Übungsraum mit Yogakatze
Spoiler:
Übungsraum mit Yogakatze
Auf dem Weg entlang der blau leuchtenden Wasser des Swimmingpools in Richtung des Übungsraums dachte Joachim über den Vorfall nach. Dieses Verschwinden, das war wie in einem schlechten Roman, dessen Autor logische Verknüpfungen umgehen wollte. Er schüttelte den Kopf. Nichtsdestotrotz genoss er die Ruhe.
Im großen, hellen Yogaraum erwartete sie die zierliche Blondine. Joachim war überrascht. „Ähm, Biagina?“, fragte er leise.
Die Frau wandte sich ihm nach kurzem Zögern zu.
„Wollte die sich nicht um die Kinder kümmern?“, erkundigte er sich.
Sie runzelte die Stirn. „Welche Kinder? Übrigens, ich heiße Lisa“, gab sie zurück und streckte ihm die Hand hin.
Sheela drehte sich nach ihnen um.
„Hoffentlich haben wir nicht mit der. Ich will ihn“, wisperte sie Lisa-Biagina zu.
„Oh ja, ich auch“, stimmte die zu, und beide kicherten.
„Ach, Margot, hast du eine zweite Zahnpastatube dabei? Ich hab' meine vergessen.“
„Ich tu dir welche in ein Schälchen“, versprach Sheena-Margot. Joachim schüttelte den Kopf, ehe ihm einfiel, dass die Trainer dies als Ablehnung ihrer Person missverstehen könnten. Beflissen reckte er den Kopf, um aufmerksamer zu wirken.
Alle versammelten sich nun in einem Halbkreis um die beiden Übungsleiter. „Willkommen hier in unserem Lupullia“, begann der muskulöse junge Mann. „Ich bin der Jonny und das ist die Tina“. Die Blondine winkte. „Wir sind eure Trainer und wollen gemeinsam mit euch diesen Kurs gestalten. Eine Aktive Auszeit, das ist unser Ziel. Gesundheit und Einkehr ins eigene Selbst. Und natürlich wollen wir Spaß haben und Zeit füreinander und uns entwickeln. Wir beginnen mit kleineren Gruppen. Diese Hälfte – seine Hand trennte den Halbkreis – kommt zu meiner Frau. Da sind natürlich die Männer dabei. Und die anderen sind bei mir. Los geht’s.“ Ein kichernder Schwarm folgte ihm in den hinteren Teil des Raumes.
Männer? Hoffnungsvoll spähte Joachim in die Runde, nur um den Blicken der Kursteilnehmerinnen zu begegnen, die gleichfalls nach Männern suchten und ihn von oben bis unten musterten. Reflexhaft zog er den Bauch ein. Auch Tina führte ihre Gruppe nun ein paar Schritte zur Seite, und ließ sie sich alle auf ihre Isomatten setzen. Im Schneidersitz. Joachim spürte, dass sein letzter Kurs eine ganze Weile zurücklag und er seine guten Vorsätze, jeden Tag zu üben und mäßig zu essen, nicht eingehalten hatte.
„So, wir beginnen mit einem Warm-Up“, verkündete Tina und begann mit Wiege-und Streckbewegungen. Bald waren die Teilnehmerinnen in Schweiß gebadet. Joachim auch.
„Also, es geht heute erst mal um die Taille und um die Bauchmuskulatur“, kündigte sie an, „schließlich wollen wir alle das Gefühl haben, etwas für uns selber zu tun.“ Sie stützte die Hände auf die Knie und begann ihren Brustkorb zu wiegen. „So, jetzt spüren wir schon ein wenig unsere Taillenmuskulatur.“ 75A. Joachim wiegte sich mit und spürte sein Fett. Er begann, Weihnachtsbraten, Ostereier, Geburtstagstorten und diverse gesellige Runden im Biergarten Revue passieren zu lassen. Jetzt eine Schweinshaxe...“
„...vier Mal“, riss ihn aus seinen Gedanken. „Und dann in genau derselben Haltung nach hinten und nach vorn mit dem Oberkörper, nach hinten und nach vorn.“
Weiter ging es, man legte sich auf den Rücken und hob die Beine, senkte sie, hob sie.
