Tennessee hat geschrieben: ↑18. März 2023, 10:02
Salut Robert,
ich diesbezüglich mal eine Frage, von der ich aber nicht weiß, ob du mir dazu etwas sagen kannst/magst/darfst: Wie ist das denn bei diesem Zyklus der Fall? Schon in der Vorankündigung zum Fragmente-Zyklus wurde eine stärker "bodenständige" Handlung angekündigt. Auch hier im Forum (wie das in anderen Bereichen der Fall war, weiß ich nicht) gab es vermehrt Wünsche nach "Bodenständigkeit" bzw. Reduzierung der "kosmischen Handlungselemente". Entstand nun der Fragmente-Zyklus eher vor dem Hintergrund, dass man aus den Leserreaktionen/Leservorlieben (nicht nur hier im Forum, auch gerne aus anderen Quellen) die Bodenständigkeit dieses Zyklus' abgeleitet hat oder eher aus den geäußerten Vorlieben der AutorInnen? Oder war das eine Mischform?
lg
Ten.
Wie in jeder sozialen Gruppe, so beziehen sich auch hier im Forum viele Gedankengänge aufeinander. So werden manche Aspekte, Ideen und Szenarien in dieser Gruppe zentral, die außerhalb davon kaum wahrgenommen werden (eine große Gefahr von Schreibgruppen: Man schreibt irgendwann optimal für die Gruppe und vollkommen belanglos für alle, die nicht Mitglied der Gruppe sind). Ein solches Phänomen ist in meiner Wahrnehmung der Begriff "Bodenständigkeit" mit Bezug auf
Perry Rhodan. Hier im Forum wird er ausgiebig diskutiert, außerhalb des Forums höre ich ihn selten.
Weitergedacht bedeutet das, dass die damit zusammenhängenden Überlegungen von denjenigen Leuten aus dem Autorenteam, die im Forum mitlesen, in das Autorenteam getragen werden müssten, um dort Wirkung zu entfalten. Ihr wisst, dass nicht allzu viele Autorinnen und Autoren hier im Forum aktiv sind,
aber der Chefredakteur liest alles mit. Es könnte also sein, dass der Chefredakteur diesen Aspekt in seinen häufigen Besprechungen mit den Exposéautoren eingebracht hat. Das weiß ich nicht, da bin ich nicht dabei.
In der Kommunikation, die mich erreicht, spielt er keine wahrnehmbare Rolle (könnte aber implizit, weil beispielsweise in Exposés, eingeflossen sein).
Was es gibt, sind eben die Exposés, der Austausch auf der jährlichen Autorenkonferenz, Diskussionen im Slack, eMail-Abstimmungen, wenn Romane motivisch verbunden sind, Mailaustausch und Telefonate mit dem (erweiterten) Exposéteam, und wenn sich die
Rhodan-Macher irgendwo begegnen, ist die Serie naturgemäß ebenfalls häufig Thema. Dabei kann ich mich nicht an Argumentationen erinnern, die direkt benannt hätten: "User xyz hat im Forum geschrieben, wir sollten ..." oder "ich habe den Eindruck, im Forum herrscht Konsens, dass ..." oder "auf der LKS stand in Leserbrief abc". Stattdessen kommt häufig: "Ich finde, es wäre eine tolle Geschichte, wenn ..." oder "ich würde gern mal schreiben, wie ..."
Wie die jeweilige Kollegin/ der jeweilige Kollege zu der Einschätzung kommt, dies und jenes würde eine besonders erzählenswerte Geschichte ergeben, wird in der Regel motivisch oder dramaturgisch argumentiert - und da werden Argumente und Gedanken, die von den Fans vorgebracht wurden, sicher aufgenommen. Dann aber, so weit ich mich erinnere, immer im Sinne von: "Ich bin der Meinung, dass ..." (also nicht: "Fan abc hat gesagt und deswegen ...", sondern "Das Argument xyz (das vielleicht genauso oder ähnlich von Fans vorgebracht wurde) finde ich überzeugend, und deswegen sollten wir die Geschichte in diese Richtung entwickeln." Danach kommt es dann darauf an, ob dieses Argument auch die Kolleginnen und Kollegen überzeugt, wobei naturgemäß besonders wichtig ist, ob die vorgeschlagene Entwicklung zu den Planungen der Exposéredaktion passt.
Okay, das ist jetzt alles sehr sphärisch ausgeführt.
Ich probiere es mal mit
bodenständigen Beispielen:
- Marc hat im vergangenen Zyklus einen Gastroman geschrieben. Notwendige Bedingung war, dass er die Zeit dazu hatte. Das öffnete ein Fenster, in dem der Roman geschrieben und in der Folge veröffentlicht werden konnte. In diesem Zeitfenster war es im Sinne der Handlungskontinuität möglich, einen Roman über Alaska Saedelaere zu schreiben, eine Figur, die Marc exzellent beherrscht. Das hat das Exposéteam genutzt. Der Roman hat auch den Zyklus weitergebracht (Shomek die Lohe etc.) - aber ohne diese Konstellation wäre das vielleicht ohne die Figur Alaska geschehen und ein ähnliches Ergebnis wäre von Atlan, Gucky oder Icho Tolot erzielt worden. Ich denke, viele sind froh, dass hier die Zyklusentwicklung mit den Stärken des Autors kombiniert wurde - der Roman
Alraska erhielt hier im Forum die positivste Bewertung im gesamten Chaotarchenzyklus.
- In der RA waren noch zwei Plätze frei. Ich als Autor des Jubiläumsbands wurde gefragt, wen ich - neben den Figuren, für die bereits Handlungsstränge am Schauplatz Morschaztas vorgedacht waren - noch mitnehmen wollte. Deswegen sind Marat und Sichu Dorksteiger dabei - und insbesondere bei Marat freue ich mich, dass auch die Kolleginnen und Kollegen diese Figur so gelungen in Szene setzen.
- Der komplette actionreiche Handlungsstrang um Hilke Silent-Brown dagegen kommt von mir. Es war meine Entscheidung, auf diese Weise zu erzählen, wie die MAGELLAN erobert und der Hilferuf abgesetzt wurde. Die Fakten dazu waren vorgegeben, aber ich hätte zum Beispiel auch Sichu auf eine Archivaufzeichnung an Bord der MAGELLAN stoßen lassen können. Weniger Action, dafür mehr Platz an anderer Stelle. Das ist eine Frage der Vorlieben des jeweiligen Autors/ der jeweiligen Autorin.
- Der Palast der Ewigen Ganja entstand in der Diskussion zwischen Verena und mir zu unserem Doppelband. Hier besteht die Spezialsituation, dass Verena Teil des erweiterten Exposéteams ist, sodass dieser Palast directamente ins Datenblatt der WUTHRASCHA gewandert ist, sodass es eine Dokumentation für mögliche spätere Verwendungen des Flaggschiffs gibt.
Summa Summarum:
Rückmeldungen aus der Fanbase beeinflussen die Autorinnen und Autoren und weitere, die mit der Entstehung der Romane befasst sind. Manche werden mehr beeinflusst als andere. Ergänzend gibt es viele andere Einflüsse - schreibtheoretische Überlegungen, eigene Vorlieben, aktuelle Lektüre etc.