Xirashos Tiefen - Was wirklich geschah - Teil 4

Antworten
Philmann Dark
Siganese
Beiträge: 9
Registriert: 19. Juli 2020, 21:32

Xirashos Tiefen - Was wirklich geschah - Teil 4

Beitrag von Philmann Dark »

__________________________________________________________________________________

Xirashos Tiefen, Teil 4
Was wirklich geschah

Atlan

Sie stürmten die Krankenstation, auf alles vorbereitet. Auf fast alles. Nicht auf das.

Atlan erblickte Gucky. »Gucky!« rief er. »Alles in ... noch ein Ilt?«

Jasmyne sass mit zwei Ilts und einem Terraner um einen niedrigen Tisch und spielten Karten. Ein schwarzer, glänzender Albtraum hantierte an einem Medobett, auf dem ein regungsloser Tomopat lag. Der andere, sein Extrasinn identifizierte ihn als Genner, hockte an der Wand. Jemand hatte seine Tentakel amputiert. ›Ein Schicksal, dass sein Kollege wohl gerade teilt,‹ schoss es Atlan durch den Kopf. ›Effizient,‹ kommentierte sein Extrasinn.

In der Ecke des Raumes, die am weitesten von Zzz entfernt war, kauerte ein Cairaner mit dem Kopf zur Wand. Zuletzt entdeckte Atlan noch einen kugelrunden Braunbären, der eine komplexe Hightechwaffe pflegte.

»Äh ... Hallo, Atlan!« Gucky blickte geistesabwesend auf eine Folie, die der andere Ilt hielt. »Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen! Der Mespahan ist uns schon lange ausgegangen und ihre Hoheit musste sich mit Nettoruna begnügen! Was soll sie jetzt nur von uns denken!«

Atlan nickte seinen Gefährten zu und steckte den Strahler weg. »Wenn du dir solche Scherze leisten kannst, ist wohl alles unter Kontrolle.«

Aus irgendeinem Grund kicherten die Ilts.

Der Arkonide versuchte, die Anwesenden einzuschätzen. Der Bär und der Albtraum ignorierten ihn. Blieb der Terraner.

»Ich bin Pau Tai,« stellte dieser sich vor. »Einfach Tai.« Sein Interkosmo war etwas zu perfekt für Atlans Geschmack. Da war nicht einmal ein Hauch eines Akzents.

»Mascaren da Gonozal, aber die meisten nennen mich einfach Altan,« stellte der unsterbliche Arkonide sich vor. Wieder kicherten die Ilts, als hätte er etwas unheimlich Lustiges gesagt. ›Das ist kein Mensch,‹ warnte ihn sein Extrasinn. ›Vielleicht ein hoch entwickelter Android.‹ Altan nickte innerlich. ›Das würde den fehlenden Akzent erklären.‹ Laut fragte er: »Warum bist du hier, Tai?«

»Ich suche jemand.« Pau projizierte eine Gestalt.

Zuerst hielt Atlan es für einen Kartanin, aber rasch bemerkte er die Unterschiede. Der Körperbau wich in einigen Punkten deutlich von den Feliden aus Hangay. Nebenbei bemerkte er, dass die Aussage von Pau so etwas wie Verblüffung bei dessen Begleitern auslöste. »Nie gesehen, aber für die Hilfe bei der Rettung von Gucky höre mich gerne einmal um.«

»Darauf hatte ich gehofft.«

Im Hintergrund wurde das Lachen der Ilts immer auffälliger. Atlan warf Gucky einen fragenden Blick zu. Dieser fiel vor Lachen um. »Okay, was ist hier los?« verlangte der Arkonide zu wissen.

»Nichts, nichts!« beteuerte der Ilt glucksend.

»Sein Name ist Katsumi Katsujoshi. Er ist am 4. Januar 1614 auf Terra eingetroffen,« erklärte Pau.

»Das war kurz vor dem Raptur Terrae,« überlegte Atlan. »Vielleicht ist er immer noch dort ... wo auch immer Terra jetzt sein mag ...« Das Lachen der Ilts wurde unerträglich. Es musste etwas mit den Folien zu tun haben. Mit einem raschen Griff versuchte Alten sie zu packen, aber kurz vorher brachten die Ilts sich damit in Sicherheit.

