Klassiker - Cantaro

Unvergessene Abenteuer, legendäre Zyklen - nachgelesen und neu diskutiert.
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Homer G Adams
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Homer G Adams »

R.B. hat geschrieben: 22. Januar 2023, 11:52
Homer G Adams hat geschrieben: 22. Januar 2023, 10:58 Was den Fussball angeht, warte ich auf den Dienstag. Dein FCK kommt zu 'meinem' FCB. Das Ganze kann auch auf Free TV (Sat 1) verfolgt werden.
Ob du dann wieder dein Kölsch mit Schmackes trinken kannst?
Da gehe ich wie selbstverständlich von aus.
:P :P :P :P

Jröß us Kölle
R.B.
Abwarten und Kavla äh Viertele schlotzen. B-) :lol:

Grüeßle

us Alemannien
„Cappuccino und Earl Grey ☕🍵🥐 ist uebrigens ein Hauptgrund, der die Existenz Terras berechtigt erscheinen lässt. “ etwas abgeändert.
Atlan, PR 470

"Wenn der letzte Ritter der Tiefe gegangen ist, werden alle Sterne erlöschen." Alte kosmische Weisheit über die RdT

PR ohne ES. Wirklich? Die ES Fragmente bringen Hoffnung!
thinman
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

thinman hat geschrieben: 7. Januar 2023, 21:52
R.B. hat geschrieben: 6. Januar 2023, 12:11

Du hast völlig Recht. CILADA. Man kann sich seinen Kram 10 mal durchlesen, bevor man auf absenden drückt und trotzdem ist immer noch was falsch...
:D
Irgendwann geht jeder in die Falle. :D

thinman
Ein Kleinigkeit geht mir die ganze Zeit im Kopf rum, es ist schon ein paar Jahre her, dass ich den Zyklus gelesen habe, aber dieser Doppelband erzählt uns Lesern die Geschichte und die Situation in der Milchstraße Jahhunderte nach dem Abschließen und Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte vor dem Entfrieren des Tarkanverbandes.
Woher weiß Gucky umd die Dramen unseres Protagonisten?

thinman
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Hallo thinman,

das weiß Gucky auch nicht. In meiner Vorgeschichte zu Band 1432 erzählt er etwas dazu:
R.B. hat geschrieben: 10. Januar 2023, 14:41 "Und wie funktioniert das dann hier? Wieso weißt du so viel und das auf Anhieb?" Lee hatte sich diesmal an Gucky gewandt.

"Keine Ahnung", sagte der. "Wir hatten etwas Vergleichbares schon mal. Da saßen zunächst Perry, Atlan und ich, später noch Bully zusammen und haben uns über M 87 die Köpfe heißgeredet. Damals hatte uns wohl unser alter Freund ES eingesperrt, um uns Werweißwas klarzumachen. Von dem merke ich hier aber nichts. Es gibt auch keine anderen Anzeichen. Warum uns beiden hier so viel einfällt, kann ich dir nicht sagen. Gut, es ist nicht ganz so lange her, aber das kann nicht der Grund sein. Ich weiß es nicht."

Dazu kommt, dass er laut Perrypedia einen höheren Intelligenzquotienten als der Durchschnittsmensch hat. Das nun führt laut PR 1973 zu 10 oder 12 Doktortiteln. Ich hatte in in meiner Betrachtung der 300er Bände schon einen in Geschichte zu geschustert. Aber sogar der wird nicht reichen, um eine derartige Detailkenntnis ständig parat zu halten.

Er sagt ja oben, dass er es selber nicht weiß. Und wenn Gucky es nicht weiß, kann ich diese Frage leider auch nicht so genau beantworten. Vielleicht hat wieder ein ganz Anderer seine Finger mit im Spiel.
:unschuldig:
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

R.B. hat geschrieben: 25. Januar 2023, 07:30
Dazu kommt, dass er laut Perrypedia einen höheren Intelligenzquotienten als der Durchschnittsmensch hat. Das nun führt laut PR 1973 zu 10 oder 12 Doktortiteln. Ich hatte in in meiner Betrachtung der 300er Bände schon einen in Geschichte zu geschustert. Aber sogar der wird nicht reichen, um eine derartige Detailkenntnis ständig parat zu halten.

Er sagt ja oben, dass er es selber nicht weiß. Und wenn Gucky es nicht weiß, kann ich diese Frage leider auch nicht so genau beantworten. Vielleicht hat wieder ein ganz Anderer seine Finger mit im Spiel.
:unschuldig:
Na ja, Doktortitel werden ein wenig überschätzt. Im grunde sagt er nur, dass der Träger viel gelesen und dazu gedacht hat, und dann sich die Mühe gemacht hat, das ganze auch noch schriftlich exakt auszuformulieren. Über letzteres sind doch gerade die im nicht akademischen Bereich tätigen Träger gestolpert, Und dann kommen natürlich auch noch die ganzen hcs, bei denen es im Zweifelsfall reicht, Schlachten zu gewinnen und vor Landkarten trotzdem funktionale Analphabeten zu sein.

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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

thinman hat geschrieben: 26. Januar 2023, 14:37 Na ja, Doktortitel werden ein wenig überschätzt. Im grunde sagt er nur, dass der Träger viel gelesen und dazu gedacht hat, und dann sich die Mühe gemacht hat, das ganze auch noch schriftlich exakt auszuformulieren. Über letzteres sind doch gerade die im nicht akademischen Bereich tätigen Träger gestolpert, Und dann kommen natürlich auch noch die ganzen hcs, bei denen es im Zweifelsfall reicht, Schlachten zu gewinnen und vor Landkarten trotzdem funktionale Analphabeten zu sein.
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Äääh...
Wir unterhalten uns hier über Gucky. Wenn in der PP steht, dass er einen Sack voller Doktortitel hat (natürlich kommen bei ihm noch ein paar hc's dazu), gehe ich davon aus, dass die echt sind.

Und ebenso denke bei unserem Lieblings - Mausbiber, dass er weder abgeschrieben, noch gemogelt hat oder sich seine Arbeit von einer KI schreiben ließ. Ich glaube, dass würde seinem Verständnis von Ehre widersprechen. Gucky wurde in der Serie als Unsinn treibender Hallodri geschildert, in früheren Jahren war er zudem auch mal der Überall-zugleich-Töter, aber stets ehrlich - jedenfalls in meiner Erinnerung. Also sind die Doktortitel bei ihm echt.

Mein verstorbener Schwager hatte einen Doktortitel in Geschichte, seine Arbeit liegt hinter mir im Regal. Das ist mehr als nur ein viel lesen und den dazugehörigen Kram neu sortiert zu Papier bringen. Zumindest sein dazugehöriges Wissen in Geschichte war immens.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Kardec »

thinman hat geschrieben: 26. Januar 2023, 14:37 ...................................das ganze auch noch schriftlich exakt auszuformulieren. Über letzteres sind doch gerade die im nicht akademischen Bereich tätigen Träger gestolpert..................
thinman
Doktor, im nichtakademischen Bereich? Erklärungsbedürftig.
Ist da der Doktorvater der Vater der Freundin, oder so? :lol:
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1435 - Im Halo der Galaxis - ist von Clark Darlton, erschienen am 20.02.1989
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Sie hatten sich zehn Tage lang nicht gesehen. Lee hatte in ihrer Praxis genug zu tun und Gucky genoss seine Ruhe. Man will ja schließlich wirklich mal Urlaub machen und nicht nur Therapeutinnen therapieren, dachte er, als er die Naturschönheiten Newenglands bewunderte. Er sah seltsame Kreaturen in der Tiefsee sowie endlos scheinende Gletscher. Ewiggrüne Wälder und einen Fluss, der sich an einer Stelle sagenhafte 400 Meter in die Tiefe stürzte. Sowas sieht man eben nicht, wenn man nur von Metallplastik umgeben ist. Kein Wunder, dass Bully auch hier hin wollte, ging ihm durch den Kopf, als er über einem hunderte Quadratkilometer großem Urwald schwebte. In der Tat, Naturschutz nehmen sie hier wirklich ernst. Da können sich andere ein paar Scheiben von abschneiden.

Kurzfristig war er anderer Meinung, als er mitten in einer Savanne stand und vergessen hatte, den Niederenergieschirm einzuschalten. Was natürlich prompt dazu führte, dass ein Raubtier, eine Mischung aus Löwe und Bär, ihn wohl für eine willkommene Bereicherung seines Speiseplans hielt. Eine Notteleportation brachte ihn in Sicherheit und aus 15 Metern Entfernung beobachtete er hämisch, wie das Tier außerordentlich verwirrt feststellen musste, dass der sicher geglaubte Mittagstisch so plötzlich verschwunden war.

Er grübelte ein wenig über den Sinn des Lebens, über die Welt, auf der er hier war, aber auch deren Bewohner. Im Großen und Ganzen bewunderte er die Menschen von Newengland. Sie waren mit sich selbst im Reinen, ihrer Lebensart zufrieden und wollten mit der großen Politik nichts zu tun haben. Wenn er nur wüsste, an welches Volk die ihn erinnerten. Nein, die hab ich nicht kennengelernt, das habe ich gelesen. Aber wo?, grübelte er. Das ist aber schon eine halbe Ewigkeit her. Er hatte noch in Erinnerung, dass die Menschen dort nicht größer waren als er und ihm daher so sympathisch gewesen waren. Er setzte sich auf einen kleinen Felsbrocken und dachte nach. Dann hatte er ihren Namen. ES als alter Mann war die Eselsbrücke gewesen. In der Geschichte lief nämlich jemand herum, der dem Alten von Wanderer ähnelte. Ein Zauberer war das, wusste er. Und die Handlung war nichts Reales, sondern ein Fantasy Märchen. Die kleinen Leute hießen Hobbits. Genau. An die Hobbits erinnerten sie ihn, die Menschen hier.

"Ich werde alles dafür tun, dass es euch auch in Zukunft genauso gut gehen wird wie heute", sagte er zu sich selber und sprang direkt ins Wartezimmer von Lees Praxis. Normalerweise erschreckten sich die Wartenden in solchen Fällen recht heftig, hier passierte - nichts. Er sah eine leicht zerknittert aussehende Jugendliche und eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn. Der Kleine und das Mädchen bewegten sich überhaupt nicht, lediglich die Ältere sah ihn an, meinte: "Oh, hallo Gucky", und vertiefte sich wieder in ihr elektronisches Buch. Die Seiten schwebten wie eine Art Energieschirm vor ihr, dabei sah sie immer wieder prüfend aber auch liebend in Richtung des Fünfjährigen. Gucky schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen freien Platz.

Als die letzte Patienten weg waren, betrat er den Behandlungsraum. Es sah so gar nicht nach den Therapieräumen früherer Jahrhunderte aus. So wie bei Sigmund Freud mit seinem Behandlungssofa, dachte er an extrem nervende Gespräche mit einem damaligen Ausbilder. Nein, er sah einen freundliches, helles Zimmer mit einem kleinen runden Tisch in der Mitte und zwei Stühlen daneben. Diverse Pflanzen sowie ein Wasserspender ergänzten die Einrichtung. An den Wänden befanden sich eine Art lebender Bilder, die den Ilt als Betrachter umgehend in unberührte Natur führten. Ja, Lee hatte ein besonderes Geschick, sowohl für ihre Arbeit als auch die Einrichtung hier; das wurde ihm klar.

"Bei dir wird man ja von alleine wieder gesund, wenn man nur hier hinein kommt", sagte er zu seiner Freundin.

"Das ist der Sinn der Sache", erklärte Lee. "Probleme haben die Menschen, die mich besuchen, genug. Da braucht es nicht auch noch einer schauderhaften Umgebung bei unseren Gesprächen. Aber ich freue mich, dass du da bist. Du willst mir sicherlich erzählen, wie es mit deiner Geschichte weitergeht."

"Da hab ich ja was angefangen", beschwerte Gucky sich. "Hast du überhaupt kein Pardon?"

"Aber doch nicht mit dem größten, schönsten und heldenhaftester aller Mausbiber", Lee strahlte den Ilt an. "Du kannst doch jetzt nicht mittendrin aufhören und mich dumm sterben lassen."

Gucky seufzte und bedauerte sich. "Ich armer, kleiner Kerl", sagte er. "Wenn es denn sein muss..."
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte von dem Aufenthalt im Halo der Galaxis:

Es sollte tatsächlich losgehen. Mit Bullys CIMARRON und der BLUEJAY von der Organisation Drake im Schlepptau. Mit an Bord war natürlich unser Freund Daarshol; von den Freihändlern begleitete uns selbstredent Pedrass Foch.

Beodu, der träumende Attavennok aus Hangay und unser ehemaliger Meistersänger Salaam Siin ergänzten die Teilnehmenden. Das heißt, Salaam Siin sollte eigentlich gar nicht mitkommen, weil er nach Perrys Ansicht immer noch nicht fit genug war. Er konnte beispielsweise nach wie vor nicht singen und krächzte höchstens ein wenig herum, das deprimierte ihn ziemlich.

Da ich aber einen lebenslustigen Ophaler sehen wollte und niemanden, der vor sich hin frustrierte, nahm ich ihn trotzdem mit. Das heißt, Beodu half mir dabei. Wir bildeten nämlich das Triumvirat der Kleinen. Eine leerstehende Kabine war schnell in Besitz genommen und ich gab Beodu den Auftrag, für Salaams Ernährung zu sorgen.

Während wir drei uns soweit sortierten, liefen an anderem Ort die letzten Vorbereitungen zum Start reibungslos. Waringers Wundermaschine funktionierte angeblich einwandfrei und es sollte durch den Chronopulswall gehen. Endlich. Sorgen machte uns eigentlich nur noch der weiter entfernt hängende zweite Wall, der, wo die losgeschickte Sonde explodiert war. Letztlich kam man aber zu dem Ergebnis, dass man der Reihe nach vorgehen wollte. Erst der eine Wall, dann kann man sich immer noch über weitere Hindernisse aufregen. Auf Daarshol sollte besonders gut aufgepasst werden und Julian Tifflor sollte später durch das Siragusa Black Hole nachkommen. Oder es zumindest versuchen.

Dann starteten wir ins Ungewisse und unsere Reise nahm ihren Anfang.

Mich fasziniert ja immer wieder, dass die CIMARRON Bullys Schiff war. Denn dafür hatte der eigentlich reichlich wenig zu sagen. Gut, so ab und zu durfte er mal ein paar Bemerkungen von sich geben, aber so wirklich war das nix mit ihm. Später ist das ja besser geworden, aber im Großen und Ganzen ist es kein Wunder, dass er sich hier hin in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Ich gehe mal davon aus, dass er nachdenkt, wie es mit ihm weitergehen soll.

Damals gab es für uns aber nur einen Gedanken: Hoffentlich geht das gut mit dem Wall. Gemerkt haben wir nicht viel. Die einzige Veränderung, die wir beim Passieren der unsichtbaren Grenze feststellten, war ein Vorbeihuschen von Buchstaben und Zahlen auf einem der separaten Digitalbildschirme. Kurze Zeit später verkündete Sato Ambush, wir wären durch. Der erste Jubel war noch verhalten. Denn noch hatten wir die zweite Sperre vor uns.

Und da konnte uns der Pulswandler nicht weiterhelfen. Denn das Ding war explodiert. Was fragst du? Einfach so? Ja, das dachten wir auch. Wir meinten, das Wunderteil wäre wohl heiß gelaufen oder dergleichen. Zumindest meinten wir das so lange, bis wir feststellten, dass Sato schwer verletzt war und unser Freund Darshool nicht mehr in seiner Kabine war. Wir waren nämlich mittlerweile ungefähr 80 Lichtjahre hinter der Innenseite des Chronopulswalls, als unsere Syntrons seltsame undeutliche Datenströme wahrnahmen. Dann schlug die fremde Technik erbarmungslos zu. Viren hatten wir uns eingefangen. Computerviren. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass sowas seit Ewigkeiten der Vergangenheit angehörte und unsere hochgezüchteten Rechner entsprechende Sicherheitsbarrieren aufwiesen. Pustekuchen. Nichts dergleichen. Die Technik fiel zum größten Teil aus, Türen waren nicht mehr verschließbar und Darshool überwältigte seine Wachen zwecks Flucht aus seinem Gefängnis.

Als Geisel nahm er ausgerechnet Pedrass Foch mit. Und ich konnte sie nicht orten. Den Cantaro sowieso nicht, weil der natürlich nur mit seiner technischen Gehirnhälfte dachte und Foch auch nicht, weil Darshool ihn k.o. geschlagen hatte. Salaam Siin hatte den Droiden zwar gesehen, das brachte mich aber nicht weiter, weil der Cantaro Pedrass Foch in seiner Gewalt hatte und ich Letzteren nicht gefährden wollte. Also gelang ihm mitsamt einer Space-Jet die Flucht. Das passte für ihn auch, weil grade eben fünf Ewigkeitsschiffe angriffen. Nachdem sie Darshools Jet aufgenommen hatten und wir ihnen unsere Transformkanonen gezeigt hatten, waren die Cantaro - Raumer ganz schnell wieder weg. Damit war der eigentliche Grund ihres Auftauchens dann sonnenklar.

Und wir? Naja, Sato wurde wieder gesund und wir fingen an, den Pulswandler zu reparieren. Die Explosion, so meinte unser Alternativ - Guru, hätten wir wohl Darshool zu verdanken. Der hatte extra eine Schaltung eingebaut, die nach der Durchquerung des Chronopulswalls wirksam wurde. Und bumm. Aber man gönnt sich ja sonst nichts.

Als der Virus ganz langsam aber sicher vertrieben wurde und die Ortung wieder funktionierte, bemerkten wir in der Nähe zwei fremde Schiffe, die genau wie wir hier gestrandet zu sein schienen. Wo die herkamen, konnten wir leider nicht feststellen. Und noch nicht mal ich konnte etwas espern. Ich merkte zwar, dass da was war, aber eben nicht wer oder was. Ich. Der schönste, beste und schlaueste aller Mausbiber. Stell dir das mal vor. Und Perry durfte ich auch noch beichten, dass wir mit Salaam Siin einen blinden Passagier an Bord hatten.
"Hast du eigentlich schon immer nur das gemacht, was du wolltest?", fragte Lee den Ilt.

"Nein, nicht immer", antwortete Gucky. "Aber doch das eine oder andere Mal. Insbesondere dann, wenn unser größter aller großen Meister mal wieder meinte, er hätte die Weisheit für sich alleine gepachtet. Dann musste ich ihn ein wenig lenken und zwar so, ohne dass er es merkte. Meistens hat es funktioniert."

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Manchmal wirken CD - Romane auf mich irgendwie putzig. Der hier war so einer. Er ließ sich leicht und locker lesen, aber das war sowas von einem typischen Clark Darlton, dass es typischer schon gar nicht mehr geht.

Gucky hatte den blinden Passagier Salaam Siin in eine leer stehenden Kabine untergebracht. Normalerweise war die Tür ja abgeschlossen, das ging aber wegen des Computervirus nicht. Und so hatten sich Transformtechniker Oliver und Orter-Spezialistin Bea ausgerechnet dieses Teil für ihr geplantes Techtelmechtel ausgesucht. Der arme Salaam fiel fast in Ohnmacht, als er das merkte, weil er ja nackt unter der Dusche stand. Und das im Jahr AD 4731. Sowas aber auch!

Aber eines der Hauptthemen in der LKS war ja auch Sex in Perry Rhodan. Nicht dass irgendwann noch der hier auftaucht:

Bild

Immerhin kriege ich die Geschichte mit Pedrass Foch langsam aber sicher auf die Reihe. So ganz leer ist das Gedächtnis doch noch nicht. Beruhigend.
:D
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1436 - Die Bionten von Kyon - ist von Robert Feldhoff, erschienen am 27.02.1989
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"Wie geht es dir eigentlich?" fragte Gucky. "Meine Abwesenheit musste sein. Du hättest dich sonst zu sehr auf meine Unterstützung verlassen."

"Mir geht es sehr gut und ich habe dir über alle Maßen zu danken", antwortete Lee. "Mir war gar nicht klar, welche Rolle ich im Leben so vieler Menschen spielte und immer noch spiele. Meine Jobs sind für mich so selbstverständlich..."

"Andere bauen Getreide an und du unterstützt deine Leute", erklärte der Ilt. "Ich hoffe, das hat dir ein wenig die Augen geöffnet. Solltest du nochmal in tiefstem Frust zu versinken drohen, denke an diesen Nachmittag. Wie lange hat das eigentlich noch gedauert?"

Lee grinste. "Bis zum nächsten Morgen. Irgendwann tauchte noch eine Band auf und spielte altes keltisches Zeug. Mit Dudelsäcken. Da ging die Post ab. Als die Sonne wieder aufging, stand auf einmal der Bürgermeister von Thamestown vor mir und beschwerte sich über den Lärm. Eigentlich hätte er mir wegen meiner Verdienste eine Art Orden verleihen wollen, meinte er zu mir. Aber nach diesem fürchterlichen Krach könne ich froh sein, wenn ich nicht wegen öffentlicher Ruhestörung verknackt würde. Ich hab natürlich alles auf dich abgewälzt."

Gucky seufzte. "Immer auf die Kleinen. Aber mit mir kann man es ja machen. Hat es denn geklappt? Vor zwei Wochen wärst du doch noch in Ohnmacht gefallen, wenn dir einer sowas unter die Nase gerieben hätte."

"Ich gab ihm eröffnet, er würde ja sehen, dass der Bedarf nach derartigen Veranstaltungen vorhanden wäre und er sich mal was überlegen solle. Sonst würden wir das ab sofort einmal wöchentlich durchziehen. Er hat mich total konsterniert angesehen und wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Gut, ich war nicht mehr ganz nüchtern, dass hat es vereinfacht. Aber ja, es hat geklappt. Und es war eigentlich ganz einfach. Wie mir mein Therapeut gesagt hat: Erst mit etwas Einfachem anfangen. Dann die komplizierten Dinge."

"Komm!" Gucky sah Lee an und gab ihr die Hand. "Draußen ist es schöner."

Er sprang mit ihr an die Stelle, an der Lee zu Beginn seines Urlaubes auf einmal hinter ihm gestanden hatte.

"Du willst sicherlich wissen, wie es weitergeht", sagte er. "Du hörst jetzt die vorerst letzte Geschichte mit meiner direkten Beteiligung. Danach spiele ich eine Weile keine Rolle mehr."

"Und das hast du überstanden? Meine Hochachtung!" Lees Blick war ein wenig ironisch.

"Man kann es sich kaum vorstellen. Ich, der erwiesenermaßen mehrfache Retter des Universums, bin nicht dabei. Aber merke dir, mein Kind: Man muss Jedem eine Chance geben. Sogar anderen Leuten." Gucky nickte generös, wurde aber sofort nachdenklich und begann seine Erzählung.
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte der Bionten von Kyon:

Er wurde wach und kannte seinen Namen nicht. Er hatte keinen Namen. Er hatte auch keine Kleidung, er war nackt. Er befand sich in einem kleinen Raum mit einer Wasch- und einer Trinkgelegenheit und hatte keine Ahnung, woher er das wusste. Ihm war auch nicht klar, woher sein Wissen über seine Gestalt kam. Dass er Schultern hatte zum Beispiel, von denen die eine merklich tiefer hing als die andere. Dass er eine humanoide Gestalt mit einem aufgeschwemmten Rumpf hatte. Er wusste nicht, wieso er zählen konnte. Dass er zum Beispiel an der rechten Hand sieben Finger hatte und an der linken Hand nur vier.

