Ich habe den Roman in den letzten Tagen mal wieder mal durchgelesen. Das Gefühl, dass sich bei dabei einstellte, ist mit "retro" nur unzureichend beschrieben, "archaisch" scheint mir eher angebracht. Das überraschte mich doch ein bisschen, denn beim letzten Lesen vor ein paar Jahren war dieses Gefühl bei weitem nicht so stark.
Es gibt verschiedene Aspekte, die zu diesem Gefühl führten. Da ist zunächst einmal der extensive Einsatz der
auktorialen Erzählweise. Es ist ja in Ordnung, wenn (gerade in einem Eingangsband eines Zyklus) berichtet wird,, dass bspw. Perry gerade wieder zum x-ten Male zum Großadministrator gewählt wurde, oder was das Projekt ANTINUG darstellt. Könnte man auch interessanter gestalten, aber geschenkt, es spart Platz. Kopfschütteln musste ich schon eher in Szenen wie auf S. 39-42 (vierte Auflage), wenn seitenlang zunächst überlegt wird (keine direkte Rede, sondern eine Art Zusammenfassung der Gespräche der zuerst ins Gefängnis verbrachten Rhodan, Atlan, Danton und Waringer), wie wohl der Ablauf des Erkennens auf Seiten Bullys II war, wie wohl vorgegangen wurde, um möglichst viele Besatzungsmitglieder der MARCO POLO zu finden und festzusetzen, mit dem Schluss, dass "mindestens eine Handvoll Männer" (Frauen gibt es wohl keine) es schaffen würden "ihre Freiheit zu bewahren", -- nur um dann auf weiteren Seiten zu beschreiben, wie nach und nach praktisch alle Besatzungsmitglieder eintreffen, die die vorigen Überlegungen bestätigen (wobei die angeblich sich noch in Freiheit befindlichen Leute, so es sie gibt, sowieso die Arschkarte gezogen haben, denn sie werden bei der späteren Flucht zurückgelassen).
Richtig ärgerlich wird die auktoriale Erzählweise aber dann, wenn sie dem Leser die Schlüsse aufzwingt, die doch eigentlich der Leser aus der Handlung entnehmen sollte. Das schlimmste Beispiel dafür ist die Szene auf S. 23/24 in denen Perry und Atlan klar wird, dass der Reginald Bull nicht der sein kann, den sie kennen (und umgekehrt).
(Rhodan) "Der Plan hat ... nur einen einzigen großen Zug: Ausrottung aller Evergreens".
Reginald Bull hielt den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, als horche er den Worten nach...
"Na und?"
Damit war der Beweis geliefert. Eine fürchterliche Änderung hatte sich vollzogen. Aus den humanen, friedliebenden Politikern und Militärs des Solaren Imperiums waren blutgierige Bestien geworden. .....
Ganz abgesehen davon, was man vom Ausdruck "humanen, friedliebenden Politikern und Militärs" hält, angesichts Bount Tehera oder auch der Tycho Ramath des Standarduniversums (beide hohe Militärs, die in die Politik gingen), frage ich mich schon, für wie blöd Mahr hier den Leser hält, dass er uns wörtlich erklären muss, was die Implikationen des "Na und" Bulls sind.
Aber es kommt noch besser. Perry schafft es, Bull vorläufig abzulenken, indem er eine Bemerkung nachlegt, dass "das ja noch plausibel sei" etc.
Bull will gehen. Doch dann
"Er [Bull] stand im Begriff den Raum zu verlassen.
Da beging Atlan den entscheidenen Fehler. [meine Hervorhebung] Er rief ihn zurück.
"Bully ..."
"Ja?"
"Was ist ein Rufkode?"
Danke für die Ankündigung, Herr Mahr, ich wäre sonst nie darauf gekommen, dass Atlan hier einen Fehler begeht. Und selbst wenn ich es nicht sofort bemerkt hätte, steht es sowieso ein paar Zeilen weiter nochmal explizit. Dass Atlan nicht weiß,
was ein Rufkode ist, finde ich auch höchst seltsam, denn das Wort "Rufkode" drückt seine Bedeutung ja explizit aus. Da ist ja das Wort "Passwort" noch schwieriger zu verstehen (zumindest wenn man nicht bei der Bundeswehr war).
