Wenn man Kurt Mahr als den "Physiker vom Dienst" bezeichnet, dann kann der Brückenschlag von ihm nur zu einem Autoren gehen: K.H. Scheer, dem "Techniker vom Dienst".
Würde man K.H. Scheer als Mensch und Autor zur Gänze beschreiben wollen, es ergäbe sich ein abendfüllender Vortrag. Daher kann mein kleiner Abriss hier bestenfalls als Ausschnitt betrachtet werden.
Ob man Scheer mag oder nicht ist Geschmackssache und darüber lässt sich gar trefflich streiten. Unbestritten aber ist, dass Scheer mit Sicherheit einer der wichtigsten, wenn nicht soagr DER wichtigste Autor für die deutsche Science-Fiction im 20. Jahrhundert war. Die deutsche Science-Fiction wäre heute nicht da wo sie ist, wenn es ihn und seine Begeisterung für fremde Welten, exotische Lebensformen, aber vor allem technische Entwicklungen (
![Grins :D](./images/smilies/biggrin%20%281%29.gif)
) gegeben hätte !
Daher war es nur konkludent, dass, als man in der Pabel-Moewig-Verlagsunion beschloss eine wöchentlich erscheinende Science-Fiction-Serie aufzulegen, K.H. Scheer der erste Ansprechpartner dafür war.
Ähnlich wie bei Kurt Mahr muss man die Romane von Scheer in den "frühen Scheer" und den "späten Scheer"-Abschnitt unterteilen, wenngleich auch aus anderen Aspekten.
Die frühen Scheer-Romane basierten häufig auf militärischer Überlegenheit oder militärisch-taktisch (=> strategisch) besserem Kalkül. Außerdem neigte Scheer (leider) dazu, Gruppen unisono gewisse charakterliche Eigenschaften zuzuschreiben ("Terraner waren ....", "terranische Raumlandesoldaten waren....", "Springer waren.....", etc.), oft in Verbindung mit Begriffen wie Ehre und Stolz, was m.E. nach Kritiker der Perry Rhodan-Serie dazu brachte Vergleiche zum Neofaschismus oder dem dritten Reich zu ziehen. DASS die Rhodan-Serie in ihren Anfängen militaristisch geprägt war kann und sollte man nicht leugnen. Perry Rhodan war immer ein Spiegel seiner Zeit und die 60er waren die Hochphase des kalten Krieges. Hinzu kam, dass Scheer im 2. Weltkrieg auf einem U-Boot gedient hatte. Sowas prägt sicherlich und spiegelte sich in seinen pedantisch exakten Beschreibungen der Technik an Bord der Raumschiffe wieder, die einem beim Lesen plastisch vor Augen hielten: Der Mann hat eine absolut 100%ige Vorstellung von dem was er da schreibt und was er schreibt basiert auf real vorhandenen Schemata, das saugt der sich nicht aus den Fingern. Als Beispiel könnte man den Aufbau der STARDUST heranziehen, der bekanntermaßen der später real folgenden SATURN V-Rakete so dermaßen täuschend ähnlich war, dass man Scheer zuweilen prophetische Gaben unterstellte, was aber natürlich völliger Quatsch ist
Ein guter Sci-Fi-Autor, der eine (wenigstens einigermaßen) realistische Science-Fiction-Geschichte erzählen will, recherchiert vorher. Schon Jules Verne beschrieb das Prinzip einer Trägerrakete, die bestimmte physikalische Maßgaben (Fluchtgeschwindigkeit, etc.) erreichen musste und von der Ostküste der USA starten müsste. Warum konnte er das ? Einer seiner besten Freunde war promovierter Physiker und erklärte Verne die "Mindestanforderungen" an eine Rakete, die es zum Mond schaffen könnte. Ähnlich sah es bei Scheer aus. Durch seine Kenntnisse modernster realer Technik gelang es ihm, diese in eine potentielle Zukunft zu transferieren und darzustellen.
Und eins muss ich noch klarstellen:
Auch wenn ich schrieb, dass Scheers Romane sich einer militärischen Überlegenheit bedienten, so hat er dennoch Waffengewalt nie als "ultima ratio" betrachtet. Brachialgewalt war nie seine erste Wahl, aber unbedingt auf Gewalt zu verzichten war auch nicht Scheers Ding. Darüber mag manch einer aus heutiger Sicht die Nase rümpfen, aber aus Sicht des damals herrschenden Zeitgeists war es ein erster Schritt raus aus bis dato festgefahrenen Bahnen.