»Ah, ah, ah!« tadelte Gucky.

»Das ist dafür, dass du uns hier so lange hast warten lassen!« mische der zweite Ilt sich ein.

›Noch ein Witzbold! Als wäre einer nicht schon schlimm genug,‹ lästerte der Extrasinn.

Atlan warf den beiden einen strengen Blick zu, der sie Tränen lachen liess.

»Ich denke, wir sollten hier erst einmal verschwinden,« schlug Atlan vor. Er zog den Macairun-Kristall hervor. »Jasmyne, ich habe hier etwas, das du sicher schon sehnsüchtig erwartest.«

»Danke,« antwortete sie. »Ich bin bereits versorgt.« Sie zog an einer Kette am Hals, bis die charakteristische Form des Zellaktivators in ihrem Ausschnitt sichtbar wurde.

»Woher hast du den?« fragte Atlan verblüfft.

»Das ja ist wie in einem Holo!« rief Gucky glucksend dazwischen.

»Von ihm.« Jasmyne wies auf den zweiten Ilt.

»Von ihm.« Tschlupp deutete auf Pau.

»Ich stelle sie selbst her,« erklärte Pau. »Die meisten höheren Mächte beziehen sie von mir.«

»Tatsächlich?« wunderter sich Atlan. »Ich dachte, die Superintelligenzen machen das selbst.«

»Kommt vor.« Der Blick von Pau wurde eindringlich. »Aber wie ich sehe, trägst du deinen nicht mehr?«

Das war jetzt kein grosses Geheimnis mehr. »Ich habe ihn THEZ ...«

»THEZ!« Die Stimme von Pau hatte eine schneidende Schärfe bekommen, welche selbst den alten Lehrmeistern am imperialen Hof Respekt eingeflösst hätte. »Du hast meinen Zellaktivator einer temporal indifferenten Lebensform überlassen?«

Atlan überlegte, ob sich seine Situation verbessern würde, wenn er berichtete, dass er den Zellaktivator als Demonstration seines freien Willens vernichtet haben würde. ›Narr,‹ schalt ihn sein Extrasinn. ›Das sind nur Behauptungen!‹ Atlan selbst war sich da nicht so sicher. Pau hatte etwas an sich, dass ihn nervös machte.

Da beruhigte Pau sich schon wieder. »Du hast ihn vernichtet. Gut. Nicht auszudenken, wenn THEZ von den Zusatzfunktionen erfahren hätte.«

Das machte Atlan hellhörig. »Welche Zusatzfunktionen?«

»Nicht mehr wichtig,« meinte Pau. »Du solltest dir aber überlegen, diesen dort weiter zu tragen. So wie ich das sehe, hat er andere Zusatzfunktionen.«

Atlan sah ihn fragend an.

»Es ist ... wie soll ich das erklären ... es ist wie eine Wanze in diese Seite des dys-chronen Scherung. ES behält damit die Entwicklung im Blick.« Pau tippte sich ans Kinn. »Da ist noch mehr, aber um dazu etwas sagen zu können, müsste ich ihn genauer untersuchen.«

»Verstehe.« Atlan liess sich nicht anmerken wie viel, oder besser: wenig, er davon glaubte. »Was machen wir mit den beiden?«

»Wir übergeben sie den Sicherheitskräften aus Sisden.«

»Und dieser da?« Atlan deutete auf den Cairaner.

»Er ist egal. Es war nur wichtig, ihn lange genug gefangen zu halten, dass die Cairaner merken, dass etwas nicht in Ordnung ist.« Pau ging zu einem Tank in der Wand der Station. »Was soll mit dem Klon von Gucky passieren?« Er liess den Sichtschutz herab. Dahinter trieb ein Ilt in einer Flüssigkeit, angeschlossen an eine Lebenserhaltung. Er sah Gucky zum Verwechseln ähnlich, was Atlan veranlasste die Bemerkung für wahr zu halten.

»He!« protestierte Gucky. »So eine Frechheit!« Er sah wütend zu den Tomopaten. »Wusstet ihr davon? Klar wusstet ihr davon! Na wartet!«

Tschlupp hielt ihn zurück. »Sachte, sachte!«

»Was wollten die Cairaner mit einem Klon?« fragte Atlan.

