So, immerhin zu einem Drittel gelesen, um up to date zu bleiben, stecke zu sehr in zwei anderen Zyklen, da wird mir diese Ebene zu viel. Aber die Neugier treibt's dann doch runter. Und ich möchte doch auch mal wieder was Beisteuern statt nur zu lesen.
Der Pend(ler) zwischen den Energieperioden, diese Verkörperung der Chemie, Physik und Mathematik, mit seinem synästhetischen Innenleben. Erinnert mich an den Regenriesen, wennngleich er weniger fremd ist, wil er verständlichere Syntax benutzt, und an das Flugwesen, in dessen Erlebnisse sich der Protagonist in MTTs "Killer von Terra" via Simusense-Unterhaltung versetzt. "Chronokausal" ist ein schöner Neologismus, und "chrono-" wird auch als Wiederholungswort für die Textbindung eingesetzt. Das ist viel versprechend, es sollte ja immer mal wieder um Zeit und Zeitsprünge gehen. Wenn wir, wie ich den Beiträgen entnahm, am Schluss immer noch nicht wissen, was seine Dank-Rache ist und wie er die Trauer um seinen verlorenen Tad (vgl. S.8) an die Richterin zurückgeben will, dann ist das sicherlich die richtige Entscheidung, damit sein Geheimnis Leben bekommen kann. Mit der Beobachtung, der Innenraum der Sphäre sei "voller Strahlenschauer" (S.1), begegnen wir seinem Lebensbereich zum ersten Mal von außen, das ist gut gemacht. Auch der Umgang mit der ungewohnten Atemluft (vgl. S.12) überzeugt mich.
Chronos, die Zeit, und der Wechsel zwischen den Zeitebenen ist aber auch der Leitbegriff für die Art, alte Elemente in die neue Geschichte einzubauen, so dann sie durch die Wiederaufnahme von Traditionen Leben erhält. Wenn Rhodan sich gründlich organisiert, indem er in der Zelle (vgl. S.8) Liegestützen macht und Schritte zählt, so knüpft es an echtes Leben an, wenn er dann dann von Atlan gelernte Dagor-Übungen praktiziert, so dient zum Aufgreifen alte Serientradition plus dem Aufbauen von Atlan-Stimmung und alsdann meditiert, um seinen Geist zu leeren, so handelt es sich um das in der derzeitigen Romangruppe mitgeführte Meditationsthema, auf das ich schon paarmal eingegangen bin. Übrigens wieder nur angetippt, und nebenbei sei erwähnt, dass dieses "Geist leeren" oder, wie bei LL, den Geist sozusagen Einfrieren, sehr gefährlich ist und die Intelligenz mindern kann. Eine sachgerechte Durchführung bedeutet eher, dass man die Gedanken zur Ruhe kommen lässt, indem man keine neue Energie draufsetzt. Wenn Gucky sich kraulen lässt, um nicht mehr "krampfhaft" (S.9) zu espern, sondern entspannt und effizient zu sein, so überzeugt mich das mehr. Jedenfalls haben wir hier eine dreifache Anbindung an Realwelt, Serientradition und Exposéelement.
Das macht sie immer wieder, zum Beispiel beim "Rhodanos" und "Guckytos"auch in Abwesenheit, das dann auch gleich sehr gründlich erklärt wird, damit sich auch jeder Neueinsteiger auskennt. Was mir dann zu wenig subtil ist, ich mag eher Anspielungen, an denen ich bisschen zu knabbern habe, aber es ist logisch, dass jemand "von außen" sich noch stärker bewusst ist, wie viel die Serie den Einsteigern zumutet, und den Zugang erleichtern möchte. Die Überlegung, ob Tacrols Philosophieren über den distanzlosen Umgang mit den Lebenden im Kontrast zum Verherrlichen der Vergangenheit (vgl. S.10) nun dieser Einarbeitung in die Serienvergangenheit zu verdanken ist, ob primär das Zeitthema verstärkt wird oder die Autorin das Forum liest, entspricht eher meinem Geschmack.