Solche Redundanzen und Leserbevormundungen sind aber nicht die einzigen Probleme des Romans. Leider gibt es auch jede Menge inhaltliche Schwächen und sogar (man glaubt es kaum) kuriose Physikfehler. Hier ein paar Beispiele.
- S.12 "Aufgrund der energetischen Struktur der beiden Schirmfelder war zu erwarten, dass der HÜ-Schirm zuerst zusammenbrechen würde."
Aufgrund der "energetischen Struktur"? Oder doch eher weil der HÜ-Schirm außerhalb des Paratron-Schirms projeziert wird?
- S. 15. Nachdem der Versuch "misslungen ist" sieht man sich einer HYODPON gegenüber, die unbeschädigt ist, aber nicht auf Funksignale antwortet. Untersucht man sie? Nein, denn Perry bringt "keinen Mann in Gefahr, indem ich ihn an Bord der HYODPON schicke." Er könnte eine Frau schicken, aber die gibt's ja nicht auf der MARCO POLO.

Aber könnte er nicht Roboter schicken? Und ein Beiboot vor Ort lassen, um den Kontakt zu halten? Wäre vielleicht sinnvoll, aber dann würde ja der Plot nicht klappen, weil in einer Stunde ja die MARCO POLO II kommt.
- S. 17. Die MP fliegt in relativistischem Flug zurück zur Erde. Etwa auf der Hälfte der Strecke (also mit nahezu maximaler Geschwindigkeit, aber immer noch etwa 140 Lichtminuten von der Erde weg) nimmt Perry "Sichtssprechverbindung" mit Bully auf der Erde auf. Das muss angesichts der Entfernung Hyperfunk sein, denn bei 140 Lichtminuten Entfenung wäre die MP praktisch nicht viel später auf der Erde, als das erste elektromagnetische Funksignal, das sie senden würden. Trotzdem gibt es einen seltsamen Effekt:
"Infolge der relativistischen Verzerrung sprach er [Bull] schneller und mit höherer Stimme, als man von ihm gewohnt war. Im Gegensatz dazu musste ihm Rhodans Sprechweise langsam und seine Stimme ungewöhnlich tief vorkommen."
Also eine Art relativistischer Dopplereffekt - bei überlichtschnellem Hyperfunk ! Und wenn das schon nicht absurd genug wäre, ist der Effekt angeblich auch noch unterschiedlich bei Bull und Rhodan, obwohl sich offensichtlich beide relativ aufeinander zu bewegen. Wenn schon ein Effekt da sein soll, dann sollte er bei beiden gleich ausfallen (Erhöhung der Frequenz).
- S. 48 ff. Rhodans Ausbruchszene:"Mehr als siebentausend Gefangene standen auf den Mauern." Das ist erstaunlich, denn die Mauern haben einen Umfang von etwa 1200 Metern, es stehen also 6 Personen pro Meter. Richtig kuschelig das. Aber das ist ja nur eine Kleinigkeit. Viel kurioser ist das Verhalten der Kampfroboter. Die kosten zwar angeblich 200 Mio. Solar das Stück, aber für Schutzschirme hat es doch nicht gereicht, zumindest werden keine erwähnt. Die Roboter verhalten sich passiv, als einige Gefangene mit Blaster fünf Roboter zu einem großen Klumpen zerstrahlen (die Roboter standen sich offenbar auch auf den Füßen). Dann nehmen sie die Mauerkrone unter Feuer, da sie offenbar doch nicht die Leute einfach abknallen wollen (sehr überraschend angesichts der bereits bekannten Mentalität des hiesigen Perry und Bully) Aber warum nicht Paralysestrahler? War wohl auch eine Option, die bei den 200 Mio nicht drin war. Und langsam von Begriff sind die Robbys auch. Als einige "Ausbrecher" auf den Boden springen, reagieren die Robbys so spät, (weil ihre Aufmerksamkeit ja nach oben gerichtet ist), dass weitere zwei Roboter zerstrahlt werden kann. Ach ja, und die fünf zerklumpten Roboter wurden so geschickt zusammengeschossen, dass Perry sich nicht nur in einem Hohlraum des Klumpens verstecken kann vor den anderen Robotern, auch ist einer Roboter so geschickt beschädigt worden, dass seine Positronik noch aktiv ist und manipuliert werden kann, sodass andere Roboter den Klumpen samt Rhodan aus dem Gebäude schaffen, natürlich ohne weitere Kontrolle von offensichtlich halb blinden Kampfrobotern. (Interessant ist auch, dass die Roboter eine Identitätsprüfung anhand der "individuellen
biopositronischen Ausstrahlung" von Lebewesen machen. Ich wusste gar nicht, dass Terraner eine Biopositronik darstellen....)