»Auf einer ausweglosen Strasse vor deinen Augen von den Tomopaten töten lassen. Es gibt hier einen Kristalldom.« Jasmyne bestätigte das. »Damit hätten sie eine expandierende Milchstrasse projizieren können.«

»Das hätte uns einen ziemlichen Schlag versetzt,« nickte Atlan nachdenklich. ›Wenn es denn stimmt,‹ erinnerte ihn sein Extrasinn. Atlan sparte sich eine Antwort.

»Bully wäre ausser sich gewesen,« stimmte Pau zu. «Ihr hättet wegen eurer Emotionen Fehler gemacht. Gleichzeitig hätten die Cairaner einen ultimativen Trumpf in der Hand gehabt, um dich zur Mitarbeit zu überreden.«

»Verstehe.« Atlan sah Gucky an. »Mitnehmen?«

Gucky legte die Pfote auf die Trennscheibe. Ballte sie langsam zur Faust. »Niemand macht so etwas mit mir! Niemand!«

Tröstend legte Tschlupp die Pfote auf seine Schulter. »Das werden sie noch bereuen,« versprach er.

Inzwischen hatte Zzz die Amputation abgeschlossen. Zu Atlans Entsetzen biss das Wesen ein Stück aus den abgetrennten Tentakeln heraus und kaute sorgfältig.

»DNA und Strukturanalyse,« erklärte Pau. »Bevor wir abziehen, sollten wir uns noch etwas ansehen. Ich schlage vor, wir teilen uns auf. Die folgenden Leute kehren mit der Spacejet zur THORA zurück: Jasmyne, die Tomopaten, der Cairaner, Guckys Klon.«

›Woher weiss er von der Jet?‹ wunderte sich Atlan misstrauisch.


Die Raumschiffwerft

Atlan war sichtlich überrascht, auf dem Planeten eine Werft vorzufinden. Sein Misstrauen stieg, während Pau sie durch die Gänge führte. Das Wesen kannte sich für seinen Geschmack zu gut aus. Da sie immer wieder auf Gruppen von Cairanern und Robotern trafen, konnte er ihn nicht weiter aushorchen. Aber Pau war in der Lage diesen Begegnungen immer auszuweichen. ›Wie macht er das?‹ fragte der Arkonide sich. ›Er arbeitet für die Cairaner,‹ antwortete sein Extrasinn.

Nach einer Stunde kamen sie in einer Nebenzentrale an. Timberlain machte sich ans Werk, sie unauffällig hochzufahren. Kurze Zeit später zeigten die Holos, was hier gebaut wurde.

»Unglaublich!« rief Atlan aus. Obwohl das Raumschiff noch nicht völlig fertiggestellt war, konnte er die Absicht bereits erkennen. »Die haben sich wirklich viel Mühe gegeben.«

»Ja.« Gucky nickte und biss von seiner Möhre ab. »Die RAS TSCHUBAI. Schwer beschädigt. Damit hätten sie uns vorgemacht, dass Perry gescheitert und verschollen oder gleich ganz tot ist. Perfide. Die geben sich wirklich Mühe, uns zu demoralisieren.«

»Was machen wir damit?« fragte Pau.

»Sprengen.« Atlan sah sich nach einer Möglichkeit um.

»Wir könnten sie weiter machen lassen. Dann hätten wir bei geringen Kosten ein zweites Schiff dieser Klasse,« schlug Pau vor.

»Verlockend,« musste Atlan zugeben. »Aber wir bekommen das Schiff hier nicht ohne Kampf weg. Wenn wir dagegen warten, bis die Cairaner ihren Plan umsetzen, wird es wirklich nur ein Wrack sein.«

Pau machte keinerlei Anzeichen, was er von der Aussage hielt. »Dort.«

Atlan trat an das entsprechende Pult. Er sah auf einen Blick, dass er hier eine fatale Kettenreaktion auslösen konnte, die in der Selbstzerstörung enden würde. »Timberlain?«

Der Swoon machte sich ans Werk die Abläufe in ihrem Sinn zu ändern.

Tschlupp machte den Mund auf: »Warum sagst du ...?«

Er brach sofort ab, als Pau warnend die Hand hob.

