Kosmische Weiten
In der Unendlichkeit des Weltalls entstehen Sonnen und Planeten und vergehen wieder. Genauso ist es mit den Intelligenzen, die diese Planeten bewohnen.
Kulturen erheben sich, gehen eine Weile ihren Weg und versinken dann wieder. Viele kennen sich, sind in dieser oder jener Weise miteinander verbunden, andere lernen sich nie kennen.
Aus den Resten vieler vergangener Völker entwickeln sich Bewusstseinskollektive. So leben die Geister dieser Intelligenzen in nichtstofflicher Form weiter, durchstreifen frei und ungebunden den Weltraum und greifen immer wieder in die Geschicke von ganzen Völkern ein, fördern oder vernichten sie.
Aber auch diese Kollektive sind an die Gesetze von Hohen Ordnungsmächten, den Kosmokraten oder den Chaotarchen gebunden.
Je nachdem, ob diese kollektiven Superintelligenzen den Kosmokraten oder den Chaotarchen dienen, sind es positive oder negative Superintelligenzen – und dementsprechend liefern sie sich fürchterliche Kämpfe in den unendlichen Weiten des Kosmos – und mit ihnen die von ihnen geleiteten Völker.
Trotzdem erlauben die Hohen Mächte einen direkten Eingriff in das Schicksal der Völker nur bis zu einem gewissen Grade.
Das Leben der Superintelligenzen währt nach den Maßstäben von körperlichen Intelligenzen unendlich lange, über Milliarden von Jahren. Dann vergehen auch sie – und der ewige Kreislauf des Werdens und Vergehens beginnt von Neuem.
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Das Sol-System und Terra
In einem unbedeutenden Nebenarm einer Spiralgalaxis liegt ein Sonnensystem mit acht Planeten und zwei Asteroidenringen zwischen dem vierten und fünften Planeten und außerhalb des achten Planeten. Diese Ringe waren vor sehr langer Zeit Planeten, die durch kosmische und kriegerische Katastrophen vernichtet wurden. Der dritte Planet ist eine Sauerstoffwelt mit ausgedehnten Meeren, Flüssen und Landflächen. Seine Bewohner nennen sich ganz einfach „Menschen“ und ihren Stern „Sonne“. Das System ist für sie ihr Sonnensystem, ihr Planet die Erde, die Spiralgalaxis nennen sie Milchstraße.
Viele glauben, dass es außer ihnen kein anderes intelligentes Leben im Weltraum gibt – weil sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgehen.
Andere, aufgeschlossene Menschen glauben, dass sie nicht die einzigen intelligenten Lebewesen im Universum sein können. Viele denken sogar, dass sie einfach zu weit weg von kosmischen Geschehnissen sind, eben weil ihr System am äußeren Rand der Galaxis liegt – und sie nur deshalb noch keinen Kontakt zu anderen Intelligenzen haben.
Diese Menschen nennen sich selbst „Terraner“, ihren Planeten „Terra“, ihre Sonne „Sol“ und ihr System „Solares System“.
Aber auch sie vermögen sich nicht vorzustellen, dass ihr Planet und ihr Sonnensystem schon mehrfach Heimat von hochintelligenten Völkern war, die aufstiegen und wieder in die Primitivität zurückfielen – und Brennpunkt von kosmischen Ereignissen unvorstellbaren Ausmaßes gewesen war.
Nun stehen sie zum wiederholten Male davor, das Tor zu den Sternen aufzustoßen, aber sie denken, sie tun es zum ersten Mal in der Geschichte des Planeten Terra ...
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Der Wanderer
Der Wanderer zwischen den Sternen, der sich auch ES nannte, war nach menschlichen Vorstellungen uralt, ungefähr 18 Millionen Jahre! Gemessen in kosmischen Maßstäben war die Superintelligenz noch jung.