Seine Romane waren handwerklich solide, immer flüssig zu lesen und es gab jede Menge "Äktschn". Scheers Nähe zur Technik verdanken wir Begriffe wie das "Dröhnen einer Glocke, wenn die mechanische Belastung eines Beschusses durchschlug und die Schiffszelle zum Schwingen brachte", die Verniedlichung des Waffenleitpults als "Feuerorgel", die Transformkanone (sicherlich eins von seinen "Lieblings-Babys") mit bis zu 4.000 Gigatonnen Schusskraft, also einer gesamtfreiwerdenden Sprengrakft von 4.000.000.000.000 Kilogramm TNT (im Vergleich: die Hiroshima-Bombe hatte 15 Kilotonnen, also 15.000.000 Kilogramm TNT) und vieles vieles mehr. Aber es waren nicht nur Waffen oder militärische Ausrüstung. Auch Dinge wie die "Straße nach Andromeda", also die Sonnentransmitter oder die Weltraumbahnhöfe der Maahks (die bezeichnenderweise nach den Vorposten der USA im Pazifik im 2. Weltkrieg benannt wurden). Oder Figuren wie Atlan oder Icho Tolot entsprangen Scheers Feder.
Seine Charaktere waren meist "normale Menschen von nebenan", die während eines Einsatzes oder einer Mission nach und nach heldenhafte Züge annahmen, diese aber nach Beendigung der Mission in aller Bescheidenheit auch wieder ablegten. Scheer war aber auch ein typischer Vertreter der "höher, schneller, weiter"-Fraktion.
Ohne ihm zu nahe treten zu wollen oder sein Schaffen schmälern zu wollen, für Perry Rhodan insgesamt war es wohl besser, dass er die Exposé-Arbeit in den 600er-Bänden an William Voltz übergab. Hatte er schon seit Band 300 fast nur noch die Jubi- und x50er-Bände geschrieben, zog er sich nach Übergabe der Exposés ab Band 673 aus gesundheitlichen Gründen zunächst ganz aus der Serie zurück.
401 Hefte später, mit Band 1074 kehrte er als Autor zurück. Ungewöhnlich zunächst, da es zu einer Zeit kam, in der die Terraner eine ihrer pazifistischsten Phasen hatten. Während des "Kosmische Hanse"-Zyklus fragte man sich oft, warum die Schiffe der Terraner in den Risszeichnungen überhaupt noch Waffen hatten, sie wurden ja sowieso nie benutzt. Sollte K.H. Scheer nun Romane schreiben in denen das genaue Gegenteil geschah ? Würde die "innere Logik" der Serie diesen der aktuellen Serienphase diametral gegenüberstehenden Autor verkraften ?
Sie tat es, denn Scheer hatte sich selber weiterentwickelt (in der Musik würde man sagen "neu erfunden"). Er verstand es seine Figuren, der Richtung die die Serie nun ging anzupasen ohne sie aufzuweichen oder unglaubwürdig aussehen zu lassen. Er schuf - wieder einmal - einen prägnanten Charakter: Ratber Tostan.
Hier ein kurzer Auszug aus Perrypedia über Tostan:
Tostan war ein einzelgängerisches Rauhbein und ein Zyniker. Er hielt die modernen Terraner für völlig verweichlicht. Sich selbst bezeichnete Tostan als den gerissensten Falschspieler der Galaxis, und er hatte auch tatsächlich eine ausgeprägte Spielernatur. Selbst in schwierigsten Situationen gab Tostan nie auf, sein starker Charakter ermöglichte es ihm, sich den neuen Situationen anzupassen, in die er immer wieder geriet. Starre Hierarchien waren nicht seine Sache.
[...]
Im Kampfeinsatz ging Tostan hart und kompromisslos vor. Er verwendete gern ungewöhnliche, teils altertümliche Waffen, zum Beispiel den Interkomb-Toser.
(also ein "typischer" Scheer-Charakter ^^)
Zu einer Zeit, in der die Perry Rhodan-Serie nach dem Tod von William Voltz und dem überraschenden Abgang von Thomas Ziegler gleich zweimal kurz nacheinander ihren "Lenker" verloren hatte, als viele Figuren blass und unausgegoren wirkten, setzte er mit Tostan eine "Duftmarke".
Es war ihm vergönnt Band 1498 zu schreiben, "Rhodans Tod". Sicher eine nette Geste der damaligen Expokraten, dass Scheer, der Rhodan "geboren" hatte, ihn nun sterben lassen durfte.
1 Jahr später starb Karl-Herbert Scheer. Die Rhodan-Serie verlor einen ihrer "Väter".
Wie schon nach dem Tod von William Voltz und später auch beim Tod von Kurt Mahr hielt Johnny Bruck ihn, K.H. Scheer, auf dem Titelbild eines Jubiläumsbandes fest, in einer Pose, von der die Leser sagten: "JA ! So hätte er sich selber gerne gesehen. DAS IST SCHEER !"
![Bild](http://www.perrypedia.proc.org/mediawiki/images/0/03/PR1600.jpg)