Atlan machte sich innerlich kampfbereit. Mit jeder Minute war sein Misstrauen gewachsen. Bisher hatte Atlan ihm einen Vertrauensbonus gewährt, wegen Tschlupp.

»Gib Atlan die Folien,« bat Pau Gucky.

»Sicher?« Gucky grinste. Er wedelte damit vor Atlan. »Das wird dir nicht gefallen!«

Atlan kratzte sich am Ohr. Jothan nickte, er hatte das Zeichen erkannt. »Warum nicht?«

»Tja, das ist gar nicht so einfach zu sagen ...« gab der Ilt sich geheimnisvoll.

Auffordernd streckte Atlan die Hand aus.

Mit einem Schulterzucken reichte Gucky ihm die Folien. Jothan brachte sich in eine Position, wo er zusammen mit Atlan auf Pau und seine Begleiter feuern konnte.

Atlan begann zu lesen. Dabei hielt er seine halbe Aufmerksamkeit auf dem Raum. Pau gab sich gelassen, aber bei einer Maschine bedeutete das gar nichts.

»Das ist ... nur ein Protokoll!« rief Atlan aus. »Was soll das?«

»Alles, was du gesagt hast, seit du uns getroffen hast,« präzisierte Gucky.

Der Extrasinn bestätigte das. »Ja ... und?«

»Hat er mir gegeben, bevor du die Krankenstation betreten hast,« fuhr Gucky fort. »Ich habe mitgelesen, während du das alles gesagt hast. Ich habe auch zum Teil vorausgelesen. Es war irre lustig zu erleben, wie du alles das gesagt und getan hast, was da steht. Stand. Wie auch immer.« Die beiden Ilts grinsten sich an und boxten die Fäuste gegeneinander.

»Aber ...« Atlan liess die Folien sinken. »Das ist unmöglich.«

»Nein,« erklang die Stimme von Timberlain. »Es ist ganz einfach möglich.«

Atlan hatte es auch schon erkannt. Jothan ebenfalls. Der Arkonide sah sich plötzlich isoliert und umringt.

»Bitte alle sich wieder beruhigen,« mischte Pau sich ein. »Wir werden hier nicht klären, ob Atlan echt ist oder er beeinflusst wird. Oder ob das der echte Gucky ist oder ob es mehr als einen Klon gibt.«

»Was schlägst du vor?« fragte Jothan misstrauisch, die Waffe in der Hand.

»Ist Atlans Argument zur RAS TSCHUBAI stichhaltig?« fragte Pau in die Runde.

»Ja,« nickte Gucky. »Es ist eine Schande so etwas zu zerstören, aber wir können es schlecht in die Tasche stecken und wegtragen.«

Tschlupp sah einen Moment so aus, als hätte er etwas beizutragen.

»Ja?« bohrte Atlan sofort nach.

Tschlupp sah Pau an.

»Ich habe nichts beizutragen. Es ist auch nicht so wichtig,« meinte dieser.

»Du wolltest, dass wir es nicht vernichten,« erinnerte Atlan.

»Einiges, was ich sagte, hatte natürlich den Zweck, dich dazu zu bringen genau das zu sagen, was ich auf die Folie geschrieben habe,« erklärte Pau.

Die Aussage kam Atlan wie eine Ablenkung vor. »Gibt es eine Möglichkeit diesen Nachbau zu retten?«

»Es gibt einige,« gab Pau zu. »Aber ich sehe nicht, warum ich meine Energien dafür verschwenden sollte. Ich möchte, dass ihr euch selbst einen Plan ausdenkt. Wenn ihr keine Idee habt, dann ist es wohl wirklich besser, die Kopie zu zerstören. Ihr solltet aber nicht zu lange nachdenken.«

»Warum?« hakte Atlan sofort nach.

»Die THORA wird gerade angegriffen.«

In diesem Moment empfing Atlans Funkgerät die entsprechende Meldung. Der unsterbliche Arkonide fluchte. »Timberlain! Mach schnell! Dann nichts wie weg hier! Gegen zwei Augenschiffe kann auch die THORA sich nicht lange halten!«

Timberlain warf Jothan einen Blick zu. Dieser nickte mit verkniffenem Gesichtsausdruck.

