Ruuudi007 hat geschrieben:
Lieber Hartmut,
da muss ich Dir nun aber doch mal widersprechen.
Lieber Ruuudi007,
hier muss ich dir mal widersprechen.
Ein Perry Rhodan, der stur seiner Mission hinterherjagt und den es nicht interessiert, wie viele Scherben er auf seinem Weg hinterlässt und wie viele Unschuldige von seinen Handlungen betroffen sind, ist kein Held, sondern ein kaltherziger und amoralischer Hasardeur. Mit dem könnte ICH mich nicht mehr identifizieren.
Und ein Toter Rhodan taugt nur noch als Märtyrer für die terranische Sache. Und mal ganz ehrlich, wenn man die Sache realistisch durchgespielt hätte wäre das genauso geendet, was von dir ja auch in einem früheren Posting zugeben wurde.
Die Tatsache, dass sich Perry (in diesem konkreten Fall) für Shy verantwortlich fühlt und ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen kann, macht ihn für mich erst zum Menschen, zu einem fühlenden Wesen mit hohen ethischen Ansprüchen, das seine Entscheidungen nicht allein nach den Prinzipien der Logik und der mathematischen Wahrscheinlichkeiten trifft. Perry gibt dem Jetzt und Hier den Vorzug. Er rettet ein Leben, weil er es kann - und seinem moralischen Kompass zufolge deshalb auch muss. Bringt er dadurch die Menschheit in Gefahr, weil er Zeit vergeudet? Diese Frage kennt keine Antwort, weil wir ebenso wie Perry nicht wissen, wie eilig die "Mission Epetran-Archiv" tatsächlich ist.
Hört doch auf das Verhalten Rhodans jetzt auch noch zu verbrämen. Was ihr hier macht ist die Realität in einem Maße zu verbiegen, dass schon nicht mehr schön ist. Wenn sich unter einen herunterfallenden tonnenschweren Felsen stellt, dann wird man zerquetscht. Und wenn man auf einer der wichtigsten Stützpunktwelten des Großen Imperiums diesseits des Leerraumes zwischen Milchstraße und M13 , auf der der Regent des Großen Imperiums weilt, nach Ausrufung des Kriegsrechts, nach Ausschreitungen infolge der Ausrufung des Kriegsrecht, NACHDEM man ein Attentat auf den Regenten (bzw. dessen Doppelgänger) verübt hat, sich dann auch noch mit den Sicherheitskräften anlegt, dann endet das entweder mit der Gefangennahme oder einem Blasterschuß zwischen die Augen. Es gibt Kämpfe die kann man nicht gewinnen und es gibt Situationen die kann man nicht ändern, es gibt Situationen in denen kann man nur versuchen ein bisschen länger am Leben zu bleiben und in denen alles andere wie Moral und Ethik plötzlich irrelevant wird. Die Kräfte eines Menschen, auch die eines Perry RHodan sind begrenzt, es gibt Dinge an denen kann er nichts ändern, ganz einfach weil die Angelegenheit eine ihr innenwohnende Schwere hat, die einen einzelnen Menschen, und sei es ein Perry Rhodan, einfach plattwalzt!
Aber gut, ihr wollt die Märchenstunde im Weltraum, wo hinter jedem schweren Problem, hinter jeder harten Entscheidung, der weiße, weisbärtige Zauberer steht, der dann dreimal mit seinem Zauberstab wedelt und die Situation breinigt und die Guten triumphieren lässt und die Bösen bestraft. Aber nehmt bitte auch zur Kenntnis, das es SF-Fans gibt, denen das Ganze nicht gritty genug ist, denen der Fudge-Faktor einfach zu hoch ist und die der Meinung sind, das die Charaktere dadurch nicht an Tiefe gewinnen, sondern zu eindimensionalen klicheebehafteten Abziehbildern werden.
Letztlich führt uns das zu der uralten philosophischen Diskussion nach dem Wert eines Lebens. Darf ich Wenige opfern, wenn dadurch Viele gerettet werden? Darf ich ein Passagierflugzeug abschießen, wenn es droht, zur Hauptverkehrszeit in ein Stadtzentrum zu stürzen? Erneut: Auf diese Frage gibt es keine Antwort, weil Vernunft und Gefühl in diesem Fall unvereinbar sind. Du würdest als Verantwortlicher womöglich den Befehl zum Abschuss geben und müsstest danach damit leben. Perry würde es vielleicht nicht tun - und müsste gleichfalls die Konsequenzen seiner Entscheidung tragen. Besagte Entscheidung wäre dabei jedoch weder besser noch schlechter als Deine!
