Kaum ein Handlungsträger bei Perry Rhodan polarisiert so wie dieser eine, der Einzige, der Gucky. So einzig wie der Zahn, die Karotte, die Liebe mancher Leser und Leserinnen, der Spott anderer Leser über diesen watschelnden Clown. Die besten Clowns sind imperfekte, tragische Figuren, nicht? Und darum besonders hoch angesehen. Plofre, der depressive Retter des Universums. Gucky, der Halbtote - und vielleicht bald schon veränderte bis zum Tod. Der Einzige wirkte in der Serie schon lange wie aus der Zeit gestanzt.
Um die Figur des Gucky zu verstehen, zudem die Polarisation der Leser - und die Schwierigkeit, ihm eine würdevolle und gleichzeitig befriedigende Zukunft in der Serie zu geben, ist es erforderlich, kurz in die Vergangenheit der Perry Rhodan-Serie Serie zu gehen, in das Deutschland der 60er jahre. Und zu den damaligen Lesern. Daraus ergibt sich eine Analyse, die wiederum sehr hilfreich bei der Wiederbelebung Guckys in der Jetztzeit sein kann.
I. Der Aufstieg Gucky's...
Perry Rhodan startete in die Zeit des Kalten Kriegs. Die Serie war als eine positive Utopie gedacht, die ihre Leser problemlos mitnehmen konnte auf der Reise in eine bessere Zukunft. Menschlichkeit und Größe im offenen Kosmos der unbegrenzten Möglichkeiten! Gleichzeitig war die Serie aber ein Abbild der damaligen Zeit. Recht autoritär auf eine Person zugeschnitten, mit klaren Hierarchien und Strukturen, in der jeder seinen festen Platz hatte. Einerseits konnte man mit glänzenden Augen die Abenteuer des Abenteurers Perry Rhodan erleben, der aber auch die respektsperson Perry Rhodan darstellte. Man braucht nur die ersten Seiten von Band 100 zu lesen, K.H. Scheer war ein Meister darin, auf dieser Klaviatur des Stolzes, der Hierarchien und des Respektes zu spielen.
Andererseits konnte man aus dieser Gewissheit, diesen Hierarchien und Strukturen nicht einfach so ausbrechen, darin glich die Serie den gesellschaftlichen Realitäten im Deutschland der 60er Jahre. Wo die zumeist jungen Leser oft davon träumten, den Muff und das Versagen der Elterngeneration hinter sich lassen zu können. Der Traum, alles anders machen zu können. Erfolgreicher, glücklicher zu sein. Die Fesseln der Konvention zu sprengen. Dazu brauchte es nicht erst die "68er"...
Hier kam nun 'der Kleine' ins Spiel, ein Wesen, das possierlich war und darum Narrenfreiheit genoss, dem man nicht böse sein konnte, jemand, der sich über sämtliche Konventionen hinwegsetzen konnte, ja, durfte. Fliegende Herrschaften, ja Autoritäten, Respektspersonen, durch ein Nagezahngrinsen aus ihrer Überhöhung heruntergeholt auf den Boden, in die Menschlichkeit. Das wirkte auf die zumeist jungen Leser dieser Zeit, oft noch in der Schule. Man stelle sich nur vor, der gestrenge Herr Lehrer mit der zur Züchtigung der Schüler erhobenen Hand mit der Weidenrute wäre einfach durch das geschlossene Fenster fliegen gegangen...
Die Figur des Gucky war von vornherein genau auf diese Wirkung optimiert. Eine Glanzleistung von Clark Darlton, seinem Schöpfer. Ein mittelalterlicher Hofnarr (nicht im modernen Sinne wertend gemeint), der närrische Dinge macht und deshalb die berühmte "Narrenfreiheit" besaß - kombiniert mit den auch auf alten TiBis manchmal sichtbaren Schnabelschuhen und Pluderhöschen als äußeren Attributen. Gleichzeitig klein und possierlich, eine Figur, wie aus einer Tierfabel entsprungen, eine Mischung aus Maus und Biber, mit den dazu gehörigen Eigenschaften (harmlos, freundlich, treu und gutherzig), daher für Autoritäten und Stände nicht wirklich ernstzunehmen. Ein Gucky halt... Wer konnte dem schon böse sein?! Ein Humanist im Tierpelz.