Während der Swoon arbeitete, erklärte Pau: »Ich weiss Antworten. Das ist meine Fähigkeit. Wenn ich in einer unbekannten Station herumlaufe, frage ich mich einfach, wo wichtige Teile sind oder welchen Gang ich nehmen sollte. Und dann ... erinnere ich mich. Ich kann mich einfach an Fakten erinnern, die eigentlich nur andere Leute wissen sollten.«

»Das wäre sehr praktisch,« kommentierte Atlan. »Du wüsstest also auch die Level 1 Codes?«

»Ja. Aber Timberlain ist gleich fertig, deswegen ist es egal.«

»Sicher.« Atlan glaubte ihm kein Wort. Schlimmer, er machte sich grosse Sorgen, was jemand wie Pau alles anrichten konnte.

»Na ja,« grinste Pau schief. »Ich habe die beiden Ilts zum Lachen gebracht.«

»Ich hab’s,« rief Timberlain aus. »Letzte Chance, sich das noch einmal zu überlegen?«

»Sprengen,« befahl Atlan.

»Boom!« kam es von Gucky. »Die Pfoten her, ich bringe uns hier raus.«

»Eine Minute!« rief Timberlain aus. »Ab jetzt!« Er drückte den Auslöser.

Sie fanden sich in einer Schmerzteleportation wieder.


Zerozone

Atlan spürte, wie der Sog an ihm riss. Panisch griff er um sich, bekam Gucky zu fassen. »Mach das nicht ...«

»Ich bin das nicht!« rief der Ilt aus. »Alle zusammenkommen! Schnell! Bevor ihr verweht!«

»Interessant,« kommentierte Pau. Er sag sich um. Im Gegensatz zu allen anderen, schien die Umgebung ihn wenig zu beeindrucken. »Es besteht keine Gefahr.«

»Du hast uns hierher gebracht!« warf Atlan ihm vor.

»Korrekt.« Pau sah sich immer noch um. Selbst wenn sein Blick auf die Begleiter fiel, sah er durch sie hindurch. »Ich wollte mir das persönlich ansehen. Darum habe ich Guckys Gabe studiert, während wir gewartet haben.«

»Er hat meine Fähigkeit kopiert?« rief Gucky aus. »Kann er sowas?« fragte er den zweiten Ilt.

»Es ist nicht ganz klar, was er alles kann,« antwortete Tschlupp. Der Ilt zitterte, so sehr setzte die Umgebung ihm zu. »Ich meine, er sieht sich eine Psi-Fähigkeit an und versteht, wie sie funktioniert. Manche behaupten, er kann alles, aber er denkt nicht an alles. Macht das Sinn?«

»Irgendwie schon,« gab Gucky zu.

»Kannst du uns hier rausbringen?« fragte Atlan. Er hatte das Gefühl, der Druck der Umgebung nahm sehr schnell zu.

»Ich ...«

Bevor Gucky weitersprechen konnte, tauchte jemand auf.

»Oh!« rief der Neuankömmling, der einen schlaffen Körper auf der Schulter hatte. »Da bist du ja! Ist es so weit?«

»Bald,« antwortete Pau. »Geh dort entlang.«

»Hm? Oh. Okay.« Der Fremde dreht sich um. »Oh, ja!«

»Hey, das ist ja Perry!«

Iwán blieb stehen. »Seid ihr Gefährten von ihm?«

»Wo bringst du ihn hin?« verlangte Atlan zu wissen.

»In Sicherheit, möchte ich wetten,« lästerte Gucky. »Oder das nächste Schlamassel. Oder beides. Kann man bei ihm nie so genau sagen.«

»Du bist komisch,« meinte Iwán zu Pau. »Ich habe noch nie erlebt, dass ein Unbefugter sich hier so lange unbehelligt aufhalten konnte.«

»Ich bin befugt,« widersprach Pau. »Die Mechanismen der Zerozone irren. Geh jetzt. Ich möchte sehen, wohin.«

Iwán lachte. »Dann viel Glück.« Er verlagerte die Last auf seinen Schultern und machte sich auf den Weg.

