Klassiker - Cantaro

Unvergessene Abenteuer, legendäre Zyklen - nachgelesen und neu diskutiert.
Antworten
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

"Also", sagte Gucky in Richtung Tolots, nachdem er die entsetzten Gesichter von Lee und John gesehen hatte, "jetzt nochmal ganz von vorn für begriffsstutzige kleine Mausbiber."

Er schwebte im Schneidersitz in die Höhe und stabilisierte sich circa 40 Zentimeter über dem Kopf des Haluters, sodass dieser nach oben schauen musste, um den Ilt sehen zu können. "Ganz neue Perspektive, was Großer? Du musst jetzt zu mir aufblicken und ich habe endlich mal die Aufmerksamkeit, die mir zusteht! Aber ich will mal nicht so sein." Er senkte sich ein Wenig ab und war nun auf Augenhöhe mit dem schwarzen Riesen. Dabei schwebte er ständig um den Kopf Tolots herum, was zur Folge hatte, dass Letzterer seine Stielaugen ausfuhr, um den ihn umkreisenden Ilt ständig im Blick zu haben. Für die Anderen, insbesondere für Lee und John, war das eine leicht verwirrende Veranstaltung.

"Also", meinte Gucky nochmals, "rekapitulieren wir doch mal. Ein armer kleiner Mausbiber namens Gucky war das Metallplastikgedöns auf den diversen Sorten Raumschiffen Leid und wollte mal Urlaub machen. Er wollte einfach nur im Regen stehen und die Natur genießen. Dazu hatte er sich ausgedacht, einen Planeten mit seiner Anwesenheit zu beglücken, der zwar bewohnt ist, den aber sonst keiner kennt oder besucht. Dazu befragte der arme kleine Mausbiber den Bordrechner ANANSI, weil der eigentlich alles weiß. Aber sogar ANANSI konnte mir hier nicht weiterhelfen. Jetzt gibt es aber einige Leute, die haben eine besondere Befugnis. Wenn es sich zum Beispiel darum dreht, in die Tiefen NATHANs vorzudringen und dort nachzuforschen. Der arme kleine Mausbiber gehört nämlich neben Perry, Bully, Atlan und einigen ganz wenigen Köpfen aus der Solaren Regierung dazu. Also beauftragte er ANANSI, bei NATHAN mal nachzuforschen. Es dauerte dann für ANANSI endlose drei Sekunden, bis ein Ergebnis vorlag. Die Koordinaten Newenglands kamen zudem nur als durchlaufende Posten, das heißt, ANANSI konnte sie nicht lesen oder gar abspeichern. Ich selber musste heilige Eide schören, sie niemandem zu außer den genannten Bevollmächtigten zu verraten. Da Perry aber für den Notfall wissen musste, wo ich mich aufhielt, habe ich es ihm mitgeteilt. Auf einem Zettel. Einem beschriebenen Blatt Papier. Wie in der Steinzeit. Weil das eben noch nicht mal ANANSI wissen durfte. Dann kam Bully hinter mir her auf diese Welt, weil er sich selbst im Weg stand und etwas zu klären hatte. Na, und unser schönster aller Arkoniden treibt sich auch ohne größeren Antrieb überall da herum, wo gutaussehende Frauen herumlaufen."

Bei der letzten Bemerkung sah er Lee an, der dieser Blick samt Guckys Bemerkung ein wenig peinlich war. Der Kleine ließ sich natürlich nichts anmerken und drehte weiter seine Runden um Icho Tolots Kopf.

"Diese Welt", fuhr er weiter fort, "ist in keinen Sternenkatalogen enthalten. Weil die Sonne einen 6 dimensionalen Hau hat oder sowas. Ganz kapiert habe ich das noch nicht, aber das kann ja noch kommen. Auf jeden Fall kann man sie nicht orten und würde sie, wenn überhaupt, nur durch Zufall finden. Newengland blieb zudem vom der Schwarmkrise und der PAD Seuche verschont. Noch nicht mal meine telepathischen Sinne funktionieren hier. Und ganz Wichtig: Alle möglichen und unmöglichen kriegerischen Auseinandersetzungen gingen an unseren Gastgebern vorbei."

Er blieb genau vor dem Gesicht des Haluters "stehen" und Tolot zog seine Stielaugen wieder ein.

"Und jetzt kommst du an und erzählst uns, dass Halut die Existenz und die Position Newenglands seit zweitausendfünfhundert Jahren bekannt ist. Da bin ich ja mal neugierig, welche Räuberpistole wir jetzt untergejubelt bekommen."

Tolot verzog seinem Mund und gab etwas von sich, dass vielleicht ein kleines Lachen sein sollte. Auf Lee wirkte es, als würde sie mitten in einem Gewitter stehen und der Donner knallte laut und heftig mehrfach direkt über ihr.

"Keine Sorge, meine Kleinen", begann der Haluter. "Eure Daten sind bei uns so sicher wie in - wie sagt man bei euch? - Abrahams Schoß. Die Geschichte der Entdeckung Newenglands ist die Geschichte der Forschungen des vor 876 Jahren verstorbenen Truktur Horvats. Horvatos, ich durfte ihn seinerzeit kennenlernen, war ein glänzender Wissenschaftler. Er war Astronom, dazu praktizierender und theoretischer Physiker im klassischen und mehrdimensionalen Bereich. Sein Spezialgebiet war die Erforschung von im Höherdimensionalen unregelmäßig oder abnorm strahlenden Sonnen und deren Auswirkungen auf die Umwelt. Er war ein absoluter Könner, der zum Beispiel eure Universalgenies wie Waringer, Hamiller oder wie sie alle hießen, locker in die Tasche steckte. Als er über dieses System stolperte, suchte er eigentlich etwas ganz anderes. Aber da er nun einmal hier war, schloss er eure Sonne in seine Untersuchungen mit ein und entdeckte euch somit zwangsläufig.

Als ihm klar wurde, was das hier für eine Welt war, zog er sich zurück und wünschte den Bewohnern im Stillen alles Gute. Er ließ aber vorsichtshalber eine Sonde hier, die Unregelmäßigkeiten nach Halut melden sollte. Ergänzend flogen und fliegen halutische Schiffe immer mal hier vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Diesmal oblag diese Pflicht mir und das ist der Grund meines Hierseins."

"So ein Zufall aber auch!" Gucky war das Misstrauen anzumerken. "Da dreht doch wieder ein dran herum. Da kannst du mir erzählen, was du willst, irgendwas stimmt da nicht."

John Talbot sah auf und machte sich bemerkbar. "Tolot", begann er.

"Tolotos für mein Freunde, Talbotos", wurde er von dem Riesen unterbrochen.

John verbeugte sich. "Ich fühle mich sehr geehrt, von solch einer lebenden Legende als Freund bezeichnet zu werden. Aber gestatten Sie mir eine Frage, Tolotos. Die Sonde. Hat sie angeschlagen?"

Tolot fuhr sein mittleres Auge aus und sah Talbot damit an. "Ich habe Geschichte Ihrer Welt verfolgt und weiß, warum Sie das fragen", sagte er. "Ja. Hat sie. Genau zwölf Mal seit ihrer Installierung. Elf Vorfälle konnte sie alleine klären, da ist auch nichts mehr zu erwarten. Einmal mussten wir mit drei Schiffen eingreifen, um gewisse Probleme aus der Welt zu schaffen."

John sah Icho Tolot nachdenklich an. "Dann stehen wir tief in Ihrer Schuld", erwiderte er nachdenklich, setzte sich wieder zu Atlan und begann umgehend ein augenscheinlich längeres Gespräch mit dem Arkoniden.