Er hatte keine Ahnung, dass er eigentlich nur ein Zerrbild einer menschlichen Gestalt war. Er wusste auch nicht, wieso er überhaupt existierte. Er probierte seinen Körper aus: Mit den kurzen und stämmigen Beinen würde er schnell laufen und hoch springen können. Aber ausdauernd? Eher nicht. Über seinen Augen hatte er noch zwei weitere funktionsunfähige Augenansätze, stellte er fest. War er typisch für irgendetwas oder irgendwen? Aber woher sollte er das wissen?

Auf einmal öffnete sich die Tür zu seinem Raum und er trat neugierig vor. Weit kam er nicht. Ein zwei Meter hoher, silberner Zylinder stand vor ihm. Der Zylinder gab seltsame Geräusche von sich und er begriff, dass die Töne Sprache waren. "Dein Name ist Zoporra", sagte das Ding. "Folge mir."

Zoporra lief hinter dem Teil her, aber er war mit seinen kurzen Beinen nicht schnell genug. Er dürfe nicht zurückbleiben, hörte er. Das würde sein Fehlerkonto erhöhen. Überhaupt erhöhte so ziemlich alles, was er tat, sein Fehlerkonto. Fragen stellen, vermeintlich zu langsame Gelehrbarkeit, Verweigerungen, einfach alles. Was es mit diesem Fehlerkonto auf sich hatte, wusste er natürlich auch nicht. Aber er lernte. Über den Weltraum. Über Sonnen und Planeten. Er lernte Sprachen. Interkosmo konnte er schon. Warum, wusste er nicht. Auch nicht, warum die Sprache Interkosmo hieß. Aber erlernte terranisch. Aus diesem Begriff leitete er ab, dass es einen Ort namens Terra geben müsse. Wo immer der auch war. Er lerne alles Nötige über Hypnoschulung, erfuhr er. Was er nicht lerne, brauche er nicht, teilte ihm das silberne Ding mit.

Auf einmal sah er eine weitere dieser silbernen Maschinen. Sie stand vor einem Hocker und zum ersten Mal sah Zoporra bewusst ein anderes Wesen. Der andere war nicht so unförmig wie er. Der Zweitling hieß Ornomall, erfuhr er. Zoporra hasste ihn vom ersten Augenblick an, weil der Andere besser aussah. Ohne es zu wollen, traten die zwei so ähnlichen und doch so ungleichen Wesen in einem Wettbewerb gegeneinander an. Relativ schnell stellte sich heraus, dass Ornomall zwar weniger körperliche Beeinträchtigungen, dafür aber massive Lernschwierigkeiten hatte. Was Zoporra sofort begriff, kapierte sein Gegenspieler erst nach langer bis sehr langer Zeit. Wenn überhaupt.

Im Laufe der Zeit merkten sie beide, dass die silbernen Maschinen Raumfahrer aus ihnen machen wollten. Ornomall hinterließ während des Lernens keinen besonders guten Eindruck und war ziemlich deprimiert. Fast hatte Zoporra ein wenig Mitleid mit ihm. So vergingen ungefähr 200 Tage und langsam aber sicher wollte Zoporra mehr wissen. Mehr kennen. Mehr sehen. Mehr als nur die in sich geschlossenen Räumlichkeiten, in denen sein Silberling ihn herumführte. Sicherlich, manchmal ging es mit einem Antigravlift auf- oder abwärts oder er sah den einen oder anderen Lernort. Er wusste aber auch, dass es ein außerhalb geben musste und da wollte er hin.

Und so versuchte er einen Ausbruch. Zwecklos. Kurz vor Erreichen des Zieles tauchte sein Zylinder wieder auf und erzählte ihm wieder etwas von seinem Fehlerkonto. Er habe den Grenzwert überschritten, hörte er. Die Maschine packte ihn in Höhe des verletzlichen Rumpfes und schleppte ihn zurück.

Zoporra hatte keine Ahnung, wie lange er in seiner Zelle eingesperrt war. Hunger und Durst musste er nicht ertragen, dafür aber endlose Langeweile. Gefühlt hatte es ewig gedauert, bis sich seine Tür öffnete und er seinen silbrigen Zylinder wieder sah. Er solle heraus kommen. Würde er versuche zu fliehen, brauche man Waffengewalt, hörte er. Und tatsächlich, er sollte endlich mehr von der Welt sehen. Man brachte ihn zu einem Raumschiff. Er würde von hier fortgebracht, sagte das Ding zu ihm. Das Schott öffnete sich und überrascht fand er dahinter seinen ungeliebten Mitlehrling Ornomall.

Er sah aber noch andere Wesen, ungefähr fünfzig an der Zahl. Grob ähnelten sie ihm. In der Regel zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf. Das wars aber auch. Er kapierte, dass die anderen ebenso wenig wie er den Anforderungen seiner Lehrmeister entsprachen. Sollten sie irgendwo entsorgt werden? Ja. Das war wohl die traurige Wahrheit. Wer auch immer es war, man wollte sie los sein, aus dem Sinn haben. Hielt sie für Ausschuss. Und so ging es zu einem ungemütlichen, kalten Planeten, der um eine rote Sonne kreiste. Dort sah er Wesen, die noch absonderlicher waren, als die, die er bislang gesehen hatte. Von Jiitüp, einem der Anführer, mit dem er sich angefreundet hatte, erfuhr er, dass sie zehn Millionen waren. Zehn Millionen mal Ausschuss.

Zoporra machte das Beste daraus und etablierte sich auf Grund seiner schnellen Auffassungsgabe neben Jiitüp als zweiter Anführer. Da man die Raumschiffe, mit denen sie "geliefert" wurden auf dem kalten Planeten stehen ließ, führten sie ab und zu Expeditionen in den Weltraum durch. Doch nie kam eines der Schiffe wieder zurück.

Es sollte viele Jahre dauern, bis der Alltag der Bionten erneut unterbrochen wurde. Man ortete fremde Flugkörper, die auf dem Planeten niedergingen und sah Wesen aussteigen, die einfach perfekt waren. Natürlich stellten sie sich die Frage, ob das die Urheber der Experimente waren, denen sie entstammten. Je länger sie darüber nachdachten, desto wahrscheinlicher erschien es ihnen. Und sie beabsichtigten, den Neuankömmlingen eine Falle zu stellen.

Naja, du kannst dir sicherlich denken, dass wir diese Neuen waren. Zwischen zwei Wällen gefangen, benötigten wir eine Welt, auf der wir in Ruhe unsere Rechner wieder programmieren konnten. Und weiter nachdenken konnten, wie es denn nun weitergehen solle. Denn der Virenwall machte uns zu schaffen. Wir hatten diverse Sonden ausgeschleust. Überlichtschnell, unterlichtschnell, mit Funk, ohne Funk oder Hyperfunk, um festzustellen, auf welche Art wir durchkommen könnten. Keine Chance. Alle waren explodiert. Zurück nach Phönix konnten wir auch nicht, denn Waringers Wundermaschinchen war nach der Explosion noch nicht einsatzfähig. Also ging es zu dem einzigen Planeten, den wir fanden. Eine ziemlich kühle Welt, die eine rote Sonne umkreiste.

Nach der Landung versuchten wir, Kontakt aufzunehmen. Was natürlich auch nicht klappte. Wir sahen zwar alle möglichen Bionten, die aber im Regelfall die Flucht ergriffen, sobald sie uns sahen. Ich beschreibe dir diese Wesen absichtlich nicht näher, es war furchtbar. Und sie konnten ja nichts dafür, dass sie in den Augen ihrer Erschaffer Ausschuss waren und hierhin entsorgt worden waren. Da hatte wohl jemand Gott gespielt. Das Ergebnis war grauenhaft. Aber dumm waren sie nicht. Sie stellten uns eine Falle, aus der noch nicht mal ich meine Leute vor dem sicheren Tod retten konnte. Das ist mir damals eine ganze Weile nachgelaufen.

Der einzige, der uns helfen konnte, war Salaam Siin, unser Meistersänger. Er war körperlich völlig geheilt, aber seine Psyche sagte ihm andauernd, er könne noch nicht singen, würde es nie wieder lernen und sei völlig überflüssig. Sogar Suizid - Gedanken hatte er. Letztlich half, dass ich ihn unter massiven Stress stellte, indem ich ihn telekinetisch mitten ins Geschehen zwang. Und Salaam sang wieder. Aus schrillen, tödlichen Tönen wurden sanfte Melodien. Er allein schaffte es, die Bionten zu überzeugen. Sie legten die Waffen weg. Mein siebter Sinn, der mir auf Phönix gesagt hatte, es wäre besser, den Ophaler mitzunehmen, hatte mich nicht betrogen.

Der vorderste Biont stellte sich uns vor. "Ich bin Zoporra", sagte er. Perry bat ihn um etwas Geduld. Es dauere noch, bis man gemeinsame Pläne schmieden könne. Er habe Geduld, sagte Zoporra. Vor allem aber habe er jetzt Hoffnung.
Lee sagte kein Wort und sah Gucky entsetzt an.

"Ja", reflektierte der Ilt nochmals. "Sie haben diese Welt tatsächlich als eine Art Müllhalde für ihre schief gegangenen genetischen Experimente benutzt. Verbrecher ersten Ranges eben."

"Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Die armen Teufel. Ich glaube, so etwas würde mir nach Jahrzehnten noch Probleme bereiten. Wie werdet ihr mit solchen Situationen fertig?" fragte Guckys Freundin.

"Glaube mir, das geht an uns auch nicht so einfach vorbei. Du meinst immer, du hättest schon alles gesehen und dann kommt Kyon. Wir haben im Laufe der Zeit natürlich Techniken entwickelt, mit derartigen Dingen schneller klar zu kommen. Aber glaub mir, in der Stille der Kabine tauchen die Gespenster so manches Mal wieder auf. Auch jetzt sind sie wieder da, obwohl Kyon schon so lange her ist."

Gucky stand auf und besah sich Lee von oben bis unten. "Aber hier habe ich eine sehr sympathische Begleiterin, die mir hilft, die bösen Geister aus meinem Kopf zu vertreiben." Er setzt sich wieder.

Just in diesem Moment sprach eine ihm sehr gut bekannte Stimme hinter ihm. "Dann wollen wir doch mal dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt, wenn die Gespenster weg sind. Newengland hat ein Problem", sagte Reginald Bull.

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Meine Erinnerung hat mich nicht betrogen. Robert Feldhoff konnte gute und sehr gute Romane schreiben. Der hier ist so einer. Der extrem starke Beginn erinnerte mich - obwohl ganz anderes Thema - an WiVos Meisterwerk in Band 322 (Ein Gigant erwacht). Auch dort wird genau wie hier die Perspektive des Fremden eingenommen. In eine ähnliche Welt werden wir von Robert entführt. Wir sehen die Welt durch Zoporras Augen, ohne zunächst zu erfahren, wie diese eigentlich aussieht.

Als der Schwenk auf Rhodan und Co kommt, ist der Roman schon mehr als ein Drittel gelesen. Prompt flacht die Handlung etwas ab, um die starken Momente bei erneutem Blick auf Zoporra wieder erleben zu dürfen. Dort baut sich ein seltsames Grauen auf, als die Bionten detaillierter geschildert werden.

Eindeutig: Beide Daumen hoch!
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thinman
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

Kardec hat geschrieben: 26. Januar 2023, 18:04
thinman hat geschrieben: 26. Januar 2023, 14:37 ...................................das ganze auch noch schriftlich exakt auszuformulieren. Über letzteres sind doch gerade die im nicht akademischen Bereich tätigen Träger gestolpert..................
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Doktor, im nichtakademischen Bereich? Erklärungsbedürftig.
Ist da der Doktorvater der Vater der Freundin, oder so? :lol:
Das weiß ich bei dem adeligen Dirigentensohn und ex-Minister jetzt nicht....

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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1437 - Der Weg nach Bentu-Karapau - ist von Marianne Sydow, erschienen am 06.03.1989
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"Ob ich einen sechsten Sinn habe?" fragte Reginald Bull. "Keine Ahnung. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, als ich ausgerechnet in dieser felsigen Einöde unterwegs war. Um die Höhle da oben wollte ich eigentlich einen großen Bogen machen - an solchen Stellen finden sich häufig größere Raubtiere, zumeist bärenähnliche, die sich da eine gemütliche Wohnstatt eingerichtet haben. Und solche Genossen stört man besser nicht. Ich hätte auch nichts gemerkt, wenn das Ortungsteil meines Chrono nicht auf eine kleine Metallansammlung hingewiesen hätte. Aber auch das wäre mir egal gewesen, wenn das Metall nicht in reiner Form angezeigt worden wäre.

Jetzt ist so ein Teil nichts weltbewegendes", Bull hielt seinen rechten Arm hoch, "es kann Zeit und Datum für alle möglichen Welten anzeigen, ist gleichzeitig ein kleiner Rechner samt mittelgroßem Speicher und ein Mikrotranslator. Für alle Weitere ist es eigentlich zu blöd. Nur Metallansammlungen kann es seltsamerweise orten und auch die Konzentration angeben. So nach dem Motto: Drei Tonnen Gestein mit Metallanteil 2%. Es weiß aber nicht, welche Sorte. Und vor der Höhle zeigte es mir eine Metallansammlung von ein paar Kilo an mit einer sehr hohen reinen Anteil von was auch immer. Das macht natürlich neugierig."

Bull sah seine beiden Gegenüber an.

"Meine Güte, mach's nicht so spannend!" Gucky sah den Terraner giftig an.

"Hast nicht immer nur du von Ungeduld geredet, Kleiner? Denk dran, du sitzt im Glashaus. Da sollte man aber nicht mit Steinen werfen."

Als der Ilt merkte, dass auch Lee ihn zartschmelzend anlächelte, verzog er sich in seine Schmollecke und sagte nichts mehr.

"Nun denn. Ich zog vorsichtshalber meinen Paralysator, ging langsam in die Höhle hinein und erspähte einen jungen Mann, der grade dabei war, ein Hyperfunkgerät zusammen zu basteln. Als er merkte, dass jemand hinter ihm stand, erschreckte er sich sehr heftig und stand wahrscheinlich kurz vor einem Herzinfarkt. Ich fragte, ihn, was er da mache, erhielt aber keine Antwort. Er war total blockiert, konnte sich nicht bewegen, nichts sagen, gar nichts. Ihm war natürlich völlig klar, was die Folge eines Funkspruches gewesen wäre, daher seine Reaktion."

Lee würde ein wenig blass um die Nase. "Und dann?"

"Ich hab ihm ein leichte Backpfeife gegeben und er kam wieder in Wallung. Er sagte mir wortwörtlich, er fühle sich hier eingesperrt. Alle Welt könne die Wunder des Weltalls suchen und besuchen, er armer Teufel wäre hier auf Newengland eingesperrt. Nur weil das die alten Säcke so wöllten. Es gäbe aber viele junge Leute, denen das auf den Zwirbel ginge. Er sei nicht der Einzige.

Und das", Bull sah Lee an, "ist euer Problem. Von den drei Raumschiffen, die wir im Ortungsschutz eurer Sonnen stationiert haben, hab ich einen Stapel Sonden angefordert, die den Rest von Newengland auf ähnliches untersuchen sollten. Gefunden haben nichts, was aber nicht viel heißen will. Ein Hyperfunkgerät kann man sich auch im Keller eines Gebäudes mitten in einer Großstadt aufbauen, da wird es von der besten Sonde nicht gefunden. Ich fürchte, mit eurer Ruhe könnte es bald vorbei sein."

"Was hast du mit ihm gemacht?" wollte Lee wissen.

"Nun, wer, wenn nicht ich konnte nachvollziehen, wie es ihm ging. Hätten wir damals, im Jahr 1971 alter Zeitrechnung, nicht die gleiche Neugierde in uns verspürt, wären wir nie bis zum Mond gekommen. Wer weiß, was dann mit der Erde passiert wäre. Genauso verlief unser nachfolgendes Gespräch. Nachdem ich ihm mein Wort gegeben hatte, dass ich alles versuchen würde, um sein Problem zu lösen, wurde er zugänglicher. Er hat mir seine Bastelteile überlassen, ich brachte ihn zurück in seinen Heimatort und ließ ihn gehen. Er versprach mir, kein Funkgerät mehr herstellen zu wollen und ich sagte ihm im Gegenzug zu, dass ich mich mit den entsprechenden offiziellen Stellen in Verbindung setzen würde. Und das werde ich morgen tun. Dort muss man eine Lösung finden. Es hat mich ja sowieso gewundert, dass ihr es solange nur unter euch hier ausgehalten habt. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand hier weg wollte."

Lee sah ihre Begleiter ratlos an. "Und was willst du denen erzählen?"

"Ganz einfach. Die Damen und Herren Großkopferten müssen sich was einfallen lassen. Und zwar eher heute als übermorgen. Das Problem muss gelöst werden. Aber weißt du, was das Schöne daran ist? Diesmal ist das nicht mein Thema."

Bull grinste, machte es sich auf einer Liege bequem und reckte sich. "Ist mein Whisky eigentlich noch hier? Wo ist denn unser Bedienungs-Robot?"

Die kantige Maschine kam umgehend, als hätte sie direkt hinter dem Dreien gestanden. Natürlich führte sie Bullys Flasche Clynelish samt eines Nosing-Glases auf einem Tablett mit. "Zu Diensten, Sir", sagte sie mit ihrer blechernen Stimme, "Ihr Whisky, Sir." Der Robot goss ein, stellte Glas und Flasche neben Bully ab und verschwand wieder.

"Ich habe immer noch keine Ahnung, wo das Zeug her ist. Es ist mir aber auch völlig egal. Hauptsache, er schmeckt. Ich muss eh bei dem McSowieso mal nachfragen, wie er das macht. Dann kann er mir auch gleich seine Whisky - Quelle verraten. Aber alles frühestens morgen. Dann ist auch noch ein Tag."

Er schnupperte an seinem Glas und nahm genießerisch einen kleinen Schluck.

"Bevor du gleich im schottischen Nirvana verschwindest", meinte Gucky zu seinem Freund, "darfst du den nächsten Teil der Geschichte erzählen. Ich hab genug geredet. Es geht mit der Heimkehr von Dao weiter."

"Wenn es denn unbedingt sein muss", beschwerte Bully sich. "Aber gut. Ich will es nicht schuld sein, wenn unser Kleiner seine Stimmbänder zu sehr malträtiert."
Spoiler:
Reginald Bull erzählt die Geschichte von dem Weg nach Bentu-Karapau:

Du erinnerst dich an Dao-Lin-H'ay, die Kartanin?

Sie war zusammen mit uns in die unselige 695 - Jahres - Geschichte hineingeraten und jetzt auf dem Flug in Richtung Bentu-Karapau. Dort vermutete man die Perle Moto, einen ziemlich großer Datenspeicher mit allerlei Geheiminformationen. Das Problem war nur, dass niemand so genau wusste, wo dieses Bentu-Karapau genau lag. Also ging es mit diversen Zwischenstopps in die vermeintlich richtige Richtung, man hoffte einfach irgendwo auf Jemanden, der Dao die korrekten Koordinaten geben konnte.

Und dann gab es natürlich noch einen gewissen Feng-Lu. Das war der Kommandant des Verbandes, der an der gescheiterten Eroberung der NARGA SANT beteiligt gewesen war. Es war nach fast 700 Jahren überhaupt ein arges Durcheinander bei den Kartanin. Aus einen einzigen Reich sind ein ganzer Sack von Nachfolgereichen entstanden, die sich mehr oder weniger alle miteinander bekriegten. Oder auch nicht.

Feng-Lu war zwar Großadmiral, also ein recht hohes Tier bei den Militärs, sah aber wegen der Niederlage gegen Dao & Co bei seinem Kaiser Schwierigkeiten auf sich zukommen. Aber zu allererst ging es ihm um Rache an Dao-Lin-H'ay, die ihm diese schmähliche Niederlage bereitet hatte.

Dao hingegen musste zuerst lernen, wie sich einzelnen Staaten der Kartanin zusammensetzten. Vieles war nicht mehr so wie vorher, so hatte sie zum Beispiel das Gefühl, dass Männer inzwischen gleichberechtigt waren und das klassische Matriarchat beendet war. Was aber nicht hieß, dass das auch so bleiben sollte und alle damit einverstanden waren. Natürlich gab es Kräfte, die die alte Ordnung wieder herstellen und das Rad der Geschichte zurückdrehen wollten. Das neue Reich der Kartanin war nämlich wesentlich kleiner als das alte. Man hatte zwar den Streit mit den Wasserstoff atmenden Maakar beigelegt, dafür waren aber neue Probleme entstanden, allen voran die Karaponiden mitsamt ihrem Kaiserreich. Die betrachteten sich natürlich als die einzig wahren Feliden.

Dao flog also mit ihrem Schiff in Richtung einer Kartanin Kolonie namens, wie hieß diese Welt nochmal, ich komme mit den Kartanin - Begriffen nicht klar, was sagt du Kleiner?
Danke, Gucky. Dao-Lin-H'ay und die Hohe Frau Mei-Mei-H'ar, das ist eigentlich alles, was ich behalten habe. Der Rest ist zusammengestrickt und aus meinem hoffentlich noch funktionierenden Gedächtnis gekramt. Wenn also in den Geschichtsbüchern etwas anderes steht, als ich hier proklamiere, sieh es mir bitte nach. Ich bin eben nur ein alter Knacker, der auch nicht mehr alles auf die Reihe kriegt.

Also: Dao flog nach Vaarjadin, so hieß diese Kolonie und eigentlich erwartete sie, dass man sie dort gut empfangen würde. Immerhin hatte man ja einen Auftrag der Höchsten Frau. Man durfte zwar landen, aber umgehend war ein Sack voller Sicherheitsmaßnahmen geöffnet worden. Das ging bis hin zu einem Kordon von Sicherheitsleuten, die Dao auf Schritt und Tritt bewachten. Dahinter steckte irgendein Durcheinander in diversen Familien auf dieser Welt. Man versuchte, sie ein wenig über den Tisch zu ziehen, was natürlich nicht funktionierte. Dao war nämlich eine natürliche Telepathin, was ihre Gegenüber nicht wussten. Sie ließ sich demzufolge nicht drohen und machte ihren Standpunkt klar.

Also flog man weiter zur nächsten Welt, dort sollten zwei Gestalten sein, die ihr die gesuchten Koordinaten übermitteln sollten. Da ging es dann aber auch schon wieder los. Jede Menge Chaos, Misstrauen und dann die Karaponiden! Sie waren als Strolche bekannt, aber man wollte auch keine aktive Auseinandersetzung mit ihnen. Letztlich landete man thematisch wieder bei der Perle Moto, die wohl Teil eines geheimnisvollen Datenträgers war, der eine gigantische Kapazität haben musste. Man wurde sich darüber einig, dass die Perle auf keinen Fall in den Händen der Karaponiden bleiben durfte. Allerdings hätte eine Übernahme durch die Kartanin sofort zu einer bewaffneten Auseinandersetzung größeren Ausmaßes geführt, was nun auch niemand wollte.

