Kritikaster hat geschrieben:....
Und mit dem sogenannten moralischen Verhalten bin ich gar nicht klar gekommen. Der Cüüne hätte moralisch gehandelt, wenn er gesagt hätte 'ich tue alles für dich als meinen Lebensretter, um dich vor möglichem Schaden zu bewahren aber dich gegen die Interessen des Atopischen Tribunals zu unterstützen kann ich wegen des Völkervertrages nicht'. Statt dessen bekämpft er die Vertreter der Atopie und zieht sogar seine Schülerin noch mit hinein in das, was eigentlich ein Gewissenskonflikt sein müsste und bei ihm eher wie ein Hund zu Herrchen-Schema wirkt. Und bei den vertragstreuen Cüünen stellt sich heraus, dass es ihnen in erster Linie um die ausgelobte Belohnung ging. Nein, moralisch einwandfreies Verhalten habe ich da nicht konstatieren können und ein positives Bild der Cüünen hat sich bei mir nicht entwickelt.
Aber jedem seinen eigenen Blickwinkel.
![Hö 8-)](./images/smilies/on2long_smile.gif)
Ich halte es für grundsätzlich fragwürdig, Fremdvölker wie hier die Cüünen nach westeuropäischen Moralstandards zu beurteilen, denen vermutlich nicht einmal ein wesentlicher Bruchteil der hiesigen Foristen genügen würde. Und ich finde es gut, dass Fremdvölker nicht sklavisch nach einem vermeintlichen "Volkscharakter" dargestellt werden, sondern dass die Individuen dieser Völker eine ausreichende Bandbreite an Verhaltensweisen (und ihrer Moralauslegung) zugebilligt werden. (Das ist übrigens ein Riesenfortschritt gegenüber den Darstellungen in der frühen, scheerschen Phase der Serie).
Nach meiner Lesart ist der "allgemeine" Charakter der Cüünen klar dargestellt, und das in einem einzigen Roman aus erstaunlich vielen Blickwinkeln (Verhalten beim Angriff der Technophagen, beim Kontakt mit Atlan und Shukard, in der Expedition ins Technogeflecht und dann im Konflikt mit den Tesqiren und Konsorten). Gosgard wird übrigens bereits (in Abwesenheit) in der allerersten Szene des Romans als Ausnahmecharakter beschrieben, ebenso wie die tiefe Bindung Amtums zu ihrem "Kontraktir". Und Gosgards Rezeption von Atlan als besondere Person und (implizit) Ritter der Tiefe (dessen Aura er offenbar erkennt) ist ebenfalls dokumentiert.
Insofern ist sein Verhalten gegenüber Atlan, also dass er seine persönliche Verpflichtung zu Atlan höher einschätzt als eine uralte (aber offenbar nicht sehr intensiv gelebte) Verpflichtung gegenüber dem AT (deren Art und Bedingungen uns überhaupt nicht beschrieben werden) für mich sogar sehr beeindruckend und auch sehr "moralisch", insbesondere als er sich eben auch nicht zu lethalen Angriffen auf seine Artgenossen, den Tesqiren und selbst dem sehr aggressiven Balg hinreißen lässt. Das wäre zu vergleichen mit den anderen Cüünen, die sich formal korrekt an den Kontrakt mit dem AT halten, und sich die Vertragstreue gut entlohnen lassen möchten.
Ich war kurz enttäuscht vom Roman bei der einen Seite als Amtum (scheinbar) Gosgard erschossen hatte, weil mir dieses Verhalten überhaupt nicht mit dem vorher geschilderten Charakter vereinbar war. Zum Glück war das nur eine Finte. Allerdings hätte ich an Michelles Stelle darauf verzichtet, denn auch für die anderen Cüünen müsste solch ein Verrat doch ziemlich unwahrscheinlich sein, er ist also intrinsisch nicht glaubwürdig (für den Tesqiren aber vielleicht schon). Aber das ist eher ein Fehler zweiter Ordnung.