"Tja, mein riesiger Freund", nahm Gucky den Faden wieder auf. "Diese reizende Dame hier"", er zeigte auf Lee, "würde sich sehr freuen, wenn sie erfahren würde, wie deine Artgenossen den Weg nach Andromeda gefunden hatten."

"Das ist eine teilweise sehr traurige und mich ab und zu immer noch belastende Geschichte", begann Tolot seine Erzählung. "Obwohl es schon so lange her ist. Und obwohl mein Planhirn mir regelmäßig mitteilt, dass ich sowieso nichts daran ändern könne und die Entwicklung nach der Flucht von Halut zwangsläufig so kommen musste. Aber was nützen Prozentsätze und Wahrscheinlichkeiten schon?"
Spoiler:
Icho Tolot erzählt von der Historie der Verschollenen:

Da war dieser Funkspruch. "Willkommen Brüder, in der Wahlheimat unseres Volkes. Die guten Mächte des Kosmos mögen Ihren Eingang segnen." Wir hatten unser Volk auf dem dritten Planeten des Halpora - Systems mit Eigennamen Halpat gefunden. Dieser Funkspruch war ungewöhnlich. Er ließ auf eine Gemeinsamkeit unter den Halutern schließen, die weder Sokratos noch ich so kannten. Haluter waren absolute Einzelgänger. Auf Halut, unserer Welt, lebten wir in weit voneinander entfernten Häusern und gingen unseren Vorlieben, im Regelfall Forschungen, nach. Aber jeder für sich. Kontakte fanden zwar statt, waren aber äußerst selten. Und wenn ein Haluter einen anderen kontaktieren wollte, wurde vorher um Erlaubnis gefragt, ob es genehm war. Willkommen geheißen wurde niemand. Das erlebten wir hier komplett anders.

Unseren leicht verrückten Posbi Pentalon, der sich einbildete, mein Orbiter zu sein, ließen wir vorsichtshalber an Bord. Der Kerl hatte vor der Landung ohne unser Wissen einen Funkspruch abgelassen, in dem er sich als eine Figur darstellte, die kurz vor einem Einwurf in einen Konverter stand. Wer weiß, was der noch alles angestellt hätte.

Sokrat und ich machten uns zum Verlassen der HALUTA fertig. Die Schleuse öffnete sich - dort standen mehr als 50 Haluter, die uns mit begeisterten Rufen empfingen. Sie standen zwar auf Abstand, aber sie standen zusammen. Einer der Haluter trat nach vorne und stellte sich als Tenquo Dharab vor. Er sagte, man habe zwei Häuser für uns vorbereitet und Domo Sokrat bat sofort, sich zurückziehen zu dürfen. Ich fasste das nicht als Unhöflichkeit auf, nein, es war eine völlig normale Reaktion. Für Wesen wie uns ist es eine Zumutung, eine so lange Zeit auf einem relativ kleinen Schiff wie der HALUTA zusammenleben zu müssen.

Mich dagegen interessierte die Geschichte unseres Volkes und informierte Dharab darüber, dass ich von diesen 700 Jahren so gut wie nichts wisse. Er sagte mir zu, mich in den nächsten Tagen mit einem Historiker bekannt zu machen, man habe eine lückenlose Geschichtsschreibung.

In der folgenden Zeit führte Tenquo Dharab uns auf der neuen Haluter - Welt herum, teilweise mit überraschenden Ergebnissen. Es gab kleine Orte, in denen mehrere Haluter zusammenlebten und zusammen forschten. Auf Halut hätte dergleichen über längere Zeit nicht funktioniert. Hier schon. Es gab in der Politik das Gremium der Zweitausendjährigen, die ebenfalls gemeinsam tätig waren. Sokratos und ich stellten damit fest, dass sich während der Flucht - Jahrhunderte etwas in der Psyche der Haluter geändert haben musste. Aber das war letztlich egal. Ich war mit ungeheurer Erleichterung erfüllt. Es gab mein Volk noch. Alle Ängste sowie die aktuellen Fragen nach der veränderten Psyche meiner Artgenossen wurden erstmal an die Seite geschoben. Mein Planhirn kam zwar anfangs noch mit irgendwelchen Berechnungen, nach denen das einfach nicht sein könne. Aber dieser Teil meines Kopfes ist eben nur zum Denken da, nicht zum Handeln. Und schon gar nicht, um die Psyche anderer Wesen, und seien es eben ausschließlich Unseresgleichen, nachzuvollziehen.

Für mich ging es ins Historische Haus; ich musste wissen, was in der Zwischenzeit passiert war. Ein kleiner, sehr alter und gedrungener Haluter stellte sich mit seinem Namen Achan Alar vor. Er sei Historiker und könne meine Kenntnisse aktualisieren. Er lachte. Dann eröffnete er mir, dass sich unser Volk mindestens genauso für eine Geschichte interessieren würde, mithin, so meinte er, sei das die Geschichte eines Helden, wie Halut noch nie einen gesehen habe. Ich bat ihn, nicht zu übertreiben. Grade er als Historiker, sagte ich, könne mit Sicherheit nachvollziehen, dass unser Volk eine Reihe von Helden hervorgebracht habe, mit denen ich mich nie messen könne. Grade und auch wegen der Erlebnisse auf der Flucht.

Ich sollte Recht behalten. Die Haluter hatten ihre Welt erreicht. Der Weg dahin war teilweise mit Tod und Verderben gepflastert.

Für mich sah es so aus, als wäre ich damals dabei gewesen. Ich stand in Raumschiffen, neben oder hinter handelnden oder sprechenden Personen, natürlich ohne eingreifen zu können. Selbstverständlich war mir das völlig klar, aber mein Ordinärhirn weigerte sich ab und zu, das in Gänze zu akzeptieren.

Es begann auf Halut. Man hatte mit Mühe und Not einen Angriff der Blitzer abgewehrt, natürlich ohne dahinter zu kommen, wer oder was diese Blitzer waren. Aber man stellte fest, dass die Angreifer nicht in der cantarischen Sprache miteinander redeten. Hatten die Blitzer also nichts mit den Cantaro zu tun? Wie dem auch war: Kurz vor ihrem Sieg verschwanden sie wieder und hinterließen eine Nachricht, sie kämen wieder. Meinen Leuten war klar, dass wir einen zweiten Angriff nicht überstehen würden. Halut wurde verlassen, der letzte Raumschiffspulk verließ unsere Heimat im Jahr 491. Ein Jahr später kam der zweite Angriff.

Unser Volk, erfuhr ich, wurde in dieser Zeit zu einer verschworenen Gemeinschaft, in der Jeder für Jeden das tat, was in seiner Macht stand. Bei aller Individualität wuchsen wir zusammen. Trotz der Niederlage, trotz der Evakuierung war es wohl der wichtigsten Epochen unserer Geschichte.

Da unsere Leute ungeachtet aller Widrigkeiten weiter forschten, entdeckten sie 494 ein sich galaxisweit ausweitendes Funknetz, dass mit einer besonderen Hyperstrahlung eine Art Kontrolle über die Cantaro ausübte. Es schien zudem, als würden die Blitzer ebenfalls auf diesem Wege überwacht, so dass die Planetenvernichter wie eine Spezialabteilung der Cantaro wirkten.

Nun ist es vor allem die Hoffnung, die uns die innere Kraft für das Leben gibt. Aber die sank bei den Halutern von Jahr zu Jahr. Aufgesplittet und auf diversen Primitivwelten untergetaucht und psychisch extrem angegriffen hatten meine Leute nicht mehr viel mit den Halutern früherer Tage zu tun. Obwohl sie irgendwann eine Welt fanden, auf der sie leben konnten, waren sie emotional ziemlich angegriffen. Das Spektrum des Leidens reichte von völliger Apathie bis hin zu extremen Drangwäschen mit nachfolgenden Gräueltaten und damit verbundenen Bestrafungen. Viele Haluter begingen Selbstmord, als sie erfuhren, was sie mit ihren Drangwäschen in geistiger Umnachtung angestellt hatten. Kämpfe und Kriege führten zu weiteren Todesfällen. Jedes Leben ist kostbar, keine Frage, aber bei einem 100.000 Personen Volk kann jeder einzelne Tod existenzbedrohend sein.

