Das Avalon-Projekt (Teil 6)
Im Gegensatz zu gestern, war heute schönstes Wetter und ich genoss es im Sonnenschein zum Eventcenter zu schlendern. Wie immer war ich früh dran und von Merlin war noch nichts zu sehen. So ließ ich mir für die letzten Meter ausgiebig Zeit.
Vor Tür Nummer 6 angekommen, musste ich zweimal auf das Schild gucken, um zu erfassen, was dort in großen Lettern stand: „Heute Ruhetag!“
Auch das noch … Ich begann schon mal zu überlegen und nach Alternativen zu suchen, als mir etwas um die Beine strich. Verdutzt blickte ich an mir herab und erfasste einen grauen wuscheligen Schatten auf vier Beinen.
„Na, wer bist du denn?“, fragte ich den maunzenden Vierbeiner. Ich bückte mich und schob langsam meine Hand zu seiner Schnauze, so dass er daran schnuppern konnte. Dann erst wagte ich ihn zu streicheln. Er ließ es sich gefallen und schon nach wenigen Augenblicken begann er zu schnurren. Und das Motorchen wurde immer lauter.
„Aha, hast du einen neuen Freund gefunden, Simona?“, rief mir Merlin freudig zu, als er an mich herantrat.
„Hi, Merlin! Sieht ganz danach aus.“
Er bückte sich und wollte ihn auch sogleich streicheln, da fuhr er jedoch hoch, fauchte zornig und stellte das Fell.
„So darfst du das nicht machen. Du musst langsam auf ihn zugehen, am besten erst mal die Hand zum Schnuppern langsam entgegenstrecken. Dann erst streicheln, sofern er es denn will.“
„Hm, okay.“ Merlin wollte dem Vierbeiner nun langsam seine Hand reichen, aber da trollte er sich eingeschnappt von dannen. „Komisches Vieh!“
„Das ist kein Vieh, das ist eine Katze!“
„Na, meinetwegen. Wollen wir?“
„Am heutigen Tag haben wir Pech. Gaststätte Nummer 6 hat heute Ruhetag“, wusste ich ihm zu sagen.
„Oh!“, entfuhr es ihm. „Was machen wir nun? Nehmen wir Tür Nummer 7?“
„Nix da. Wir machen die Nummern schön der Reihe nach durch und die Nummer 6 hat dann eben Pech gehabt.“
„Wie dir beliebt. Gehen wir zu dir oder zu mir?“, fragte der Epsaler unschuldig.
Nach kurzem Überlegen sagte ich: „Zu mir! Über die Unordnung musst du aber hinwegsehen, bin heute noch nicht zum Aufräumen gekommen.“
„Kein Problem. Bei mir hätte dich eh der Schlag getroffen“, grinste Merlin.
*
„Sieht doch halb so wild aus“, beruhigte mich Merlin, als wir in mein kombiniertes Wohn- und Arbeitszimmer kamen. Ich wies ihm einen Platz am Wohnzimmertisch zu, wo er sich auch sogleich mit seinen Utensilien ausbreitete.
„Dann wollen wir mal“, und dabei startete der Kommandant seinen Visideveloper, der innerhalb von zwei Sekunden seine Bereitschaft anzeigte.
Derweil hatte ich uns Kaffee aus dem Automat getastet, den wir auch sogleich genossen. Und aus dem Tiefkühlschrank hatte ich zwei Pizzas in die Nanowelle geworfen, die jeden Moment auch fertig sein mussten. Merlin hatte eine mit Krustenboden und dick belegt mit Schinken gewünscht. Für mich war eine Hawaii-Bodega in der Mache …
Heute ging es also daran, das kniffelige Problem von gestern weiter zu verfolgen. Merlin hatte mir das Problem vorhin auf dem Weg zu meinem Appartement nochmals genau erklärt und so konnten wir die Sachlage während der Pizza-Verspeisung gezielt und genauer durchgehen. Da hatte ich spontan eine Idee und Merlin schlug sich mit der flachen Hand auf seine Stirn.
„Das ist genial. Wieso kommt man auf das Naheliegendste nicht gleich?“
„Keine Ahnung! Vielleicht das berühmte Brett vorm Kopf?“, grinste ich ihn an.
„Ja, genau!“, dabei hackte er die von mir initiierte Matrix in sein Gerät. Als er fertig war, lehnte er sich zurück und meinte: „Das dauert jetzt etwas, bis das Gitter durchgerendert ist.“
Dabei schaute er mich an und ich erwiderte den Blick mit einem freundlichen Lächeln.
Er beugte sich zu mir herüber, gab mir einen Kuss auf die Wange, dann noch einen … und arbeitete sich zu meinen Lippen vor.
„Schlafen wir miteinander?“, brachte er zwischen den Küssen mühsam hervor.
„Was denkst du dir denn dabei?“, gab ich entrüstet von mir.
„Ich dachte ...“
„Nichts hast du gedacht ...“
„Aber … aber deine freundliche und nette Art … ich dachte du fühlst ähnlich. Und wolltest du nicht auch Spaß haben?“
Da musste ich doch herzlich lachen. „Sorry, ich wollte Spaß, ja. Aber nicht solchen. Da hast Du etwas missverstanden.“
„Sieht so aus“, ließ er mich bedrückt wissen. Dabei ließ er von mir ab. „Alles gut?“, hakte er bedröppelt nach.
„Ja, alles gut. Und nun lasse uns weitermachen. Deine Kiste hat eine Meldung ausgegeben ...“
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06.12.2017 by Hans Herrmann -