R.B. wird das vielleicht nicht mehr lesen, aber das ist ja ein Forum, deshalb möchte ich einen Punkt klarstellen, der offenbar auch von anderen Foristys noch nicht richtig gesehen wird. Ich habe das zwar schon mehrmals in diesem Thread beschrieben, aber Wiederholung kann nicht schaden (meine ich).
Das Entgendern (nach Phettberg oder andere Varianten) ist gewissermaßen eine Gegenbewegung zum Gendern. Gendern hat den grundlegenden Ansatz, andere Geschlechter (oder Gender) als das männliche im Deutschen sichtbar (und hörbar) zu machen. Die bekanntesten und verbreitesten Varianten sind das Binnen-I, der "Gender-*", der Gender-:, und der Gender-_ (Gendergap, was allerdings auch eine ganz andere Bedeutung hat).
Das Entgendern hat im Gegensatz dazu den Ansatz der Neutralisierung. Anstatt durch die obigen Mechanismen andere Geschlechter (oder Gender) "hinzuzufügen", werden die Personenbezeichnungen neutralisiert (Artikel "das") und die Endungen -er (ungegender) oder -er*in (gegendert mit Gender-*) durch eine neue Endung ersetzt. Im Gendern nach Phettberg ist das ein -y, im Plural -ys. Kai Hirdt hat eine andere Form erwähnt (-e), es gibt sicher noch andere Vorschläge, ich bin da ja kein Experte (wirklich nicht, ich bin Physiker).
Aber: Sowohl Gendern als auch Entgendern greifen
nicht in Situationen, wo das Geschlecht der Person bekannt ist. Ich bin ein Mann, deshalb bin ich Physiker. Verena Themsen ist eine Frau, deshalb ist sie Physikerin und Autorin. Wer mich als Physiker:in oder Physiky bezeichnet, wird von mir was zu hören bekommen.
Gendern und Entgendern zielen nun auf Situationen ab, in denen a) Gruppen von Personen unterschiedlichen Geschlechts adressiert werden sollen, also im Plural, oder b) wenn das Geschlecht einer Person unbekannt ist und/oder keine Rolle spielt (Singular).
Würde also jemand den Beruf von Verena und mir beschreiben wollen, könnte diese Person sagen "Verena Themsen und nanograinger sind Physiker*innen" (gegendert mit Gender-*) oder eben "Verena Themsen und nanograinger sind Physikys" (entgendert nach Phettberg).
Also: Niemand wird seines Geschlechts "beraubt", wenn es bekannt ist. Und falls es nicht bekannt ist, wird beim Entgendern das Neutrum gewählt.
Beispiel: Susamo ist eine Foristin. Aber mit mir und allen anderen ist sie eine von vielen Foristys.
R.B. hat geschrieben: ↑24. Mai 2022, 07:16... Ich komme zurück zu meinem Lieblingssatz "Das Wirty hat seinen Lippenstift vergessen." Das scheint mir nach reiflichem Überlegen Singular zu sein, sonst stünde da ja "Die Wirty haben.."
nanograinger hat geschrieben: ↑23. Mai 2022, 11:07
Im Übrigen ist mir nicht klar, wie dein Satz nach gängiger Schreibweise lauten würde. Meintest du ""das erste Mal einen Schüler küsste. Er war eine Dunkelhäutiger." ? Wenn du von vorneherein einen männlichen Schüler gemeint hast, dann bliebe der Satz nach Phettberg unverändert. Nur, wenn du mit "einen Schüler" das generische Maskulinum gemeint hättest, würde das zu "ein Schülery" verändert werden.
Das Wirty ist Singular, also eine Person. Da ich einfach davon ausgehe, dass das Geschlecht dieser Person bekannt ist, ist dieser Satz nach deinen Worten falsch. Er musste heißen: "Die Wirtin (oder von mir aus auch der Wirt) hat ihren (seinen) Lippenstift vergessen.
Du gehst aber leider von falschen Voraussetzungen aus. Das Geschlecht der Wirt:in oder des Wirtys ist eben nicht bekannt (oder unwichtig), nur deshalb wird überhaupt (ent-) gendert. Der Satz "Das Wirty hat seinen Lippenstift vergessen." aus
diesem im zweiten Posting dieses Threads zitierten Artikels einer Reihe von Artikeln zu "Geschlechtergerechter Sprache" der Bundeszentrale für Politische Bildung demonstriert nur zwei Dinge: a) Wie das gegenderte Wort "Wirt:in" zu "Wirty" entgendert wird, b) wie das Possessivpronomen dem neutralen Genus des Wortes Wirty folgt (
seinen Lippenstift). Nicht mehr, nicht weniger. Wie die Situation aussehen müsste, dass so ein Satz gesprochen werden würde, dazu gibt es einige Möglichkeiten, aber darum geht es in dem Artikel nicht.
R.B. hat geschrieben: ↑24. Mai 2022, 07:16
... Wie gestern geschrieben, habe ich diesen Chatverlauf gestern Abend meiner Tochter gezeigt. ...
Wer aber von Bäckern, Mietern oder Ärzten redet und nur Männer im Kopf hat, sollte lieber an dieser Stelle, im eigenen Kopf, ansetzen"...
Ganz davon abgesehen, dass die Tochter von R.B. wohl kaum als repräsentativ für die deutschen Frauen gelten kann, stimme ich völlig zu: "Man" muss "im eigenen Kopf" ansetzen. Aber eben nicht
nur im eigenen Kopf. Denn die Frau mag es nicht wahrhaben, aber auch sie würde beim Fortsetzungstest der Gygax et al. Studie (wahrscheinlich) bei Kosmetikern an Männer denken, und deshalb zögern, bis sie sich überlegt hat, dass damit "natürlich" auch Frauen gemeint sind, wenn man "Kosmetiker" als generisches Maskulinum auffasst. Das ist ja das Gemeine: Niemand ist grundsätzlich dagegen gefeit. Und es funktioniert sogar bei Frauen als Testpersonen und bei Berufen, die stereotypisch mit Frauen verknüpft sind.
Zum Rest von R.B.s Posting enthalte ich mich eines weiteren Kommentars.