„Das ist gut für den Beckenboden“, oder?“, fragte eine Teilnehmerin, deren Kraushaar nass ins Gesicht hing.“
„Natürlich. Das ist das allerbeste, was wir für unseren Beckenboden tun können“, versicherte Tina und lächelte Joachim strahlend an. „Und wir wissen alle, wie wichtig der Beckenboden für unser Wohlbefinden ist.“
Allgemeines Gekicher umgab Joachim. Der Kurs war gut gelaunt.
„Und diese Muskeln halten auch den Busen in Form“, ergänzte eine dunkelhaarige Frau und demonstrierte, wie das aussah. Joachim suchte ein Objekt, nach dem er gucken konnte, und fand die Katze.
Die Mieze hatte es sich unter einem Blumenhocker mit einem riesigen blühenden Fensterblatt gemütlich gemacht. Sie räkelte sich auf dem Rücken, zeigte die Tigerstreifen und die länglichen Punkte ihres Bauchfells und die schwarzen Pfotenunterseiten. Unter halbgeschlossenen Lidern beobachtete sie die Neuankömmlinge.
Inmitten der Frauen entstand Bewegung. Margot lächelte Tina an und fragte: „Wir sind doch alle schon Fortgeschrittene. Können wir die Krähe machen?“
„Au ja, die Krähe“, riefen die Frauen durcheinander. Die Katze drehte sich geschmeidig auf den Bauch. Grüne Augen musterten die Anwesenden. Die Zunge lugte zwischen spitzen Zähnen hervor.
„Natürlich können wir die Krähe machen“, entschied Tina. „Es macht halt jeder so weit, wie er kann.“
Joachim kannte diese Yogafigur und hatte sie schon geübt. Vor ein paar Jahren, und damals war er zwanzig Kilo leichter gewesen. Aber er würde es sicher trotzdem schaffen, sicherlich sogar besser bewältigen als viele von diesen Frauen, die doch nur mit der Figur des Trainers beschäftigt waren, statt sich ordentlich auf die Yogafígur zu konzentrieren und dadurch die Übungszeit möglichst gründlich zu nutzen.
Nur mit einem Ohr hörte er Tinas Anleitung zu und vergegenwärtigte sich den Ablauf. Er setzte die Handflächen auf. Die Arme etwas stärker beugen, sagte er sich, dann die Innenseiten der Beine auf die Oberarme schieben, bis hoch zu den Achseln. Jedenfalls nahe an die Achseln, so nah wie es ging. Es fiel ihm deutlich schwerer als damals, so weit er sich erinnern konnte, was sicherlich mit der Gewichtszunahme zusammenhing, die zu bekämpfen er hergekommen war und die ihm jetzt mehr als er er sich wünschte im Weg stand. Schweiß lief ihm über die Stirn, den er nicht wegwischen konnte und der in einem ersten Tropfen, auf die Matte fallend, einen nassen Kreis malte. Die Zehenballen sollten jetzt am Boden immer enger zusammenrutschen, und nun kam der alles entscheidende Moment, in dem er das Gewicht nach vorne gab, wobei er darauf achten musste, dass er nicht vornüber fiel.
Vielleicht hätte er sich eine Decke unterlegen sollen. Aber jetzt ging das nicht mehr und es hätte auch den anderen Teilnehmern und vielleicht sogar den Trainern gegenüber den Eindruck erweckt, als mangele es ihm an Selbstvertrauen, und sie hätten dies zum Anlass genommen, an seiner Charakterstärke zu zweifeln oder an seiner Eignung für diesen Kurs überhaupt, was ihm im Endeffekt sicherlich ihre Verachtung und jede Art von Nachteilen eingebracht hätte. Wobei er sich über die Meinung solch schwacher und abhängiger Personen nicht viel Sorgen machen musste. Er sah um sich. Manche schwebten schon auf den Händen, andere mühten sich. Tina war aufgestanden, um zu helfen. Die Katze hatte die Vorderpfoten aufgesetzt und ihre Pupillen zu einem schmalen Schlitz verengt.
„Unsere Yogakatze“, rief Tina, die seinem Blick folgte, und mehrere der Yoginis nutzten die willkommene Gelegenheit, sich aus den mühsamen Krähenübung zu befreien und die Katze zu streicheln, welche die ungeteilte Aufmerksamkeit vieler Menschen gewöhnt zu sein schien und zu schnurren begann.