Ganz nebenbei: An und für sich wäre gerade dieser Gucky auch ein wichtiges Argument, wenn nicht sogar das Hauptargument gewesen, das so manche Vorwürfe der 70er Jahre gegen die Serie hätte entkräften helfen können. Possierliche 'Landser im Weltraum'? Mit Sinn für augenzwinkernden 'sich-selbst-auf-die-Schippe-nehmen Humor? Blödsinn! Sowas gibt's doch gar nicht! Oder die manchmal von Kritikern beschworenen 'faschistoiden Tendenzen'? Haha! Man stelle sich nur vor, die Honoratioren der deutschen NPD würden bei ihren Auftritten auf dem Podium einen 'Gucky' sitzen haben, der dort mal etwas 'Ordnung' in die Veranstaltung bringt. Sicherlich sehr autoritätsfördernd beim hörig zu machenden Fußvolk - und daher ebenfalls nicht denkbar.
II. ...die Hohe Zeit der Freundschaft...
Die Zeiten ändern sich. Aus dem engen Deutschland der 60er Jahre wird das Deutschland der Horizonterweiterungen der 70er Jahre. Die Serie und die Figur des Gucky ändern sich mit. Gucky als Symbol für die Überwindung althergebrachter Konventionen und Hierarchien wird so eigentlich nicht mehr benötigt. Der Humanismus der Figur geht in den Hintergrund. Stattdessen rücken jetzt die eher sekundären Merkmale in den Vordergrund, die zwar vorher auch schon da waren, aber eben doch nicht im Vordergrund standen. Gucky ist nun der bestmögliche Freund von Perry, Bully und Tolotos. Absolut zuverlässig, treu und zum Kirschenklauen geeignet. Geradezu bestmöglich ergänzen sich in der Serie 'der Kleine' und 'der Große' (Gucky & Tolot). Zudem niedlich und possierlich wird Gucky von den inzwischen meist erwachsenen Lesern inzwischen eher als harmloser Kinderschwarm interpretiert - ein blitzender Lausbiberzahn im lächelnden Gesicht. Bei dieser Charakterisierung - gesellig, harmlos, freundschaftlich, kinderlieb possierlich - fallen auch Guckys nicht wirklich zur Figur passenden, eigentlich furchterregenden "Supermutantenfähigkeiten" nicht weiter störend ins Gewicht. Denn Gucky ist ja "gut". Dies lässt sich bis etwa Band 500, teils bis 650 fortsetzen und durchhalten. Dann aber kommt der große Bruch.
III. ...und der Fall
Ab den 80er Jahren haben die Menschen in Deutschland fast sämtliche Freiheiten, die individuell gelebt werden. Spätestens ab den 90er Jahren gilt dann: 'anything goes' - der Bedarf an Veränderungen ist bei den Menschen in Deutschland zunehmend gedeckt, ja, sie fangen an, sich durch die Veränderungen teils überfordert zu fühlen. Überflutung an Möglichkeiten, keine limits, auch nicht im Internet, das grenzenlose Möglichkeiten bietet, nicht jedoch 'Halt'. Auch die Perry Rhodan-Leser machen die Veränderungen mit - ebenso wie auch die Serie. Das Solare Imperium ist Geschichte, die Menschen Individualisten, werden zunehmend zum Spielball anderer Mächte und Absichten. Unbegreifliche Hohe Mächte machen mit den Menschen und mit den Helden der Serie, was sie wollen. Vereinzelung und Entwurzelung machen sich breit, auch die Helden der Serie sind nunmehr eher normale, bodenständige Menschen, die zunehmend wie Einzelkämpfer wirken. Wie auch 'Der Terraner' Perry Rhodan erfahren muss.
Und was geschieht mit Gucky? Unter lauter Individualisten, Einzelkämpfern und 'normalen' Menschen wirkt Gucky zunehmend wie ein Fremdkörper. Sein Humanismus ist längst schon nicht mehr gefragt, denn Humanismus wird (nicht nur im Deutschland der Jetztzeit) mit individueller Selbstverwirklichung verwechselt. Seine Zuverlässigkeit und Freundschaft sind nicht mehr gefragt, jeder ist für sich selbst verantwortlich. Gucky wird immer einsamer - wozu auch beiträgt, dass sein Volk nicht mehr ist. Paratrontechnologie, Pieper, etc sind nunmehr überall im Einsatz, Gucky wird zunehmend zum Opfer dieser Technologien, kann seine Supermutantenfähigkeiten nirgends mehr einsetzen. Wo er auftaucht, herrscht Alarm. In Teleportereinsätzen wird er zunehmend außer Gefecht gesetzt, wälzt sich mit Schaum vor der Mausbiberschnauze auf dem Boden. Unter diesen eher tragischen Umständen wirken selbst seine Äußerlichkeiten, die Possierlichkeit - die einzig ihm noch verbliebene "Gucky-Eigenschaft" - nicht mehr. Das 'Triumvirat der Kleinen' (eine Allianz der Außenseiteraliens) kann diesen Zerfallsprozess um Band 1500 herum zeitweise aufhalten, stoppen kann er ihn nicht. Viele Leser können mit der Figur des Gucky nichts mehr anfangen, zunehmend geht das Wort von der 'Ratte' um. Gucky-Humor (wenn er noch mal auftaucht), wirkt eher grotesk und slapstickhaft.