Dao erläuterte, dass diese ominöse Perle eigentlich jemand ganz anderem gehörte, nämlich unserem Freund Icho Tolot, dem Haluter. Und der würde sie als friedliebendes Wesen auf keinen Fall gegen die Karaponiden oder die Kartanin einsetzen. Und Tolot sollte die Perle zurückerhalten. Natürlich würde nun jeder, selbstverständlich auch die eigene Leute, Dao an einer Übergabe hindern wollen. Dao machte klar, dass sie das nicht allzu sehr interessierte. Sie war jahrhundertelang von ihrem Volk getrennt gewesen, ihre einst so mächtige Familie war so gut wie komplett verschwunden und sie hatte nun wirklich mit den aktuellen Kartanin nicht mehr viel gemein. Zudem, so argumentierte sie, würde ein solches Geschenk nur Krieg und Elend bringen.

Sie hatte die beiden überzeugt. Sie gingen mit an Bord von Daos Schiff und es ging ohne Probleme ab nach Bentu-Karapau. Und da wurde Dao an den Stellvertreter unseres Eingangs erwähnten Feng-Lu ausgeliefert. Gleichzeitig brach das Chaos aus. Denn ohne Wissen von Dao-Lin-H'ay war eine ganze Flotte ihrem Schiff gefolgt und wollte den Stützpunkt der Karaponiden angreifen. Dao und fünfzig weitere Besatzungsmitglieder wurden daraufhin festgesetzt, nachdem ihr Schiff geentert worden war.

Was hatte Dao erreicht? Nichts. Sie waren gefangen. Auf ihrem eigenen Schiff. Und es ging in Begleitung zweier Trimarane ab in Richtung Hangay. Immerhin war die Perle Moto dort ebenfalls zu finden. Man würde sehen.
"Ihr könnte euch denken, dass ich eure Erzählungen allesamt aufzeichne?" fragte Lee ihre Begleiter.

"Davon gehe ich eigentlich aus", meinte Reginald Bull. "Und was machst du damit, wenn wir fertig sind?"

"Oh, vielleicht veröffentliche ich die Dinger als Bücher. So mit zehn bis fünfzehn Einzelbänden. Sie waren versprengt in Zeit und Raum oder so. Mit euren Animositäten darin. Dann haben die Leser auch was zu lachen."

"Und du wirst selbstverständlich zu dem Schluss kommen, dass die ganze Geschichte ohne mich, Gucky, den Retter des Universums, nicht funktioniert hätte."

"Aber sicher doch." Sie sah Gucky an. "Können diese Augen lügen?" fragte sie den Ilt.

Gucky war sich nicht ganz so sicher.

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Mit diesem Roman hatte ich Schwierigkeiten. Es lag nicht daran, dass Marianne Sydow schlecht geschrieben hätte. Nein, ich kam einfach nicht in die Story hinein und sie interessierte mich auch nicht. Der erste Dao Roman von MS hat mir gut bis sehr gut gefallen, mit dem hier bin ich nicht klar gekommen. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht bin ich zu sehr darauf fixiert, zu erfahren, wie es denn endgültig in der Milchstraße weitergeht und da begeistert mich die Randgeschichte einfach nicht. Nun gut. Es kann einem nicht alles gefallen.

Die nächsten Romane von ihr sind ein Doppelband: 148 und 1449. Bis dahin sollten wir etwas über die Geschehnisse in der abgesperrten Heimat erfahren haben. Dann sehe ich die PR - Welt wieder mit anderen Augen.
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1438 - Kinder der Retorte - ist von Ernst Vlcek, erschienen am 13.03.1989
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Gucky sah auf seinen Chrono, stellte fest, dass es Zeit wäre und sprang zu Bully. Er wollte ihn sowie Lee am Regierungsgebäude abholen und sich ans Flussufer begeben.

"Wie? Ohne unsere Freundin? Wo hast du Lee gelassen?" fragte der Ilt.

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich Lee zwingend in der Runde sehe, die jetzt Entscheidungen zu treffen hat. Die Alternative wäre ich, habe ich ihnen eröffnet. Da haben sie sich für Lee entschieden. Warum weiß ich auch nicht." Bull grinste. "Sie machte übrigens einen sehr guten Eindruck, nichts mehr mit Angst oder Problemen mit vermeintlich Höherrangigen. Was auch immer du da gemacht hast, es hat gewirkt. Sie hatte den ganzen Laden in kürzester Zeit zusammengefaltet. War auch notwendig. Denn hier scheint der Typ Politiker vorzuherrschen, der alles bis ins Kleinste durchdiskutiert und nicht zu einem Ergebnis kommt. Deswegen hat man als Außenstehender auch den Eindruck, dass hier nichts passiert. Einer aus der Regierungsgilde war entschieden besser drauf als der Rest. Der war Staatssekretär im Gesundheitsministerium, wenn ich das richtig behalten habe."

Gucky klärte Bull über das Gespräch an dem von ihm organisierten Abend am Fluss auf und erzählte ihm die Geschichte.

"Schön", sagte Bully. "Dann drücken wir mal die Daumen und hoffen das Beste. Nicht nur für Newengland, sondern auch für die Beiden."

Die alten Freunde setzten sich. "So", meinte Reginald Bull. "Den Rest des Tages tue ich nichts mehr. Schließlich hat man ja Urlaub."

Danach erzählten sie sich von ihren Erlebnissen in der Natur Newenglands. Gucky verpasste ein paar Mal den richtigen Moment, um Bully zu fragen, was er denn nun hier eigentlich wirklich hier wolle. Die Geschichte mit dem Urlaub nahm er ihm nicht so ohne Weiteres ab. Dafür war der Durchhänger am Anfang ihres Zusammentreffens zu groß gewesen. Irgendwas war mit dem Kerl los, dafür kannte man sich einfach zu gut.

Als er endlich den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg kommen sah, ging es nicht mehr. Lee kam in Begleitung auf die beiden alten Freunde zu.

"Ich möchte euch Jemandem vorstellen." Sie wurde von einem Mann, circa 1.80 Meter groß, dunkle kurze Haare mit dunklem Anzug und Krawatte begleitet. "Das sind meine neuen Freunde", sagte sie und wies zuerst auf den Ilt und danach auf den Terraner. Man sah ihr ihren Stolz an, Bull und Gucky als Freunde bezeichnen zu dürfen.

"Der hier", sie zeigte auf den Mann neben ihr, "ist John Talbot, Staatssekretär im Gesundheitsministerium. John, das sind Reginald Bull und Gucky."

Talbot ging zunächst auf Bull zu und gab ihm sich verneigend die Hand. "Sir, es ist mir eine Ehre, den großen Reginald Bull hier auf Newengland begrüßen zu dürfen."

"Jetzt mach's bloß nicht zu offiziell", brummte Bull. "Sonst werde ich hier noch als lebendes Museum ausgestellt."

"Außerdem ist der so riesig nun auch wieder nicht", sagte Gucky dazu. "Jeder halbwegs vernünftige Terraner ist wesentlich größer als der."

"Es dreht sich hier sicherlich um geistige Größe, zu Zwerg", giftete Bully in Guckys Richtung. "Wie lang bist du denn? Ein Meter und irgendwas? Hat das eigentlich mal einer genau vermessen? Und so einer hat die Frechheit, überhaupt seinen Mund aufzumachen?"

"Ha! Geistige Größe!" kam aus Richtung des Ilts. "Dann dürftest du höchstens halb zu hoch sein wie ich!"

John Talbot sah Lee ein wenig ratlos an. Die lachte. "Das scheint die Lieblingsbeschäftigung von den Zweien zu sein. Sie sind nicht in der Lage, mal einen Tag gemeinsam zu verbringen, ohne sich gegenseitig anzugiften. Da gewöhnt man sich aber dran."

"Der Kleine ist eben etwas vorlaut. Mittlerweile ist er für erzieherische Maßnahmen zu leider alt. Aber zurück zu uns." Bull erwiderte den Händedruck und sagte zu Lees Begleiter: "Tu mir einen Gefallen und lass den Sir stecken. Den bin ich nicht mehr gewöhnt und den hätten wir hier sowieso nicht gebraucht. Die Freunde meiner Freundin Lee sind automatisch auch meine Freunde. Und für meine Freunde bin ich Reginald oder ganz einfach Bully. Ich freue mich, dich kennen zu lernen."

John fasste sich wieder und wandte sich dem Ilt zu. "Aber eine ganz besondere Freude ist es mir, den größten, besten, schönsten, bekanntesten und mutigsten aller Ilts auf unserer kleinen Hinterwäldler - Welt begrüßen zu dürfen. Lieber Gucky, du kannst nicht nachvollziehen, wie ich mich fühle, dem erwiesenen Retter des Universums die Hand schütteln zu dürfen."

Gucky stellte sich aufrecht zu seiner vollen Grüße hin. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er jetzt ungefähr doppelt so groß wie Bull. Mindestens. Er sah diesen triumphierend an, meinte nur "Ha!" und setzte sich wieder hin. Gönnerhaft reichte er dem Politiker die Hand. "Solche Selbstverständlichkeiten hört man doch gerne. Es ist aber gut, dass du hier bist. Bei uns ist die eine oder andere Frage übrig geblieben. Vielleicht kannst du uns später bei deren Aufklärung helfen."

"Und was macht ihr Drei so den lieben langen Tag?" John sah seine Gegenüber an.

"Ich erfahre Lektionen in Geschichte aus erster Hand. Wir kriegen hier auf Newengland ja nicht alles mit. Wir sind im 12. Jahrhundert NGZ bei den Cantaro und der abgeschotteten Milchstraße. Ich zeichne alles auf und werde Bücher darüber schreiben. Du kannst dir gerne eine Kostprobe anhören."

"Du machst immer noch weiter", sagte Gucky zu Bull. "Ich muss mich nach wie vor schonen."

Der seufzte. "Was tut man nicht alles. Aber so ganz langsam wird es interessant. Es geht ins Innere der Milchstraße, wo so ziemlich alles von den diktatorisch herrschenden Cantaro bestimmt wurde."
Spoiler:
Reginald Bull erzählte die Geschichte der Kinder der Retorte:

Die Kontrolle sollte so gut wie allumfassend sein. Auch und besonders, was die Existenz von Lebewesen anging. Die Intelligenzen, die in vivo, also auf natürlichem Wege gezeugt wurden, starben langsam aber sicher aus. Zumindest nach dem Willen der Cantaro. Es sollten grundsätzlich nur noch in vitro gezeugte Wesen existieren. Die Zufälle der Natur gehörten ausgemerzt.

Es war also absehbar, ab welchem Zeitpunkt nur noch Klone die Milchstraße bevölkern würden. Der riesengroße Haken an der Sache war, dass nicht alle künstlich erzeugten Wesen den Vorstellungen der Herrschenden entsprachen. Alles, was nicht ins Schema passte, war Genmüll und gehörte entsorgt. Auch, wenn ein vernunftbegabtes Wesen entstanden war. Ein Wesen mit eigenen Gefühlen und eigener Intelligenz. Diese armen Geschöpfe hatten den Tod vor Augen.

Einer dieser Kreateure war der Pheldor, ein genialer Genetiker von Aralon. Seine Aufgabe war es, Ara-Invitros herzustellen. Brauchte man zum Beispiel Aras, die gegen radioaktive Strahlung immun sein sollten, so wusste Pheldor, welche Genfaktoren zu implantieren waren. Oder er bekam eine Anforderung für Spezialisten, die vierzehn Tage ohne Wasser existieren konnten. Oder denen hohe UV - Werte nichts anhaben konnten. Oder, oder, oder. Pheldor kriegte alles hin.

Technische Probleme führten ihn nun im Auftrags NATHANS zum Euthet-System in der galaktischen Southside. Er sollte die Herstellung von Amphibios, eben amphibischer Ara - Klone steuern und überwachen. Diese Amphibios kamen einwandfrei und gesund aus der Retorte, jedoch starben sie allesamt bei Eintreten der Geschlechtsreife. Und da musste eben ein Fachmann ran. Der fand nach einiger Sucherei auch die Lösung: Eine Art Fliegender Fische war dafür verantwortlich. Diese Fliege - Fische stammten bereits aus Züchtungen, gewissermaßen aus einem Vorläufer des aktuellen Genprogramms. Und ohne die Fische hätten die Genetiker von Aralon nie die Grundlagen für das Klonen anderer Wesen hinbekommen.

Zunächst erhielt man vor Ort natürlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse bezüglich des Sterbens der Amphibios. Gut, man wusste, dass eine Gehirnschädigung zu Orientierungsverlusten führte, die eine phobische Wasserscheu zur Folge hatten. Die Amphibios wurden an Land getrieben, trockneten dort natürlich aus und starben. Erst als Pheldor merkte, dass die toten Amphibios den Fliegefischen als Nahrung dienten, kam er hinter die Geschichte. Die Fliegenden Fische waren wohl nicht ganz so dumm, wie man meinte. Sie waren Träger von Virenstämmen, mit denen sie den Mutterklon infizierten. Dieser Mutterklon gebar nun regelmäßig die InVitro - Wesen und gaben den per Virus entstandenen Gendefekt weiter. Pheldor war eben ein Genie.

Der junge Aribo war ein Invitro und ebenfalls ein Geistesriese. Jegliches Lernen fiel ihm leicht und er schaffte die härtesten Prüfungen sozusagen mit Links. Und: Er war ein besonderer Schützling Pheldors. Eigentlich konnte ihn also nichts passieren. Eigentlich. Denn er hatte einen Fehler: Er zeigte Gefühle. Er konnte zum Beispiel nervös werden. Perfekte Klone wurden aber nicht nervös. Sie zeigten überhaupt keine Gefühle. Also war er, und das war ihm natürlich völlig klar, Genmüll, der entsorgt werden musste. Aribo ist ebenso wie sein Freund Plinal lebensunwert.

Lebensunwert. Was für ein Wort. Die ganze Barbarei dieses Systems zeigte sich in ein paar Buchstaben. Das scheint aber ein leider immer wieder auftretendes Problem bei intelligenten Lebewesen zu sein: Immer wieder mal treten Diktatoren in die Welt, die meinen, sowas wie der liebe Gott zu sein. Sie legen in eigener Vollkommenheit fest, wer wie auszusehen und zu funktionieren hat. Alles andere kann auf den Müll. Dabei sind solche Gestalten die Einzigen, die entsorgt gehören.

Im Fall der Genklone war der Entscheider über Leben und Tod natürlich ein Cantaro. Clynac hieß er. Und kündigte all denen, die aus seiner Sicht nicht lebenswert waren, nach Abschluss der Prüfungen die Liquidierung an. Aribo und Plinal befürchteten nun nicht ohne Grund, dass ihr Leben in Bälde zu Ende sein könnte. Aber manchmal muss man Glück haben. Grade, als Clynac die Trennung von Spreu und Weizen ankündigte, erzählte eine Automatenstimme Aribo etwas von einer unerwarteten Verzögerung.

Diese Verzögerung bestand nun darin, dass Pheldor ihm eröffnete, er sei kein Klon wie alle anderen. Er wäre zwar ein Invitro, erfuhr Aribo, aber eben kein Fließbandprodukt. Er sei aus besonderem Material und daher so etwas wie Pheldors Sohn. Der arme Kerl verstand zunächst überhaupt nichts mehr. Als Pheldor dann noch nachschob, er würde seinen Quasi - Sohn dringend auf Plophos wegen einer Sonderaufgabe benötigen, schöpfte Aribo Hoffnung auf Überleben. Er machte seinem Ziehvater allerdings klar, dass er ohne Plinal nirgendwohin fliegen würde. Auch wenn ihn das sein Leben kosten würde.

Pheldor schaffte es, die Beiden mitzunehmen. Und alle Zwei über die Organisation WIDDER zu informieren. Viel nützen tat das aber nicht. Denn Clynac war mit an Bord des Schiffes nach Plophos. Am Ziel angekommen, wollte der die weitere Flucht der Drei vereiteln. Ganz klappte das zum Glück nicht, mit einiger Mühe konnten die beiden befreundeten Invitros abhauen.

Es passierte natürlich noch einiges an Durcheinander, in dem Plinal leider ums Leben kam. Aribo jedoch konnte sich mit den anderen Kameraden zuerst mittels Transmitter und später in einem Raumschiff absetzen. Er trat der Organisation WIDDER bei, um Widerstand gegen das herrschende System leisten zu können. Am 23. Februar 1144 trat der Ara - Klon Aribo in einen neuen Lebensabschnitt ein.
Lee und John waren entsetzt.

Letztlich war die einzigen Begriffe, die sie aus diesem Vortrag nachhaltig im Gedächtnis speicherten, die Worte Genmüll und lebensunwert.

"Das ist alles an uns vorübergegangen, stellt euch das mal vor", sagte Lee. "Wenn ihr nicht gewesen wärt", meinte sie in Richtung Gucky und Bulls, "hätte uns unsere Sonne vielleicht nicht auf Dauer schützen können. Dann wäre es mit unserer Herrlichkeit aber schnell vorbei gewesen. Wie kann man nur so barbarisch sein?"

"Dieses Thema wird uns noch etwas länger begleiten, also sei tapfer", meinte Gucky. "Vielleicht kamen wir grade noch rechtzeitig, um alle diejenigen zu unterstützen, die die Hoffnung nicht aufgegeben hatten."

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Ein guter Roman von Ernst Vlceck. Zunächst schildert er das alles relativ wertneutral aus der Sicht Pheldors, des genialen Wissenschaftlers. Wir werden über organische Gebärmaschinen informiert und über die damit verbundenen Probleme.

Das Entsetzen kommt erst langsam durch die Person Aribos. Aber auch der ist zuerst ein normaler geklonter Ara. Dass er eigentlich wegen seiner Gefühle Genmüll ist, erfahren wir erst später. EV spielt raffiniert mit dem Gefühlen der Lesenden, die versucht sind, jede Hoffnung fahren zu lassen. Dass es auch ganz leichten Anlass zu Optimismus gibt, lesen wir im zweiten Teil des Bandes. WIDDER existiert. Also muss es Cantaro - lose Zonen geben.

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So. Nächste Woche ist Karneval, dann tritt sogar PR in die zweite bis zehnte Reihe zurück. Gleichzeitig werde ich mir aus der EA die Terrania - Bände zu Gemüte führen, diese Stadt interessiert mich. Und: Meine Tochter hat mir zum Geburtstag die Biografie von Keith Richards geschenkt. Da warten 720 Seiten auf mich. Aber die Cantaro werden nicht vergessen.
:o) :o) :o)
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Zwischenspiel:

Wusste ich doch, dass der hier auftaucht! dachte Gucky, als er den rothaarigen Typ mit seiner untersetzten Gestalt den Singenden Ochsen betreten sah.

"Wetten, dass er direkt zur Theke geht und sich ein Bier holt?" fragte er seine Nachbarin, die mit ihm an dem für sie reservierten Tisch saß. Gucky war natürlich klar, dass seine Wette völlig überflüssig war. In der Tat ging Bully zum Tresen und fing eine Diskussion mit dem Wirt Billy McGuyre an. Letzterer setzte nach einer Äußerung Bulls einen Blick auf, als wolle er seinen Gast umgehend wieder vor die Tür setzen, beruhigte sich aber, als Bully augenscheinlich einlenkte.

Gucky sah, dass sein uralter Kumpel misstrauisch die elf Zapfhähne betrachtete und spitzte seine Ohren. Da Ilts ein ziemlich gutes Gehör haben, bekam er das Eine oder Andere von dem Gespräch mit.

"Ihr seid doch allesamt Engländer." Das war Reginald Bull. "Und wie Jeder weiß, seid ihr als solche nicht in der Lage, vernünftiges Bier zu brauen. Habt ihr nichts trinkbares?"

"Sir, meine Biere sind allesamt von hervorragender Qualität und somit vortrefflich genießbar."

"Das hat mir schon Mal ein Engländer erzählt. Ich hab mich auf ihn verlassen und erhielt dann eine dunkle Plörre, die zudem auch noch lauwarm war. Nein. Du musst schon was anderes servieren."

"Zu Zeiten des seligen Henry VIII. sind Leute mit solchen Ansichten aufgehangen oder geköpft worden. Ich stelle mit Bedauern fest, dass dies heute nicht mehr möglich ist. Vielleicht sollte man dergleichen wieder einführen. Wäre manchmal sicher ganz nützlich."

"Quatsch nicht. Was kommt eigentlich aus dem Hahn, der sich dahinten so schamvoll in der Ecke versteckt? Am Ende gar richtiges Bier?"

"Das gibts nur in 0,4 Liter Gläsern. Nicht in Pints. Kostet aber genauso viel wie ein Pint, obwohl weniger drin ist. Außerdem kann man davor nur warnen. Es schmeckt wie Spülwasser."

"Wunderbar. Wenn ein Engländer Bier für Spülwasser hält, ist das die größtmögliche Auszeichnung für einen Gerstensaft. Mach mir davon zwei Stück!"

"Was tut man nicht alles für seine Gäste. Aber wenn du unbedingt willst..."

Gucky sah, dass Billy McGuyre zwei zylindrisch geformte Gläser aus dem Schrank holte und sie mit dem Bier aus Zapfhahn Nummer zwölf füllte. Der war Gucky in der Tat beim ersten Besuch durchgegangen. Das Ergebnis war ein goldgelbes Bier mit einer leichten Schaumkrone. Bull nahm die Gläser in Empfang und kam freudestrahlend zu Lee und dem Ilt an den Tisch.

"Keine Sorge", meinte er. "Die sind beide für mich." Er setzte eines der Gläser an, trank es mit großen Schlucken leer und stellte es mit einem "Aaah!" auf den Tisch. "So. Jetzt fühle ich mich wohler", sagte er und machte einen äußerst zufriedenen Eindruck.

Gucky nahm das leere Glas in die Hand und betrachtete es. Die Form kannte er, nur, dass die Gläser im Original etwas kleiner waren und böse Zungen sie Reagenzgläser nannten. Er drehte das Teil, bis er die Aufschrift sehen konnte. Ein Aufkleber oder etwas ähnliches war darauf, die Vorderansicht einer gotischen Kathedrale mit Hauptportal und zwei hohen Türmen. Darüber stand in großen Buchstaben "Kölsch Style Ale". Unter dem Dom waren drei Reihen beschriftet: In der ersten Zeile stand: "Originally Brewed In Cologne / Terra", darunter: "Made By Licence. Brewery Bergster & Sons, Birmington, Southern Highlands, Newengland."

Letztlich identifizierte Gucky noch etwas in der unteren Zeile. Es sprang ihm direkt ins Auge, wahrscheinlich auf Grund eines technischen Tricks. Er konnte aber nur buchstabieren, das Geschriebene sagte ihm gar nichts: K - Ö - L - L - E....A - L - A - A - F. Dann ging ihm ein Licht auf. "Das ist aus der terranischen Stadt mit den Verrückten", sagte er, Reginald Bull zugewandt.

"Ja, zweifellos", erwiderte dieser. "Aber das Bier schmeckt allemal besser als das hiesige Zeug."

"Hier gibt es Bier von Verrückten?" fragte Lee interessiert. "Erzähl!"