Die Haluter erfuhren von dem Chronopulswall und von dem Verschwinden des Zentralplasmas von der Hundertsonnenwelt. Als sie es endlich wiedergefunden hatten, sorgte ein geistig umnachteter Haluter nach einer massiven Bedrohung des Plasmas für dessen erneute Flucht. Letztere führte zu einer erneuten tiefen und schweren Depression meines Volkes.

Zum Glück gab es inzwischen das Gremium der Zweitausendjährigen, die ihrem Alter entsprechend psychisch stabiler waren. Man initiierte eine neue Suche nach dem Zentralplasma und fand es auch in unserem Halpora - System auf den zweiten Planeten, während die Haluter sich auf Welt Nummer drei niederließen. Die von unserer Seite aus geplante Zusammenarbeit fand aber nicht statt. Das verunsicherte Zentralplasma verweigerte sich. Es antwortete auf keine Funksprüche. Es ignorierte meine Leute einfach. Erst als es an den Beistandspakt mit den Terranern von 2114 erinnert wurde, sprach es mit uns. Aber auch mit dieser Entscheidung ließ es sich noch Jahrzehnte Zeit. Meine Artgenossen ließen ihm diese Jahre. Sie beschlossen, es in Ruhe zu lassen, bis es von alleine auf sie zukommen würde. Davon machen konnte sich ja nicht.

Ab 999 arbeiteten und forschten Zentralplasma und Haluter zusammen an dem Ziel der Befreiung der Heimat. Und aktuell sind circa 50% der Haluter mit dem gemeinsamen Projekt eines Störsenders für das galaxisweite Überwachungssystem beschäftigt. Denn, so unsere Hoffnung, wenn das Funknetz nicht funktioniert, klappt die Kontrolle über die Cantaro nicht mehr und die ganze Sache sieht plötzlich völlig anders aus.

Ja, uns dann gab es noch unseren leicht verrückten Posbi Pantalon. Er fühlte sich von unsichtbaren Wesen attackiert, was natürlich niemand Ernst nahm. Aber er war äußerst hartnäckig und so bemerkten wir die Ursache seiner vermeintlichen Schwierigkeiten: Blau Nakken. Wo sie herkamen und was sie bei uns wollten, fanden wir damals nicht heraus. Einer fand bei Kämpfen den Tod und die anderen erzählten uns andauernd, dass wir einen schweren Fehler gemacht hätten. Mehr war aus ihnen nicht rauszukriegen.

Zum Schluss lud Tenquo Dharab Sokratos und mich ein, mit ihm zum zweiten Planeten zwecks Besuch des Zentralplasmas zu fliegen. Kurz vor der Landung wurde Alarm ausgelöst.
"Ich frage mich immer wieder, ob ich meinem Volk hätte helfen können, wenn ich dabei gewesen wäre. So viele Tode. So viel Leid."

"Tolotos, du weißt, dass du nicht überall sein kannst", meinte Reginald Bull dazu. "Das gelingt noch nicht mal unserem größten aller großen Meister, Perry Rhodan daselbst. Und was der nicht schafft, kriegen andere sowieso nicht geregelt."

Lee ging auf ihn zu und meinte: "Du hast nichts falsch gemacht. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand und das ist wichtig und muss positiv bewertet werden. Alles weitere ist graue Theorie und zählt nicht." Dabei strich sie ihm über den rechten herabhängenden Unterarm, den Handlungsarm. Die Haut Tolots fühlte sich wie hartes Leder an, aber sie stellte erstaunt fest, dass die darunterliegende Muskulatur bei ihrer Berührung zuckte.

"Ich weiß schon, warum ich mich bei euch kleinen Leuten so wohl fühle", sagte der Gigant. "Ihr habt zwar nur ein Herz, aber das ist auf dem richtigen Fleck."

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

H.G. Francis wird in diesem Zyklus zu einem meiner Lieblings - Autoren. Gut, mit solchen Äußerungen sollte man vorsichtig sein und die anderen Schreibenden nicht in die Negativ - Schublade stecken. Aber HGF verstand die Schilderung der Haluter wesentlich besser als HGE einen Band vorher. Tolot wird nicht als Ober - Schlauberger geschildert und Sokrat ist kein dummer Junge. Herrlich wirkt auf mich die Schilderung des häufig beleidigten und leicht bescheuerten Posbis Pantalon, der sich für Tolots Orbiter hält. Ich sehe ihn als Bereicherung in einer Handlung, die ohne ihn zu trocken werden könnte.

Aktuelle Handlung und geschichtliche Rückblicke präsentiert Francis abwechselnd und vor allem interessant und glaubhaft geschrieben. Wir erfahren, was mit den Halutern geschehen ist und stellen verwundert fest, dass auch diese hochintelligenten Riesen psychisch überfordert werden können. Der Autor bring uns in der Geschichte der vergangenen 700 Jahre einen erheblichen Schritt weiter und stimmt uns in technischer Hinsicht für die Zukunft optimistisch. Der Störsender könnte zu erheblichem Fortschritt führen.

Und: In einem Nebensatz erfahren wir etwas Interessantes: Die Blitzer reden nicht in der Sprache der Cantaro.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1468 - Zentralplasma in Not - ist von Marianne Sydow, erschienen am 10. Oktober 1989
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Lee sah sich um. Hinten links in der Ecke saßen Atlan und John zwischen den beiden Fichten auf einem Baumstamm. John redete grade auf Atlan ein, der den Kopf schüttelte und sachlich antwortete. Die Beiden sind immer noch beim Thema Isolation oder nicht, dachte sie.

Als sie den Kopf weiter wendete, sah sie Reginald und Gucky am Lagerfeuer ebenfalls auf einem Baumstamm sitzen. Beide hatten je ein gefülltes Glas in der Hand. Bei Gucky sah der Inhalt wie Möhrensaft und bei Bully eher wie Whisky aus. Der Terraner sagte etwas, sie verstand die Worte nicht; Gucky wirkte daraufhin sehr nachdenklich. Vom dem Scherzbold, den sie vor einiger Zeit kennengelernt hatte, war im Moment nicht viel übrig. Reginald wird seinen Weg gehen. Wann, wo und wie auch immer. Es ist gut, dass er sich so entschieden hat, ging ihr durch den Kopf. Es dürfte für alle Beteiligten noch schwer genug werden, wenn es soweit ist.

Bleiben sie und Icho Tolot. Dieser Gigant. Obwohl, machte sich plötzlich ein Gedanke bei ihr bemerkbar, Wieso eigentlich Gigant? Wieso nicht Gigantin? Gut. Haluter waren eingeschlechtlich. Aber ist nicht das Gebären können nicht das Hauptkriterium für das weibliche Geschlecht? Sie wusste nicht, ob sie ihre Gedanken Tolot einfach so mitteilen durfte, dazu kannte sie ihn (oder eben sie) noch nicht lange genug. Sie versuchte es anders herum.

"Tolotos, gibt es in der halutischen Sprache eigentlich Geschlechtsbezeichnungen wie er oder sie? Beziehungsweise auch das Neutrum?"

Tolot blickte auf sie herunter und fuhr das mittlere Auge aus. Auf Lee wirkte das nach wie vor äußerst befremdlich.

"Das werde ich sehr selten gefragt", sagte die schwarze Riese. "Und ich weiß worauf deine Frage hinausläuft."