Joachim versuchte, den rechten Fußballen und die Zehenspitzen vom Boden zu lösen und in einen sicheren Stand zu kommen, was die Grundlage bildete, um auch den zweiten Fuß heben zu können. Er hob ihn ein wenig und tippte immer wieder auf dem Boden auf, um sich zu stabilisieren. Plötzlich gab es einen schweren Schlag und ihn verblüffte die veränderte Perspektive, von der aus er die Halle sah. Die Holzdecke befand sich unter ihm und er fühlte sich wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag und mit Armen und Beinen ruderte, ohne hochzukommen. Einige Frauen schrien, und Tina kam gelaufen,um ihm aufzuhelfen.
„Geht es dir gut?“, fragte sie mitfühlend. „In deinem Alter muss man solche Figuren langsam angehen. Wir machen jetzt erst mal was Einfaches. Hast du dir auch wirklich nicht wehgetan?“
Joachim verneinte, wobei er sich nicht sicher war, ob ihm der Fall oder die fehlerhafte Einschätzung der jungen Frau mehr zu schaffen machte. Mit einem Mal erschien sie ihm unangenehm dürr und unreif. Sie richtete sich auf und klatschte in die Hände. „So, meine Lieben, wir machen jetzt erst mal den Baum. Das ist ein ganz wichtiges Asana.“ Alle stellten sich in einen Keis.
„Der Baum hilft uns körperlich, indem er den Gleichgewichtssinn stärkt, den man bei den schwereren Übungen braucht.“ Mehrere Frauen sahen zu ihm hinüber, und Joachim fühlte Zorn und Scham in sich aufsteigen.
„Seelisch stabilisiert und harmonisiert er uns. Er hilft uns, Bestimmtheit und Zielorientiertheit zu entwickeln“, erklärte Tina weiter und begann, sich mit geschlossenen Füßen gerade hinzustellen. Die Frauen machten es nach. Sie begannen, tief ein- und auszuatmen.
„Nun müssen wir die Arme seitlich ausstrecken und das Gewicht auf das rechte Bein verlagern, dann den linken Fuß anheben. Achtet bitte darauf, das Knie so weit wie möglich nach außen zu drehen, um ins Gleichgewicht zu kommen“. Tina sah sich um, und Joachim auch. Einige konnten die Übung so gut, dass sie bereits den Fuß oben an die Innenseite des Oberschenkels gelegt hatten. Er war noch mit der Verlagerung des Gewichts beschäftigt.
„Nun winkeln wir die Arme leicht an, ganz leicht, so wie ich es vormache, schließen die Hände, indem wir sie über dem Scheitelpunkt unseres Kopfes zusammenlegen, und wir spannen den Bauch an.“ Sie machte es vor, und Joachim machte es nach, wobei er sich fühlte wie ein Baum im Sturm, der in heftigen Böen hin- und herschwankte. Der Herr der Ringe fiel ihm ein und die Reise der Hobbits auf den Schultern des Ent. Etwas Kleines mit spitzen Nadeln an den Pfoten umfasste sein Bein, dann seine Seite, hing sich mit ungeteilter Entschlossenheit an ihn, umklammerte ihn und kletterte an ihm hoch. Er fühlte Pelz an der Wange.
„Bauhaus, nein“, rief jemand und Joachim taumelte auf beide Füße, eine kleine schwarze Katze in der Hand.
„Oh, ist die süß“, „Wie lieb!“ „Oh, wo kommt die denn her“, riefen die Frauen durcheinander, während sie ihn umdrängten und dann, als eine von ihnen die Katze erbeutet hatte, unbeachtet stehenließen. Unwillkürlich empfand er einen Stich, Neid kroch in ihm hoch. So würde er auch gerne mal gekrault werden. Anscheinend hatte er bei de Wahl seiner aktuellen Wiedergeburt einen schweren Fehler gemacht.
„Warum heißt der denn Bauhaus?“, erkundigte er sich bei einer der Frauen, die den kleinen Kater gerade nicht erreichten konnten.“
„Oh, eine Kursteilnehmerin hat ihn auf dem Bauhaus-Parkplatz gefunden und mitgenommen“, erklärte sie. „Oh, ist der süß“ - und schon stürzte sie sich erneut ins Gewühl der Streichelnden.
Eine Klangschale ertönte. Es gab einen Imbiss. Mittagessen.
„Zum Abendessen grillen wir frischen Fisch aus dem Meer“, kündigte Jonny an, der mit seiner Gruppe herankam. Noch mehr Frauen stürzten sich auf die Katze. Andere lösten sich von der Gruppe und begaben sich zur Terrasse. Joachim folgte ihnen.
