Salut SydSchmitt,
SydSchmitt hat geschrieben: ↑14. Juli 2021, 12:11
[...] Dass das wie von hinten aufgezäumt wirkt, verstehe ich, aber für mich war es eher von hinten, vom Ende, gedacht. Wo wollen/müssen wir hin (eine bestimmte Zahl junge Leser begeistern), was brauchen wir dafür (junges Team, gute Strategie etc.), und dann können wir einschätzen, was dafür finanziell nötig ist. [...]
Ziel- oder Ergebnisorientiert zu arbeiten ist m.E. gar nicht abwegig. Natürlich sollte man definieren, wohin der Weg gehen soll und was das Ziel darstellt. Zugleich, und das ist die Crux der Sache, kannst du das Ziel nicht adäquat bestimmen, wenn du den Beginn nicht kennst. Bevor ein zielorientierter Prozess aber umgesetzt bzw. begonnen wird, muss aber erst einmal eine Diagnose des Ist-Zustandes feststehen. Und dieser würde m.E. zunächst in der repräsentativen Erfassung der Leserschaft liegen.
Ich bin jetzt mit einer Leserdiagnose nicht so vertraut und weiß nicht, ob auf neueren z.B. digitalen Wegen so etwas (mal wieder? permanent?) gemacht wird, aber wenn ich mich recht entsinne, bitte Korrektur wenn ich falsch liege, dann liegt die letzte Auswertung der Leserbeschaffenheit der PR-Serie in den 1980ern. Das war damals die große Umfrage anlässlich des Weltcons, meine ich. Grob gesprochen ist das etwa 15 bis 20 Jahre her.
Auch wenn ich dir zustimme, dass man zielorientiert planen sollte, bleibt man ohne Ist-Diagnose doch tatsächlich in einer Nicht-Zielorientierung verhaftet und läuft Gefahr, sich in sinnlosem Aktionismus zu verlieren. Da wird dann auch für Geldgeber nichts "schmackhafter".
[...] Bleiben als alte Hasen sollten die, deren schriftstellerischen Fähigkeiten am besten zur wie auch immer gearteten Strategie passen. Darüber hinaus wären Kriterien [...]
Das klingt schon nach harter Selektion. Und aus dem Blickwinkel/der Rolle des kühl kalkulierenden BWLers (die heißen ja jetzt "Consulter", weil ja immer noch so viel "outgesourced" wird) mag das eine richtige Strategie sein. Ob sich allerdings Freiberufler (Autoren, Zeichner etc.) damit so gut identifizieren können... ? Statt Schreiben macht man dann Mentoring? Oder schreibt man und ist auch Mentor? Und wird das alles gleich bezahlt oder kriegt man als Mentor nur "Zeilengeld"...? Das hört sich alles als Idee sehr schön an, was dir durch den Kopf geht, aber mir stellen sich immer mehr Fragen auf...
Also ich finde Fragen der Nachhaltigkeit und Konsistenz stellen sich bei Autoren aller Altersstufen, da sehe ich den Zusammenhang zu den Jungen nicht. Wie lange kann man [...]
Bzgl. der Alterstufen stimme ich dir zu. Den Zusammenhang mit den Jungen hast du eröffnet, weil du ja "junges Blut" haben möchtest. Zwei Beispiel kann ich dir geben, die meine Gedanken vielleicht etwas deutlicher machen:
1) Ein Freund von mir ist VWLer und arbeitet als Lobbyist für einen großen Konzern beim Bundestag. (Mehr muss man jetzt nicht wissen...) Dieser Freund erzählte mir, dass sein Konzern den Nachwuchs gerne projektgebunden und befristet einstelle, weil die Personalkosten dadurch nicht so hoch seien. Die jungen Nachwüchsler freuen sich natürlich erst mal über einen Job, kommen aber nach doch recht kurzer Zeit (weniger als deine 10-15 Jahre "Erneuerung") zu dem Ergebnis, dass sie sich auf diesem Wege kein festes Leben und auch Familie aufbauen können. - Dieser Konzern hat übrigens immer mal wieder Schwierigkeiten, dauerhaft (!!) Nachwuchs zu finden, irgendwie sind die dann in der Zwischenzeit woanders hin, obwohl der große Konzern gut bezahlt.