Lee fühlte sich ertappt und merkte, wie ihr Gesicht rot anlief.

"Nein, keine Sorge", flüsterte der Haluter. Auf Lee wirkte es wie eine Art Donnergrollen. Tatsächlich. dachte sie. Langsam aber sicher gewöhnt man sich daran und hat keine Sorge mehr, gleich in einem Happs verschluckt zu werden. Sie war froh, dass Tolot ihre Gedanken nicht mitbekam, das Ergebnis wäre sicherlich ein Lachorkan heftigster Art geworden.

Icho Tolot sagte ihr auf den Kopf zu, was in ihr vorging. Er zog das Auge wieder ein, richtete sich zu seiner vollen Größe von Dreimetersechzig auf und verneigte sich vor ihr. "Du gehörst zu den wenigen Menschen, die uns Haluter wirklich verstehen", sagte er. "Ich fühle mich sehr geehrt." er setzte sich wieder hin. "Eigentlich", fuhr er fort, "wollte ich dich überreden, mit auf die RAS TSCHUBAI zu kommen. Du hast einen realistischen Blick auf die Welt und die Leute um dich herum."

"Genau", piepste eine Stimme hinter Lee. "So jemand ist für eine derartige Hinterwäldler Welt viel zu schade. Wir nehmen sie einfach mit."

"Du hättest Politiker werden sollen", das war Bully. "Da gibt es auch welche, die viel reden, ohne wirklich was zu sagen. Oder eben nur blödes Zeug von sich geben. Vielleicht fragst du sie ja mal nach ihrer Meinung. Die dürfte eh feststehen. Überkandidelte Besserwisser haben wir in auf unseren Schiffen viel zu viele. Da ist es für Menschen wie Lee besser, da zu bleiben, wo sie herkommen."

Lee wunderte sich ein wenig, dass die Drei über sie und nicht mit ihr redeten, obwohl sie daneben stand. "Ich kann euch beruhigen", sagte sie. "Ich habe mir hier etwas aufgebaut. Ich bleibe hier."

"Und hörst dir lieber weiter alte Geschichten an", meinte Gucky. "Los, Großer." Er blickte Tolot an. "Dein Part."

Icho Tolot lachte leise. Und schon hab ich wieder das Gefühl, mitten in einem Orkan zu stehen, dachte Lee. Der Haluter blickte auf Gucky. "Es ist schade, dass du damals nicht dabei warst", eröffnete er dem Ilt.

Gucky richtete sich auf und warf sich in die Brust. "Es ist immer schade, wenn ich nicht dabei bin", proklamierte er. Dann hob er sich telekinetisch erneut bis zur Augenhöhe des schwarzen Riesen an. Auf Lee wirkte die komplette Szenerie unwirklich. Gucky Spielerein hatten für sie immer noch etwas von Zauberei, obwohl ihr natürlich völlig klar war, dass ihre Gedanken in dieser Richtung völliger Blödsinn waren. Aber, und das wusste sie auch aus ihrer beruflichen Erfahrung als psychologische Psychotherapeutin, das was man sieht und das, was tatsächlich passiert und das Gehirn daraus macht, können durchaus zwei verschiedene Paar Schuhe sein.

"Was, oh Gigant aller Giganten", gab der Ilt aus Lees Sicht ziemlich theatralisch von sich, "willst du mir damit sagen?"

"Nun", Tolot lachte wieder. "die Hauptpersonen sind ein verrückter Posbi, immerhin ein paar normale und ein Matten-Willy. Also nicht ganz die typisch halutische Klientel. Die hätten wohl besser zu dir gepasst."

Er konzentrierte sich und begann zu reden.
Spoiler:
Ich Tolot erzählte vom Zentralplasma in Not:

Das Zentralplasma befand sich, wie schon geschildert in unserem, dem Halpora-System auf der zweiten Welt Dongan. Tenquo Dharab hatte Domo Sokrat und mich eingeladen, zusammen mit ihm das Zentralplasma zu besuchen. Dann wurde beim Anflug Alarm ausgelöst.

Landen konnten wir noch. Starten nicht mehr. Das Landefeld war von separaten Sperren umgeben, kein Wunder, schließlich gehörte es zum Sicherheitsbereich. Ob wir nun vor oder nach dem Alarm gelandet waren, war völlig uninteressant, wir saßen alle drei fest. Das heißt, eigentlich waren wir vier, unser leicht verrückter Posbi Pantalon war auch dabei.

Die erste Person, auf die wir vor Ort trafen, war ein ebenfalls leicht überdrehter Mattenwilly namens Punternat. Andererseits: Sind nicht alle Mattenwillys leicht überdreht? Unserer hatte eine extreme Begeisterung für terranische Schauspielerei. Als Pantalon sich ihm als Orbiter seines Ritters, also mir, vorstellte, wurden wir von unserem amöbenartigen Freund zugelabert und er hielt uns einen längeren Vortrag über Ehre und Anstand. Er hätte die selbstverständlich, den Posbis ging das alles völlig ab.

So auf diesem Niveau spielte sich das zunächst ab, also nicht so ganz etwas für Haluter. 'Die Posbis machten zudem auch einen verstörten Eindruck auf uns, das mag aber an ihrer Sorge um das Zentralplasma gelegen haben. Letzteres war genau wie auf der Hundertsonnenwelt in riesigen Kuppelbauten untergebracht und es fühlte sich nicht wohl. Den Alarm hatte es ausgelöst, weil es eine diffuse Bedrohung verspürte, irgendeinen unbekannten Einfluss im Versorgungssystem. Das Problem war nun, dass da eigentlich nichts sein konnte. Die Versorgungsleitungen waren dicht, da konnte nichts rein. Die Sache war absurd.

Unser höchstpersönlicher Matten-Willy Punternat eröffnete uns dazu, er gehe davon davon aus, dass Haluter immer wüssten, wie sie sich zu benehmen hatten. Mithin würden wir uns selbstredend anständig und zivilisiert aufführen und das Zentralplasma retten.

Wir drei hatten so unsere Probleme, mit verrückten Willys und nervösen Posbis umzugehen. Aber wir hatten einen Ansatzpunkt: Nach dem seltsamen Erlebnis mit diesem Blau-Nakken auf Halpat, der Haluterwelt, vermuteten wir hier Ähnliches und waren der Meinung, vor Ort auf dessen Artgenossen zu treffen.

Es gab ein Riesendurcheinander mit den Matten-Willys und den Posbis und so fiel es uns zunächst gar nicht auf, dass unser Hauswilly verschwunden war. Er hatte wegen seiner Spielereien den Anschluss an uns verloren und war ohne es zu wissen in einer Raumzeitfalte gelandet. Natürlich wollte er da wieder heraus, um uns von seinem Fund fremdartiger Technik zu berichten. Zu seinem Leitwesen klappte das aber nicht.

Wir trafen auf einen weiteren Haluter, der vor Ort forschte und zu des Willys Glück ein Gerät entwickelt hatte, mit dem er Raumzeitfalten orten, erzeugen und auflösen konnte. So fanden wir Punternat wieder. Fremde habe er gesehen und schien ein wenig enttäuscht, als ich ihn schon nach dem zweiten Satz unterbrach. Nakken waren es. Natürlich Nakken. Auf Halpat gab es die ja auch, also war ein Vorfinden dieser seltsamen Wesen in der Nähe des Zentralplasmas kein Wunder.

Ebenfalls nicht überraschend war, dass die Posbis plötzlich ein Raumschiff entdeckten, dass in Windeseile von nördlichen Pol Dougans startete. Es flog allerdings nicht weit. Das Ziel war Vimtesch, der erste Planet des Systems, eine tote Hitzewelt.

