Er schwebte im Schneidersitz in die Höhe und stabilisierte sich circa 40 Zentimeter über dem Kopf des Haluters, sodass dieser nach oben schauen musste, um den Ilt sehen zu können. "Ganz neue Perspektive, was Großer? Du musst jetzt zu mir aufblicken und ich habe endlich mal die Aufmerksamkeit, die mir zusteht! Aber ich will mal nicht so sein." Er senkte sich ein Wenig ab und war nun auf Augenhöhe mit dem schwarzen Riesen. Dabei schwebte er ständig um den Kopf Tolots herum, was zur Folge hatte, dass Letzterer seine Stielaugen ausfuhr, um den ihn umkreisenden Ilt ständig im Blick zu haben. Für die Anderen, insbesondere für Lee und John, war das eine leicht verwirrende Veranstaltung.
"Also", meinte Gucky nochmals, "rekapitulieren wir doch mal. Ein armer kleiner Mausbiber namens Gucky war das Metallplastikgedöns auf den diversen Sorten Raumschiffen Leid und wollte mal Urlaub machen. Er wollte einfach nur im Regen stehen und die Natur genießen. Dazu hatte er sich ausgedacht, einen Planeten mit seiner Anwesenheit zu beglücken, der zwar bewohnt ist, den aber sonst keiner kennt oder besucht. Dazu befragte der arme kleine Mausbiber den Bordrechner ANANSI, weil der eigentlich alles weiß. Aber sogar ANANSI konnte mir hier nicht weiterhelfen. Jetzt gibt es aber einige Leute, die haben eine besondere Befugnis. Wenn es sich zum Beispiel darum dreht, in die Tiefen NATHANs vorzudringen und dort nachzuforschen. Der arme kleine Mausbiber gehört nämlich neben Perry, Bully, Atlan und einigen ganz wenigen Köpfen aus der Solaren Regierung dazu. Also beauftragte er ANANSI, bei NATHAN mal nachzuforschen. Es dauerte dann für ANANSI endlose drei Sekunden, bis ein Ergebnis vorlag. Die Koordinaten Newenglands kamen zudem nur als durchlaufende Posten, das heißt, ANANSI konnte sie nicht lesen oder gar abspeichern. Ich selber musste heilige Eide schören, sie niemandem zu außer den genannten Bevollmächtigten zu verraten. Da Perry aber für den Notfall wissen musste, wo ich mich aufhielt, habe ich es ihm mitgeteilt. Auf einem Zettel. Einem beschriebenen Blatt Papier. Wie in der Steinzeit. Weil das eben noch nicht mal ANANSI wissen durfte. Dann kam Bully hinter mir her auf diese Welt, weil er sich selbst im Weg stand und etwas zu klären hatte. Na, und unser schönster aller Arkoniden treibt sich auch ohne größeren Antrieb überall da herum, wo gutaussehende Frauen herumlaufen."
Bei der letzten Bemerkung sah er Lee an, der dieser Blick samt Guckys Bemerkung ein wenig peinlich war. Der Kleine ließ sich natürlich nichts anmerken und drehte weiter seine Runden um Icho Tolots Kopf.
"Diese Welt", fuhr er weiter fort, "ist in keinen Sternenkatalogen enthalten. Weil die Sonne einen 6 dimensionalen Hau hat oder sowas. Ganz kapiert habe ich das noch nicht, aber das kann ja noch kommen. Auf jeden Fall kann man sie nicht orten und würde sie, wenn überhaupt, nur durch Zufall finden. Newengland blieb zudem vom der Schwarmkrise und der PAD Seuche verschont. Noch nicht mal meine telepathischen Sinne funktionieren hier. Und ganz Wichtig: Alle möglichen und unmöglichen kriegerischen Auseinandersetzungen gingen an unseren Gastgebern vorbei."
Er blieb genau vor dem Gesicht des Haluters "stehen" und Tolot zog seine Stielaugen wieder ein.
"Und jetzt kommst du an und erzählst uns, dass Halut die Existenz und die Position Newenglands seit zweitausendfünfhundert Jahren bekannt ist. Da bin ich ja mal neugierig, welche Räuberpistole wir jetzt untergejubelt bekommen."
Tolot verzog seinem Mund und gab etwas von sich, dass vielleicht ein kleines Lachen sein sollte. Auf Lee wirkte es, als würde sie mitten in einem Gewitter stehen und der Donner knallte laut und heftig mehrfach direkt über ihr.
"Keine Sorge, meine Kleinen", begann der Haluter. "Eure Daten sind bei uns so sicher wie in - wie sagt man bei euch? - Abrahams Schoß. Die Geschichte der Entdeckung Newenglands ist die Geschichte der Forschungen des vor 876 Jahren verstorbenen Truktur Horvats. Horvatos, ich durfte ihn seinerzeit kennenlernen, war ein glänzender Wissenschaftler. Er war Astronom, dazu praktizierender und theoretischer Physiker im klassischen und mehrdimensionalen Bereich. Sein Spezialgebiet war die Erforschung von im Höherdimensionalen unregelmäßig oder abnorm strahlenden Sonnen und deren Auswirkungen auf die Umwelt. Er war ein absoluter Könner, der zum Beispiel eure Universalgenies wie Waringer, Hamiller oder wie sie alle hießen, locker in die Tasche steckte. Als er über dieses System stolperte, suchte er eigentlich etwas ganz anderes. Aber da er nun einmal hier war, schloss er eure Sonne in seine Untersuchungen mit ein und entdeckte euch somit zwangsläufig.