Auf dem Weg entlang der blau leuchtenden Wasser des Swimmingpools in Richtung des Übungsraums dachte Joachim über den Vorfall nach. Dieses Verschwinden, das war wie in einem schlechten Roman, dessen Autor logische Verknüpfungen umgehen wollte. Er schüttelte den Kopf. Nichtsdestotrotz genoss er die Ruhe.
Im großen, hellen Yogaraum erwartete sie die zierliche Blondine. Joachim war überrascht. „Ähm, Biagina?“, fragte er leise.
Die Frau wandte sich ihm nach kurzem Zögern zu.
„Wollte die sich nicht um die Kinder kümmern?“, erkundigte er sich.
Sie runzelte die Stirn. „Welche Kinder? Übrigens, ich heiße Lisa“, gab sie zurück und streckte ihm die Hand hin.
Sheela drehte sich nach ihnen um.
„Hoffentlich haben wir nicht mit der. Ich will ihn“, wisperte sie Lisa-Biagina zu.
„Oh ja, ich auch“, stimmte die zu, und beide kicherten.
„Ach, Margot, hast du eine zweite Zahnpastatube dabei? Ich hab' meine vergessen.“
„Ich tu dir welche in ein Schälchen“, versprach Sheena-Margot. Joachim schüttelte den Kopf, ehe ihm einfiel, dass die Trainer dies als Ablehnung ihrer Person missverstehen könnten. Beflissen reckte er den Kopf, um aufmerksamer zu wirken.
Alle versammelten sich nun in einem Halbkreis um die beiden Übungsleiter. „Willkommen hier in unserem Lupullia“, begann der muskulöse junge Mann. „Ich bin der Jonny und das ist die Tina“. Die Blondine winkte. „Wir sind eure Trainer und wollen gemeinsam mit euch diesen Kurs gestalten. Eine Aktive Auszeit, das ist unser Ziel. Gesundheit und Einkehr ins eigene Selbst. Und natürlich wollen wir Spaß haben und Zeit füreinander und uns entwickeln. Wir beginnen mit kleineren Gruppen. Diese Hälfte – seine Hand trennte den Halbkreis – kommt zu meiner Frau. Da sind natürlich die Männer dabei. Und die anderen sind bei mir. Los geht’s.“ Ein kichernder Schwarm folgte ihm in den hinteren Teil des Raumes.
Männer? Hoffnungsvoll spähte Joachim in die Runde, nur um den Blicken der Kursteilnehmerinnen zu begegnen, die gleichfalls nach Männern suchten und ihn von oben bis unten musterten. Reflexhaft zog er den Bauch ein. Auch Tina führte ihre Gruppe nun ein paar Schritte zur Seite, und ließ sie sich alle auf ihre Isomatten setzen. Im Schneidersitz. Joachim spürte, dass sein letzter Kurs eine ganze Weile zurücklag und er seine guten Vorsätze, jeden Tag zu üben und mäßig zu essen, nicht eingehalten hatte.
„So, wir beginnen mit einem Warm-Up“, verkündete Tina und begann mit Wiege-und Streckbewegungen. Bald waren die Teilnehmerinnen in Schweiß gebadet. Joachim auch.
„Also, es geht heute erst mal um die Taille und um die Bauchmuskulatur“, kündigte sie an, „schließlich wollen wir alle das Gefühl haben, etwas für uns selber zu tun.“ Sie stützte die Hände auf die Knie und begann ihren Brustkorb zu wiegen. „So, jetzt spüren wir schon ein wenig unsere Taillenmuskulatur.“ 75A. Joachim wiegte sich mit und spürte sein Fett. Er begann, Weihnachtsbraten, Ostereier, Geburtstagstorten und diverse gesellige Runden im Biergarten Revue passieren zu lassen. Jetzt eine Schweinshaxe...“
„...vier Mal“, riss ihn aus seinen Gedanken. „Und dann in genau derselben Haltung nach hinten und nach vorn mit dem Oberkörper, nach hinten und nach vorn.“
Weiter ging es, man legte sich auf den Rücken und hob die Beine, senkte sie, hob sie.
„Das ist gut für den Beckenboden“, oder?“, fragte eine Teilnehmerin, deren Kraushaar nass ins Gesicht hing.“
„Natürlich. Das ist das allerbeste, was wir für unseren Beckenboden tun können“, versicherte Tina und lächelte Joachim strahlend an. „Und wir wissen alle, wie wichtig der Beckenboden für unser Wohlbefinden ist.“
Allgemeines Gekicher umgab Joachim. Der Kurs war gut gelaunt.
