Ich habe mir den Artikel gestern ausgedruckt und gelesen und erst heute nachgeschaut, was an Zitaten zur Untermauerung diverser Thesen angeführt wird.
Zunächst der allgemeine Eindruck: Im Allgemeinen sehe diesen Artikel sehr positiv. Er ist sehr klar in seiner negativen Bewertung der "frühen" Kritik an der Serie. Ob "Schematismus des Schema-Vorwurfs", völlige Ignoranz der "eigenen Geopolitik" der Serie und ihrer Komplexität, die Absurdität der Extrapolation eigener "simplifizierender Textinterpretationen auf den Rezipienten", usw.: Das ist nicht nur sachlich richtig, sondern auch in der Form eine volle Breitseite auf die teilweise wirklich unsäglichen "Studien" im letzten Jahrtausend.
Und die Grundidee, dass eine "Untersuchung der Akteure in den Foren und Wikis" einen "Ertrag" für "eine Forschung erbringen" könnte, "die, wie von der empirischen Kulturwissenschaft gezeigt, den Akteuren ... folgt und zugleich die Texte ernst nimmt, die in den Aneignungsweisen der Leserinnen resonieren" kann ich nur unterstützen, wenn ich mich auch fragen muss, warum es bis 2018 gedauert hat, bis jemand auf diese Idee kam.
So weit, so gut. Jetzt schaue ich mir aber diese "Untersuchung" an, und da muss ich doch massive Kritik äußern. Schlampigkeiten wie falsche Daten bei Tagen und Zeiten zeigen fehlende handwerkliche Sauberkeit, wobei ich den schlimmsten handwerkliche Fehler der falschen Autorname des Romans PR 2976 "Hyperlicht" ist (Dirk Schulz, der Tibizeichner wird genannt, Autor des Romans ist Michael Marcus Thurner).
Die Fragwürdigkeit, den Begriff "Forumskrieg" so herauszuheben, der in 6 Jahren des aktuellen Forums genau dreimal (in Variationen) auftaucht, und das noch einzuleiten mit "Begriffe sind niemals unschuldig...." wurde schon diskutiert. Dazu möchte ich noch hinzufügen, dass der Begriff "Forumsfrieden" alleine im Bereich "Forenrelevantes und Support" 16-mal benutzt wird. Man hätte statt dem Kapitel zum "Forumskrieg" auch ein Kapitel zum "Forumsfrieden" schreiben können und wie es in der "Serie selbst" mit dem Frieden aussieht.
Im Übrigen ist es meiner Meinung nach so, dass es in der Tat "Polarisierung" und "Achtungsentzug" im Forum gibt, aber die Gründe hierfür sind (meines Erachtens) in den wenigsten Fällen Auseinandersetzungen an klaren politischen Themen. Oder was an der Scherungsdiskussion ist eurer Meinung nach politisch? Beim Konzept von Thez, den Atopischen Richtern, oder den Tiuphoren kann man einen politischen Bezug sehen, aber die Auseinandersetzungen entzünden sich an den wenigsten Fällen an den politischen Aspekten dieser Handlungselemente. Auch das mit Bildern hinterlegte Beispiel zum "Forumskrieg" war keine politische Diskussion. Aber vielleicht sehe ich den Begriff des "Politischen" auch zu eng.
Was mich aber richtig stört ist das Kapitel zur Perrypedia mit Titel "Der Streit um die Dritte Macht in der
Perrypedia". Als ich das in der Printform las, dachte ich mir "interessant, hätte ich nicht gedacht. Heute habe ich mir aber dann mal die Versionen und die Diskussionen zum
PP-Artikel zur Dritten Macht angeschaut (die Diskussionen sieht man nur als angemeldeter Benutzer). Und muss feststellen, dass hier manipulativ argumentiert wird.