Ein weiteres Verfahren ist die Nennung von einfachen Farben wie Rot, Blau, Gold oder Grau, das ganz traditionell an Gestorbenes erinnert (vgl. S.7). Mich erinnert es an die Eingangsszene der "Stadt Allerorten", wo Bully zwischen Farbeindrücken und einfachen Bewegungen steckt, war nicht so meins, habe es paarmal probiert und den Roman dann weggelegt – natürlich hat das exakt den Effekt, der inhaltlich beschrieben wird, aber es hätte eines interessanteren, komplexer beschriebenen Roboters bedurft, um mich aus der Suppe hinaus und in den Rest des Romans hineinzuziehen. Hier wird die Farbnennung nicht so absolut. Das Schwarz, das ebenfalls in dieser Romangruppe immer drankommt, Bacctou und Co, kommt als "Das Aus. Das Nichts. Die Schwärze" (S.4). Schön.
Der biologische Bereich ist ganz, ganz ausgeprägt, von dem her muss ich meine Vorbehalte gegen das Titelbild relativieren. Pend ist sehr präzise beschrieben mit Traghäuten, Augenband und dann dem neuen Neologismus "Bewusstseinssegel" (S.6). Der Roman beginnt mit den Schnabelratten, gattungsgemischten Tierchen mit hornartigen Wülsten, zwei Schwänzen, Vogelschnäbeln, Inektenbeinzahl, Säugernachwuchs und undefinierbarer Geschlechtszugehörigkeit. Was ein bisschen an die Richterin erinnert. Rhodan wird so mit dem familiären Umfeld konfrontiert, das mit Farye in der "großen Handlung" auf ihn wartet, und in dem er nicht gut ist. Er zeigt seine typische Rücksichtnahme, wenn er ihr"Familienglück [...] nicht weiter stören" (S.6) will. Arg biologisch bedrückend fand ich, dass er den Bach in dem für so was zu kleinen, künstlichen Raum als Genussmittel und Klo zugleich verwendet. Passt natürlich wieder zur künstlich erzeugten Natur im Raumschiff. Ebenso das altertümliche Knacken des modernen Akustikfeldes (vgl. S.6). Oder das geschickte Auswechseln des vertrauten "Panik" in: "kein Grund, in Drangwäsche auszubrechen" (S.11).
Die Naturvergleiche sind allgegenwärtig: Reflexe "hüpfen [...] über die Wellen wie Wasserbewohner, die nach Beutetieren schnappen" (S.7) und die Haluter hören sich an "als prassele Geröll den Abhang hinunter" (S.8), das Material der durchbrochenen Außenwand repariert sich "krabbelnden Käfern gleich" und "wie ein lebender Kristall" (S.9). Diese viele Natur wird nicht nur in den zitierten Beispielen durch die ausgiebige Verwendung des Konjunktiv II und eben die Verwendung als Vergleichsebene ausbalanciert.
Wie bei Montillion sind die Protagonisten sehr viel am Denken, Beobachten und Beurteilen, aber noch dazu reden sie unheimlich viel. Ständig kommen wörtliche Rede oder einfache rhetorische Fragen in erlebter Rede, die dem Leser den Einstieg in die Szene erleichtern.
Egal in welchem Abschnitt, welchem fiktionalen Raum, die Gegenstände sind unheimlich lebendig und tun alles Mögliche, das fällt mir meist bei Verena Themsen auf (ihren letzten habe ich leider auch noch nicht gelesen, aus genannten Gründen). Sie sind mindestens ebenso lebendig, aktiv und präzise wie die Lebewesen.