Konsequenterweise taucht Plofre auf, der gequälte, verwundete, depressive Gucky ohne Hoffnung. Welch ein Absturz. Irgendwann war der Einsatz einer Notbremse erforderlich, eine Chance auf Neuanfang oder das ENDE. Da sind wir jetzt mit Band 2700.
IV. Wie kann man jetzt Gucky retten?
Ich hatte oben geschrieben, dass wir in Deutschland in einer Zeit leben, in der die Menschen unter zu vielen Optionen für ihr Leben leiden. Die gewünschten 3-4 "richtigen" Optionen existieren, aber sie sind verborgen wie nadeln im heuhaufen. Die Menschen sehnen sich mehr nach Geborgenheit, nach Lösungen - und sei es Lösungen durch persönliche Empfehlungen. das wiederum bedingt soziales Miteinander, Freundschaften, Humanismus. wie seit Beginn der Serie eigentlich immer spiegelt auch die Perry Rhodan-Serie etwas von dieser Zeitenwende. Die unverständlichen Hohen Mächte sind Geschichte, die Menschen sind auf der Suche nach Gerechtigkeit und Geborgenheit, dem WIR-Gefühl.
Genau dies sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der Figur Gucky. Meinetwegen mit anderen oder keinen paramentalen Fähigkeiten, so wichtig ist das gar nicht. Viele Leser kennen ihn noch, den humanitären Gucky, den treuen Freundschafts-Gucky und den Possierlichkeits-Gucky. Gucky war für diese Leser immer was Besonderes. Darauf lassen sich mehrere Szenarien für eine Wiederbelebung Guckys aufbauen:
- Variante 1 - Der neue Humanitäre Gucky
Gucky beschließt, seine paramentalen Fähigkeiten und sein Leben ausschließlich für die Hilfestellung schwacher, vernachlässigter Menschen und Aliens einzusetzen. Er gründet eine galaktische Organisation (ob im Geheimen oder nicht, das sei dahingestellt), die den Entrechteten, den kleinen Völkern und Einzelwesen hilft. Eine USO der Kleinen Leute und Völker! Selbstverständlich ist Gucky auch weiterhin bereit, mit Perry Rhodan zusammen die Milchstraße voranzubringen. Seine Einsätze sind aber immer nur unter dem Vorbehalt zu sehen, dass es den Kleinen Leuten hilft. - Variante 2 - Der neue Freundschafts-Gucky
Dies ist umfassender. Mehrere Unsterbliche (unter ihnen Perry Rhodan) müssten eine eigene Freundschaftsgemeinschaft gründen, wo alle füreinander einstehen. Gucky, Tolot, Bully, Rhodan wären der Kern dieser Gemeinschaft. Der Ansatz einer solchen Gemeinschaft wurde in Band 2711 (wo Perry Tolot hilft) bereits sichtbar. Es mag sein, dass die individualistisch gestimmten Menschen diese 'Clique der Unsterblichen' misstrauisch beobachten. Notfalls gibt es ja noch die Milchstraßentefroder, wo die Unsterblichen eher geachtet sein und unterkommen könnten (das wären aber eher zukünftige Details) .... - Variante 3 - Der neue Possierlichkeits-Gucky
Gucky findet das Volk der Ilts wieder. Er nimmt sich eine Auszeit von den Menschen, siedelt das Volk auf der Erde in einem Reservat an. Bald darauf taucht er wieder auf zusammen mit einer Kinderschar kleiner Ilts, die sehr verspielt sind, ist freundlicher und lustiger denn je. Auch Bostich kann sich vor Flugstunden nicht retten. Wo die Ilts und ihr Mentor auftauchen, geht es drunter und drüber... - Variante 4 - nichts davon, etwas anderes....