In den "Selbstbeschreibungen" S. 89 vergleicht Werber die Texte zur "Dritten Macht" vom 02.02.2004 (als der Artikel erstmals erstellt wurde, die Perrypedia startete im Januar 2004) und vom 14.06.2018 (was im Wesentlichen dem aktuellen Stand entspricht, die letzte wesentliche Änderung bei den "Anmerkungen zur rechtlichen Sachverhalt" ist vom 4. März 2018). In der aktuellen Variante steht, dass Perry Rhodan "notgedrungen als Diktator" regierte, dass die Regierungsstruktur einer "gemäßigten Militärdiktatur" glich und die Tatsache, dass Perry Freyt mit einem Hypno-Block versah, damit er "während der Abwesenheit Rhodans nicht durch die ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel verführt werden" konnte. Diese Aspekte stehen in der ersten Version nicht, völlig korrekt.
Werber schreibt dann aber weiter explizit auf S. 90 "In der Artikelversion vom 9.12.2004, 12:05 sucht man Bestimmungen der Dritten Macht wie „Militärdiktatur“ und Rhodan als „Diktator“ vergeblich." Warum wird nun diese weitere Version erwähnt, gerade 10 Monate nach der Ersterstellung, sogar mit genauer Uhrzeit?
Schaut man in den Versionen nach, dann findet man, dass es eine Version vom 9.12.2004, 12:05 gar nicht gibt. Es gibt eine Version vom 9.12.2004, 10:05 (vielleicht ein Tippfehler, vielleicht eine Konfusion der Zeitzonen), und in der Tat stehen dort die Begriffe „Militärdiktatur“ und Diktator“ nicht. Aber in der nächsten Version am 9.12.2004, 10:17, also sage und schreibe 12 Minuten später, wird der Text eingebracht, der (von kleinen redaktionellen Änderungen abgesehen) noch heute im aktuellen Artikel steht: "Die Regierungsstruktur der Dritten Macht glich, bedingt durch die Sachzwänge, der einer gemäßigten Militärdiktatur. Perry Rhodan, in dessen Händen die Machtmittel der Arkoniden lagen, regierte notgedrungen als Diktator. Letztenendes entschied er über alle zu ergreifenden Maßnahmen. Während der Existenz der Dritten Macht waren nur geringe Ansätze von Demokratie erkennbar."
Da frage ich mich schon, was das soll. Zusammen mit den davor erwähnten Versionen von 2015 und 2010, in denen von "Imperialismus" nicht die Rede sein soll (was im wörtlichen Sinne sicher stimmt), wird der Eindruck erweckt, als wäre die kritische Sichtweise auf den politischen Hintergrund und das Agieren Perry Rhodans in den Zeiten der Dritten Macht eine erst in den allerletzten Jahre entwickelte Ansicht. Das gibt die Analyse der Versionen aber nicht her. Tatsache ist, dass bereits Ende 2004 das Agieren Rhodans als "Diktator" benannt wurde. Am 25. Juni 2006 kam der Abschnitt zum Hypno-Block von Freyt hinzu. Am 02.07.2006 kamen erstmals die "Anmerkungen zum rechtlichen Sachverhalt" dazu (die bis heute erweitert werden), in der erstmals der Text "Als Rechtfertigung wird die Sicherung der Existenz der Menschheit angeführt" steht und wo auf schwerste Rechtsverletzungen Rhodans und der Dritten Macht hingewiesen wird, inkl. der "völkerrechtswidrigen Besetzung eines fremden Hoheitsgebietes". Das geschah 2006 und nicht "heute".
Schaut man sich die Diskussionen zum Artikel an (nur nach Anmeldung möglich) dann findet man schon Meinungsverschiedenheiten zu bestimmten Formulierungen, bspw. in der Darstellung des Umgangs mit den Springern. Aber hier von "Streit" zu reden, wir der Kapiteltitel suggeriert, finde ich nicht angebracht. Wir reden hier von einem Wiki-Artikel, an dem im Laufe der Jahre vielleicht 20 Personen mitgearbeitet haben, der aber in den wesentlichen Punkten von weniger als 10 Personen geschrieben wurde. Kann man da erwarten, dass alle den Text gleich interpretieren? Sicher nicht.
Um hier zum Ende zu kommen: Den Ansatz des Artikels von Niels Werber ist interessant und im Allgemeinen finde ich ihn lobenswert. Aber je genauer man hinschauf, umso mehr fällt auf, dass die stichprobenartige, exemplarische "Untersuchung" nicht immer das Wasser halten kann.