»Das gibt es doch nicht!« fluchte Atlan. »So nahe und ...« ›Narr,‹ schalt sein Extrasinn. ›Perry hätte dich sowieso nicht hören können!‹ Wütend dachte Atlan zurück: ›Wir hätten dem Mann eine Botschaft mitgeben können oder Perry einen Zettel zustecken.‹ Für einmal schwieg die Stimme in seinem Kopf.

»Ich kann Iwán folgen, wenn ich sehe, was er tut,« erklärte Pau.

»Das ist sehr schön für dich,« bemerkte Gucky trocken.

»Spürt ihr das auch?« fragte Timberlain. Seine tiefgrüne Haut hatte sich ins bräunliche verfärbt.

»Ja,« nickte Atlan. »Wir sind schon zu lange hier! Mehr als 130 Sekunden!«

»Ich kann euch weiterhin schützen,« behaupetet Pau. »Die Mechanismen können bei euch nur das Gefühl von Bedrohung wecken.«

»Leider fühlt sich beides gleich an,« lästerte Gucky.

Um sie herum begann die Landschaft Wellen zu schlagen. Atlan sah eine graue Wand auf sich zulaufen, nur 5 Meter hoch, aber ohne Flugaggregat zweifellos tödlich. Sie wurde immer flacher, je näher sie kam. Eine paar Meter um sie herum blieb der Boden stabil. Gleichzeitig wurde das Gefühl immer intensiver, in tödlicher Gefahr zu sein.

»Noch zehn Sekunden,« teilte Pau ihnen Mit.

Es waren diese sehr, sehr lange Sekunden.


THORA

Sie kehrten ins Normaluniversum zurück. In die Zentrale der THORA. Pünktlich zum Weltuntergang. Der Boden bebte unter ihren Füssen. Das Dröhnen der überlasteten Generatoren quälte ihre Ohren. Die vielfältigen Geräusche eines Raumschiffs während eines verlorenen Gefechts liessen ihre Knochen erzittern.

»Eindringlinge!« brüllte jemand. Der Ruf ging in der Kakofonie unter.

»Ruhe!« brüllte Pau.

Seine Stimme schaffte es mit Leichtigkeit, sich durchzusetzen.

Stille trat ein.

Es war nicht die Stille des Normalbetriebs. Es war die Stille in einem Schiff, das knapp der Vernichtung entgangen war. Überlastetes Material knackte. Hektische Kommandos, um lebensnotwendige Reparaturen durchzuführen. Nachschub zu den unbeschädigten Geschützen umleiten. Rettungstrupps senden, um zu löschen und Verletzte zu bergen.

TARAs kamen aus ihren Bereitschaftsbuchten und umringten sie.

»Status!« bellte Holger Bendisson, der Kommandant der THORA.

»Ein Feind zerstört, der zweite treibt,« kam die Antwort aus der Ortung.

»Kontakt zum Einsatzteam?«

»Wir sind hier!« meldete sich Altan. »Mehr oder weniger.«

»Atlan!« rief Bendisson aus.

»Hoffe ich zumindest,« gab der Arkonide zurück. »Ihr müsste uns alle genau prüfen. Die Cairaner haben von uns allen ...« Er brach ab, als zwei TARAs sich aus der Gruppe lösten. Sie flogen zu den Arbeitsstationen der Schiffstechnik. Dort paralysierten sie einen Terraner.

»Was geht da vor?« rief der Kommandant Bendisson aus.

›Narr! Er kennt die Kommandocodes der Roboter!‹ schalt der Extrasinn. ›Wenn er will, übernimmt er das Schiff!‹

Atlan fluchte innerlich. »Was soll das?«

»Spion,« meinte Pau nur.

Atlan rieb sich die Stirn. »Sag uns, wer ein Spion ist, und wir kümmern uns darum, ja?«

Pau zuckte mit den Schultern. »Schon gut! Reg’ dich nicht auf. Ich dachte halt nur ...«

»Was?« schnappte Atlan.

»Da hab ich mir so viel Mühe gemacht, und so und dann, ...«

»Er wollte das Schiff zerstören!« rief jemand von der Technik entsetzt.

Pau breitete die Arme aus. »Und dann wollte ich euch nicht gleich wieder verlieren. Kann ich mal kurz an den Funk? Kurzstrecke, gerichtet, eng gebündelt.«

»Lasst ihn,« empfahl Atlan ergeben.