"Ja", sagte Bull. "Ich hatte da mal an ich weiß nicht mehr welcher Tagung teilzunehmen und musste sogar vor Ort übernachten. Ist schon eine Weile her. Dummerweise hatten sich die Veranstalter die falsche Jahreszeit ausgesucht. Die dortigen Eingeborenen haben sowieso nicht mehr alle Latten am Zaun, aber zu diesem Zeitpunkt waren sie total ausgeflippt. Einmal im Jahr rasten sie da völlig aus und feiern irgendetwas, was außerhalb der regionalen Großregion niemand versteht. Sie verkleiden sich und laufen Lieder singend, höchstwahrscheinlich unanständige, durch ihre Stadt und stellen die Kneipen auf den Kopf.

Ich war also auf dem Weg zu meinem Hotel, als mir auf einmal der Weg von fünf weiblichen Lappenclowns blockiert wurde.

"Guck mal, ein Bully", rief eines der Mädels.

"Oh, ist der aber süß!" meinte eine andere. "Aber der ist so klein. Der Echte wirkt im Trivid wesentlich größer."

"Du musst dir ein paar Schuhe mit höheren Absätzen anziehen", eröffnete mir die Dritte. "Dann siehst du nicht so winzig aus!"

So ging das eine ganze Weile weiter, bis mich eine am Ohr zog. "Oh, der ist ja echt!" Sie drehte sich herum und rief einer Meute hinter sich zu, hier wäre ein echter Bully zu bewundern. Und schon standen gefühlte 150 Personen um mich herum und redeten in einem Kauderwelsch, dass kein Mensch verstehen konnte, auf mich ein."

Bull nahm einen weiteren Schluck Bier.

"Und was haben sie dann mit dir angestellt?" wollte Lee wissen.

"Manchmal muss man Glück haben. Irgendwer rief etwas von weiter hinten und dann waren sie genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen waren. Ich atmete tief durch und sah zu, dass ich zu meinem Hotel kam. Der Portier - tatsächlich hatten sie dort einen richtigen, lebendigen Portier, eigentlich ein Anachronismus - hatte sich das Spiel aus der Ferne angesehen und grinste mich an. Als ich ihn fragte, was denn hier los sei, meinte er, dass würden Außenstehende sowieso nicht kapieren. Am besten sollte ich einfach mitfeiern. Er steckte mich in einen rot - weißen Pulli auf dem in Brusthöhe links ein Haifisch und rechts ein Geißbock prangte. Der Ziegenbock stand mit den Vorderhufen auf den Spitzen der Domtürme. Anschließend erhielt ich noch eine rote Pappnase und er empfahl mir drei Kneipen."

"Und weiter?"

"Naja", meinte Reginald Bull. "Ab und zu ist das Leben nur zu ertragen, wenn man selber einen auf Dachschaden macht. Bis in die zweite Kneipe habe ich es geschafft, da kam ich nicht mehr raus, als ich einmal gut drinnen war. Ich habe mitgefeiert und mitgesungen. War eine tolle Erfahrung. Es hat zwar was gedauert, bis mein Mikrotranslator mir das Gesungene mittels Minilautsprecher im Ohr übersetzen konnte, aber im Zweifelsfall reichte ein lalala auch aus. Zudem schienen sich die Lieder immer um dieselben Themen zu drehen: Dom, Rhein, Sonnenschein, Bier und endlose "wir sind sowieso die Schönsten und Besten überhaupt" Gesänge. Wie dem auch sei, auf jeden Fall sind sie von ihrer Stadt äußerst überzeugt. Aber dann passierte etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Sie konnten nämlich neben dieser Art von Krawallmusik auch leise Töne. Da war dieses Duo, das auf einmal auf der kleinen Bühne hinten in der Ecke stand. Er mit einem akustischen Gitarrenableger, ich hab da keine Ahnung von, und sie mit einer Keyboard - Tastatur, so ein Teil, auf dem man von Klavier bis Orchester alles spielen kann. Als die Beiden mit ihrer Musik begannen, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Der ganze Klamauk war wie weggeblasen. Wir hörten ruhige und leise, sogar kritische Stücke, die sich auch mit den dunklen Seiten der Stadt auseinandersetzten. Zum Schluss kam natürlich, was kommen musste. Sie spielten diese uralte und nach eigenen Angaben einzig wahre Hymne von ihrer Heimat. Dazu haben sie mir mehr als einmal erklärt, dass sie egal von welchem Punkt des Universums aus jederzeit zu Fuß heim gehen würden, wenn es denn sein müsste. Und weißt du was? Das traue ich denen sogar zu. Okay, sie sind ziemlich selbstverliebt mit ihrem Dom und dem ganzen drumherum und das wissen sie auch. Ihnen ist auch klar, dass sie sie nicht mehr alle auf der Reihe haben. Aber soll ich dir mal was sagen: Sie sind auch noch stolz darauf. Und es scheint zu funktionieren. In meiner Kneipe feierten Springer - Frauen mit männlichen Aras und Terranerinnen mit Arkoniden. Einmal quer durch die ganze Lemurer - Sippschaft auf ein paar Quadratmetern. Dass sie sich auch noch für den Nabel der Welt und das Zentrum des Universums hielten und mit Sicherheit immer noch halten, bedarf keiner weiteren Erläuterung mehr. Das ist für die einfach selbstverständlich. Aber das war nun nicht wirklich neu für mich. So einen habe ich ja immer wieder mal neben mir sitzen. Dem geht es manchmal genauso. "

Er sah Gucky grinsend an und wusste, der würde ihn am Liebsten wieder um die Lampe kreisen lassen. Der Mausbiber traute sich aber nicht, weil er Lees Hände in der Nähe seiner Ohren verspürte.

"Ja", schloss Bull seine Erzählung ab. "Das war eine dieser Nächte, dieser nicht planbaren Ereignisse, die das Leben schreibt. Was wären wir ohne diese Erlebnisse?"

"Und eure Tagung?" fragte Lee.

Bully grinste. "Die war nach dem ersten Tag vorbei. Am nächsten Morgen war niemand in der Lage, etwas Konstruktives von sich zu geben."

"Was haben die denn da eigentlich gefeiert? Irgendeinen Nationalheiligen?"

"Keine Ahnung", sagte Bully mit leuchtenden Augen und trank noch einen Schluck Bier. "Wirklich nicht. Aber ich würde jederzeit wieder dahingehen und mitfeiern."
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1439 - Agenten weinen nicht - ist von K.H. Scheer, erschienen am 20.03.1989
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John Talbot sah den Ilt und den Terraner ernst an.

"Ich habe mich Zeit meines Lebens immer wieder gefragt, ob das, was wir hier auf Newengland veranstalten, so richtig ist. Dass wir uns aus allem heraushalten, Kontakte zur restlichen Galaxis außerordentlich selten sind und wenn, dann hauptsächlich über nicht rückverfolgbare Transmitter stattfinden. Ob wir von der hohen Politik unsere Leute nicht einfach nur eingesperrt halten. Aber wenn ich diese Geschichte nochmal Revue passieren lasse, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter und ich sehe uns auf dem korrekten Weg."

"Naja", meinte Bull. "Erklär das mal den Leuten, die von hier wegwollen. Das kann doch nicht der Erste gewesen sein in all der Zeit. Wie seid ihr denn mit denen fertig geworden?"

"Die mussten sich eben darüber im Klaren sein, dass eine Rückkehr nicht so ohne Weiteres möglich war. Über die Transmitter läuft nur Warenaustausch. Finanzen werden über eine Rechnereben geregelt, da bin ich nun nicht der unbedingte Spezialist. Raumflüge gibt es. Zumeist nur innerhalb des Systems. Oh, natürlich habe wir sogar Sternenflug - taugliche Schiffe, ganze drei Stück, aber die werden aus nachvollziehbaren Gründen so gut wie nie eingesetzt. Sollten wir Hilfe von außen brauchen, holen wir die Personen irgendwo ab und bringen sie nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder zurück. Zur Belohnung erhalten sie dann neben ihrem Entgelt eine Sonderration des besten newenglandischen Bieres."

Bully hätte sich fast an seinem Whisky verschluckt, den er zwischendurch bei dem Bedienungs-Robot wieder geordert hatte. "Es war aber noch niemals jemand zweimal hier?"

"Nicht, dass ich wüsste", antwortete diesmal Lee.

"Ist ja nicht so, dass ich das nicht verstehen kann....", murmelte er vor sich hin und dachte an die Zapfhähne in Billys Kneipe. "Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihr euch was überlegen müsst. Denn auf Dauer beweisen nur diejenigen Mut, die Gefahren erkennen können. Und auch nur die können agieren. Verstecken bringt auf Dauer nichts. Irgendwann steht euch mal der Zufall im Weg. Und dafür ist es gut, dass du als Vertreter der Politik hier bist. Denn der nächste Teil der Geschichte beginnt auch nicht viel besser, als der vorige."
Spoiler:
Reginald Bull erzählt die Geschichte von den Agenten, die nicht weinen:

Yart Fulgen war auf Stiftermann III eigentlich nur mit seinem Hund Takks unterwegs, wie man eben mit seinem Hund so unterwegs ist. Nur, dass es kein normaler Spaziergang war. Und: Dass es auch kein normaler Hund war. Yart Fulgen wusste das. Alle anderen auf Stiftermann III konnten es zwar sehen, aber was sich genau hinter Takks Äußerem verbarg, wusste außer Fulgen niemand. Takk war eine Schimäre. Eine misslungene Biozüchtung. Ein Hundekörper, mit menschlichen Händen und menschlichem Gesicht ausgestattet. So weit, so offensichtlich. Völlig unbekannt war jedoch die Tatsache, dass Takk jedes Wort, das sein Herr Fulgen zu ihm sagte, wortwörtlich verstand. Takk war intelligent. Er konnte auch sprechen. Wie ein Mensch. Wäre das bekannt geworden, hätte Takk sein Lebensrecht verwirkt und wäre wohl umgehend getötet worden.

So war er aber einfach nur ein Hund, der sich nicht mehr als drei Meter von seinem Herrn entfernen durfte. Das hätte ihn aber fast nichts genützt, denn sie kamen prompt in eine Kontrolle hinein. Yart tat sein bestes, um die patrouillierenden Überschweren zu beruhigen, letztlich rettete erst die handlange DE - Plakette auf seinem linken Oberarm ihrer beider Leben. Die Schimäre sei sehr wertvoll, erläuterte er den Soldaten noch. Und sie sei daseinsberechtigt.

Die Überschweren wussten, dass die Träger einer grünen DE - Plakette besser zu behandeln waren, als weniger privilegierte Humaniode. Er sei Statistiker und Soziologe mit Diplomatenstatus im Dienste des Galaktikums eröffnete er den Kontrolleuren lächelnd und sein Hund sei ein ganz besonderes Exemplar. Er habe ihn mal vor dem Ertrinken gerettet, fügte er hinzu. Fulgen machte so ganz den Eindruck eines liebenswerten, aber leicht vertrottelten Wissenschaftlers, der auf Grund seiner beruflichen Qualitäten besonders behandelt wurde.

Tatsache war aber, dass er sich irgendwo herumgetrieben hatte, wo er nicht hindurfte. Den Überschweren waren Fulgens Erklärungen über sich selber und die Schimäre nicht ganz ausreichend. Es war zum Beispiel kaum zu glauben, dass solch eine Fehlzüchtung eine Daseins-Berechtigung erhalten würde. Letztlich hatten die Überschweren natürlich Recht. Fulgen trieb sich wegen einer Kontaktaufnahme zu einem Mittelsmann einer Widerstandsorganisation auf verbotenem Terrain herum. Der Plan misslang aber und der Verbindungsmann entging einer Gefangennahme nur durch Suizid. Fulgen wusste um sein Problem: Befolgte man die Richtlinien der Cantaro, war die Erteilung der Daseinsberechtigung kein Problem. Befolgte man sie nicht, wurde man sanft belehrt. Wobei diese sanfte Belehrung natürlich mit dem Entzug der Daseinsberechtigung einherging und anschließend mindestens die Verbannung folgte. Mindestens. Wenn nicht sogar der Tod, der besonders widerspenstigen Gestalten drohte.

Fulgen war selbstredent ein Wissenschaftler, soweit stimmte das alles. Was aber niemandem bekannt war, war die Tatsache, dass Fulgen ein Schläfer der Untergrundorganisation WIDDER war. Sieben Jahre stand Fulgen als untadeliger Diener des Systems da und jetzt schien es, als wolle man ihn zu einem aktiven Mitarbeiter von WIDDER machen. Letztlich hatte seine Maske als vertrottelter Wissenschaftler dann doch ausgereicht, um die Überschweren zu beruhigen. Man sammelte ihn ein und brachte ihn mit einem Dienstgleiter zurück in die Hauptstadt.

In seinem Institut angekommen, berichtete ihn seine Freundin Cristin Sarlaan von einem ausgelösten Alarm einer Überwachungssyntronik. Ausgerechnet dort, wo er sich herumgetrieben habe, sei ein Humanoider mit gefälschter Daseins - Ermächtigung entdeckt worden. Fulgen wurde blass und konnte seine Angst kaum noch unterdrücken, zumal der Sicherheitsbeauftragte von Stiftermann III, sein alter Kumpel Ralt Nestur, ebenfalls davon wusste. Der kam aber mit seinen Ermittlungen nicht weiter, weil der Ankömmling sich eben zerstrahlt hatte.

Yart Fulgen atmete tief durch. Seine Freundin Cristin war weder innerlich aufbegehrend noch eine WIDDER Agentin, das wusste er. Sie war systemtreu. Fulgen war überzeugt, dass seine Freundin nicht eine Sekunde an die Möglichkeit dachte, er könne etwas mit dem Widerstand zu tun haben. Sie hatte Yart informiert, weil sie ihn mochte, nicht weil es als Warnung dienen sollte. Wie dem auch gewesen sein mag, er musste vorsichtig agieren.

Einen Tag später lief in Fulgens Institut nichts mehr. NATHAN, der Großrechner auf Luna, hatte das syntronische Fundament von Stiftermann III lahmgelegt. In dem natürlich ausbrechenden Durcheinander merkte niemand, dass er von seiner Freundin Cristin einen Sondercode übermittelt bekam, mittels dessen er mit noch einigen weiteren Tricks doch Systemzugriff erhielt. Und dann sah er auf seinem Bildschirm etwas Seltsames: Eine uralte Space-Jet war gelandet, der zwei Personen entstiegen. Ein Cantaro und ein weiterer Humanoider namens Pedrass Foch. Unser alter Freund. Das wäre nun nicht weiter erwähnenswert gewesen, wenn die Jet nicht so steinalt gewesen wäre. Zudem berichteten die beiden von zwei großen Schiffen, die von Außerhalb den Schutzwall durchbrochen hatten. Und das war nun wirklich unmöglich. Seit Jahrhunderten stand fest, dass es außerhalb des Schutzwalles nur energetisches Chaos gab und sich dort - zumindest innerhalb der Lokalen Gruppe - niemand aufhalten konnte. Auch keine Raumschiffe. Was war also jetzt mit dem Cantaro und diesem Pedrass Foch?

Nun, der eben schon zitierte Sicherheitsbeauftragte tauchte auf und wollte mehr wissen. Als Foch aufmüpfig wurde, paralysierte Nestur diesen. Anschließend wurde Fulgens Bildschirm dunkel. Fulgen begriff, dass sein Schläfer - Dasein dem Ende zuging. Diese Information musste unbedingt an WIDDER weitergeleitet werden.

Nur wie? Da kam ihm, man glaubt es kaum, ausgerechnet ein Cantaro zu Hilfe. NATHAN höchstdaselbst habe ihn, Yart Fulgen, auserwählt, an einem intergalaktischen Kongress auf Ferrol teilzunehmen. Yart war von den Socken. Ausgerechnet er? Er konnte es kaum glauben, als seine Cristin ihn beglückwünschte. Er würde mit allem ausgestattet werden, teilte ihm Ralt Nestur mit. Eskorte, Dienstwaffe, Uniform. Alles. Er brauche sich um nichts zu kümmern. Der fassungslose Yart Fulgen übergab Takk in die Obhut seiner Freundin und wurde von dem obersten Überwacher von Stiftermann III persönlich an Bord des arkonidischen Kugelraumers gebracht.

Dort wurde Yart zunächst nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Erlesene Speisen und Getränke erwarteten ihn, der sich einen solchen Luxus überhaupt nicht vorstellen konnte. Die ihm zur Seite gestellte Hostess erwies sich nach einigem Hin und Herr allerdings als WIDDER Agentin und Kontaktperson, über die er auf Ferrol eine Weitergabe seiner Information veranlassen konnte.

Das Leben für WIDDER sei nicht einfach, erfuhr er und zumeist auch lebensgefährlich. Aber man habe etwas, dass alles andere aufwiege: Freiheit. Wirkliche und echte Freiheit. Allerdings mutmaßten seine Verbindungsleute und Ansprechpartner, dass sein Coup mitsamt seinem Verschwinden nicht unbeobachtet geblieben sei. Nestur habe wohl vor seinem Start schon bei der Einladung durch NATHAN geahnt, dass die ganze Geschichte nicht stimme.

So war es dann auch. Während der Kämpfe um seine geplante Flucht stand plötzlich Ralt Nestur vor ihm und eröffnete Fulgen, dass die ganze Geschichte mit NATHANs Einladung durchschaut worden war und er unter kompletter Beobachtung stand. Er erfuhr, dass sowohl Takk als auch seine Freundin Cristin tot waren. Suizid. Nestor versprach Fulgen Straffreiheit und wähnte sich sicher. Er hätte besser mit den weiteren Widerstandskämpfern gerechnet. Hatte er aber nicht. Yart Fulgen wurde gerettet und Nestur samt seiner Jet verschwanden in der blauleuchtenden Flut einer Gravitations- Schockwalze.

Als alles vorbei war und Fulgen sich in Sicherheit befand, wurde ihm auf einmal klar, dass er weder Takk noch Cristin jemals wiedersehen würde. Cristin war eine WIDDER Agentin, erfuhr er. Ihr Tod war ein Teil des Preises, der für ein künftiges Leben in Freiheit zu zahlen sei. Personen, die sich WIDDER anschlossen, wussten, worauf sie sich einließen. Im Zweifelsfall auf den Tod. Agenten, so erfuhr er, weinen nicht. Entscheidend wichtig war, dass jemand den Wall durchdrungen hatte.

"So ganz klappte die Totalüberwachung dann doch nicht," schloss Bull seinen Bericht ab. "Es gibt in der Geschichte der Menschheit so viele ungenannte und unbekannte Helden. Damit sie nicht ganz vergessen werden, habe ich mich in einzelne Teile unserer Historie vertieft. Denn sie sind erst dann wirklich tot, wenn niemand mehr an sie denkt."

John und Lee sahen den Terraner nachdenklich an.

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K.H. Scheer. Für so alte Säcke wie mich nach wie vor ein Name wie ein Donnerhall. Und diesmal hat es funktioniert. Scheer schrieb einen Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen hat. Letztlich war es eine ineinander verschachtelte Agentengeschichte, die er uns hier präsentierte. Die obige Zusammenfassung gibt den Roman in dieser Beziehung eigentlich kaum wieder.

Zu Beginn nimmt er den Faden von Ernst Vlcek wieder auf und spielt mit dem "Hund" Takk geschickt auf der Klaviatur des Grauens. Zunächst denkt man wirklich nur an einen Hund, bis der auf einmal menschliche Züge hat und sprechen kann. Mir geisterte plötzlich dieser alte SF/Horror - Film "Die Fliege" im Kopf herum. Dann: Lebens - Ermächtigungsplaketten. Überwachung.

Aber langsam, ganz langsam, kommen die ersten Hinweise, dass der totalitäre Staat, den die Cantaro da errichtet haben, auch ein klein wenig löchrig ist. Lassen wir uns überraschen, wie es weitergeht.

Das Schöne an diesem Roman ist die Tatsache, das Scheer diesmal keinen Überhelden à la Clifton Callamon oder Ratber Tostan geschaffen hat, sondern uns mit Yart Fulgen einen Wissenschaftler vorstellt. Aus dem Gedächtnis heraus gehe ich davon aus, dass YF uns noch eine Weile erhalten bleibt.

Für mich: Daumen hoch. Eindeutig.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Richard »

Ja, Yart Fulgen wird noch laenger im PR Kosmos mit dabei sein - aber jetzt nicht immer "omnipräsent" ;).
Irgendwann wird sein oberster Chef
Spoiler:
Monkey
sein.
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1440 - Deckname Romulus - ist von Ernst Vlcek, erschienen am 27.03.1989
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Sie hatten sich wieder an den Waldrand verzogen. Den Vieren war am Fluss zuviel Öffentlichkeit bei ihren Gesprächsthemen.

"Das ist ja alles ganz nett, dass wir uns hier über vergangene Zeiten unterhalten", meinte Reginald Bull, "aber das löst euer Problem nicht."

Lee und John sahen den Terraner an und nickten. Der Politiker kommentierte Bullys Äußerung: "Ja, das ist zumindest uns beiden völlig klar. Bei der ersten Sitzung zu diesem Thema ging ganz schön die Post ab. Lee hat sie allesamt mit der Nase draufgestoßen."

"Dieser ganze teilweise abgewrackte Politikverein in unserer Hauptstadt begreift nämlich nicht", sagte Lee dazu ziemlich genervt, "dass Kopf in den Sand stecken nichts bringt. Ich habe sie gefragt, wie lange sie noch warten wollen. Bully hat nämlich Recht. Der junge Mann, den er im Gebirge gefunden hat, wird nicht der Einzige sein, der sich aktuell mit solchen Gedanken herumschlägt. Je mehr Zeit wir uns also mit einer Lösung lassen, desto wahrscheinlicher wird es, dass uns mal jemand durchrutscht und die Herrlichkeit hier vorbei ist. Ich habe vorgeschlagen, zuerst mal eine Abstimmung darüber vorzunehmen, ob wir weiterhin verstecken spielen oder ob wir uns dem Rest der Galaxis öffnen sollen. Das wäre aus meiner Sicht der erste Schritt. Dann sehen wir weiter."

"Gar nicht so schlecht", knurrte Bull. "Dann habt zumindest mal ein Pack-an und wisst, woran ihr seid."

"Ich muss leider wieder zurück. Das Tagesgeschäft drängt." John Talbot erhob sich, um sich zu verabschieden. "Aber bevor ich gehe, haben wir zwei uns noch bei Gucky zu bedanken."

Lee und John stellten sich vor den Ilt. Talbot ging in die Knie und sah Gucky auf Augenhöhe an "Dir haben wir zu verdanken, dass wir uns wiedergefunden haben. Und dir haben wir zu verdanken, dass Lee inzwischen in der Lage ist, klar nach vorne und nach oben zu schauen. Viele ihrer Probleme vermeintlich höher Gestellten gegenüber sind verschwunden. Wie auch immer du das gemacht hast. Danke!" John verneigte sich.

Gucky konnte mit so viel Lob eigentlich gar nichts anfangen und wusste ausnahmsweise mal nicht so richtig, was er sagen sollte. Das änderte sich auch nicht, als Lee ihn hoch nahm und ihm einen Kuss auf die Nase gab. "Dem schließe ich mich an", fügte sie dankbar hinzu. "Gucky, der galaktische Universal - Therapeut! Der aber auch Einzelne sieht und weiß, was zu tun ist."