Deren Gestaltung wiederum spricht mich persönlich nicht so hundertprozentig an. Gut, Rhodan sitzt im Knast, spricht mit den Tieren und ist der Richterin ausgeliefert. Ersteres kann ich umsetzen, ich setze mich zum Lesen auch extra raus, damit das Kaninchen Gesellschaft hat, und rede mit ihm. Aber bei zweiterem vermisse ich paar Nebengedanken mehr, paar Planungen oder Hintergedanken oder so. Gucky übt das neue Espern und lässt sich kraulen, die Haluter schwelgen in Emotionen – wenn es nicht emotionaler wird als bisher, komme ich damit zurecht. Aber mit Sichu habe ich Probleme, und mit paar anderen gedanklichen Prozessen auch. Die Ausarbeitung ist natürlich kontextgerecht, wenn ich an den Umgang mit dem Balg denke, wobei ich immer noch nicht verstehe, wie einem Profi so was passieren kann. Die künstlich umständliche Einschätzung von Tencrods Drangwäsche-Teenagerpsyche (vgl. S.9). Der im zweiten Ansatz nachgeschobene Einfall, Proben eines ungekannten Material mit irren Eigenschaften zu nehmen (vgl. S.9), befremdet mich, denn bei Wissenschaftlern muss das eigentlich auf Automatpilot laufen. Dann der kindliche Dialog darüber, dass das Schiff eine Stammbesatzung hat, der man es wegnahm (vgl. S.10) und das vage Nachfragen nach Farye, als wäre Rhodan irgendjemand, an den sie gerade zufällig erinnert wird. Auch dass sie sich beim Gedanken, "höchstens seine Leiche" zu treffen, "sofort [...] schämte" (S.13) macht auf mich einen wenig professionellen Eindruck. Natürlich könnte man dies als Vorbereitung für das Auftreten der Karduuhl sehen, man hat das Gefühl, da sei gerade der Schwarm durchgezogen...
Und das ständige Bauchanfassen der Richterin nervt mich auch schon seit mehr als einem Roman. Es erinnert mich an den überkandidelten Umgang mit Schwangerschaften bei gewissen Damen, die ewig spät ein Kind ausbrüten und sich gebärden, als sei die Welt um eine gewaltige Sensation reicher und es müsse sich jetzt alles, alles darum drehen. Langsam warte ich darauf, dass da ein echter Horror rauskriecht, wenn es denn so weit ist, die ultimative Geheimwaffe der Atopen oder der Erzschurke des übernächsten Zyklus oder so. Und dann ihr ständiges Schwelgen in ihrer Unangreifbarkeit, ich hasse solche Tussen. Insofern ist die Zeichnung des Bösewichts gelungen.
Übrigens, wie war das noch mit den Nebenwirkungen des Paros-Schirms? Den Swoon, der Monkey bis zu seinem Torpedoritt begleitete, hat er umgebracht, danach war noch was mit dem Paros-Schirm, das auch im Forum diskutiert wurde, aber ich weiß jetzt nicht, wie und ob sie das hinbekommen haben.
Viel von dem beruhigenden Rhythmus kommt von der konsequent durchgezogenen Wortwiederholung, chrono- habe ich schon erwähnt, dann die Farben, die Naturelemente, der "Riese"(S.11), der scheinbar das Loch in die Wandung getreten hat und die "riesenhaften Maschinen" (S.11). Dies beruhig und vermittelt das Gefühl, sich in einem vertrauten Umfeld zu bewegen. Eines dieser leitmotivisch verwendeten Adjektive ist das "seltsam", wie Rhodan die Schnabelratten bezeichnet (vgl. S.6), wie Sichu es findet, dass ihr alles aufzeichnender Anzug mit dem Whist-Aufnahmegerät eindeutige Buchstaben hat, die sie besser versteht als die ihrer Heimat (S.10).
Als kleines Zwischenfazit: Die komplexen funktionalen Gegenstände und die Verfahren der Textbindung gefallen mir gut bis sehr gut, die Charaktere der Protagonisten weniger. Deshalb liegt der Roman zum Weiterlesen bereit, aber ich habe jetzt nicht unbedingt die ganz große Eile damit, es ist zu wenig drin, was mich jetzt ganz persönlich ansprechen würde.