia kennen: eine gut aussehende Frau namens Syrena, eine Kriegerin und einen seltsamen Mann, einen Wissenschaftler, der sich Cari nannte.
Ihr Schiff, ein kleiner Segler, besaß ein Groß- und ein kleines Focksegel. Es würde sie alle sicher den Golf hinunterbringen. Das große Meer, die Thetys zu befahren hatten sie schließlich nicht vor. Ein günstiger Wind trug sie in die Bucht hinein. Als der Morgen anbrach, erreichten sie das Mündungsgebiet des Gysera und somit die große Bucht von Belfas.
Von dort aus nahmen sie weiter Kurs zur Golfinsel Umbar, der großen Hafenstadt der Horon, die einmal ein wichtiger Stützpunkt der Gorlanianer gewesen war. Heute herrschten dort wieder die Korsaren der Horon, auch wenn viele ihrer Schiffe vor einigen Jahren von einem Stoßtrupp der gorlanischen Marine vernichtet worden waren. Einige Zeit hatte Ruhe geherrscht, doch die letzten Jahre machten die Korsaren wieder groß von sich reden. Sobald sie Umbar erreichten, würden sie vorsichtig sein müssen. Doch bis dahin würde es, selbst wenn die Winde günstig wehten, noch zwei Tage dauern.
Im nächsten Teil wieder eine Rückerinnerung von Bully
PP-Begriffe: Abjinfähigkeiten, Hohe Mächte