„Und diese Muskeln halten auch den Busen in Form“, ergänzte eine dunkelhaarige Frau und demonstrierte, wie das aussah. Joachim suchte ein Objekt, nach dem er gucken konnte, und fand die Katze.
Die Mieze hatte es sich unter einem Blumenhocker mit einem riesigen blühenden Fensterblatt gemütlich gemacht. Sie räkelte sich auf dem Rücken, zeigte die Tigerstreifen und die länglichen Punkte ihres Bauchfells und die schwarzen Pfotenunterseiten. Unter halbgeschlossenen Lidern beobachtete sie die Neuankömmlinge.
Inmitten der Frauen entstand Bewegung. Margot lächelte Tina an und fragte: „Wir sind doch alle schon Fortgeschrittene. Können wir die Krähe machen?“
„Au ja, die Krähe“, riefen die Frauen durcheinander. Die Katze drehte sich geschmeidig auf den Bauch. Grüne Augen musterten die Anwesenden. Die Zunge lugte zwischen spitzen Zähnen hervor.
„Natürlich können wir die Krähe machen“, entschied Tina. „Es macht halt jeder so weit, wie er kann.“
Joachim kannte diese Yogafigur und hatte sie schon geübt. Vor ein paar Jahren, und damals war er zwanzig Kilo leichter gewesen. Aber er würde es sicher trotzdem schaffen, sicherlich sogar besser bewältigen als viele von diesen Frauen, die doch nur mit der Figur des Trainers beschäftigt waren, statt sich ordentlich auf die Yogafígur zu konzentrieren und dadurch die Übungszeit möglichst gründlich zu nutzen.
Nur mit einem Ohr hörte er Tinas Anleitung zu und vergegenwärtigte sich den Ablauf. Er setzte die Handflächen auf. Die Arme etwas stärker beugen, sagte er sich, dann die Innenseiten der Beine auf die Oberarme schieben, bis hoch zu den Achseln. Jedenfalls nahe an die Achseln, so nah wie es ging. Es fiel ihm deutlich schwerer als damals, so weit er sich erinnern konnte, was sicherlich mit der Gewichtszunahme zusammenhing, die zu bekämpfen er hergekommen war und die ihm jetzt mehr als er er sich wünschte im Weg stand. Schweiß lief ihm über die Stirn, den er nicht wegwischen konnte und der in einem ersten Tropfen, auf die Matte fallend, einen nassen Kreis malte. Die Zehenballen sollten jetzt am Boden immer enger zusammenrutschen, und nun kam der alles entscheidende Moment, in dem er das Gewicht nach vorne gab, wobei er darauf achten musste, dass er nicht vornüber fiel.
Vielleicht hätte er sich eine Decke unterlegen sollen. Aber jetzt ging das nicht mehr und es hätte auch den anderen Teilnehmern und vielleicht sogar den Trainern gegenüber den Eindruck erweckt, als mangele es ihm an Selbstvertrauen, und sie hätten dies zum Anlass genommen, an seiner Charakterstärke zu zweifeln oder an seiner Eignung für diesen Kurs überhaupt, was ihm im Endeffekt sicherlich ihre Verachtung und jede Art von Nachteilen eingebracht hätte. Wobei er sich über die Meinung solch schwacher und abhängiger Personen nicht viel Sorgen machen musste. Er sah um sich. Manche schwebten schon auf den Händen, andere mühten sich. Tina war aufgestanden, um zu helfen. Die Katze hatte die Vorderpfoten aufgesetzt und ihre Pupillen zu einem schmalen Schlitz verengt.
„Unsere Yogakatze“, rief Tina, die seinem Blick folgte, und mehrere der Yoginis nutzten die willkommene Gelegenheit, sich aus den mühsamen Krähenübung zu befreien und die Katze zu streicheln, welche die ungeteilte Aufmerksamkeit vieler Menschen gewöhnt zu sein schien und zu schnurren begann.