Wir fanden die Nakken und forderten sie auf, uns zu erläutern, was sie mit dem Zentralplasma vorhatten. Dem ging es inzwischen immer schlechter. Genau in dem Moment, in dem wir den Nakken erklären wollten, was wir in Falle des Todes des Plasmas mit ihnen vorhatten, kam die Entwarnung. Von Dongan kam die Information, dass die Krise überwunden war.

Die Nakken hatten nie vor gehabt, das Zentralplasma zu schädigen. Im Gegenteil: Sie wollten es stärken. Es habe einige Zeit gedauert, bis es sich auf ihr Mittel eingestellt hatte, aber das sei ja jetzt vorbei. Die Lebenskraft des Zentralplasmas würde zunehmen. Und in der Tat: Dem vor Kurzem noch schwer erkrankten Plasmawesen ging es von Minute zu Minute besser.

Die Nakken fragten wir noch nach den Auftraggebern dieser Geschichte. Deren Antwort war typisch: Wir verstehen weder die Frage noch deren Sinn, sagte der Nakk. Wir verließen Vimtesch und flogen zusammen mit den Nakken nach Halpat.
"Wie muss ich mir einen Mattenwilly eigentlich vorstellen? Wie eine zu groß geratene Amöbe, die über den Boden glibbert?" wollte Lee wissen.

"Vom Intellekt her wie Gucky", erklärte ihr Bully. "Sie reden alle nur Unsinn. Nein, im Ernst", relativierte er, bevor Gucky ihm eins überziehen konnte, "sie sind sensibel, ängstlich aber sehr fürsorglich. Im Normalzustand sind sie wohl zwei Meter durchmessende Kugeln, sie können aber auch jede andere Gestalt annehmen. Sie könnten beispielsweise die Form eines Würfels annehmen, der auf einmal zwei menschlich aussehende Augen bildet und darunter mit dem Mund irgendeines Wesens spricht. Und: Sie sind friedlich. Ich kann mir keinen Matten-Willy aktiv im Krieg vorstellen."

"Damit haben sie vielen anderen Intelligenzen etwas Wesentliches voraus", resümierte Lee. "Schade, dass nicht mehr Wesen solche Züge haben."

"Ja", sagte Gucky sinnierend. "Dann bliebe viel Leid erspart."

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


Einen Matten-Willy als Hauptperson hat man auch nicht allzu oft in unserer Serie gesehen. Marianne Sydow gewährt uns einen Blick von außen auf die sich um das Zentralplasma sorgenden Haluter.

Der Held der Geschichte, der sich für terranisches Theater interessierende Punternat erlebt zusammen mit dem schrägen Posbi Pantalon und später mit den Halutern Abenteuer, die er sich wohl nicht hätte träumen lassen. MS entführt uns somit in eine Welt, mit der wir sonst nichts bis nicht viel zu tun haben. Es dauert eine Weile, bis die Handlung mit den drei Halutern richtig los geht, zunächst stellt die Autorin uns die Welt der Willys vor.

Auf uns Außenstehende wirkt das alles ziemlich chaotisch, aber das ist bei Ameisenhaufen schließlich auch der Fall. Aber sie schafft es, uns Punternat näher zu bringen, der im Roman über sich hinauswächst. Natürlich wäre der am Liebsten ganz woanders und hätte seine Ruhe. Aber spätestens, als sie ihn feststellen lässt, dass er doch nicht hier stehen bleiben und gar nichts tun könne, merkt der Matten-Willy, dass er zu mehr fähig ist, als er glaubt.

Ein Roman der anderen Sorte. Marianne Sydow konnte eben nicht nur Dao-Lin-H'ay.

Und wir von der lesenden Zunft? Icho Tolot hat sein Volk wiedergefunden und wir kenne jetzt die Geschichte der Haluter. Praktischerweise lebt das Zentralplasma nur eine Welt weiter im gleichen System. Man kann also zusammen forschen und hoffen, dass daheim so ganz langsam aber sicher der große Hammer herausgeholt wird.
:fg:
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1469 - Impulse des Todes - ist von Peter Griese, erschienen am 17. Oktober 1989
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

"Wenn ich dir meine nächste Frage stelle, darfst du keinen Lachanfall kriegen. Gucky meinte, es wäre besser, dich darauf vorzubereiten, weil dich das jeder fragt und du das sehr amüsant finden würdest. Dabei kann ich mir lebhaft vorstellen, dass du damit schon tausend mal gelöchert wurdest."

Lee sah den riesenhaften Haluter an und wollte weiterreden.

Tolot wirkte belustigt und stieß etwas aus, das wohl ein kleines Lachen war. Das hört sich jetzt mal nach fernem Donner an, ging Lee durch den Kopf.

"Meine Kleinen!" sagte Icho Tolot. "Wenn ich jedes Mal einen Lachanfall bekommen würde, wenn einer von euch dummes Zeug fragt, käme ich aus dem Gelächter nicht mehr heraus. Außerdem waren bis jetzt erst achthundertdreiundsiebzig. Du bist die Achthundertvierundsiebzigste."

Lee wirkte verwirrt, weil sie ihre Frage noch gar nicht gestellt hatte.

"Es hat lange gedauert, aber ich habe gelernt, in euren Gesichtern zu lesen", erklärte der schwarzhäutige Gigant. "Und du hast das Gesicht mit der Frage nach den zwei Gehirnen aufgesetzt."

Wieder dieses Lachen.

"Ich kenne euch alle, als hätte ich euch selbst gemacht. Auch dich, obwohl wir uns erst hier über den Weg gelaufen sind." Icho Tolot fuhr fort. "Ich kann mir denken, dass es für Außenstehende seltsam sein muss, zwei Gehirne im Kopf zu haben. Frag Atlanos, der weiß, wovon ich rede. Sein Extrasinn ist ähnlich zu sehen, er erfasst, ordnet ein und analysiert logisch. Er ist ein Mahner, Warner und Ratgeber. Er sagt die Wahrheit genauso, wie er sie sieht. Allerdings fehlt ihm jegliche Empathie. In ganz seltenen Fällen kann er den Träger übernehmen.

Bei Halutern ist das ähnlich, nur dass das Planhirn separat vom Ordinärhirn untergebracht ist. Sie arbeiten im Normalfall beide synchron, ich bin aber auch in der Lage, die Verbindung zu trennen. Auch bei uns kann in seltenen Fällen das Planhirn die komplette Kontrolle übernehmen, zum Beispiel, wenn das Ordinärhirn beeinflusst ist."

"Dann hast du sozusagen zwei Persönlichkeiten in deinem Kopf?"

Tolot wirkte immer noch amüsiert.

"Nein, ich bin nur eine Person. Meine Persönlichkeit, mein Ich, wird durch das Ordinärhirn abgebildet. Ohne das Ordinärhirn wäre ich eine Art eiskalter Rechenmaschine, ein Wesen mit klarem Verstand, aber ohne Seele. Das Planhirn denkt streng logisch und absolut gefühllos. Ein Beispiel: Ich stehe an einer Weggabelung und muss mich entscheiden. Ich weiß zudem, dass du in Gefahr bist und ich nach rechts gehen muss, um dich zu retten.
Das Planhirn analysiert meine Überlebenschancen und kommt zu dem Ergebnis, dass ich, um mich selbst nicht in Gefahr zu bringen, nach links gehen muss. Das macht es mir dann auch klar. Aber es ist nun mal absolut gefühllos, wie ein Rechner. Und Gefühle machen ein Wesen doch erst aus, oder? Ich kann mich also trotz der Gefahr und der abweichenden Meinung meines Planhirns für rechts entscheiden, um die in Gefahr befindliche Person zu retten. Das Planhirn kann mich nicht nach links schicken.