Doch sie ist schlechter, sie setzt Terra und Ferrol aufs Spiel, sie setzt Milliarden Intelligenzen, deren Hoffnung auf Rhodan ruht aufs Spiel. Rhodan reflektiert hier sehr einseitig.
Du glaubst, Perry ist eine "Führungspersönlichkeit"? Warum? Er hat sich seine Rolle als kosmischer Scheitelpunkt nicht ausgesucht. Er hat nicht gesagt: "Hey, ich bin der Retter der Menschheit, und ich mache mich jetzt mal auf den Weg nach Arkon, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen." Verwechsele NEO-Perry bitte nicht mit dem der Erstauflage. NEO-Perry ist jung, unerfahren, er sucht seinen Weg weil man ihn ungefragt in ein gigantisches kosmisches Haifischbecken geworfen hat. Ich finde es ziemlich unfair, jetzt von ihm zu erwarten, dass er alles richtig macht und am Ende als strahlender Saubermann dasteht.
Es ist Krieg und Perry ist auf einer Undercovermission ins Zentrum des Feindes unterwegs. Der Krieg beschädigt jeden der an ihm teilnimmt. Den Frontsoldaten ebenso wie das Kommando, das hinter feindlichen Linie kämpft. Es gibt keine strahlenden Helden, keine Saubermänner, es gibt nur Überlebende und Tote und die Überlebenden müssen für den Rest ihres Lebens mit den Entscheidungen die sie trafen klarkommen. Aber diese Entscheidungen haben Konsequenzen, ernste tödliche, Konsequenzen, denn im Krieg geht es um töten oder getötet werden. Alles andere sind nur Märchen, die wir uns erzählen um dem Grauen doch einen Sinn abgewinnen zu können. Aber gut das ist die Realität, in der PRN-Märchenwelt läuft das alles anders.
NEO-Perry ist ein Mensch! Er darf zweifeln, er darf Angst haben, er darf ab und an unter der Last der ihm aufgebürdeten Verantwortung stöhnen. Das macht ihn mir sympathisch. Was er aber nicht, nie und niemals tut, ist, seine Prinzipien zu verraten. Das Prinzip, dass jedes Leben genauso viel wert ist, wie jedes beliebige andere. Das Prinzip, dass man einem Leben kein Preisschild anheften kann. Und das Prinzip, dass niemand entscheiden darf, wer lebt und wer zu sterben hat. DAS ist der Perry, den ich nicht nur als Leser, sondern auch als Autor in mein Herz schließen kann.
Nein Perry ist mehr als ein Mensch, dadurch das er ständig aus Situationen entkommt, die andere einäschern würden, wird er zum Liebling der Götter, zu einer larger than life Persona, die auf quasi-magische Weise immer wieder den Konsequenzen ihres Handels entzogen wird.
Du schreibst, dass Perry den Zellaktivator hätte annehmen müssen, "und sei es nur aus dem niedrigen Motiv der Selbsterhaltung heraus". Eben da irrst Du. Perry würde niemals etwas aus "niedrigen Motiven" heraus tun. Er bewertet sein Leben nicht als kostbarer und erhaltenswerter als das seiner Freunde, oder jedes anderen Individuums in diesem Universum. Und das tut er aus ÜBERZEUGUNG. Ich bewundere ihn dafür, auch weil ich weiß, dass ich das wohl nicht könnte, dass ich den Aktivator genommen hätte.
Wenn Du Dich nicht mit diesem, mit NEO-Perry identifizieren kannst, dann ist das schade, aber nicht zu ändern. Du solltest aber nicht den Fehler begehen, und NEO-Perry als dumm oder unfähig oder verantwortungslos bezeichnen, nur weil er sein Handeln nach anderen moralischen Prinzipien ausrichtet, als Du es tun würdest.
In diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Wochenende!
Rüdiger