Joachim versuchte, den rechten Fußballen und die Zehenspitzen vom Boden zu lösen und in einen sicheren Stand zu kommen, was die Grundlage bildete, um auch den zweiten Fuß heben zu können. Er hob ihn ein wenig und tippte immer wieder auf dem Boden auf, um sich zu stabilisieren. Plötzlich gab es einen schweren Schlag und ihn verblüffte die veränderte Perspektive, von der aus er die Halle sah. Die Holzdecke befand sich unter ihm und er fühlte sich wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag und mit Armen und Beinen ruderte, ohne hochzukommen. Einige Frauen schrien, und Tina kam gelaufen,um ihm aufzuhelfen.
„Geht es dir gut?“, fragte sie mitfühlend. „In deinem Alter muss man solche Figuren langsam angehen. Wir machen jetzt erst mal was Einfaches. Hast du dir auch wirklich nicht wehgetan?“
Joachim verneinte, wobei er sich nicht sicher war, ob ihm der Fall oder die fehlerhafte Einschätzung der jungen Frau mehr zu schaffen machte. Mit einem Mal erschien sie ihm unangenehm dürr und unreif. Sie richtete sich auf und klatschte in die Hände. „So, meine Lieben, wir machen jetzt erst mal den Baum. Das ist ein ganz wichtiges Asana.“ Alle stellten sich in einen Keis.
„Der Baum hilft uns körperlich, indem er den Gleichgewichtssinn stärkt, den man bei den schwereren Übungen braucht.“ Mehrere Frauen sahen zu ihm hinüber, und Joachim fühlte Zorn und Scham in sich aufsteigen.
„Seelisch stabilisiert und harmonisiert er uns. Er hilft uns, Bestimmtheit und Zielorientiertheit zu entwickeln“, erklärte Tina weiter und begann, sich mit geschlossenen Füßen gerade hinzustellen. Die Frauen machten es nach. Sie begannen, tief ein- und auszuatmen.
„Nun müssen wir die Arme seitlich ausstrecken und das Gewicht auf das rechte Bein verlagern, dann den linken Fuß anheben. Achtet bitte darauf, das Knie so weit wie möglich nach außen zu drehen, um ins Gleichgewicht zu kommen“. Tina sah sich um, und Joachim auch. Einige konnten die Übung so gut, dass sie bereits den Fuß oben an die Innenseite des Oberschenkels gelegt hatten. Er war noch mit der Verlagerung des Gewichts beschäftigt.
„Nun winkeln wir die Arme leicht an, ganz leicht, so wie ich es vormache, schließen die Hände, indem wir sie über dem Scheitelpunkt unseres Kopfes zusammenlegen, und wir spannen den Bauch an.“ Sie machte es vor, und Joachim machte es nach, wobei er sich fühlte wie ein Baum im Sturm, der in heftigen Böen hin- und herschwankte. Der Herr der Ringe fiel ihm ein und die Reise der Hobbits auf den Schultern des Ent. Etwas Kleines mit spitzen Nadeln an den Pfoten umfasste sein Bein, dann seine Seite, hing sich mit ungeteilter Entschlossenheit an ihn, umklammerte ihn und kletterte an ihm hoch. Er fühlte Pelz an der Wange.
„Bauhaus, nein“, rief jemand und Joachim taumelte auf beide Füße, eine kleine schwarze Katze in der Hand.
„Oh, ist die süß“, „Wie lieb!“ „Oh, wo kommt die denn her“, riefen die Frauen durcheinander, während sie ihn umdrängten und dann, als eine von ihnen die Katze erbeutet hatte, unbeachtet stehenließen. Unwillkürlich empfand er einen Stich, Neid kroch in ihm hoch. So würde er auch gerne mal gekrault werden. Anscheinend hatte er bei de Wahl seiner aktuellen Wiedergeburt einen schweren Fehler gemacht.
„Warum heißt der denn Bauhaus?“, erkundigte er sich bei einer der Frauen, die den kleinen Kater gerade nicht erreichten konnten.“
„Oh, eine Kursteilnehmerin hat ihn auf dem Bauhaus-Parkplatz gefunden und mitgenommen“, erklärte sie. „Oh, ist der süß“ - und schon stürzte sie sich erneut ins Gewühl der Streichelnden.
Eine Klangschale ertönte. Es gab einen Imbiss. Mittagessen.
„Zum Abendessen grillen wir frischen Fisch aus dem Meer“, kündigte Jonny an, der mit seiner Gruppe herankam. Noch mehr Frauen stürzten sich auf die Katze. Andere lösten sich von der Gruppe und begaben sich zur Terrasse. Joachim folgte ihnen.