Pau nannte eine Richtung, Frequenz, Signalstärke und Kodierung.

»Plorsch,« meldete sich eine piepsige Stimme.

Atlan musste sofort an einen weiteren Ilt denken. ›Wie viele von denen hat er? Was mache ich, wenn er damit Druck auf Gucky ausübt?‹

»Die 14. Flotte zu Bleisphäre verlegen,« befahl Pau. »Sie sollen dort auf das Sternenrad der Cairaner warten. Ich werde versuchen, mit den Cairanern eine Einigung zu erzielen, aber notfalls müssen wir es zerstören können. Ist die 22. Flotte bereit?«

»Verstanden. Die 22. sollte in Position sein ... verdammt! Ich kümmere mich sofort darum.«

»Danke. Pau Ende.«

»Das Ziel ist keine 100 km von hier,« gab jemand von der Ortung so an den Kommandanten weiter, dass niemand mithören konnte. »Bisher keine Daten. Laut Sensoren ist da nichts!«

»Versuch es weiter,« befahl Bendisson. »Pilot! Bringen sie uns hier raus!«


Golfen

12 weitere Augenschiffe fielen aus dem Hyperraum. Sie sahen den Zustand ihrer Schwesterschiffe. Ohne zu Zögern stürzten sie sich auf die THORA. Der Gefechtsalarm schrillte durch das Schiff.

»Ausweichmanöver!« befahl Bendisson. »Wie lange bis wir verschwinden können?«

»47 Sekunden. Gegner schneidet uns den Weg ab!«

»Wir werden gerufen!«

»Ich übernehme.« Bendisson straffte sich. Das Holo eines Cairaners erschien. »Ich protestiere! Ich bin hier im Auftrag von Resident Bull! Wie haben nichts mit der Zerstörung ... He!«

Pau schob ihn mit dem unteren Ende eines Golfschlägers beiseite.

»Behalten Sie ihre Lügen für sich,« empfahl der Cairaner kalt. »Wir haben das Gefecht beobachtet.«

Pau beugte sich vor. Er setzte ein Tee auf dem Boden der Zentrale ab. Legte einen Golfball darauf. Brüllte: »Fore!« Zog voll durch.

Der Cairaner verzog keine Mine, als das Holo eines Golfballs knapp an seinem Kopf vorbei zischte.

»Was soll das werden?« brüllte Bendisson aufgebracht.

Am Rand der Zentrale der THORA zogen die Anwesenden die Köpfe ein.

Die Mimik des Cairaners zuckte, als er einen unerklärlichen Luftzug spürte.

In der THORA verschwand der Ball am Ende des Holos.

Ein Cairaner in der Zentrale des Augenschiffs schrie schmerzerfüllt auf, als der Golfball ihn an der Schulter traf.

»Zur Hölle?« rief Bendisson verblüfft.

Pau holte ein neues Objekt hervor. Es war schwarz, 30 cm gross, hatte dicke, tiefrot pulsierende Rillen. Es zählte. »30! 29! 28! ...«

Pau setzte es auf dem Tee ab. Doch es war zu unregelmässig geformt, als dass es liegen geblieben wäre.

»25! 24! ...«

Pau versuchte es mühsam mit dem Kopf des Schlägers zurück auf das Tee zu befördern. Es rollte immer wieder herunter.

»20! 19! 18! ...«

»Gucky!« brüllte Bendisson. »Schaff das Ding hier raus!«

Gucky sah Tschlupp an.

Der beobachtete den Vorgang total fasziniert. »Er golft! Dass ich das erleben darf!«

Gucky beschloss, erst einmal zu beobachten.

»Gucky!« brüllte Bendisson.

»15! 14! ...«

»Funkverbindung abbrechen!« befahl der Cairanische Kommandant.

Pau runzelte die Stirn. »Hast du eine Ahnung, wovon der spricht?« fragte er Bendisson.

»Schaff das Ding auf der Stelle von meinem Schiff!« brüllte Bendisson.

»Kein Stress,« versuchte Pau ihn zu beruhigen. Er warf Bendisson den Golfschläger zu. Dieser fing ihn reflexartig.

»10! 9! ...«

»Wieso kann ich die noch sehen?« rief der Cairanische Kommandant mit Panik in der Stimme.