Ein weiteres Beispiel: Ich stehe irgendwo und benötige die fünfte Wurzel aus einer siebenunddreißigstelligen Zahl. Das Planhirn rechnet wie eine Positronik und nennt mir das Ergebnis in sehr kurzer Zeit. Wie es das macht, weiß ich nicht. Ich kriege nur das Ergebnis genannt. Weiterhin zeichnet es alles auf, was ich erlebe. Ich kann völlig problemlos irgendeine Information abrufen, die vor 643 Jahren abgespeichert wurde. Ab und zu ist sowas ganz praktisch."

"So ein Teil hätte ich in der Schule brauchen können", sinnierte Lee halblaut vor sich hin und sah aus den Augenwinkeln, dass Gucky auf einmal aufstand, sich konzentrierte, plötzlich neben Tolot auftauchte und sofort mit ihm verschwand. Zwei Sekunden später war er wieder da.

"Das war ein Satz zu viel", erklärte er Lee. "Nicht nur Haluter haben gelernt, die Physiognomie anderer Wesen zu erlernen, zum Glück habe ich inzwischen kapiert, wie Haluter gestrickt sind und wann sie vor einem Lachanfall stehen. Glaub mir, wenn ich ihn hiergelassen hätte, bräuchten wir alle die nächsten paar Tage nicht mehr zu reden. Wir wären nämlich stocktaub."

Ganz weit weg hörten die Freunde einen mittleren Weltuntergang tosen. "Du meine Güte", sagte Lee. "Ich hab doch nur von der Schule geredet, das war doch nichts."

"Naja", brummte Bully. "Der Humor eines Haluters ist manchmal etwas wundersam. Man sagt einen ganz normalen Satz und dann bricht er in Gelächter aus. Stell dir das jetzt mal mit einer ganzen Horde von diesen Kerlen vor." Und an Gucky gewandt: "Wie weit ist er denn weg? Hoffentlich wohnt da keiner."

"Keine Sorge, das hab ich vorher ausgekundschaftet. Es sind ungefähr dreißig Kilometer, mitten im Wald. Da leben höchstens ein paar Wildschweine, die jetzt aber sicherlich kurz vor einem Infarkt stehen. Also nichts, was nachhaltig beeindrucken wird. Zurück kommt er zu Fuß, dann hat er auch mal was Bewegung. Vielleicht kriegt er dann ja auch Hunger, ich zumindest könnte was essen."

"Erst erzählst du uns noch eine Runde, mein Lieber", konstatierte der Terraner. "Wer nichts tut, braucht auch nichts zu beißen."

"Dann wärest du längst verhungert, Dicker", erwiderte der Mausbiber. "Und ich, ich wäre nur am Kauen." Er seufzte. "Was tut man nicht alles für seine Freunde. Dann fangen wir mal an. Du weißt noch, Lee, wer Sato Ambush war?"

"Das war dieser seltsame Parallelwelt - Professor", erinnerte sich Lee.

Gucky grinste. "Fast, meine Liebe, fast. Pararealist ist die korrekte Betitelung. Um den dreht es sich hier. Er versuchte schon eine ganze Zeit, das Geheimnis der Cantaro zu ergründen."
Spoiler:
Gucky erzählt von den Impulsen des Todes:

Tiff hatte ja die drei Anoree Degruum, Gavval und Shyrbaat von seinem ungewollten Abstecher durch das Amagorta Black Hole mitgebracht. Die wiederum hatten ihre Friedenssprecher aufgestellt und waren so an einen Cantaro namens Shoudar, den fehlgezüchteten Generalfähnrich, drangeraten. Die alle wollten zusammen mit Sato Ambush und jeder Menge anderer Wissenschaftler auf Heleios hinter das Geheimnis der Cantaro kommen.

Wie funktionierte die Sache mit dem Todesimpuls, war die Frage aller Fragen. Shoudar war freiwillig vor Ort und lebte noch. Gut, der ging als Fehlzüchtung durch. Man hatte das fehlerhafte Bauteil oder Organ, so genau weiß ich das nicht mehr, gefunden. Auf jeden Fall hatte dieser Fehler dafür gesorgt, dass er noch lebte.

Bei einigen anderen Cantaro, derer man habhaft geworden war, hoffte man, dass der Todesimpuls nicht an sie herankam und daher hatte man sie unter einem Paratronschirm in Sicherheit gebracht. Du siehst also, man hatte an nichts gespart. Trotzdem explodiert der Cantaro Rodigar. Irgendwas stimmte da also nicht. Denn ein wie auch immer gearteter Todesimpuls wäre nie und nimmer durch einen speziell geeichten Paratronschirm durchgekommen. Ein energetischer Befehl von draußen konnte die Explosion nicht ausgelöst haben. Denn dann wären alle Cantaro dabei gewesen. Es war aber nur Rodigar. Mithin konnte der Auslöser also nur von innen gekommen sein.

Man baute Rodigar nach, man machte in Simulationen und kam doch nicht so richtig weiter. Sato hatte einen Verdacht, klar, aber so ganz ohne Beweis nützte der nicht viel. Dann redete unser Prof auf einmal von Darshool, dem auf Phönix gefangen genommenen Cantaro. Der behauptete seinerzeit, er müsse in absehbarer Zeit in die Milchstraße zurück, weil er sonst sterben würde.

Jetzt war man hier aber in der Milchstraße, Teufel auch. Aber die Cantaro vor Ort waren hinter einem Spezialschirm verborgen was vielleicht die gleiche Wirkung wie ein Aufenthalt außerhalb unserer Galaxis hatte. Wirklich weiter kamen die Forscher erst, als sie von einem der anderen Gefangenen erfuhren, dass Rodigar sich vor dem Angriff auf Phönix bereits längere Zeit außerhalb der Milchstraße aufgehalten hatte. Ihm fehlte also schon eine gewisse Zeit der Lebensimpuls. Dazu kam der Schutzschirm, die ihm augenscheinlich zur Verfügung stehende Zeit war verstrichen und - bums. Im Rahmen der Untersuchungen eines Freiwilligen fand man zwar das entscheidende Organ, aber auch dieser Cantaro fand den Tod.

Die anderen konnte sich dann ausrechnen, dass sie wohl auch nicht mehr lange hatten. Schaltete man den Paratronschirm ab, kam der Todesimpuls. Ließ man ihn an, fehlte der Lebensimpuls. Vertrackte Situation. Aber nun war wenigstens klar, wie Monos oder wer auch immer sich die Treue der Cantaro sicherte. Und diese Mordmaschinerie sollte, nein, musste zerstört werden.

Dann kam Shoudar, unser Generalfähnrich des Wegs. Er erinnerte sich auf einmal an einem Namen aus seiner Ausbildung: Amagorta. Zudem, so sagte er, hätten die Anoree diesen Namen benutzt und er sei in den Dateien der Perle Moto enthalten. Der Name weckte ein Echo in ihm. Aber es gelang ihm nicht, sich zu erinnern, auf wen oder was sich dieser Begriff bezieht. Aber da gäbe es eine Stützpunktwelt. Angermaddon hieße die. Shoudar bot sich an, dort hin zu fliegen und Nachforschungen anzustellen. Gefahr für sich und andere sah er zunächst nicht, da es ihn in den Dateien der Herrscher nicht mehr gäbe. Er war schließlich offiziell explodiert. Dass er noch lebte, brauchte keiner zu wissen. Zudem habe er die charakteristische Ausstrahlung eines Generals. Er könne also ohne Schwierigkeiten an die gewünschten Informationen kommen.

Perry meinte dazu, der Plan wäre primitiv. Aber grade dadurch hätte er Chancen auf Erfolg.
"So langsam wird es aber was mit euch, oder?" fragte Lee. "Die Haluter forschen, das Zentralplasma ist fitter denn je und zu Hause geht es langsam ans Eingemachte. Jetzt noch Gesil finden und dann drauf auf die bösen Buben. In zehn weiteren Erzählungen dürften wir durch sein."