Als ihm klar wurde, was das hier für eine Welt war, zog er sich zurück und wünschte den Bewohnern im Stillen alles Gute. Er ließ aber vorsichtshalber eine Sonde hier, die Unregelmäßigkeiten nach Halut melden sollte. Ergänzend flogen und fliegen halutische Schiffe immer mal hier vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Diesmal oblag diese Pflicht mir und das ist der Grund meines Hierseins."
"So ein Zufall aber auch!" Gucky war das Misstrauen anzumerken. "Da dreht doch wieder ein dran herum. Da kannst du mir erzählen, was du willst, irgendwas stimmt da nicht."
John Talbot sah auf und machte sich bemerkbar. "Tolot", begann er.
"Tolotos für mein Freunde, Talbotos", wurde er von dem Riesen unterbrochen.
John verbeugte sich. "Ich fühle mich sehr geehrt, von solch einer lebenden Legende als Freund bezeichnet zu werden. Aber gestatten Sie mir eine Frage, Tolotos. Die Sonde. Hat sie angeschlagen?"
Tolot fuhr sein mittleres Auge aus und sah Talbot damit an. "Ich habe Geschichte Ihrer Welt verfolgt und weiß, warum Sie das fragen", sagte er. "Ja. Hat sie. Genau zwölf Mal seit ihrer Installierung. Elf Vorfälle konnte sie alleine klären, da ist auch nichts mehr zu erwarten. Einmal mussten wir mit drei Schiffen eingreifen, um gewisse Probleme aus der Welt zu schaffen."
John sah Icho Tolot nachdenklich an. "Dann stehen wir tief in Ihrer Schuld", erwiderte er nachdenklich, setzte sich wieder zu Atlan und begann umgehend ein augenscheinlich längeres Gespräch mit dem Arkoniden.
"Tja, mein riesiger Freund", nahm Gucky den Faden wieder auf. "Diese reizende Dame hier"", er zeigte auf Lee, "würde sich sehr freuen, wenn sie erfahren würde, wie deine Artgenossen den Weg nach Andromeda gefunden hatten."
"Das ist eine teilweise sehr traurige und mich ab und zu immer noch belastende Geschichte", begann Tolot seine Erzählung. "Obwohl es schon so lange her ist. Und obwohl mein Planhirn mir regelmäßig mitteilt, dass ich sowieso nichts daran ändern könne und die Entwicklung nach der Flucht von Halut zwangsläufig so kommen musste. Aber was nützen Prozentsätze und Wahrscheinlichkeiten schon?"
"Tolotos, du weißt, dass du nicht überall sein kannst", meinte Reginald Bull dazu. "Das gelingt noch nicht mal unserem größten aller großen Meister, Perry Rhodan daselbst. Und was der nicht schafft, kriegen andere sowieso nicht geregelt."
Lee ging auf ihn zu und meinte: "Du hast nichts falsch gemacht. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand und das ist wichtig und muss positiv bewertet werden. Alles weitere ist graue Theorie und zählt nicht." Dabei strich sie ihm über den rechten herabhängenden Unterarm, den Handlungsarm. Die Haut Tolots fühlte sich wie hartes Leder an, aber sie stellte erstaunt fest, dass die darunterliegende Muskulatur bei ihrer Berührung zuckte.
"Ich weiß schon, warum ich mich bei euch kleinen Leuten so wohl fühle", sagte der Gigant. "Ihr habt zwar nur ein Herz, aber das ist auf dem richtigen Fleck."
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H.G. Francis wird in diesem Zyklus zu einem meiner Lieblings - Autoren. Gut, mit solchen Äußerungen sollte man vorsichtig sein und die anderen Schreibenden nicht in die Negativ - Schublade stecken. Aber HGF verstand die Schilderung der Haluter wesentlich besser als HGE einen Band vorher. Tolot wird nicht als Ober - Schlauberger geschildert und Sokrat ist kein dummer Junge. Herrlich wirkt auf mich die Schilderung des häufig beleidigten und leicht bescheuerten Posbis Pantalon, der sich für Tolots Orbiter hält. Ich sehe ihn als Bereicherung in einer Handlung, die ohne ihn zu trocken werden könnte.
Aktuelle Handlung und geschichtliche Rückblicke präsentiert Francis abwechselnd und vor allem interessant und glaubhaft geschrieben. Wir erfahren, was mit den Halutern geschehen ist und stellen verwundert fest, dass auch diese hochintelligenten Riesen psychisch überfordert werden können. Der Autor bring uns in der Geschichte der vergangenen 700 Jahre einen erheblichen Schritt weiter und stimmt uns in technischer Hinsicht für die Zukunft optimistisch. Der Störsender könnte zu erheblichem Fortschritt führen.
Und: In einem Nebensatz erfahren wir etwas Interessantes: Die Blitzer reden nicht in der Sprache der Cantaro.