»Ich weiss es nicht!« antwortete jemand. »Funk ist deaktiviert! Das ist unerklärlich!«

Pau holte schwungvoll einen grossen, alten Holzkammer hervor. Der Kopf wies deutliche Gebrauchspuren auf: Farbkleckse, Splitter, Riefen, Abdrücke. Der Griff war durch lange Jahre des Gebrauchs glatt poliert. Er zog durch. Mit einem satten »Tock« katapultierte er das Ding in die Zentrale des Augenschiffs.

»4!«

Pau machte eine schneidende Geste an seinem Hals.

Der Cairaner rief aus: »Stationen der Zentrale mit Schutzschirmen isolieren!«

»3!«

Das Bild des Cairaners, oder was auch immer es gewesen war, verschwand.

Alle Anwesenden atmeten tief durch.

Das Augenschiff verging in einer gigantischen Explosion.

Pau hatte den Hammer auf seiner Schulter geschwungen. In der anderen Hand hielt er eine neue Bombe. »Ruft ... hm ...« Er starrte nachdenklich auf das Holo der Umgebungsortung. »... den da.« Er deutete auf ein Schiff.

Der Funkoffizier sah Bendisson fragend an.

»Gegner haben Schutzschirme aktiviert!« kam die Meldung von der Ortung. »Laden Waffensysteme!«

Pau seufzte. »Ich wünschte wirklich, sie wären vernünftig.« Er steckte die Bombe wieder weg. Schnippte mit den Fingern.

Die Energieballungen im Zentrum der Augenschiffe leuchteten grell auf. Eine Sekunde später fielen sie in sich zusammen.

»Gegner treiben antriebslos!« Kurz darauf die nächste Meldung: »Massive Strahlungsfront trifft auf unsere Schilde! Oh ... nein ...«

»Meldung!« schimpfte Bendisson.

»Die sind alle tot! Diese Menge an Strahlung können sie nicht überlebt haben!«

»Doch, doch,« meinte Pau. Holzhammer und Bombe waren in einem unbeobachteten Moment verschwunden. »Die Abschirmung von denen ist ... war wirklich gut. Aber nicht lange. Vielleicht ein oder zwei Stunden.« Er blickte Bendisson an. »Ich verstehe, dass du gerne helfen würdest, aber ich würde dennoch dringend nahelegen, dass wir uns nun umgehend zurückziehen.«

»Ja,« sagte Bendisson langsam. »Das sollten wir.« Er fühlte sich schlecht. In Gedanken stellte er sich vor, wie es auf den Schiffen sein musste. Tausende von Raumfahrern, deren schützende Hülle plötzlich zum Sarg geworden war. Die sich mit versagenden Organen auf den Weg zur Krankenstation machten. Die völlig überfordert sein würde - falls sie noch genug Energie hatte, um überhaupt irgendwas zu tun. Etwa Schmerzmittel aus dem Lager anzufordern. Die niemand ohne Lagerverzeichnis finden konnte. Ein Schicksal, dass er seinem schlimmsten Feind nicht wünschte. Aber er trug die Verantwortung für die 5.000 Mitglieder der Besatzung. Sie konnten keinen Schlagabtausch mit weiteren Cairaner riskieren.

»Ich bin in meiner Kabine,« erklärte Pau und ging. Bogg und Zzz folgten ihm. Sechs TARAs begleiteten sie zusammen mit zwei Soldaten der Bordsicherheit.

Bendisson folgte ihm mit grimmigem Blick. Sobald das Schott sich hinter ihm geschlossen hatte, befahl er: »Ich will wissen, wie er das gemacht hat! Die Ortungsdaten und Aufzeichnungen der Zentrale haarklein durchgehen! Und ihr,« er deutete auf Atlan und seine Begleiter, »in die Krankenstation zur Untersuchung!«

›Wer hat ihm eine Kabine zugeteilt?‹ fragte Atlans Extrasinn. ›Und wann?‹ Atlan teilte den Gedanken mit Bendisson.

»Ich kümmere mich darum. Und jetzt raus hier! Schadensbericht! Zeit bis zum Linearflug?«
Antworten

Zurück zu „Stories, Bilder, RZs, Multimedia“