"Merk dir eins, junge Frau", sagte Gucky. "Wir sind fertig, wenn wir fertig sind. Und zwar frühestens eine Viertelstunde vor Ende der letzten Geschichte. Denn wir halten unsere Interessenten immer ziemlich lange hin, um letztlich alles in den allerletzten Minuten zu klären oder zu erklären. Also bitte Geduld."
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Peter Griese schrieb einer zwar gut lesbaren, aber letztlich hauptsächlich sachlich gehaltenen Roman. De Teil mit den Vierzehnjährigen, der seinen Lieblingsroboter durch die Explosion des Cantaro verlor, habe ich weggelassen, sie hat mich nicht unbedingt angetörnt. Außerdem sagt man zu solchen Jungs nicht mehr "kleiner Mann", wie Rhodan das hier tat. Ist wohl zu lange her, dass Mike mal so alt war.

Die Explosionen der zweiten, zu untersuchenden Cantaro erzeugte genauso viel Spannung, wie der ganze Band: Keine. Andererseits: Wir sehen Wissenschaftlern bei der Arbeit zu und das ist nun mal nicht dauerhaft interessant. Aber auch das gehört zu einer Serie wie PR dazu: Auch mal die Protagonisten der zweiten Reihe und deren Arbeit zu schildern. Immerhin ist man einen Schritt weiter gekommen.

Bewertung: Durchschnitt vom Durchschnitt. Je nach Betrachter 3 oder 4. Sagen wir, drei minus.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1470 - Der Arzt von Angermaddon - ist von Arndt Ellmer, erschienen am 24. Oktober 1989
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Atlan und John kamen erhoben sich und schlenderten zu den anderen drei, Tolot war noch nicht wieder da.

"Wir haben noch ein paar Monate Zeit, bevor es hier mit dem Wahlkampf richtig los geht. Ich schlage vor, wir machen einen Ausflug. Wir nehmen ein Beiboot der RAS TSCHUBAI und zeigen unseren Freunden ein wenig von der Milchstraße. Bist du in deiner Praxis abkömmlich, Lee?"

Lee nickte. Sie hatte in letzter Zeit neue Ärzte eingestellt und wusste ihre Patienten in sicheren Händen. Es wäre einiges zu organisieren, aber das war kein Hinderungsgrund.

"Okay. Dann warten wir noch bis Tolotos wieder zurück ist und besprechen den Rest."

Der Haluter ließ nicht lange auf sich warten und kam weinige Minuten später aus dem Gestrüpp. "So ein kleiner Morgenmarsch durch unwegsame Wälder macht hungrig", meinte er und sah sich nach Essbarem um.

"Keine Sorge", meinte Gucky und unmittelbar, nachdem er laut "Bedienung" gerufen hatte, stand der bekannte Museumsroboter vor ihm. "Begib dich erst mal zu unserem Lieblings-Haluter", beschied er dem Museumsstück. "Der dürfte selbst dich eine Weile beschäftigten. Icho, du kannst deine Bestellung aufgeben!"

Der Haluter musterte den Uralt - Robot misstrauisch. Wenn man denn bei Halutern von misstrauischen Blicken sprechen kann, ging es Lee durch den Kopf. Eigentlich sieht er so aus, als würde er unser Museumsstück gleich zu Klump schlagen. Sie blickte interessiert auf das weitere Geschehen.

"Ich darf nur eine leichte Vorspeise zu mir nehmen", erläuterte Tolot den anderen. "Ich wiege 260 Kilogramm zu viel. Anscheinen war ich etwas faul die letzte Zeit." Er lachte leise in sich hinein und sah den Robot an.

"Bring mir eine einem halutischen Hors D'oeuvre entsprechende Menge an achtkommafünf Zentimeter durchmessenden armonischen Marmors, leicht mit Kohleadern durchzogen."

"Sehr wohl, Sir!" sagte der Robot und stapfte von dannen.

"Mit dem stimmt was nicht. Wo habt ihr den her?" fragte er in die Runde.

John erklärte die Geschichte von dem Museum und dass er regelmäßig bewegt werden müsse, damit er in Schuss bleibe.

"Dann dürfte er nicht so viel Energie enthalten. Sein Energielevel beträgt das 438,575 fache seines Normalzustandes als einfacher Bedienungsrobot. Ich würde ihn gerne auseinandernehmen."

"Das hat nicht viel Sinn", erklärte Gucky. "Wir hatten so einen Kandidaten schon mal. Wenn man sie ausforschen will, stellen sie sich in eine Ecke und schalten sich ab. Vorher sagen sie noch, es tut mir Leid, dass ich nicht ihren Wünschen entspreche oder sowas, dann sind sie weg. Einmal hatte er sich sogar unter einen Paratronschirm gestellt, da lief dann gar nichts mehr. Also haben wir es sein gelassen und die Bedienung genossen."

Gucky hatte noch nicht ganz zu Ende geredet, als ihr künstlicher Kellner mit der ersten Bestellung ankam. Auf einer Antigravtrage schob er ein großes Behältnis vor sich her, ca. 8 x 2,5 x 3 Meter messend, randvoll mit 8,5 Zentimeter durchmessenden Marmorkugeln. Vor dem Haluter blieb er stehen.

"Ihre Bestellung, Sir!" sagte er. "Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne."

Tolot war bester Laune. "Einwandfrei", meinte er nach Prüfung. "Mit der passenden Menge Kohle. Die ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber der Geschmack - herrlich!"

Er isst hartes Gestein, wie unsereins Schokolade! Lee sah dem schwarzen Riesen fasziniert zu. Sie bekam aus dem Augenwinkeln die Bestellungen der anderen mit - Atlan orderte als Getränk wieder 6 Flaschen irgendeines exquisiten Rotweins und Bully wollte erneut einen seltenen schottischen Whisky. Von derlei Getränken hatte sie nicht allzu viel Ahnung, von Wein schon gar nicht. Davon gab es ihrer Meinung nach sowieso nur zwei Sorten, nämlich Wein, der ihr schmeckte, und Wein, der ihr nicht schmeckte. Als der Robot vor ihr stand, bestellte sie einen leichten gemischten vegetarischen Salat, dazu eine Flasche ihres Lieblingsbiers Best Essex Red Coloured Pale Ale.

Nach dem Essen meinte Reginald Bull: "Dann haben wir ja in Bälde etwas außerhalb von Newengland zu tun. Aber bevor wir hier die Zelte abbrechen, erzählt unser Kleiner uns noch die nächste Episode. Er war nämlich dabei. Zwar die halbe Zeit nur als Mausbiber in Lauerstellung, aber besser als nichts. Herr Sonderoffizier, ich lasse bitten."

"Immer auf die Kleinen", mokierte der Ilt, sammelte sich kurz und begann mit seiner Schilderung der Ereignisse.
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte des Arztes von Angermaddon:

Hätte ich gedurft, wie ich gewollt hätte, wären wir natürlich wesentlich schneller fertig gewesen. Rein, Positronik überlisten, raus und ab dafür. Aber so? Gucky in Wartestellung. Und der einzige Kontakt zur Außenwelt war ein auf halbtot gemachter Roi Danton, der mich mit seinen Gedanken auf dem Laufenden hielt.

Ich denke, wenn es schon so ablaufen sollte, war es aber ganz gut, dass es Roi und nicht unser Dicker hier war. Ich fürchte, bei seinen Denkprozessen wär da nicht all zu viel gekommen. Sieh mich nicht so an, ich weiß wovon ich rede.