"Jetzt hört aber auf, sonst dreht der Kleine uns hier noch durch." Das war Bully. "Man kann auch alles übertreiben!"

"Mach du dir mal gar keine Sorgen. Du kommst auch noch an die Reihe!" Gucky sah seinen alten Freund triumphierend an. "Dann geht's dir ans Fell."

Bully tat vorsichtshalber, als habe er Guckys Bemerkung nicht gehört. Der redete zudem einfach weiter.

"Aber zuerst, Dicker, erzählst du uns noch was."

Der Angesprochene seufzte "Ich dachte, ich bin hier in Urlaub. Aber wenn es denn sein muss..."

Spoiler:

Reginald Bull erzählte die Geschichte von der Person, die unter "Deckname Romulus" agiert:

Es braucht viel, um einen Reginald Bull aus den Pantinen zu hauen. Wirklich. Wenn man so alt ist wie ich, gibt es nicht allzu viel, was einen nachhaltig beeindruckt. Weil...

Aber wie lautet noch der alte Spruch? Alles schon mal dagewesen. Das hier war aber noch nicht dagewesen. Auch für mich nicht. Selbst dann nicht, wenn man so ein alter Sack ist wie ich. Es hätte mich fast umgehauen.

Aber fangen wir von vorne an. Dies ist die Geschichte von Aribo, dem Widerstandskämpfer. Dem "Klon-Sohn" dieses Ara - Wissenschaftlers. Des Jungen, der den Weg zu WIDDER gefunden hatte. Dies ist ein Teil der Geschichte von Galbraith Deighton, unseres alten Gefährten. Und es ist ein Teil der Geschichte des Mannes, der sich hinter dem Decknamen Romulus verbarg.

Es war Aribos erster Einsatz als Widder. Er war mit Iratio und Mory sowie einigen anderen an Bord der ELYSIAN auf Anordnung von Romulus höchstdaselbst im Eugal-System unterwegs. Man erwartete dort ein Raumfort der Cantaro, das man zu erobern gedachte. Nach fünf Tagen ereignislosem Gammeldienst tauchte das 1.000 Meter lange Teil plötzlich in der Ortung auf. Aribo war von den Socken, solch ein Riesenschiff hatte er noch nie gesehen. Nun, es war eines der großen Forts, eine Major - Plattform, das nun in den Besitz von WIDDER übergehen sollte. Man hoffte natürlich, dass der im Regelfall dazugehörende Nakk noch an Bord war, dann hätte man einen Wahnsinns - Fang gemacht.

Ich muss noch etwas zu den Namen sagen. Iratio hieß natürlich ebenso wenig Iratio, wie Mory auch nicht Mory war. Oder Tipa eben nicht Tipa. Es handelte sich um der Tarnung dienende Decknamen. Und sie alle einte ein Ziel: Der Kampf für Freiheit. Dafür brachten sie im Ernstfall große Opfer, ihr Leben eingeschlossen. Natürlich galt das auch für Aribo, den missratenen Invitro - Ara, den Klon, der nicht der Norm entsprach. Eigentlich war er also sowieso schon tot. Dass er noch lebte, hatte er seinem toten Klon - Vater zu verdanken. Deswegen gehörte sein Leben der Organisation WIDDER und dem Kampf.

Mit ein wenig Glück sollte die Übernahme des Forts klappen. Laut vorliegender Informationen wäre an Bord nur mit einer kleinen Besatzung und somit kaum Widerstand zu rechnen. Also gehörte Aribo zum Enterkommando. Weit kam man nicht: Die ELYSIAN wurde von einem Traktorstrahl eingefangen und deren Besatzung von einem Robotkommando festgesetzt. Und Aribo? Sah sich an Bord des Fort einigen skelettartigen Robotern gegenüber und dann traf ihn etwas, dass ihm die Besinnung raubte.

Als er erwachte, wusste er nicht, was aus den anderen geworden war. Waren sie im Kampf gefallen? Und was stand ihm bevor? Da sprach ihn eine schnarrende, künstliche Stimme an und eröffnete ihm, dass er eigentlich nur Ausschussware sei und ihn noch einige Experimente erwarten würden. Vorgestellt hatte sich die Stimme nicht. Hinter dem Geplärre, so fand er später heraus, verbarg sich der Kommandant des Fort mit Namen ORION-738, der Nakk Awarin. Aribo wusste nicht viel über Nakken, eigentlich nur, dass sie seltsame, höherdimensional denkende, wurmartige Wesen waren. Sie brauchten eine Art Maske, um in unseren Welten zurechtzukommen, wurde Aribo klar, daher die schräge Stimme. Er befürchtete natürlich das Schlimmste, was aber zu seinem Glück nicht eintraf. Iratio, Mory und mit Sicherheit noch ein paar weitere Kameraden hatten den Nakk unschädlich gemacht. Die ORION-738 war in den Händen von WIDDER.

Damit ihnen mit ihrer Eroberung niemand und schon gar kein Cantaro in die Quere kam, mussten die Kämpfenden schleunigst das Plophos - System verlassen und aus dem Eugal - Sektor verschwinden. Gesagt, getan. Man experimentierte ein wenig wegen fehlender Codes für die Syntrons herum, schaffte den Start sowie die Aktivierung des Metagravantriebs. Glücklich und zufrieden wähnte man das Unternehmen an einem für alle Beteiligten positiven Ende.

Nun, was soll ich sagen? Nach vierzig Lichtjahren war die Herrlichkeit vorbei, das Fort fiel zurück in den Normalraum und an einen Weiterflug war nicht zu denken. Der Nakk eröffnete ihnen, dass sie sich ein Wrack eigehandelt hatten. Die ORION-738 sollte ausrangiert werden. Oder warum, so fragte Awarin, hätte man sonst ein so leichtes Spiel gehabt?

Aber trotz und alledem - das Fort war selbst in wrackem Zustand hoch interessant die WIDDER und man wollte es unter allem Umständen behalten und zum anvisierten Ziel bringen.

Natürlich war die Eroberung von ORION nicht das einzige, was WIDDER plante, erforschte und durchführte. So war der Organisation durchaus klar, dass es diverse Wälle gab, die die Milchstraße von dem angeblich unbewohnbaren "Außerhalb" trennten.

WIDDER hatte überall Stützpunkte, unter anderem Nordlicht auf dem 39. Wegaplaneten. Man forschte mit diversen Arten von Computerviren herum, um es irgendwann einmal zumindest durch den Virenwall zu schaffen. Mit diversen technische Spiegeltricks konnte man Funkverbindung untereinander aufnehmen, ohne dass genau geortet werden konnte, wo der Spruch denn nun herkam. So erfuhr zum Beispiel Nordlicht von der Übernahme der ORION-738, was allerdings in der Tat sehr nach Präsentierteller ausgesehen hatte. Nun ja, man kam zu dem Ergebnis, dass Romulus schon wisse, auf was er sich da einlasse. Immerhin sah man die Möglichkeit, die ORION mit neuen Waffen und neuen Triebwerken auszustatten. Letztlich wird das wohl der Grund für den Befehl von der QUEEN LIBERTY gewesen sein, die Stellung zu halten.

Dann kam über Funk die Info, dass zwei Raumschiffe von außerhalb zwischen den Wällen hängengeblieben waren. Tatsächlich: Da stand, dass Menschen von jenseits der Wälle in die Milchstraße eingedrungen waren. Das musste natürlich umgehend an den Kopf von WIDDER weitergeleitet werden. Es war nun Romulus, der das lange geplante Unternehmen Dammbruch in die Wege leitete. Den Flug durch den Virenwall.

Unsere Freunde an Bord der ORION-738 warteten. Und warteten und warteten und warteten. Immer mehr kamen sie zu dem Ergebnis, in eine Falle geraten zu sein. Es war diese besondere Art von Angst und Langeweile, die sie gefangen hielt. Gerade, als sie den x-ten Überwachungsgang durch leere Korridore machten und sich anödeten, erreichte sie ein Funkspruch. Von ganz oben, der QUEEN LIBERTY, dem Schiff von Romulus. Man starte das Unternehmen Dammbruch, hörten sie. Damit hätte unsere heutige Geschichte zu Ende sein können. War sie aber nicht.

Aribo, der stets wachsame und misstrausiche Neuling bei WIDDER, hatte auf einem Inspektionsgang eine seltsame Art von Ortung festgestellt. Dahinter verbarg sich ein Transmitter, der etliche Hyguphoten, also spezielle Kampf - Klone auf Ertruserbasis ausspuckte. Die Falle war zugeschnappt. Und noch jemand kam aus dem Transmitter: Ein Unsterblicher. Galbraith Deighton, Mit dem Deighton, den wir kannten, hatte er nichts mehr zu tun. Eigentlich war er ein Droide, der aus diversen Eimern Technik und dem Original - Gehirn bestand. Er hatte Mory gefangen und redete auf sie ein, sie möge doch ein Treffen mit einem alten Freund arrangieren. Er meinte natürlich Romulus. Deighton war klar, dass Romulus kein normaler Mensch sein konnte, dafür agierte er zu lange und zu einheitlich über die Jahrhunderte hinweg. Er war aber auf dem falschen Dampfer. Er hielt Geoffrey Abel Waringer für den WIDDER - Chef.

Da passte es natürlich genau, dass just in diesem Moment die QUEEN LIBERTY erschien und ORION-738 anfunkte. ORION antwortete mit einer perfekt simulierten Stimme von Mory und fügte sogar den korrekten Tagescode hinzu. Deighton sagte kein Wort dazu und Mory hatte nur eine Antwort darauf: Er musste einen Kameraden zum Sprechen gebracht haben.

Es kam, wie es kommen musste: Die QUEEN LIBERTY näherte sich dem Wachforts und wurde per Traktorstrahl angezogen. Eine Warnung seitens der sich entfernenden ELYSIAN kam zu spät. Aber auch für die ELYSIAN mit Iratio an Bord kam jede Hilfe zu spät: Das Schiff wurde abgeschossen. Als während der Verhandlungen zwischen Deighton und dem vermeintlichen Waringer - Romulus zwei Cantaroschiffe erschienen, gelang der QUEEN LIBERTY in letzter Sekunde die Flucht. Die Sache mit ORION-738 hatte sich erledigt.

Romulus dachte nach. Wer war denn nun Galbraith Deighton wirklich? Es war ihre erste Begegnung seit über 600 Jahren, sinnierte er. Natürlich wusste Romulus, dass Gal Gefühlmechaniker war und mutmaßte, dass er unter der aktuellen Situation schwer litt. Vielleicht bereute er, dass er sich darauf eingelassen hatte, ein Droide zu werden. Aber für eine Umkehr schien es zu spät. Gal war wohl inzwischen eine Marionette der Cantaro.

Aber das Unternehmen Dammbruch lief an. Mit Hängen und würgen kam man durch den Virenwall durch und sie fanden die Schiffe von draußen.

Und jetzt, meine Lieben, wechsele ich die Perspektive. Wir gehen von der QUEEN LIBERTY weg zu unserer CIMARRON. Uns erreichte ein knapper Funkspruch von der QL. Sie wären freie Galaktiker und damit Feinde der Cantaro, sagten sie. Und sie gehörten der Widerstandsorganisation WIDDER an. Sie würden die zwei Raumschiffe suchen, die dem Wall um die Milchstraße durchdrungen hätten. Wenn wir die gleiche Gesinnung hätten, wären wir Freunde, funkte unser Empfangskomitee.

Ob man auf der anderen Seite unser Schiff erkannt hatte? Ob man merkte, dass es aus derselben Typenreihe wie eben die CIMARRON war? Oder war das zu lange her? Ich meldete mich als Kommandant der CIMARRON und stellte uns als Galaktiker von außerhalb der Milchstraße vor. Unsere Feinde, sagte ich, seien die Cantaro und alle, die gegen die Cantaro waren, wären unsere Freunde.

Auf der anderen Seite muss in diesem Moment jemand umgefallen sein. Wie dem auch gewesen sein mag, die Antwort kam kurze Zeit später: "Hi, Bully", sagte eine uns nur zu gut bekannte Stimme. "Hier spricht Homer, der Kopf von WIDDER. Warum zum Teufel hat ihr euch so verdammt viel Zeit gelassen? Wir warten schon eine Ewigkeit auf euch..."

Während Homer G. Adams noch weitersprach, hatte Gucky Perry und mich schon gekrallt und war mit uns mitten in die Zentrale der QUEEN LIBERTY gesprungen. Da standen wir nun wie die Ölgötzen und niemand sprach auch nur ein Wort. Wir merkten nicht, ob und was um uns herum geschah. Wir merkten auch nicht, dass die automatische Warnanlage bei unserer Rematerialisation angesprungen war. Wir standen einfach nur da. Gucky brach den Bann. Er schwebte auf Adams zu und fiel ihm in die Arme. Dann folgten Perry und ich. Wir tobten herum wie kleine Kinder und heulten Rotz und Wasser.

Dummerweise endete die Wiedersehensfreude irgendwann und der Realismus kehrte wieder ein. Unmengen an Fragen standen im Raum und wurden bestmöglich beantwortet. Leider, so mussten wir einsehen, war Homer auch nicht klar, wie das Cantaro - System funktionierte. Was mit Gal genau passiert war, wusste er ebenso wenig, wie er die Frage beantworten konnte, was sich denn hinter dem System verbarg. Er kannte weder die Hierarchie noch die wahren Motive der Herrscher, er wusste nur, dass Cantaro, Nakken und NATHAN in einer Art Triumvirat zusammengeschaltet waren.

"Zusammen", sagte Homer G. Adams, "schaffen wir es."
Bully sah in die Runde und wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. Dummerweise kam ihm Gucky in die Quere.

"Du hast noch nicht alles erzählt", meinte der Ilt. "Da fehlt noch was. Auch wenn dir das jetzt und hier nicht passt."

"Lass doch Gucky." Das war Lee. "Es mag Dinge geben, die gehören hier nicht hin."

"Nein." sagte Gucky. "Du bist Psychotherapeutin und ich kenne den Dicken seit Ewig und drei Tagen. Außerdem denke ich, es ist im Zusammenleben von Unsterblichen und normalen Existenzen wichtig, deutlich zu machen, dass auch unsereins nicht immer nur locker und flockig durchs Lebens geht. Soll ich weiterreden?" Er hatte sich Bully zugewandt.

Der holte tief Luft. "Nein, natürlich nicht."

Reginald Bull setzt sich grade hin. "Ich hatte eine noch persönliche Frage an Homer. Ich fragte ihn nach Vanitiy Fair, dieser überaus attraktiven und faszinierenden Frau, die wir bei unserem vorübergehenden Ausflug in die Vergangenheit kennengelernt hatten. Homer wusste zunächst nicht, von wem ich redete. Ich erläuterte ihm, dass Vanity Fair die Frau war, die Galbraith Deighton uns bei unserem Aufenthalt zur Seite gestellt hatte.

Aber so genau wusste Homer das auch nicht. Kurz nach unserem Verschwinden hatte sie den Dienst quittiert und war einfach weg. Einfach so. Das war noch, bevor die Milchstraße versiegelt wurde. Galbraith Deighton hatte sich damals Homer gegenüber ziemlich abfällig über die geäußert. Er behauptete nämlich, sie sei schwanger und irgendwohin verschwunden. Sie bringe wohl ihren Bastard zur Welt. Das war der Ausdruck, den er brauchte, sagte Homer. Demnach war Gal wohl nicht der Vater."

Der Terraner wirkte ziemlich zerfahren auf seine beiden Begleiter. Allzu viel musste er jetzt nicht mehr erklären.

"Ich glaube, ich gehe jetzt ein Bier oder auch zwei trinken. Das könnte ich jetzt gut gebrauchen."

"Ja, das glaube ich auch", sagte Lee. Als Bull ein paar Meter weg war, sah sie Gucky an. Der nickte. "Wir sollten ihn jetzt nicht allein lassen. Das hatte ihn nämlich damals wirklich aus den Pantinen gehauen.", schloss der Ilt die Runde und teleportierte mit Lee.

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So ganz langsam klären sich erste Details. Wir wissen zwar immer noch nichts wirklich Wesentliches, kommen aber mit diesem Roman einen ziemlichen Schritt weiter. Wir wissen, wer oder was sich hinter WIDDER verbirgt und Homer G. Adams hat einen seiner im Gesamtkontext der Serie äußerst seltenen Auftritte. Aber in diesem Zyklus zeigte er endlich mal, dass er im Falle eines Falles mehr kann als nur Geld zählen. Das hatte mir damals sehr gut gefallen. Und die Herrscher - Clique? So ganz funktioniert das System mit seiner Totalkontrolle wohl doch nicht. Löcher finden sich eben immer.

Geschickt hangelt Ernst Vlcek in den Charakteren von ganz unten (Aribo) bis ganz oben (Rhodan). Der Roman ist gut geschrieben, die Figuren sind glaubhaft und am Schluss erwartet uns mit Bullys Nachwuchs eine faustdicke Überraschung.

Daumen hoch!
:st:
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1441 - Schwarze Sternenstraßen - ist von Arndt Ellmer, erschienen am 03.04.1989
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Sie materialisierten vor dem singenden Ochsen. Lee wollte hineingehen, indes, Gucky hielt sie zurück. Auf ihren fragenden Blick hin sagte er: "Ich weiß, was mit ihm los ist. Zugegeben, so hat es ihn lange nicht mehr erwischt und ich dachte eigentlich, er wäre darüber hinweg."

"Er hat ein Kind, dass er nie so richtig kennengelernt hat", mutmaßte Lee.

"Ja, eine Tochter. Und eine Enkelin. Das war alles eine ziemlich verschrobene Geschichte und wie bei vielen Kindern von den menschlichen Unsterblichen gab es keine normale Familie. Dazu kamen in Bullys Fall die Zeitsprünge mit dem ganzen hin und her. Er hat das nie richtig verarbeitet. Ein besonderes Problem ist die Tatsache des Alterns. Selbst wenn die Kinder von ZAC - Trägern ein längeres Lebens als andere haben, muss dir als Elternteil klar sein, dass du irgendwann mal an dem Grab deines Kindes oder deiner Enkel stehst. Das kann einen schon aus den Pantinen hauen. Glaub mir das, ich musste das selber bei Jumpy erleben."

Er seufzte.

"Aber das ist ein anderes Kapitel. Bully, nun, er hatte wohl mal einen Sohn, von dem wir zunächst nichts wussten. Den hatte er zu Grabe getragen. Dann sind später seine Frau und seine Tochter mit dem hinterlassenen Satz "Wir lieben dich!" verschwunden und bis jetzt nicht wieder aufgetaucht. Einfach so. Wo oder ob sie überhaupt leben, weiß niemand. Glaub mir, das haut den stärksten Ochsen um. Aber ihn belastet noch mehr. Ich habe das direkt gemerkt, als er hier auf Newengland aufgetaucht ist. Vielleicht ist er sogar mal ein Fall für dich."

Sie hatten sich auf die niedrige Mauer ein paar Meter neben dem Eingang gesetzt, es handelte sich wohl um eine Grundstückbegrenzung. Dabei hingen sie beide ihren Gedanken nach. Ab und zu ging die Tür des Singenden Ochsen und jemand betrat oder verließ den Pub. Sie konnten in diesen kurzen Momenten die herausdringenden typischen Kneipengeräusche hören.

"Hm.", meinte Lee.

"Was, hm?"

"Vor ein paar Tagen konnte ich Bully nicht ansehen, ohne umzufallen. Du hast mich grade erst von meinem Problem geheilt. Und jetzt soll ich, die Hinterwäldlerin, seine Seelenklemptnerin spielen? Das traust du mir zu? Einen Unsterblichen zu therapieren?"

"Klar!" Gucky strahlte Lee an. "Wer sonst, wenn nicht du?"

"Aber mal im Ernst", fuhr der Ilt fort. "Ich könnte dir über Bully aus dem Stehgreif einen sechsstündigen Vortrag halten. Ich weiß im Regelfall genau, was mit dem Kerl los ist. Aber wir, Bully und ich, kennen uns zu gut. Es gibt nicht allzu viele Worte, die wir noch nicht gewechselt haben und x - mal haben wir uns gegenseitig auf die Füße gestellt. Wenn es im jetzt nur um seine Tochter ginge, würde ich ihn da raus holen, ihm erklären, dass er sie nicht mehr alle auf der Reihe hat und das wars dann. Er würde etwas herum mosern, sich aber relativ schnell beruhigen. Nein, da ist mehr und es muss jemand von außen ran. Eine Person, die er nicht kennt und die ihn nicht kennt. Okay, von mir aus aus Geschichtsbüchern, aber nicht als Mensch, als Individuum. Da kommst du ins Spiel, zumal du auch noch die passende Ausbildung hast."

"Gut. Ich werde es versuchen. Aber gib mir etwas Zeit zur Vorbereitung."

"Keine Sorge, es wird ein paar Tage dauern. Er wird sich sowieso zunächst sträuben, da hab ich noch einiges an Vorarbeit zu leisten. Aber was tut man nicht alles für seine Freunde."

Gucky zuckte nachdenklich mit den Schultern. Dann lachte er.

"So. Bevor wir ihn da raus holen, lassen wir uns noch etwas Zeit und ich erzähle dir die nächste Geschichte. Du weißt, was ein Schwarzes Loch ist?"

Lee nickte. "Ein Sternenleiche. Wenn man einmal drin ist, kommt man nicht mehr raus. Jedenfalls nicht ohne ein paar Eimer fortgeschrittene Technik."

"Jepp. Ein energetisches Monster. Eine Gravitationsfalle erste Güte. Die Fluchtgeschwindigkeit ist höher als die Lichtgeschwindigkeit und im Zentrum befindet sich eine Singularität. Wenn man da ankommt, bleibt nicht allzu viel von einem übrig. Und in so ein Ding flog Julian Tifflor mit seinen Leuten hinein."
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte von den Schwarzen Sternenstraßen:

Tiff hatte mit seiner Gruppe den Auftrag, die abgeschottete Milchstraße über ein Schwarzes Loch zu erreichen. Das sollte das Siragusa Black Hole sein, 324.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und damit weit außerhalb der Milchstraße gelegen. Seinen Namen hatte das Ding von einer terranischen Raumfahrerin namens Illi Siragusa, die sich mit ihrem Boot zu nahe an den Gravitationsstrudel herangewagt hatte. Sie war hinter dem Ereignishorizont verschwunden und nie wieder aufgetaucht.

Unser Aufbruch mit der CIMARRION war vierzehn Tage her. Da man keine Explosionen geortet hatte, konnte man in Ruhe davon ausgehen, dass wir es geschafft hatten. Tiff und seine Truppe jedoch hatten die Aussicht vor sich, über eine Einstein-Rosen-Brücke in das verknüpfte Netz von Schwarzen Löchern hineinzugeraten und so einen Weg in die Heimatgalaxis zu finden. Was auch immer passieren sollte, die machten das freiwillig. Niemand war gezwungen.