Das Reich von ES war riesig. Die Milchstraße war nur ein Teil davon. Andere Galaxien wie der Andromeda-Nebel gehörten ebenfalls zur sogenannten Mächtigkeitsballung von ES. Der Wanderer gehörte zu den positiven Superintelligenzen, die auf die Gesetze der Kosmokraten hörten.
Seine Heimat, sein Anker, war ein Planet, der die Form einer Scheibe mit einer riesigen Kuppel darüber hatte. Wanderer zog seine Bahn durch die Milchstraße einzig nach dem Willen seines Erbauers. Diese Bahn führte in einer Ellipse zwischen dem neunten und zehnten Planeten des Wegasystems und dem Sol-System hindurch.
ES kannte genau wie die Kosmokraten das Geheimnis der biologischen Zellkonservierung und damit der Unsterblichkeit. Viele Völker unterstützte er, hervorragenden Vertretern dieser Völker schenkte er die Unsterblichkeit, aber die meisten enttäuschten ihn immer wieder. So wurde ES in seinen Anforderungen an das Geschenk der Unsterblichkeit immer härter.
Den dritten Planeten der Sonne Sol und dessen Bewohner mochte ES besonders.
Vor zehntausend Jahren irdischer Zeitrechnung war Terra die Kolonie des größten Sternenreiches in der Milchstraße, das es zu dieser Zeit gab, des Großen Imperiums der Arkoniden, die genauso aussahen wie die Menschen. Sie kamen aus dem Kugelsternhaufen M-13, 34.000 Lichtjahre von Sol entfernt.
Das Sonnensystem nannten die Arkoniden nach seinem Entdecker „Larsaf“, den dritten Planeten Larsaf III.
Ein kosmischer Krieg unvorstellbaren Ausmaßes tobte zu der Zeit in der Milchstraße, zwischen den humanoiden Arkoniden und den nichtmenschlichen Maahks.
Die Kosmokraten sahen die Stabilität der Mächtigkeitsballung von ES gefährdet und beauftragten ihn, zwei humanoiden Intelligenzen ein wertvolles Geschenk zu machen: Zellaktivatoren, die auf ihre persönlichen Individualschwingungen abgestimmt waren. Sie sollten in ihrem Auftrag kämpfen.
Den ersten Auserwählten fand ES relativ schnell: Ein arkonidischer Flottenadmiral erhielt von ES den Zellaktivator und wurde dadurch unsterblich. ES sorgte dafür, dass Admiral Atlan nicht mehr nach Arkon zurückkehren konnte und auf Larsaf III strandete. Durch sein überlegenes Wissen versuchte der Arkonide den in die Primitivität zurückgefallenen Bewohnern des Planeten wieder den Weg zu den Sternen zu zeigen.
Den zweiten auserwählten Träger des Zellaktivators zu finden, würden noch Zehntausende von irdischen Jahren dauern – das wusste ES.
Das Große Imperium verlor nach dem verlustreichen Krieg die galaktischen Koordinaten des Sol-Systems. Die ehemalige Kolonie wurde vergessen.
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Der Junge von Terra
Über Jahrtausende kämpfte Atlan für die Menschheit und passte sich dabei den von ihm gleichzeitig geliebten und gehassten Barbaren immer mehr an.
Immer wieder machte ES ihn zu seinem direkten Beauftragten, um den von ihm geliebten und geförderten Menschen zu helfen – mehr als die Gesetze es der Superintelligenz erlaubten!
Nach zwei großen Kriegen, die als Erster und Zweiter Weltkrieg in die Geschichte des Planeten Terra eingingen, verlor Atlan fast den Mut. Seine geliebten Barbaren waren wieder „bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, sich gegenseitig umzubringen.“ Die Kriege kosteten Millionen von Menschen das Leben.
Nach dem zweiten Krieg war es an der Zeit, den Träger des zweiten vorbereiteten Zellaktivators zu suchen. Er war derjenige, der dieses Mal die Intelligenzen des dritten Planeten der Sonne Sol zu den Sternen führten sollte.