- Und so geht es weiter. Tycho Ramath stellt sich nicht nur als der erhoffte Freund ("Feind des Feindes usw.) heraus, nein er ist auch gleich der Kopf einer Untergrundbewegung, die nicht über weniger als 10 Prozent des Etats der Regierung des SI verfügt. Diese Mittel braucht es auch, weil dann über 1000 androide Roboter aufgebracht werden, um die Gefangenen zu befreien, die MP zu erobern und einen Scheinangriff auf die MP II durchzuführen. Aber immerhin, diese Androiden sind angeblich billiger als die "hochgerüsteten" Kampfroboter zu 200 Mio. Solar (ohne Schutzschirme und Paralysatoren).
- Bei der Flucht von der Erde schießt die MP aus 2km Entfernung ein Transformgeschoss auf die MP II, was trotz in letzter Sekunde hochgefahrenen Schutzschirme ein Stück aus der Terkonithülle reißt. Was diese Explosion mit Terrania City anrichtet, darf man sich gerne ausmalen.
Schließlich, die bekannten Mahrschen Bravado-Sprüche.
- S. 8 "An der HYODPON würde es sich erweisen, ob es gelungen war, ein weiteres Geheimnis des Kosmos zu entchleiern."
Geile Sache das! Und was ist dieses "Geheimnis des Kosmos"? Das Projekt ANTINUG? Tolle Sache, nur wurde, wie später beschrieben, schon etliche Testreaktoren gebaut, über acht Jahre hinweg, inklusive einen mit 100 Mio Megawatt Leistung in Mogadischo (Zum Vergleich: Ein heutiger kommerzieller Atomreaktor hat eine Leistung von etwas über 1000 Megawatt. Der Mogadisho-Reaktor hat die 100.000-fache Leistung im Vergleich). Der HYODPON-Versuch ist schlicht der großmaßstäbliche Versuch in Verbindung mit den Schutzschirmen. "Geheimnisse des Kosmos" waren schon mal aufregender als eine weitere Skalierungsstufe.
- S 48. "Die Wahl des Mannes, der den Ausbruchsversuch wagen sollte, bereitete nur emotionelle, aber keine logischen Schwierigkeiten. ...
Es mochte sein, dass die Menschheit der parallelen Bezugsebene [gemeint ist das Standarduniversum] ihren Anführer verlieren würde.
Trotzdem gab es keinen Zweifel.
Perry Rhodan war der Mann!"
Nee, logische Schwierigkeiten sehe ich hier keine, wirklich nicht, es sind ja sonst nur unfähige Leute vor Ort.

Aber bei "Anführer der Menschheit" krampft mein Magen.
- S. 58. Das Kommando aus Androiden und Perry hat gerade die MP erreicht:
"Er selbst war der erste, der durch das offene Schott trat. Einen Atemzug blieb er stehen und ließ die Erkenntnis in sich einsinken, dass er seit fast sechs Tagen zum erstenmal wieder auf dem Deck seines eigenen Raumschiffes stand.
Sie mochten versuchen, was sie wollten.... aus der MARCO POLO würden sie ihn nicht wieder vertreiben!"
Was soll man dazu sagen? Immerhin erklärt es, warum Perry in dieser Zeit kein Familienleben hat. Arme Orana...