Du erinnerst dich, dass Icho Tolot bei den Cantaro in M 87 die Impulsfolgen erbeutet hatte, mit denen man die Schaltstationen der Cantaro im Inneren des Black Holes zu steuern gedachte? Nun, das war eigentlich alles, was man hatte. Ich könnte jetzt einfach mal behaupten, dass die Kameraden damals einen Sockenschuss hatten. Warum? Nun, das Unternehmen war hochgefährlich. Und trotz unseres Zusammentreffens mit der Freibeuter - Truppe von Roi Danton und Ronald Tekener war die Anzahl der zur Verfügung stehenden Raumschiffe samt zugehörigem Personal begrenzt. Und fünfdimensionale Technik hin oder her - ein Schwarzes Loch ist ein Schwarzes Loch. Ausprobieren konnte man da vorher nichts. Aber was solls. Die Zeiten waren damals eben nicht normal und man suchte einen Zugang zur abgeschotteten Milchstraße, den man relativ gefahrlos begehen konnte, ohne jedes Mal Probleme mit den Wällen zu kriegen. So ist das nun mal immer noch: Wer nichts riskiert, hat auch keinen Erfolg.

Tolotos hatte mit seiner HALUTA zwei Funkfolgen aufgefangen: Die erste beinhaltete den Abstrahlkode in die Schwarze Sternenstraße, die man dort vermutete, die zweite führte über den Ereignishorizont wieder hinaus in den Normalraum. Man wusste zudem in Etwa, wie die Cantaro - Station aussehen würde.

Aber so cool, wie Tiff tat, war er wohl doch nicht. Er verriet mir später, dass er beim Anflug durchaus an Umkehr gedacht hatte. Nun, er kam zu dem Ergebnis, dass er diesen Gedanken vorher hätte haben müssen. Jetzt galt es, das Funktionssystem der Schwarzen Sternenstraßen zu ergründen. Er wollte wissen, wo Illu Siragusa abgeblieben war und was es sich mit den Cantaro - Stationen hinter dem Ereignishorizont auf sich hatte.

Ich könnte dir jetzt stundenlang einen über Schwarze Löcher erzählen - das war eines der Lieblingsthemen meines damaligen Doktorvaters in klassischer Physik, aber dann sitzen wir übergestern noch hier. Stell dir einfach vor, dass Gravitation das einzige Merkmal ist, mit dem so ein Ding seine Existenz dem übrigen Universum kundtut. Alles, was reinfällt, egal, ob Materie oder Strahlung ist weg. Ab in die Mitte bis zur Singularität. Auf Grund der extremen Anziehungskraft ist die Fluchtgeschwindigkeit höher als die des Lichtes. Und tschüss, wie man so schön sagt.

Die drei Raumschiffe flogen hintereinander in Richtung Ereignishorizont. Schutzschirme an und los. Es muss ziemlich geruckelt haben auf dem Weg ins Black Hole. Masseprobleme auf Grund der Näherung an die Lichtgeschwindigkeit, Zeitverzerrungen und noch ein paar Dinge mehr machten den Verstand orientierungslos. Und dann war plötzlich Ruhe. Außerhalb der Schiffe war eine gleichmäßige konturlose Helligkeit und die Raumer flogen zunächst ohne Probleme irgendwo im Black Hole herum. Sie waren durch.

Man trieb sich in einem Mikrokosmos herum, der über dem Ereignishorizont gerade mal 396 Kilometer Durchmesser hatte. Im Inneren hatte man das Gefühl, in einem anderen Universum zu sein. Die Abstände zwischen den terranischen Schiffen betrug jeweils 100.000 Kilometer und die Cantaro - Station hing circa vier Millionen Kilometern weit weg im Raum.

Also sandte man die erste Impulsfolge aus. Naja, es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn jetzt etwas passiert wäre. Man probierte es nochmal und nochmal. Erfolglos. Die Technik kündigte an, auch nicht mehr ewig zu halten. Die Grenze, die allein durch die Energiereserven der Schiffe bestand war in Bälde erreicht. Die ersten Leute schnappten über. Dann schickte die PERSEUS die zweite Impulsfolge. Wenn jetzt nichts passierte, war es das.

Wie heißt dieser dämliche Satz noch? Das Glück ist mit den Seligen oder so ähnlich? Denn Spruch Nummer zwei bewirkte etwas. Sie wurden abgestrahlt und fanden sich auf einmal ganz woanders wieder. Sicherlich, immer noch im Inneren eines Black Holes, aber es war nicht mehr das Siragusa Teil. Man fand sich unmittelbar vor einem relativ kleinen Himmelskörper wieder, auf dem man die Schaltstation des neuen Schwarzen Loches vermutete und wurde dort mit etwas Ähnlichem wie Traktorstrahlen fesrgehalten. Passieren konnte ihnen also nichts.

Materie - Antimaterie Reaktionen erzeugten wohl die gewaltigen Energiemengen, die für den Betrieb der Station benötigt wurden. Die hatten übrigens nichts mit den Cantaro - Stationen gemein, das hier war etwas ganz anderes. Das hieß also, dass man keine Ahnung hatte, wo oder wann man sich herumtrieb.

Tiff höchstdaselbst funkte nun die Station an und meinte, man würde sich freuen, wenn man über den Ereignishorizont nach draußen befördert würde und überhaupt seien die Neuankömmlinge die Allerliebsten überhaupt. Reaktion: Null. Nada. Da die Schiffe aber nicht unmittelbar gefährdet waren, bildeten unsere Freunde zwei Einsatzteams. Eines natürlich mit Tiff. Das schien überhaupt ein Problem der damaligen Führungspersönlichkeiten zu sein: Der Chef muss immer dazu gehören. Dass die das alles überlebt haben, wundert mich ab und zu heute noch. Ich meine, es ist ja nicht jeder so gut wie ich.

Dass unsere Helden trotzdem auch ohne mich weiterkamen, spricht dann aber doch für sie. Man kam in Inneren der Anlage mit Wesen in Kontakt, die so ähnlich wie Kartoffelsäcke ausgesehen hatten und mit denen man sich nicht verständigen konnte. Zum Einsatz von Translatoren sprachen sie zu wenig und das, was sie sagten, war ein absolut unverständliches Kauderwelsch. Fellmer Lloyd konnte mit seinen Paragaben zwar ein wenig weiterhelfen, aber auch das war eher rudimentär. Immerhin kam er dahinter, dass die Kartoffelsäcke - entschuldige bitte den schrägen Namen, aber ich habe vergessen, wie die hießen - die Ankömmlinge für Fremde aus dem Black Hole hielten. Erst ganz langsam funktionierte die Verständigung.

In der Zwischenzeit verschwanden die Mutterschiffe. Tiff und Co stellten eine steigende energetische Aktivität auf dem Planetoiden fest und - plöpp - weg waren die drei Raumer. Wohin? Wusste man nicht. Die Besatzung der so verschwundenen Schiffe fand sich indes außerhalb des Ereignishorizontes wieder, aber nur, um festzustellen, dass man natürlich nicht in der Milchstraße herausgekommen war. Noch nicht mal in der Lokalen Gruppe. Man fand sich in NGC 7331 wieder. Fünfzig Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.

Herzlichen Glückwunsch, konnte man da nur sagen. Aber immerhin waren sie aus dem Schwarzen Loch herausgekommen und lebten noch. Die Zeit war auch noch normal. Immerhin etwas. Die drei Schiffe flogen zu einem bewohnten Planeten, auf den die gleichen Figuren wie auf den Planetoiden lebten und die das gleiche Zeug redeten. Da fällt mir der Name wieder ein: Aiscrou hießen die Kartoffelsäcke. Sie wussten um die Schwarzen Sternenstraßen innerhalb des Black Holes, hielten ihres aber für außer Betrieb. Sie verstanden sich nämlich als Wächter der Schaltstation und meinten, es handele sich hier um ein totes Ende. Da könne niemand herauskommen und man fand es überaus seltsam, dass doch drei Schiffe aufgetaucht waren.

Daher schickte man die drei Schiffe eine Kompetenzstufe höher: Zu den Vaasuren, die in der Peripherie der Galaxis Neyscuur, eben NGC 7331, beheimatet wären.

Und Tifflor samt dem Rest? Freundeten sich mit einem Aiscrou an, gingen zurück auf ihre Beiboote und hatten genauso das Glück, aus dem Schwarzen Loch zu verschwinden. Sie folgten einem eintausend Meter langen Schiff dieser Wesen. Es ging für sie ebenfalls in Richtung der Peripherie der Galaxis Neyscuur, wie die Aiscrou ihnen mitteilten.
"Fünfzig Millionen Lichtjahre von zu Hause weg. Wie schafft man es, bei solchen Ortungsergebnissen nicht verrückt zu werden?"

"Naja", meinte Gucky. "Man ist ja irgendwie dahin gekommen. Und wenn man es in eine Richtung geschafft hat, gibt es zumeist auch einen Weg zurück. Bis jetzt war das auf jeden Fall immer so."

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Der Roman besteht aus drei Teilen: Das erste Drittel beschäftigt sich mit der Außenbetrachtung des Schwarzen Loches und den Gedanken, die sich die Raumfahrer dazu machen. Teil zwei im Inneren der beiden Schwarzen Löcher und Teil drei außerhalb bei den Aiscrou. Der Beginn hat mich fasziniert, die Mitte war okay und der letzte Teil wars für mich nicht so ganz. 2 - 3 - 4, macht zusammen eine drei.

Der Band bezieht seine Spannung aus dem Ungewissen. Was passiert hinter dem Ereignishorizont? Überleben wir das? Wieso funktioniert Tolots erste Impulsfolge nicht? Dann: Zack, woanders herausgekommen. Die eigentliche Reise über 50 Millionen Lichtjahre wird nicht beschrieben, also kein wabernder Hyperraum oder dergleichen.

Wenn man sich jetzt mal überlegt, dass diese Schwarze Sternenstraßen ja irgendwie zusammenhängen müssen, kann man davon ausgehen, dass Neyscuur noch eine Rolle spielen wird. Sonst hätte es keinen Grund gegeben, ausgerechnet dort eine Station zu unterhalten. Denn: Hightech hin oder her, der Unterhalt muss teuer sein. Also scheint wieder alles mit allem verbunden. Wir wissen nur noch nicht, wie.

Nach dem Lesen des Romans erfahren wir im PR - Computer, dass ein Herauskommen in der Milchstraße ziemlich unwahrscheinlich gewesen war. Aber der Sinn der Sache und damit Hauptgrund der Aktion war es, solide und zuverlässige Kenntnisse über die Schwarzen Sternenstraßen zu erlangen. Denn nur dann habe man ein Chance, dem Teufel in Terras Hallen beizukommen.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

Der Beginn der Geschichte um die Hintergründe der Schwarzen Sternenstraßen, den Cantaro und schließlich den
Spoiler:
Amarena.
Ziemlich tragisch das Ganze...
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1442 - Die grauen Eminenzen - ist von Kurt Mahr, erschienen am 10.04.1989
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"Könnt ihr einen nicht mal fünf Minuten alleine lassen?" Reginald Bull war äußerst missmutig.

"Nein!" sagte Gucky bestimmt. "Es gibt Situationen, in denen man gerade das nicht darf. Du wirkst hier sowieso von Anfang an ziemlich verdreht. Bei nächster Gelegenheit werde ich dich dazu mal was genauer befragen. Dann machst du auf mich im Moment den Eindruck, als wäre Alkohol eine Lösung. Ist es aber nicht. Auch nicht für ZAC Träger."

"Lass mich in Ruhe, du..."

"Vorsichtig!" unterbrach der Ilt. "Sag jetzt nichts, was du später bereust. Irgendwann ist sogar bei mir Schluss mit lustig. Nur, weil du dir einen Schnaps nach dem anderen hinter die Binde gießt, brauchst du nicht blöde zu werden!"

Lee war die ganze Situation unangenehm. Wie krieg ich die zwei Querköppe da raus? ging ihr durch den Kopf. Gucky hatte ihr erklärt, dass Alkohol bei Zellaktivatorträgern nicht so extrem wirkte wie bei Normalsterblichen. Das galt auch für Mengen, die sie zwei Tage aus den Rennen geworfen hätten. Der ZA erkennt das Gift und arbeitet dagegen. Der Alkohol wird schneller abgebaut, schädigt die Organe nicht und man wird schneller wieder nüchtern und damit klar im Kopf. Ohne Katergefühle, seufzte sie neidisch. Alleine dafür hätte sie sich so manches Mal so ein Ding gewünscht. Aber ob sie denn wirklich unsterblich sein wollte?

Falsches Thema, dumme Gans!, fauchte sie sich in Gedanken selber an. Kümmer dich gefälligst um die zwei Streithähne.

Sie sah die fast leere Flasche Hochprozentigen und dachte an eventuelle Folgen. Natürlich, so hatte sie erfahren, galt das mit dem Alkohol wie bei allen Giften nur bis zu einer gewissen Grenze. Wo die lag, wusste aber niemand. War der ZAC nach drei Flaschen 45 prozentigem überfordert? Nach vier? Es gab zwar, so hatte Gucky sie informiert, irgendwelche Berechnungen, aber ob die stimmten, war völlig unklar. Weil sich eben noch kein ZAC - Träger zu Tode gesoffen hatte. Also musste zuerst mal die Flasche weg. Sie nickte dem Wirt Billy McGuyer zu. Billy war ein Kerl wie ein Baum und stark wie ein Ochse. Der Betrunkene, der ihm Schwierigkeiten machte, musste mit Sicherheit erst noch geboren werden. Und Ertruser gibt es auf Newengland ja nicht, ging Lee durch den Kopf.

Billy kam an ihren Tisch, nahm die mittlerweile nur noch rudimentär gefüllte Flasche mit und sagte: "Ich glaube, das reicht für heute. Obwohl du einen bewundernswerten Zug am Leib hast, das muss man dir ja lassen. Aber wenn Schluss ist, ist Schluss."

"Macht doch, was ihr wollt!" schimpfte ein immer schlechter gelaunter Reginald Bull.

"Weißt du was, Kerl?", fragte Gucky. "Das machen wir auch."

Er nahm Lees Hand, packte Bully am Arm und teleportierte mit dem Beiden zu ihren Schiffen. Den protestierenden Reginald Bull beförderte er danach telekinetisch in den naheliegenden Bach, der eiskaltes Wasser führte.

"Das macht müde Krieger munter", meinte er dazu und grinste. Parallel dazu hole er eine Spritze aus Bullys Beiboot und injizierte das Mittel.

"So", sagte er. "In ein paar Minuten ist er wieder normal".

Lee war völlig fassungslos. So etwas kannte sie nur aus Erzählungen der ganz Alten, selber erlebt hatte sie eine derartige Rosskur noch nicht. Aber bei Billy gab es immer wieder mal ein paar Figuren, die mehr in sich hinein schütten wollten, als ihnen guttat. Zum Glück hatte der Wirt ein geschultes Auge für solche Fälle. Aber trotzdem...

"Wenn du mal überhaupt nicht mehr weißt, was du tun sollst, hätte Billy glaube ich einen guten Job für dich." Sie sah Gucky an, der dazu allerdings meinte, einer von dieser Sorte würde ihm reichen. Er könne schließlich nicht auf die Bevölkerung eines ganzen Planeten aufpassen. Da wäre ja selbst ein Ilt überfordert.

Sie sahen nach Bull. Der war mittlerweile dem Bach entstiegen und hatte sich verzogen. Er wird schon wiederkommen. Und ich sollte mich wirklich mal als Außenstehende mit ihm unterhalten. Vielleicht kann ich ihm helfen, dachte Lee und sie sah Gucky an, dass ihm wohl ähnliches durch den Kopf ging.

"Mach dir keine Sorgen um ihn. Das passiert immer wieder mal, wenn die Rede auf seine Tochter kommt. Die hat er nämlich nie so richtig kennengelernt. Der Dicke wird sich wieder fangen und dann sehen wir weiter. Ich denke, ich bringe ihn dir die Tage mal vorbei", sagte der Mausbiber. "Ich würde nie zulassen, dass ihm wirklich was zustößt", ergänzte er noch. "Zumindest dann nicht, wenn ich dabei bin."

Lee saß auf dem Boden, hatte die Beine angewinkelt und mit den Armen umfasst. Sie blickte nachdenklich auf die grüne Wand hinter dem Bach.

"Ich glaube, für eine Geschichte reicht der Abend noch. Dann bringe ich dich zurück in die Stadt."
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte von den grauen Eminenzen:

Tiff und seine Leute waren ja bekanntlich samt ihrer drei Schiffe in der Galaxis Neyscuur angekommen, und zwar im Moischu Black Hole. Zurück könne man durch dieses Teil nicht, erfuhren sie vor Ort. Das war jetzt für unsere Leute nicht so ganz nachvollziehbar, weil, man ist ja auch angekommen. Also sollte man dort eigentlich auch wieder verschwinden können. Ging aber nicht, hatten ihm die Aiscrou schon eröffnet und empfahlen Julian den Vaasuren im Maurooda - System. Außerdem, so erfuhren unsere Freunde, gäbe es da, wo sie angeblich herkommen würden, nämlich in unserer Milchstraße, keine Schwarzen Sternenstraßen. Egal, welchen Argument Tiff und Co. vorbrachten. Was nicht sein kann, das nicht sein darf ist eben doch keine typisch terranische Eigenschaft.

Ich hätte bei derartigen Eindringlingen, wie sie zum Beispiel die drei Schiffe der Tifflor - Gruppe darstellten, mal genauer zugehört und mir so meine Gedanken gemacht. Aber vielleicht reichte es bei diesen beiden Völker, die sich immerhin als Schaltmeister der Sternenstraßen bezeichneten, nicht so weit. Auch nicht bei dem Schaltmeister Accurr, der doch schon ein etwas höheres Tier vor Ort auf dem Planeten Kaalix gewesen sein muss.

Jetzt könnte ja alles so einfach sein. Fellmer Lloyd war zum Beispiel Telepath und hätte eigentlich das große Rätsel ziemlich schnell lösen können. Aber leider schien der ganze Verein vor Ort nur aus Meistern der Mentalverschleierung zu bestehen. Sie schoben belangloses Zeug in den Vordergrund des Bewusstseins, das Fellmer einfach lesen konnte. Was sie in Wahrheit dachten, verbargen sie unlesbar dahinter. Freundlich waren sie allesamt, aber das brachte niemanden weiter.

Es passierte also nicht allzu viel, bis auf einmal Vertreter des nächsten Volkes vor Tifflor standen. Das waren Insektoide, die tatsächlich an der Geschichte unserer Freunde sehr interessiert waren. Im Gegenzug zu den erhaltenen Informationen sei man bereit, ihr eigenes Wissen mit den Neuankömmlingen zu teilen. Julian Tifflor hegte schon große Hoffnung, etwas auf die Reihe zu kriegen. Es hätte jetzt wirklich alles so einfach sein können. War es aber natürlich nicht.

Tiff redete zunächst von der Großen Katastrophe; die Cantaro erwähnte er sicherheitshalber nicht. Er sprach von dem Siragusa Black Hole und Illu Siragusa, die seinerzeit dort hinein gefallen war. Den Namen hatte man natürlich nie gehört, aber immerhin sagte ihnen der Begriff Große Katastrophe etwas. Deren Ausläufer hatte man damals sogar in dieser Entfernung mitbekommen. In Folge durften die Terraner einen Blick auf die Karten zu den Schwarzen Sternenstraßen werfen. Detaillierte Angaben waren vorhanden, kein Wunder, die Cutenexer betrachteten sich immerhin als Verwalter der Sternenstraßen. Aber man fand keine Anbindung an die Lokale Gruppe. Dort könne es, wenn überhaupt, einige erloschene Schwarze Sternenstraßen geben, aber keinesfalls funktionierende. Näheres könnten aber die Gimtras wissen, erfuhr man.

Und schon wieder ein neues Volk, was? Eine komplette Galaxis inclusive bewohnender Völker innerhalb von dreißig Minuten. Toll was? Ich gebe zu, langsam wird es unübersichtlich. Aber der langen Rede kurzer Sinn: Dort erfuhr man selbstredent auch nichts. Hinhaltetaktik war das Wort der Stunde.

Und damit es nicht vollends langweilig wurde, war die Führung des Schiffes mit dem schönen Namen BARBAROSSA mit Julian Tifflors Führung sowieso nicht einverstanden. Er war denen zu nett, zu freundlich und haute zu wenig auf den Putz. Es gab einiges an Durcheinander und am Ende war die BARBAROSSA weg. In einer 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis. Toll was? Gut, Perry kann das auch, aber der ist nun mal Perry Rhodan und kein x- beliebiger motzender Raumschiffskapitan. Freihändler hin oder her.

Unsere terranische Abordnung fühlte sich indessen beobachtet. Von Wesen, die menschenähnlich zu sein schienen. Da waren sie auch, diese Anoree, die uns noch eine Weile begleiten werden. Als einer von ihnen bei Tiff persönlich auftauchte und immer nur von Vorsichtsmaßnahmen sprach, wollte unser Freund wissen, für wen man sie denn eigentlich gehalten habe.

Für cantarui, antwortete der Anoree. So ganz langsam wird's was, siehst du? Jetzt glaub mir mal, das Julian Tifflor ziemlich überrascht war, denn mit cantarui waren zweifellos die Cantaro gemeint. Ja, antwortete der Anoree Degruum. Sie entstammen unserem Volk, teilte er den überraschten Terranern mit. Ihr Streben sei schon immer gewesen, den Körper zu Hochleistungsmaschinen umzubauen. Aber sie hätten längst ihre Heimat verlassen und niemand wisse, wie sie inzwischen aussehen würden.

Die beiden schwiegen sich eine Weile an, bis Degruum weitersprach. Es gebe wohl vieles, was man sich gegenseitig zu erzählen habe, vermutete er. Tifflor frage nach Cantaro, nach einem Wesen namens Illu Siragusa und einem Raumschiff namens NARGA SANT. Er wisse ein paar Dinge, sei aber natürlich auch neugierig. Wo kommt ihr her, was wollt ihr hier, warum interessiert ihr euch für die Cantaro und dergleichen mehr. Ja, es gebe Zusammenhänge, die er erklären könne.

Das müsse man aber zeigen, Erklärungen alleine würde nicht reichen, fügte der Anoree noch hinzu. Er wolle sein Raumschiff holen und Julian Tifflor einladen.
"Ja, ganz langsam kristallisiert sich da etwas heraus", sagte Lee zu Gucky. "Also behalte ich den Namen Anoree und vergesse den Rest erstmal. Wie machst du das eigentlich, die ganzen Details zu behalten?"

"Das weiß ich auch nicht so genau", erwiderte der Ilt. "Sie sind einfach präsent, sozusagen abrufbereit. Wenn ich darüber rede, fallen sie mir ein. Danach sind sie wieder weg. Sowas ist mir schon mal passiert, aber da gab's am Schluss wenigstens eine Erklärung. Aber hier? Und überhaupt. Du wirst mir bei Gelegenheit sowieso noch Rede und Antwort auf ein paar Fragen stehen müssen."

Lee wusste natürlich genau, was Gucky meinte und wechselte lieber das Thema.

"Darf ich noch eine Frage zu Julian Tifflor stellen? Was ist aus dem eigentlich geworden? Da fehlen uns hier auf Newengland einige Informationen. Von Tiff, wie du ihn nennst, redete auf einmal keiner mehr. Lebt er noch?"

Gucky seufzte.