Der Auserwählte war ein neunjähriger Junge, dem ES noch keinen Zellaktivator geben konnte.
So entschloss die Superintelligenz sich, diesen Jungen für einen Augenblick zu sich zu holen und ihm das Tor zu den Sternen zu zeigen.
Ein äußerst wissbegieriger, magerer und unscheinbarer Junge sah sich in der Kuppelstadt auf Wanderer genau um. Seine eisgrauen Augen zeigten eine Tiefe, die für ein Kind in diesem Alter sehr ungewöhnlich war. Er gefiel ES ausnehmend gut. Ein Blick in die Zukunft zeigte ES, dass dieser Junge dazu ausersehen war, das Schicksal nicht nur der Menschheit, sondern der Milchstraße zu bestimmen.
Trotzdem hatte ES Angst, dass dieser Junge ihn genauso wie so viele andere enttäuschen würde. Deshalb entschloss er sich, ihn von nun an genau zu beobachten – und ihn später, wenn er alt genug dazu war, schweren Prüfungen zu unterziehen, um wirklich sicher zu sein, sich nicht in ihm getäuscht zu haben.
ES löschte die Erinnerungen von Perry Rhodan an diese Reise, aber er ging dabei zu behutsam vor, weil er die geistigen Kapazitäten des Jungen unterschätzte.
Später, als die Erinnerungen an die Kuppelstadt immer wieder in den Träumen des Jungen auftauchten, nahm ES direkten Kontakt zu ihm auf. Er nannte sich nur
der Wanderer.
Perry Rhodan gewöhnte sich im Laufe der Zeit an die Stimme des Wanderers. Mit der Superintelligenz an seiner Seite veränderte Perry Rhodan sich, je älter er wurde. Er ging unbeirrt seinen Weg vom wissbegierigen, aber eher schüchternen Jungen zum Kadetten der US Air-Force, zum Test- und Risikopiloten und schließlich zum Astronauten und Befehlshaber der ersten menschlichen Mondlandeexpedition.
Dabei griff ES öfter ein, als die Gesetze der Kosmokraten es ihm erlaubten, erlebte die Ereignisse mit, die aus dem zurückhaltenden Jungen den harten militärischen Befehlshaber machten, den nach außen nichts erschüttern konnte. ES wurde zum guten Freund des Menschen und niemand außer ihm wusste, wie es in dem
Menschen Perry Rhodan wirklich aussah.
Immer wieder fürchtete ES, wieder enttäuscht zu werden – aber Perry enttäuschte ihn nie! ES konnte es kaum glauben, dass es außer Atlan noch ein zweites Intelligenzwesen gab, für das Ehre und Anstand selbstverständlich waren. Perry Rhodan war ein überaus human denkender Mensch, der bereit war, nicht nur jeden anderen Menschen, sondern jedes andere Intelligenzwesen so zu akzeptieren, wie es war – mit allen positiven und negativen Eigenschaften.
Nachdem Perry Rhodan – wie von ES gewollt – auf dem Mond den notgelandeten letzten Forschungskreuzer der inzwischen degenerierten Arkoniden fand, bereitete die Superintelligenz sich darauf vor, Perry durch die vorbereiteten Prüfungen zu schicken – und freute sich auf den Augenblick, in dem der ihn endlich direkt besuchen würde.
Vor dem Start zum Mond nahm der
Wanderer dem Menschen größtenteils die Erinnerung an viele gemeinsame Erlebnisse. Nur so viel ließ er ihm, dass Perry Rhodan kurz vor seiner Landung auf Wanderer erkannte, wie gut sie sich kannten.
„Wir kennen uns, alter Freund“, sagte Perry in dem Augenblick des Erkennens – und damit begann sein Schicksals- und Leidensweg für seine geliebte Menschheit, der er alles andere, auch sein Privatleben, unterordnete ...
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