2) In der PR-Autorenschaft gab es auch die, für uns Leser, traurige Situation, dass der sehr toll schreibende und sehr beliebte (Jung)Autor MAH sich vom Schreiben zurückzog, weil er feststellte, dass für seine Lebenssituation die Arbeitssituation "freier Autor" nicht gut kombinierte.
Deine Strategie berücksichtigt die persönlichen Umstände der Literaturschaffenden manchmal arg wenig, wie ich finde. Gut, wenn man als knallharter Consulter so denken mag, ist das wahrscheinlich auf den ersten Blick folgerichtig. Aber bei PR war und ist es, denke ich, auch für die Autoren sehr angenehm, wenn klar ist, dass man als Teamautor erst mal Teamautor bleibt. Das ist ein bisschen wie verbeamtet sein, nur mit etws weniger Geld, würde ich mal vermuten. Leo Lukas hat in einem Interview (ist hier irgendwo im Forum verlinkt) angemerkt, dass ihm während der Coronazeit diese "Festanstellung" finanziell einigermaßen sicher über die Runden geholfen hat. Ob Freischaffende, ob jung oder alt, mit deinem Amalgam so zufrieden wären? - Der Consulter sagt, dass sie dann gehen sollten? -Naklar, dann stellen wir halt den Eschbach als Mentor ein! Autoren gibts wie Sand am Meer.
[...]Text, Story, ist der Kern der Serie, und da auf ehrliche, selbstbewusste Geschichten zu setzen, wie du sie ansprichst, ist im Zweifelsfall wohl das sicherste. Die oberflächlicheren Aspekte wie visuelle Gestaltung und vielleicht auch Erzählstrukturen sind aber die Schnittstellen zur Aussenwelt, machen aufmerksam und vermitteln den ersten Eindruck. Die sollten in der Schnelllebigkeit der Medienlandschaft mithalten können, wenn man Nachwuchskunden will. Was nicht heisst, jeden Trend mitzumachen, aber trotzdem etwas am Puls der Zeit zu bleiben. [...]
Diesen Punkt, vor allem das mit der "Schnittstelle zur Außenwelt" kann ich sehr gut nachvollziehen und würde dir da auch erst mal zustimmen. Bleiben aber noch die von uns beiden zuvor genannten Bedenken der "Mogelpackung": Eine Inkongruenz zwischen visuellem Äußeren und textlichem Innerem...
Das haben wir ja auch schon mal thematisiert und warst da ja auch deutlich, dass es auch in textlicher Hinsicht Änderungen geben sollte, z.B. häufiger kürzere Zyklen o.ä. - Und jetzt machen die Blödmänner beim Verlag trotzdem nicht, was du vorschlägst. *Hmpf* - Und jetzt? *grinst wie eine satte Katze*
Dann blieben immer noch 700.000 viellesende Jungs. Wäre unser Plan, mit der hypothetischen 60.000er-Auflage im Hinterkopf, ein ganzes Viertel davon, also 15.000, als junge Leser neu zu gewinnen, wären das lediglich etwa 2,2% der viellesenden Jungs, die man für PR begeistern müsste. Oder, um es dir vielleicht etwas zu veranschaulichen, etwa 15 Jungengymnasien voll
Als Zahlenspiel verstehe ich das. Und als Geldgeber würde ich dich jetzt fragen, ob und wie du die Leserverluste kalkulierst und ob die 2,2% auch langfristiger etwaige Leserverluste ausgleichen oder ob man nach einem Zyklus wieder ganz von vorn anfangen müsste, mit der Kalkuliererei. Schließlich will ich als Geldgebervon dir garantiert haben, dass alles in den von dir vorgestellten 10-15 Jahren sicher läuft. *zwinker*
lg
Ten.