"Weißt du, wenn ich nochmal hier auftauche und die dreifache Menge Zeit habe, werde ich versuchen, es dir zu erklären. Der ist mal eine Million Jahre zu Fuß durch eine Raum - Zeit - Blase marschiert und war danach natürlich nicht mehr der selbe wie vorher. Eine Million Jahre! Das muss man sich mal vorstellen. Bei uns waren 36 Stunden oder so vergangen! Irgendwann später ist er in einer Art Paralleluniversum verschwunden. Glaub mir, das ist etwas für absolute Spezialisten. Aber auch die werden sich das nicht einig. Nein, der dürfte noch leben. Aber wo und wie? Keine Ahnung."

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Wieder ein Chefroman von Kurt Mahr. Nach bester Ewer'scher Art stellt er uns diverse Völker der Galaxis Neyscuur vor. So wirklich weiter führt uns das über den größten Teil des Romans nicht. Mehrfach war der kleine Quaker in meinem Kopf und nervte, weil das ganze Gevölks sich durch die Bank weg nur mit Hinhaltetaktik beschäftigte. Wirkliche Infos gab es erst auf Seite 59. Ergänzend ist das Schöne an den damaligen Romanen der PR - Computer, der einem die Handlung nochmal näher bringt und Verwirrungen wegräumt.

Was mir hier gefällt, ist die Tatsache, dass Telepathen nicht weiterkommen. Damit ist die Versuchung "Problem - Mutant - Lösung" außen vor. Okay, Teleporter gibt es noch, aber die können nun mal per se keine Gedanken lesen. Das verkompliziert die Sache für Tiff & Co. ziemlich und ermöglicht einen solchen Roman.

Obwohl das, was ich wissen wollte, erst ganz zum Schluss kam, hat mir der Band gefallen. Es waren zwar ein paar Völker zuviel auf einmal, aber man hätte auch für jedes Volk einen separaten Band verbrauchen können. Da liest es sich so schon besser. Und natürlich wechseln wir danach die Handlungseben. Seufz.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1443 - Die Flucht der BARBAROSSA - ist von Arndt Ellmer, erschienen am 17.04.1989
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Fünf Tage später:

Naja, dachte Reginald Bull, vielleicht nützt es ja wirklich was, dass ich mal ein paar Tage hier sitze und meine Gedanken loswerde.

Der Terraner wusste natürlich selber, was mit ihm los war. Tatsache war, dass ihm niemand seine Probleme abnehmen konnte. Aber drüber reden soll ja manchmal was nützen, ging ihm durch den Kopf. Und so war er durch Guckys Vermittlung hier in Lees Praxis gelandet. Natürlich hatte er sich mit dem Kleinen heftig gestritten. Sollte er Schwierigkeiten haben, gehe das außer ihm selber niemanden etwas an, hatte er seinem alten Freund an den Kopf geworfen. Es ging eine Weile hin und her und dann...

Bully seufzte. Dann hat er sich mal wieder durchgesetzt. Wie eigentlich immer. Bull fragte sich, wie oft der Ilt ihm schon einen derartigen Streich gespielt hatte, ohne dass er es gemerkt hatte. Bei Perry war das auf jeden Fall ziemlich oft so gewesen. Gucky ließ sich im Zweifelsfall von unserem größten aller großen Meister reglementieren, auch in aller Öffentlichkeit, nur um dann hintenrum doch seinen Willen durchzusetzen. Anschließend griemelte er sich eins in dem Bewusstsein, mal wieder gewonnen zu haben.

Aber zurück zur Gegenwart, schalt er sich. Er sah sich in dem schönen hellen und großen Raum um. Durch eine geschickte Kombination von Möbeln, dem Einsatz von Pflanzen und einigen Bildern, Gemälden wie Fotos, kam man sich keinesfalls vor wie man sich eigentlich bei einer psychologischen Psychotherapeutin vorkommen sollte. Nix mit Behandlungscouch wie zu Siegmund Freuds Zeiten. Eigentlich ist sie für diesen Hinterwäldlerplaneten viel zu gut. Man müsste sie überreden, mitzukommen.

Als hätte Lee seine Gedanken gelesen, sagte sie: "Mach dir mal keine Sorgen über mich. Ich bin hier und ich bleibe hier. Auf meinem geliebten Provinz - Planeten. Da staunst du, was? Woher weiß die jetzt, was ich denke, geht dir durch den Kopf. Nun, ich kann es dir erklären: Das ist bei jeder Person, die hier sitzt, das gleiche Procedere. Wer ist die, was will die, was macht die mit mir? Auch der Gesichtsausdruck ist bei allen ähnlich. Sicherlich muss ich bei dir genauer hinsehen, jemand anderes hätte es vielleicht nicht bemerkt. Das liegt zweifellos an deiner Erfahrung. Aber um eine Lee Barringham zu täuschen, muss der geneigte Delinquent etwas früher aufstehen."

Sie strahlte Bull an. Der zuckte mit den Schultern und erbat sich einen guten und starken Kaffee. Lee stand auf und verließ den Raum, um sich der Kaffeemaschine zuzuwenden. Tatsächlich, sie hat eine richtige Kaffeemaschine. Bull überlegte. Er war jetzt eine halbe Stunde hier und er fühlte sich so sicher wie lange nicht. Alle Sorgen, alle Probleme waren weg. Wann hatte er das in dieser Intensität zum letzten Mal erlebt? Außer bei seiner Mutter, die er gedanklich stets in Ehren hielt, eigentlich nie. Doch, damals, als er mit Toio und Shinae eine Zeitlang auf Krynn lebte. Das war auch so eine Welt am Ende der Milchstraße. Sie waren dort gelandet, als sie Allerorten verlassen hatten. Er schob den Gedanken an die Beiden an die Seite, da musste er mit Lee drüber reden.

Auf jeden Fall war ihm hier relativ schnell klar geworden, warum Lee als Streitschlichterin so erfolgreich war. Sie strahlte einfach eine Art von Würde, Respekt, Intelligenz und ja, auch Mütterlichkeit aus. Bull war der felsenfesten Überzeugung, dass Lee das mit der Mütterlichkeit nicht glauben würde - aber vielleicht war grade das ihr Erfolgsrezept. Man fühlte sich in ihrer Gegenwart wohl, absolut sicher und von allen Unbilden des Universums befreit. Und so jemand hatte Angst vor vermeintlich Höherstehenden. Gucky hat da ganze Arbeit geleistet.

Lee kam mit zwei gefüllten Tassen zurück, eine mit Kaffee, schwarz, stark und ohne Zucker, und eine mit Earl Grey gefüllt. Sie stellte die beiden Behältnisse auf den kleinen Beistelltisch zwischen ihnen, sah Reginald Bull offen und freundlich an und sagte nichts.

Der trank einen ersten Schluck von dem bitteren schwarzen Gebräu und hätte sich fast die Zunge verbrannt.

"Nun", sagte er, "ich sollte vielleicht mal irgendwo anfangen. Gib mir aber bitte etwas Zeit. Man sitzt ja schließlich nicht alle Tage bei Seelenklemptnerinnen herum. Ich glaube, zur besseren Einstimmung für uns beide mache ich erstmal mit dem nächsten Teil unserer Geschichte weiter. Währenddessen", Bull grinste tatsächlich ein wenig scheu, "kann ich mich überreden, hier in die Gänge zu kommen."

Lee nickte, fand das einen guten Opener und schaltete das Aufnahmegerät an ihrem Chrono wieder ein.
Spoiler:
Reginald Bull erzählte die Geschichte von der Flucht der BARBAROSSA:

Der Typ hätte mir gehören müssen. Freihändler hin, Freihändler her. Stell dir die Situation vor: Julian Tifflor ist mit drei Schiffen über die Schwarzen Sternenstraßen, eine Art Einstein-Rosen-Brücken, ungefähr 50 Millionen Lichtjahre von zu Hause entfernt in einer fremden Galaxis. Und ob man auf dem Weg, über dem man dort hin gekommen war, auch wieder zurück konnte, war mehr als unklar. Immerhin war jeder, aber auch wirklich jeder, den man fragte, der Meinung, dass eine Rückkehr über dieses Moischu - Black Hole unmöglich war.

Man war fremd in dieser fremden Galaxis namens Neyscuur. Also gehörte erstmal äußerste Vorsicht angesagt. Julian Tifflor war immer ein guter Militär und hervorragender Flottenkommandeur gewesen und als solcher wusste er natürlich, was zu tun und was nicht zu tun war. Er war ihm klar gewesen, dass es sich eine ganze Weile hinziehen kann, bis man die Informationen hatte, die man haben wollte. Wir können die Situation jetzt drehen und wenden, wie wir wollen, die drei Schiffe waren im Einsatz und Tifflor galt als der unangefochtene Kommandeur. Einer muss in solchen Situationen das Sagen haben. Und das war Tiff. Keinesfalls ein stellvertretender Kommandant von einem der drei Schiffe.

In solchen haarigen Kommandounternehmen kommt es nun schon mal vor, dass man mit der Entscheidung von oben nicht einverstanden ist. Das hat nichts mit Sympathie oder Antipathie zu tun, es passiert einfach. Sogar zwischen Perry und mir hat es in der Vergangenheit das eine oder andere Mal geknallt, und zwar richtig.

Was war nun passiert? Einem ging es nicht schnell genug. Ihm war Tifflor zu lahm und zu langsam, er hätte mehr auf den Putz hauen sollen. Da kam eben dieser Stellvertreter, ein Kartanin namens Ferr-Moon an und erzählte, er habe von Tifflor eine geheime Anweisung bekommen. Die BARBAROSSA sollte sich absetzen und Erkundigungen auf eigene Faust durchführen. Die Verhandlung mit den Vaasuren hätten sich zerschlagen, da dürfte nichts mehr rauskommen, richtete er seiner Kommandantin aus. Was natürlich alles nicht stimmte. Die Chefin hatte aber keinen Grund, am Wahrheitsgehalt des Gehörten zu zweifeln. Man solle, so Ferr-Moon, nach Schwarzen Löchern suchen, die man auch prompt in der Nähe fand. Der Einfachheit halber nannte man sie Cantaro I, II und III.

Man flog Cantaro III an und entdeckte 3,7 Lichtjahre entfernt ein Sonnensystem mit 18 Planeten, davon drei Sauerstoffwelten. Die BARBAROSSA flog alle drei nacheinander an, um Informationen über die Cantaro zu erhalten. Die erhielten sie natürlich nicht, die Freihändler bekamen überall die Auskunft, man kenne keine Cantaro und habe überhaupt dieses Wort noch nie gehört. Kerr - Moon nun glaubte seinen Gegenübern natürlich absolut kein Wort und wurde frech bis zur Unverschämtheit. Ihr habt Dreck in den Ohren und ähnliches Zeug schmiss er ihnen an den Kopf.

Auf einer dieser Welten hatte er es übertrieben. Er hatte zwei Cutenexer an ein Gerät angeschlossen, das die gewünschten Informationen aus deren Unterbewusstsein holen sollte. Die beiden Fremden fingen an zu schreien, fielen steif wie ein Brett um, verdrehten die Augen und hatten Schaum vor dem Mund. Als die Facettenaugen der beiden Wesen ihre kräftige rote Farbe verloren hatten und zuerst rosarot und dann regelrecht bleich wurden, begriff Kerr - Moon, dass er es übertrieben hatte. Ganz langsam kapierte er, dass er etwas ausgelöst hatte, was er besser unterlassen hätte. Als dann plötzlich seine Kommandantin Heyda Minstral neben ihm stand, wurde ihm langsam aber sicher klar, dass seine Handlungsweise noch weitergehende Folgen für ihn haben würde.

Der Kartanin argumentierte natürlich, er habe nur Lügendetektor und Hypnoschuler ohne Überreizung angewandt. Das könne doch alles gar nicht sein. Seine Chefin indes sprang auf derlei Gedankengänge hin nicht an. Ob er denn Exobiologe sei, fragte sie ihn ziemlich eisig, dass er sich mit allen Völkern Neyscuurs so gut auskenne. Sollten die beiden Schäden davontragen oder gar versterben, habe Kerr - Moon sich vor einem Bordgericht zu verantworten, eröffnete sie ihm. Der war nun absolut fertig mit seiner Welt und gab die dann üblichen Floskeln von sich. Eben das, was man dann so hört. Von wegen "Es tut mir leid." oder "Ich dachte doch nur...".

Den beiden Cutenexern ging es in der Tat gar nicht gut. Sie veränderten sich immer mehr und eine seltsame Masse quoll aus ihren Leibern und bedeckte sie mit Ausnahme des Kopfes. Auf einmal erkannten die Freihändler, was da passierte. Aus einem insektenähnlichen Wesen war ein Neues entstanden. Ein Rätsel war gelöst: Die diversen Wesen, auf die unsere Leute bei der Ankunft trafen, waren allesamt miteinander verwandt. Es waren die Völker der vier Lebensalter: Geboren aus den Cutenexern lebten sie vierzig Normjahre als Aiscrou. Danach öffnete sich deren Körper und aus ihm schlüpfte ein Vaasure, der wiederum circa hundert Jahre lebte. Danach verpuppten sie sich, bis sie zu Cutenexern wurden, um als solcher erneute etwa sechzig Jahre zu leben. Letztlich wurden sie zu den Gimtras, die zwar nur eingeschränkte äußere Sinne hatten, dafür aber innere Qualitäten bis hin zu übersinnlichen Fähigkeiten besaßen. Eines hatten die vier "Arten" gemeinsam: das rote Facettenauge, dass sie in allen Inkarnationen aufwiesen.

Am Schluss hatten die Freihändler mehr Glück als Verstand. Ein Schiff der humanoiden Anoree tauchte auf. Die Anoree waren der BARBAROSSA gefolgt und sagten, sie hätte eine Botschaft Tifflors zu überbringen. Zwsichen den Parteien, so hörte die Kommandantin, sei ein Abkommen getroffen worden. Man wisse jetzt, dass man von dem Fremden nichts zu befürchten habe, sagte der Anoree. Sie hätten kapiert, dass man aus einer fremden Galaxie gekommen sei. Es herrsche Freundschaft. Tifflor bat darum, dass die BARBAROSSA zu zum Rendezvouspunkt fliegen solle, um dort zu warten, bis er von seinem Erkundungsflug zurück sei. Dann sehe man weiter.
"Was hättet ihr mit diesem stellvertretenden Kommandanten unter normalen Umständen gemacht?" fragte Lee den Terraner.

"Mitten im Einsatz die eigene Truppe auf diesem Weg erheblich schwächen? In einer absolut fremden Umgebung? Kriegsgericht. Sofort. Unehrenhafte Entlassung und Knast. Jahrelang. Auch wenn er letztlich nichts angestellt hatte und das Rätsel dieser vier Völker gelöst wurde. Aber Einsatz ist Einsatz. Auch bei Freihändlern. Der Kerl war draufgängerisch wie rücksichtslos, er bestand aus Großmannssucht und war ein Kriegstreiber. Ein Atlan früherer Tage hätte ihm in eine Schleuse gestellt. Ohne Raumanzug. Und dann die Schleuse geöffnet."

Lee erschauderte. So hatte sie Reginald Bull noch nicht kennengerlernt. Und sie war sich sicher, dass es noch sehr viele Dinge gab, die sie nicht über ihn wusste.

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Vielleicht bin ich im Alter nieselpriemiger geworden. Mit Sicherheit habe ich andere Prämissen als damals. Vielleicht habe ich diesen Roman seinerzeit auch einfach weg gelegt, ich kann mich auf jeden Fall absolut nicht an ihn erinnern.

Und ich denke, ich werde ihn auch schnell wieder vergessen. Nicht, weil Arndt eine schlechte Schreibe hat, beileibe nicht. Nein, es ist ganz einfach die Story von Band 1443. Natürlich, so kann man sagen, Don Redhorse war auch ein Draufgänger. Und Gucky erst recht. Wie oft hat unser aller Lieblings - Mausbiber Befehle auf eine etwas eigene Art interpretiert? Doch hier liegt der Fall anders. Drei Raumschiffe, und seien sie noch so toll, in einer fremden Galaxis 50 Millionen Lichtjahre weit weg. Aber dann kommt einer an, belügt seine Kommandantin, verrennt sich total und macht einen auf Großkotz. Selbst wenn ein Rätsel gelöst wird, dass aber nicht handlungstragend sein dürfte.

Die Kommandantin ahnt die ganze Zeit von nichts und wird bewusst hintergangen. Wie nennt man sowas? Indirekte Meuterei? Der gute Peter Terrid gibt sich zwar im Perry Rhodan Computer die allerbeste Mühe, Kerr - Moon zu verteidigen und klar zu stellen, warum er das gemacht hatte, aber damit läuft mein viel zu früh verstorbener Mitkölner bei vor die Wand.

Nein, das wars nicht für mich. Absolut nicht. Daumen runter.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Carrasco »

R.B. hat geschrieben: 30. März 2023, 10:01 ... Der gute Peter Terrid gibt sich zwar im Perry Rhodan Computer die allerbeste Mühe, Kerr - Moon zu verteidigen und klar zu stellen, warum er das gemacht hatte, aber damit läuft mein viel zu früh verstorbener Mitkölner bei vor die Wand.
Bis Heft 1665 waren die PR-Computer von Kurt Mahr. Danach von Peter Griese. Peter Terrid kam erst irgendwann in den 1800ern.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Danke für den Hinweis. Daher die große Verteidigungsrede im PRC. Dann scheint der Expokrat der Hintergrund der schrägen Darstellung Kerr - Moons zu sein.
:D
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1444 - Legende und Wahrheit ist von Kurt Mahr, erschienen am 24.04.1989
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"Eigentlich wollte ich nur mal ganz kurz Guten Tag sagen und dann direkt wieder verschwinden", sagte eine piepsige Stimme im Hintergrund. "Und was sehe ich? Bully am Rande eines Herzinfarktes. Sind das deine Therapie - Methoden? Holzhammer und so?"

"Das ist nicht auf ihrem Murks gewachsen", antwortete Bull dem Ilt. "Ich erzählte den nächsten Part unserer Geschichte. Sozusagen als Einstimmung für mich. Das war die Story mit der verschwundenen BARBAROSSA."

"Die mit dem stellvertretenden Kommandanten? Diesem Kartanin?"

"Genau dem."

"Okay. Dann verstehe ich deine Reaktion. Der Typ hätte mir gehören müssen. Freihändler hin, Freihändler her. Stell dir mal die Situation vor: Julian Tifflor ist mit..."

Gucky unterbrach sich, als er eine Lee sah, die Schwierigkeiten hatte, ernst zu bleiben. Sie stand augenscheinlich kurz vor einem Lachanfall. Als der Ilt verwirrt blickte und fragte: "Na, was denn?", war alles vorbei. Ihre Freundin fing an zu lachen und hörte einfach nicht mehr auf. Jedes Mal, wenn sie sich halbwegs beruhigt hatte, schaute sie einen der beiden Anderen an und das ganze Spiel ging wieder von vorne los. Irgendwann hielt sie sich den Bauch fest und kam langsam wieder zum Luftholen.

"So", sagte Gucky, "wir atmen jetzt dreimal tief ein, trinken einen Schluck Wasser und sind wieder okay. Was war das denn jetzt?"

Lee hatte immer noch Tränen in den Augen. "Ihr zwei seid wie ein altes Ehepaar. Herrlich. Gucky, du hast mit exakt den gleichen Worten angefangen wie Reginald hier. Wird man so, wenn man so steinalt ist? Oder habe ich in Bälde zwei Personen zum Therapieren? Weil ihr beide absolut gleich tickt?"

"Naja, ähnliche Situationen führen bei Individuen, die sich so lange kennen, zu ähnlichen bis gleichen Ergebnissen", erläuterte Bull. "Du hättest dabei sein sollen, als Tiff mit seinem Trupp zurückgekommen war und uns seine Erlebnisse erzählte. Ich hatte ihm damals recht deutlich unter die Nase gehalten, was ich von seinem Freihändler Führungsstil mit dem Laissez Faire gehalten habe."

Lee sah ihn an. "Okay, ich kann es mir jetzt vorstellen. Wie hatte Tifflor denn auf deine, sagen wir mal, Ansprache reagiert?"

"Oh, er meinte doch glatt, ich hätte es grade nötig und spielte auf Perrys und mein Verhalten nach der Rückkehr von unserem Mondflug an. Aus Sicht unserer damaligen amerikanischen Regierung war das, was wir da mit der Landung in der Wüste Gobi bewirkt hatten, schlicht und einfach Landesverrat. Draufgängerisch, rücksichtslos und Großmannssucht. Das waren seine Worte."

"Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ihr euch - sozusagen unter euch Unsterblichen - derart in die Wolle kriegen könnt."

Gucky grinste. "Dann solltest du mal zu uns kommen. Zwischen Bully und Perry, unseren beiden alten Kämpen, hat es mehr als einmal geknallt. Oder noch schöner, damals, in der schneller- weiter - höher - Zeit zwischen Perry und Atlan. Hat ab und zu richtig Spaß gemacht, da zuzusehen und sich eins zu grinsen. Ich könnte dir da Geschichten erzählen, beispielsweise als..."

"Eigentlich hatte ich gedacht, es dreht sich hier um mich", meinte Bull. "Du gehörst hier und heute ganz woanders hin. Also: Zieh Leine und verschwinde."

"Das hättest du wohl gerne", griente der Ilt. "Wisst ihr was? Ich erzähl euch noch den Rest von der Neyscuur - Geschichte und dann überlasse ich euch zwei Hübschen eurem Schicksal."
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte von Legende und Wahrheit:

Tiff war noch mit zwei der drei Schiffe vor Ort bei den Anoree. Das dritte war ja weg, weil man den Expeditionsleiter für ein Weichei hielt. Du sagtest grade Laissez-faire, Bully. Das konnte aber doch nicht sein, weil es ansonsten doch völlig unmöglich gewesen wäre, so eine Truppe wie die Freihändler zusammenzuhalten. Wenn Tiff wollte, konnte er ganz schön auf den Putz hauen, aber vielleicht wollte er so weit weg von zu Hause nicht. Es waren eben seltsame Zeiten damals.

Sie waren zu Sechst von den Anoree eingeladen worden, sich an Bord ihres Schiffes YALCANDU auf einer Reise in Richtung - ich sag mal - Erläuterung diverser Unklarheiten zu begeben. Ein paar Fragen hatten sich ja aufgelistet: Wie war denn nun mit den Anoree und den Cantaro? Was war mit diesem Riesenschiff der Kartanin, der NARGA SANT? Und was Illu Siragusa? Zugegeben, die Fragen Nummer zwei und drei hatten nun nicht unbedingt etwas mit unseren aktuellen Schwierigkeiten zu tun, aber wenn man einmal da war, boten sie sich einfach an.

Was gibt es nun zu erzählen? Die drei Anoree, die als Gastgeber fungierten, machten eine lockere Rundreise mit unseren Freunden. Sie erfuhren etwas über die Funktionsweise der Schwarzen Sternenstraßen, einfach, indem man mittels ihrer Hilfe von einem Ort zum anderen reiste. Man flog durch den Ereignishorizont, war dahinter in einer dauerhaft milchig weißen Umgebung, in der man nicht klar kam und strahlte eine bestimmte Symbolfolge an die dort vorhandenen Stationen ab. Die gab es übrigens schon seit ewig und drei Tagen, Informationen über deren Errichtung konnten die Gastgeber nicht geben. Kurze Zeit später war man am Zielort angekommen, natürlich ebenfalls einem Schwarzen Loch. Das wars. Völlig unromantisch, wenn man die Technik beherrscht.

Was ein wenig seltsam war, war die Tatsache, dass Tiff & Co über die Sternenstraßen nur Anschauungsunterricht bezüglich der Nutzung erhielten. Informationen über die Erbauung gab es nicht. Und dabei sollten die Anoree ja die Erbauer dieser Dinger sein.

Wie dem auch sei. Am ersten Zielort fand man die teilweisen Überreste der NARGA SANT, diesem 90 Kilometer langen und 28 Kilometer breiten Schiff der Kartanin aus dem sterbenden Universum Tarkan. Ja, genau, da, wo die Galaxis Hangay hergekommen ist, die die Ursache für all den M*** war, den wir seinerzeit erlebten und wieder regeln durften. Ich sag ja immer, ohne Perry hätten wir eine ganze Menge Probleme nicht, die wir mit ihm zusammen lösen müssen. Ab und zu weiß ich nicht, ob das alles immer so richtig ist. Aber das ist ein ziemlich langes und separates Thema.

Das nächste Ziel war der Planet Temminalop. Toller Name, was? Den konnte ich mir gut merken, weil er die Verballhornung des Namens "Terminal Hope" in der Sprache der Anoree ist. 200.000 Menschen lebten dort. Sie nannten sich "Illumenschen" und hatten sich technisch zurückentwickelt, aber auf dem Niveau des zwanzigsten Jahrhunderts aller Zeitrechnung stabilisiert. Verbrennungsmotoren und so. Und schon war klar, wo Illu Siragusa abgeblieben war. Sie war ja mit ihrer Space Jet bekanntlich in das Siragusa - Black Hole hineingeraten und anscheinend warum auch immer hier in dieser Kleingalaxis wieder ausgespuckt worden. Die Besatzung der Jet bestand aus ihr und zwei männlichen Begleitern. Die müssen ganz schön was zu tun gehabt haben, wenn sich die Bevölkerung jetzt auf so eine Menge vervielfacht hatte. Das Problem an der Sache war nun das fehlende neue Blut. Wenn zweihunderttausend Wesen von nur drei Personen abstammen, führt das zu Inzucht mit den bekannten zumeist geistigen Problemen der bedauernswerten Nachkommen. Aber auch das regelte unser Tiff, nachdem man sich vor Ort kenngelernt hatte. Die Anoree versprachen, den Illumenschen vor Ort mit ihrer höher entwickelten medizinischen Technik zu helfen.

Das ist doch nett, oder? Zwei von drei Fragen sozusagen im Vorbeifliegen beantwortet. Aber dann, zum Schluss, sollten unseren Freunde noch eine besondere Ehre zuteil werden. Ihre Gastgeber flogen mit ihnen zu den Planeten Aylay, der Ursprungswelt der Anoree. Aylay umkreiste eine kleine rote und steinalte Sonne mit zu vielen Milliarden Jahren auf dem Buckel. Allzu lange würde es wohl nicht mehr dauern, bis zu finale Kollaps des roten Sterns kam. Dann würde ein lauwarmer, dichter, brauner Zwerg übrig bleiben. Die ihn umkreisenden Planeten würden spätestens dann erkalten.

Demzufolge sah es auf Aylay nicht mehr besonders gut aus. Es war eine trostlose, kalte Welt. Ab und zu gab es ein paar Flüsse und kleinere Meere mit ein paar Inselchen. Hauptsächlich fand man aber an den Polen ausgedehnte Eiskappen. Kein Wunder, dass dort niemand mehr lebte und die Bewohner vor wer weiß wie langer Zeit ausgewandert waren.

Man landete auf diesem öden Ding und einer der Anoree führte Tifflor zur letzten Hinterlassenschaft seines Volkes, einer etwa einen Meter hohen, anthrazitfarbenen, mit Symbolen beschrifteten Pyramide. Und genau an dieser Stelle überfiel unseren große Julian Tifflor ein Anfall von Wissen und Weisheit. Er glaubte nämlich nicht, dass die Anoree die Schwarzen Sternenstraßen gebaut hatten. Sie würden mit den Urkräften des Universums spielen und wären nicht in der Lage, den Niedergang einer schlappen roten Sonne aufzuhalten? Da wär ja wohl völlig unmöglich, argumentierte er. Er wurde ziemlich aufbrausend und donnerte wie Odin die Anoree an. So warf er ihnen allen Ernstes vor, die Milchstraßen - Expedition wäre verfolgt und bespitzelt worden. Toll was?

Das tauchen drei fremde Raumschiffe aus einem Schwarzen Loch auf und ich sehe mir die noch nicht mal an und sorge für Informationen, was die wollen und wo sie hinfliegen? Ich war noch nicht ganz hier, da standest du neben mir, Lee. Und ich bin die Friedfertigkeit in Person. Ab und zu war der gute Tiff dann doch ein bisschen daneben. Hätte er ansatzweise eine derart stringente Führung, wäre die BARBAROSSA niemals auf die Idee gekommen, ihr Glück woanders zu suchen. Aber er, Tifflor, der Große, darf natürlich in anderen Galaxien auftreten wir Graf Koks. Es waren eben seltsame Zeiten.

Naja, irgendwann legte sich die Aufregung. Das Ende vom Lied war, dass die Anoree tatsächlich nicht die Erbauer der Schwarzen Sternenstraßen waren, sondern nur so was wie deren Erben. Die tatsächlichen Erbauer nannten sie die Herren der Straßen Archäonten. Wobei Letztes natürlich die Übersetzungen des Translators waren. Über Zeitabläufe konnten sie natürlich nichts sagen, wär ja auch zu schön gewesen. Sie wussten auch nicht mehr, wer diejenigen waren, denen sie das große Erbe zu verdanken hatten. Ein Erbe, das sie befähigte, mit geringem Zeitaufwand in die fernsten Abschnitte des Universums zu reisen.

Und da die Anoree nur verwalteten, aber selber nicht wirklich Ahnung von der Materie hatten, war Tiff sich ziemlich sicher, dass sie durch das schwarze Loch ihrer Ankunft auch wieder zurück reisen konnten. Egal, was sie vor Ort dazu hörten. Julian bewirkte sogar, dass die drei Forscher, mit denen sie die ganze Zeit unterwegs gewesen waren sie mit in Richtung Milchstraße begleiten wollten. Als die BARBAROSSA wieder zurückkehrte, brachen sie auf.
"Die ganze Aktion war für die Anoree ziemlich verwirrend. Zum Beispiel, als sie erfuhren, dass die Cantaro in der Milchstraße äußerst übel herrschten und einen auf dicken Maxe machten. Denn eines muss man sagen: Die Anoree waren zwar ein wenig seltsam, aber absolut friedlich. Die Cantaro kannten sie als, naja, eine Art Ableger, die sich mit Hochtechnologie spickten. Aber friedlich wären sie unbedingt geblieben, schworen sie. Die Stories, die sie von unseren Freunden hörten, konnten sie nicht nachvollziehen.

Aber damit ist der Abschnitt Neyscuur beendet. Beim nächsten Mal geht es in der Heimat weiter", schloss Gucky seine Erzählung ab.

Lee schaltete ihr Aufzeichnungsgerät ab und sah Gucky an. Bevor sie etwas von sich geben konnte, sagte der Ilt: "Ich wollte tatsächlich nur kurz Hallo sagen und hier keinesfalls als überflüssiger Ballast erscheinen. Ich verziehe mich wieder und wünsche euch gute Gespräche."

Sprachs und war mit einem Plopp verschwunden.
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Der Roman war nett. Aber mehr nicht. Es gab ein paar neue Erkenntnisse, ja, aber die wirklichen Hintergründe wissen wir noch nicht. Die Story? Seicht, kein bisschen Spannung. Wenn die Anoree ein Problem damit hatten, offen zuzugeben, dass sie nicht die Erbauer der Schwarzen Sternenstraßen waren - warum flogen sie mit Tiff & Co nach ihrer Ursprungswelt Aylay? Die Beschriftung der dortigen Pyramide führte ja erst zu Tifflors Erkenntnis. Gut, Verdacht hatte er sowieso schon geschöpft, aber exakt dort wurde es fast zur Gewissheit.

Und überhaupt: Denn stellvertretenden Kommandanten der BARBAROSSA fasst er so wie es aussieht mit Samthandschuhen an und bei den Anoree haut er dermaßen auf den Putz, dass mir die armen Teufel direkt leid getan hatten. Solch ein Verhalten halte ich für äußerst unstrukturiert. Immerhin waren sie als absolut Fremde soeben erst in Neyscuur aufgetaucht.

Der Ausflug nach Neyscuur hatte es für mich nicht gebracht. Der nächste Band spielt wieder in heimatlicheren Gefilden, stammt von KHS und kann eigentlich nur besser werden.
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Re: Klassiker - Cantaro

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Zwischenspiel

"Ich muss irgendwo anfangen", sagte Reginald Bull zu Lee Barringham. "Du sollst wissen, wer ich bin und wie ich geworden bin, wer ich bin. Das dürfte die sinnvollste Art und Weise sein."

Lee nickte. Ja, dachte sie. Um seine Persönlichkeiten einschätzen zu können, ist das am Besten. Sofern das bei einem Unsterblichen mit seiner Lebenserfahrung überhaupt möglich ist. Sie nickte und meinte: "Das sehe ich auch so. Darf ich ein Aufzeichnungsgerät mitlaufen lassen?"

"Natürlich. Mir ist ja klar, dass ich sowohl ein lebendes Geschichtsbuch als auch eine öffentliche Person bin. Schriften, die mich analysieren, füllen ganze Bibliotheken. Du dürftest in der Lage sein, selber zu erkennen, was davon raus darf und was nicht."

"Dieses Wissen ist der Sinn meiner Ausbildung. Aber alles, was du sagst, bleibt hier in diesem Raum. Die Aufzeichnung sind nur für mich zur weiteren Arbeit bestimmt. Auch auf Newengland unterliegt man dem hippokratischen Eid."

Bull sah sie an und trank einen Schluck Kaffee, schwarz, stark und ohne Zucker. "Entschuldige bitte, dass meine Äußerungen Zweifel bei dir wecken mussten. Ab und zu bin ich nach all den Jahren immer noch ein Trottel."

Lee winkte ab.

Reginald Bull begann:

"Irgendwann hat mal einer Kriegstreiber zu mir gesagt. Auf meine Frage, ob er das ernst meinte, kriegte ich zu hören, dass ich mir mal überlegen solle, wieviel Tote in welchen Kriegen auch immer ich zu verantworten hätte. Ich stellte meine Frage nochmal und als ich dann ein arrogantes "Selbstverständlich" zu hören bekam, hätte ich diese Figur am Liebsten quer über den Tisch gezogen und ihm links und rechts ein paar um die Ohren gehauen.

Zu seinem Glück war der Kleine bei mir und hat mich wieder beruhigt. Was nämlich Krieg bewirken kann, weiß ich seit 1944, da war ich sechs Jahre alt. Mein Vater starb im Juni 1944 in der französischen Normandie bei letzten großen planetarischen terranischen Krieg, dem damaligen zweiten Weltkrieg. Ich meine, man kann sich als Sechsjähriger den Krieg nicht wirklich vorstellen. Das kann man ja kaum als Erwachsener, wenn man das Glück hat, bis dato nichts damit zu tun zu haben. Aber ich hatte kapiert, dass irgendwo etwas ganz Schlimmes passiert war und ich meinen Daddy nie mehr sehen sollte. Sowas prägt einen fürs Leben, glaub mir das. Egal, wie lang es dauert. Es gibt Dinge, die vergisst du nicht. Daraus folgte eines der Ziele, die ich für mein Leben habe. Egal, wie lange es noch dauern wird. Sollte ich durch aktives oder passives Handeln dazu beitragen, dass Leben erhalten bleibt, hat sich mein Einsatz gelohnt. Auch wenn es dazu führt, dass man dafür so manches Mal eine Faust in der Tasche machen muss.

Im Übrigen: Wenn du Fragen hast, scheue dich nicht, sie mir zu stellen."

"Okay, hier ist die Erste: Hast du das Grab deines Vaters jemals besucht?"

Der Terraner seufzte. "Nein", sagte er. "Anfangs war ich zu klein. Später musste meine Mutter sehen, wie sie alleinerziehend meine Schwester und mich durchbrachte. Es war einfach kein Geld da. Noch später war keine Zeit da. Irgendwas war immer."

"Gibt es die Kriegsgräber heute noch?"

"Als Gräber in der Nähe von Omaha Beach wohl nicht mehr. Aber eine Gedenk - Stehle dürfte meines Wissens immer noch zu finden sein. Um die mahnenden Gedanken wach zu halten, auch nach all der Zeit. Um immer wieder darüber zu berichten, was Menschen anderen Menschen antun können."

"Kannst du dich noch an deinen Vater erinnern?"

"Ein bisschen ist hängen geblieben. Wenn ich es als kleiner Junge übertrieben hatte, gab es auch schon Mal ein paar hintendrauf. Da waren, nun ja, ich habe es mal als heilsame Lehren bezeichnet, die mir halfen, in die richtige Spur zu kommen."

"Bist du sicher, dass das dem kleinen Reginald gut getan hat? Hattest du damals Angst vor deinem Vater?"

Bull lehnte sich zurück und sah Lee nachdenklich an.

"Naja, es ist eine Ewigkeit her und irgendwo im Hintergrund verschwunden. Aber jetzt, wenn die Bilder nach vorne kommen, hm, ich denke ja. Du hast Recht. Mein Bestreben danach war, meinen Dad zu gefallen. Ich wollte, dass er sich mit mir beschäftigen würde."

Lee stand auf, wischte einmal mit der Hand und ein tafelähnliches Ding entstand mitten im Raum. Sie hielt plötzlich einen ebenso virtuellen Stift in der Hand und sah, dass ihr Gesprächspartner anerkennend nickte. Sie lachte.

"Was denn, hättest du uns das nicht zugetraut? Bier, Steaks, teetrinkende alte Damen und über die Politik schimpfende Honoratioren, was? Mehr scheinen wir in deinen Augen nicht zu sein. Glaub mir, wir sind moderner als du glaubst!"

Bull fühlte sich ertappt und sah, wie Lee die Worte Vater, Mutter und Anerkennung auf die Tafel schrieb. Unter das Wort "Vater" schrieb sie "Krieg" und "Tod". Unter der Mutter vermerkte sie Schwester - "Madison", ergänzte Bull. Das Wort Schwester verschwand und ihr Name tauchte auf. Darunter stand "Reginald" sowie "alleinerziehend" zu lesen.

"Lebtet ihr in auf dem Land oder in einer Stadt?"

"Ha!", machte der Terraner. "Wir lebten in der Stadt der irdischen Städte. Der Großstadt der Großstädte, die später wahrscheinlich eine Art Vorbild für Terrania wurde. Wir wohnten mitten in New York City, Bezirks Queens, Stadtteil Flushing. Eine grundsätzlich ordentliche Wohngegend, die unsere Mutter sich auf Grund der staatlichen Versorgung der Kriegswitwen so grade noch leisten konnte. Aber trotzdem war es nicht einfach. Sie musste jeden Cent dreimal rumdrehen, bevor sie ihn ausgab."

Lee notierte das Wort "Großstadt" an die Wand mitten in der Luft - unter das bisher Geschriebene. Hinter die Namen der Kinder setzte sie eine Klammer und schrieb "Freunde?" dahinter.

"Wie meinst du das? Madison und ich haben uns vertragen, wie das bei Geschwistern nun mal so ist. Wir liebten uns, was uns nicht davon abhielt, uns ab und zu gegenseitig vermöbeln zu wollen. Mum zog uns dann beide an den Ohren auseinander. Ja", nickte er. "Ich glaube, wir waren nicht nur Bruder und Schwester. Wir waren auch Freunde."

"Andere Kinder?"

"Ja. Jede Menge. Ein loser Haufen mit ein paar engeren Beziehungen dabei, wie das halt so ist. Ich denke, in dieser Richtung hatte ich eine völlig normale Großstadt - Kindheit."

Lee nickte. Sie stellte weitere Fragen zu dieser Zeit, die Bull zu seinem großen Erstaunen nach all den Jahren noch ziemlich gut beantworten konnte und ganz langsam wurde ihm klar, worauf dieser erste Teil hier hinauslaufen sollte. Nach einiger Zeit setzte Lee zu einer Erklärung an.

"Wenn wir hier zu einem Ergebnis kommen sollen, muss ich ganz offen sein dürfen, auch wenn dir vielleicht das eine oder andere nicht passt."

"Ich bitte ausdrücklich darum, dafür sitzen wir ja hier. Mach dir keine Sorgen, dass ich das in den falschen Hals kriege. Da gab es für mich mit absoluter Sicherheit unangenehmere Situationen als diese hier."

"Ich habe keine Ahnung", begann Lee, "wie Großstädte damals in der rein planetaren terranischen Zeit funktionierten. Ich nehme aber mal an, dass sie sich von ein paar Eimern Technik abgesehen nicht großartig von den heutigen unterschieden. Mehr Krach, mehr Gestank, schon alleine durch die mit fossilen Energien betriebenen Fahrzeuge, keine Gleiter, aber das dürfte es im Großen und Ganzen sein."

Bull nickte bestätigend.

"Und dort lebtet ihr mit eurer alleinerziehenden Mutter. Mitten drin. Sie hatte die wenig beneidenswerte Aufgabe, auf euch zwei Kinder nicht nur aufzupassen, sondern euch auch zu beköstigen, alles für euch zu regeln, für Geld zu sorgen und nebenbei noch den Haushalt zu führen. Ein Kind, ihr Sohn Reginald, hatte zudem eine Art Sockenschuss. Der lief ständig zum nahen Militärflughafen und sah den startenden Flugzeugen nach. Dann las der zu Hause in Heften herum, in denen der Weltraum mit irgendwelchen Raumschiffen eine Rolle spielte. Zum Leidwesen deiner Mutter konnte sie dem kleinen Reginald diese Flausen nicht austreiben. Sie hatte große Sorgen, dass aus ihm nichts Vernünftiges wird. Die Hefte waren größtenteils geklaut, du hast anderen Menschen Streiche gespielt und ansonsten den größten Teil deines Lebens mit Tagträumen verbracht. Soweit richtig?"

"Besser hätte ich es nicht beschreiben können."

"Okay. Mit wenigen Worten, deine Mutter funktionierte. Ich mutmaße mal, ein großartiges wirklich eigenständiges Leben hatte sie nicht. Ehemann im Krieg geblieben, Kinder klein. Wie hat sich dieses Funktionieren später auf dich ausgewirkt?"

"Hm", machte Bull. "Wen ich ehrlich bin, war das im meinem späteren Leben ziemlich identisch. Nur eben mit anderen Voraussetzungen. Egal wo, egal wie. Galakto - City, später Terrania, Solares Imperium. Trotz gefühlter ständiger Angriffe auf uns alles am Laufen halten. Funktionieren. Privatleben? Von ganz wenigen Situationen abgesehen keins. Der Kleine würde jetzt sagen, das, was er Privatleben nannte, hat er in Raumfahrerkneipen verbracht und seine Trinkfestigkeit erhöht. In einem viel zu langen Leben viel zu wenig Zeit für mich selber."

Lee schrieb das Wort "Zeit" an die Tafel, umkreiste es und machte Pfeile zu Reginald und seiner Mutter.

"Kinder sehen sich viel von ihren Eltern ab und übertragen es in ihr späteres Leben. Für gewöhnlich erst, wenn sie erwachsen sind. Den fehlenden Vater kann sie nicht ersetzen, aber da die Mutter zumeist sowieso die erste Bezugsperson für die Kinder ist, fällt das nicht ganz so schlimm aus, als wäre die Mutter die Verstorbene. Und du? Du warst sechs Jahre alt, als du die Nachricht von Tod des Vaters eintraf."

"Ja. Mutter erhielt einen amtlich aussehenden Brief. Ich sehe heute noch ihr entsetztes Gesicht, als sie ihn in Empfang nahm. Sie wusste schon vor der Öffnung, was drin stand, schloss sich aber zuerst mit dem Schreiben in der Küche ein. Wir mussten vor der Tür warten. Nach einer Weile machte sie die Tür wieder auf, sah uns mit Tränen in den Augen an und sagte uns, was passiert war."

"War deine Schwester im Laufe ihres Lebens am Grab eures Vaters?"

Reginald Bull wurde sehr ruhig, bewegte sich kaum noch und flüsterte kaum hörbar: "Ja."

Lee sah dem ihr überantworteten Reginald Bull direkt ins Gesicht. "Lektion eins", sagte sie. "Du wirst dich an die Stelle begeben, an der dein Vater begraben wurde."

"Das hat schon fast Befehlscharakter. Du lässt mir keine Wahl?"

"Nein. Es muss sein. Es gibt nach einer Zeit, die für mich als Normalsterbliche eine schiere Ewigkeit ist, immer noch viel zu viel Unausgesprochenes zwischen deinem Vater und dir. Geh zu dieser Stehle. Und wenn sie nicht mehr da ist, setz dich ins Gras oder wohin auch immer. Und sprich dich endlich mit deinem Vater aus. Sag ihm, was du zu sagen hast. Auch nach all den Jahren. Er hat es verdient, denn er ist auch für dich, seinen Sohn, gestorben. Und der hat es auch verdient. Der gehört zwar zu den absoluten Leistungsträgern seiner Gesellschaft und seiner Zeit, aber er ist immer noch ein Mensch."

Reginald Bull wurde sehr nachdenklich, lehnte sich zurück und sagte lange Zeit nichts.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von palmerwmd2 »

R.B. hat geschrieben: 7. April 2023, 07:49 Zwischenspiel

"Ich muss irgendwo anfangen", sagte Reginald Bull zu Lee Barringham.
[...]
Reginald Bull wurde sehr nachdenklich, lehnte sich zurück und sagte lange Zeit nichts.
Ist das hier eine Art fanfic oder steht das so im Roman?
Haut mich ja richtig um die Qualitaet!
Zuletzt geändert von Tiberius am 8. April 2023, 21:18, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Fullquote gekürzt.
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

palmerwmd2 hat geschrieben: 8. April 2023, 05:32 Ist das hier eine Art fanfic oder steht das so im Roman?
Haut mich ja richtig um die Qualitaet!
Das steht nirgendwo im Roman. Ich werde morgens wach und hab eine Idee, die ich dann hier einbringe.

Ab und zu hol ich mir einen alten Zyklus vom Speicher und fange an zu schmökern. Vor einiger Zeit fiel mir während des Lesens der 300er eine Rahmenhandlung ein, deren Kern immer eine Rückbetrachtung des Romans war, den ich grade gelesen hatte.

Diesmal ist der Cantaro - Zyklus an der Reihe. Bulls psychisch angeknacktes Selbst kam mir nach AE's Band 3199 in den Sinn. Nach dem Lesen war ich mit dem dortigen Ergebnis (das Verschwinden Bulls) zwar nicht einverstanden, stellte mir aber die Frage, wo das auf einmal herkam. In der rund um die Cantaro - Bände geschriebenen Dinge versuche ich das zu erläutern. Ob's nachhaltig klappt, weiß ich nicht. Wie das Ding hier weitergeht, weiß ich auch noch nicht. Ich lass mich einfach mal überraschen.
:D

Aber es freut mich sehr, dass es dir gefällt.
:o(
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