Wir waren als Stoßtrupp unterwegs und mussten daher einen auf Tarnung machen. Das fing mit den Namen an. Gucky blieb Gucky. Erstens, weil ich an Bord unseres Dampfers bleiben sollte und zweitens, weil ich sowieso einzigartig bin. Der Rest wurde umgetauft: Unser Generalfähnrich, der Cantaro Shoudar, hieß Xattur. Weiterhin war der Vario 500 dabei, besser als Anson Argyris bekannt, er wurde zu Zhoquun und der Dritte im Bunde war eben Mike, der sich - Nomen est Omen - Michaelson nannte. Wie überaus fantasievoll ihr Menschen doch seid.

Nun gut. Unser vermeintlicherer General Xattur tauchte mit seinem Schiff auf einmal über Angermaddon auf und behauptete, er sei im Auftrag des Supremkommandos unterwegs und habe einen hochrangigen WIDDER an Bord. Sein Raumer war ein umgebautes und getarntes ehemaliges Brutschiff namens CHOCHADAAR. Shoudar alias Xattur war durch seine Ausbildung für seine geplante Tätigkeit als General vorbereitet und konnte also sowohl die entsprechende Kennung als auch die zu einem Cantaro - General gehörende Arroganz ausstrahlen. Den Vario 500 mit Namen Zhoquun stellte er als seinen Adjutanten vor und Michaelson, der WIDDER, war angeblich erkrankt und müsse umgehend zum einen dringend sowieso und zum anderen von seinem Gedächtnisschwund geheilt werden. Nach unserer Landung sollte Mike erstmal einen auf bewusstlos machen, Kontakt zur unserem Dreierteam bestand über Mike zu mir. Das war zwar etwas einseitig, aber im Ernstfall hätte ich jederzeit eingreifen können, um unsere Freunde aus der Bredouille zu retten.

Ich muss ja schon sagen, der liebe Xattur hätte einem Arkoniden in besten Zeiten Konkurrenz gemacht, zumindest, was die Arroganz anging. Er vermisse sein Empfangskomitee, bellte er ins Mikrofeld und meinte, er sei wohl auf einer Welt voller Schlafmützen gelandet. Herrlich! Dann raunzte er weiter, er benötige umgehend einen Arzt, der seinen wertvollen Gefangenen aus der Bewusstlosigkeit erwecke, aber bitte lebend. Tote Gefangene würden nichts bringen; er hoffe, dass man das begreife.

Diesen Arzt gab es tatsächlich. Er hieß Tebye Garnoda, Teufel auch, wieso weiß ich das eigentlich alles? Genauso wie ehedem. Je mehr ich rede, desto mehr fällt mir ein. Ich habe nur keine Ahnung, wo ich das herhole. Naja, auch egal. Auf jeden Fall war der Arzt zusammen mit einem befreundeten Blue, ja, Blue, damals sagte man noch nicht Jülziish, da war die Welt noch einfacher. Wo war ich stehengeblieben? Ihr macht einen ganz wuschig im Kopf. Halts Maul, Dicker, mit dir hat keiner geredet.

Ach ja, der Doc. Er erwies sich als Cantaro - Gegner. Mit denen war er nie so ganz einverstanden gewesen; aber spätestens, als sich die Beiden ins ARINET, dieses milchstraßenweite Kommunikationsnetz der WIDDER einloggen konnten, war es ganz vorbei. Dort hatten sie nicht nur von den Aktivitäten der WIDDER erfahren, sondern auch, dass Perry Rhodan noch lebte. Damit war klar, wem seine Sympathien galten.

Und dieser Tebye Garnoda war aber auch ein begnadeter Arzt und so wurde er uns von den örtlichen Cantaro zur Seite gestellt. Er weckte den vermeintlichen Michaelson auf, erkannte bei dieser Aktion aber den Zellaktivatorträger Roi Danton und gab sich uns als Cantaro - Gegner zu erkennen. Man brachte sich gegenseitig auf einen aktuellen Stand der Dinge, nur mit den falschen Michaelson war das nicht so einfach. Mike machte nämlich wie besprochen einen auf Gedächtnisschwund und türmte aus seinem Krankenbett. In dieser Zeit verwirrte unser verehrter General die Obrigkeit von Angermaddon mit ziemlichem Druck.

Derweil sollte der Vario500 versuchen, aus dem Rechnersystem Angermaddons Informationen über Amagorta abzurufen, was natürlich nicht funktionierte. Die Daten waren zu sehr gesichert. Wir wussten so ganz langsam auch nicht mehr weiter, zumal sich Shoudars ehemaliger Schulungsleiter Ayshupon auf dieser Welt herumtriebt. Dem war natürlich völlig klar, mit wem er es hier wirklich zu tun hatte und wir sahen uns gezwungen, Angermaddon zu verlassen.

Und jetzt, endlich, bekommt Gucky seinen Einsatz. Wie gesagt, dass hätten wir alles wesentlich einfach haben können, aber mir glaubt ja keiner. Gucky, der Mutige oder manchmal auch Gucky, der Bedarfssoldat, durfte unser Team herausholen und zurück auf unser Schiff bringen. Ohne die Daten, was natürlich mehr als ärgerlich war. Aber dafür mit dem Nakk Ayshupon, der passenderweise auf einmal in der Unterkunft unserer Leute erschien. Wir paralysierten ihn und nahmen ihn mit.

Im letzten Moment erschien Zhoquun, also der Vario-500. Er erzählte uns eine wirre Geschichte über depressive Cantaro, die irgendwo mit Glückshormonen überschüttet werden mussten, damit sie nicht vor die Hunde gingen. Dabei ist er im letzten Moment an die Koordinaten von Amagorta gekommen. Wir zogen wieder ab.

Dann eröffnete Ayshupon uns etwas Überraschendes: Das Paralysieren sei unnötig gewesen. Er hätte uns nicht verraten. Mehr sagte er nicht, obwohl er natürlich von unseren Leuten mit Fragen bombardiert wurde. Aber ein Nakk ist und bleibt ein Nakk. Die sagen nichts bis nicht viel und wenn sie mal was von sich geben, versteht man den Sinn die halbe Zeit nicht. Also entschied ich, dass er als unser Gefangener bei uns bleiben sollte. Auf unserem Stützpunkt durfte Perry dann entscheiden, was mit ihm passieren solle.
'Gucky wurde auf einmal ganz still und blickte in die Runde. Nach einer Weile holte er tief Luft und sagte: "Die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende. Den Arzt Tebye Garnoda hatten wir nicht mitgenommen. Und er wollte unter allen Umständen vermeiden, uns ungewollt zu verraten. Später haben wir erfahren, dass er auf keinen Fall das Schicksal seines Freundes, des Blue, teilen wollte. Der war zu Tode gekommen und die Cantaro hatten eine Mnemosektion vorgenommen. Sie hatten sein Gehirn auseinander genommen und sein Wissen erhalten. Nein, sein Entschluss muss feststanden haben. Er begann Suizid. Tebye war ein Held."

"Wie so viele, ohne die wir nicht hier säßen", sagte Bull ergänzend. "Ohne diese stillen Helden gäbe es uns längst nicht mehr."

Atlan nickte bestätigend. Icho Tolot verneigte sich und erwies Tebye Garnoda auf diesem Wege noch Jahrhunderte nach dessen Tod seine Ehrerbietung.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Manchmal spielt einem das Gehirn einen Streich. Die Welt hieß Angermaddon. Ich habe natürlich prompt ständig Armageddon gelesen und durfte mich dafür manches Mal symbolisch ins Kreuz treten.

A.E.'s Roman hat mir besser gefallen als der Vorgänger. Es war zwar klar, dass man an die gewünschten Koordinaten von Amagorta kommen werde, aber vorher wusste die geneigte Leserschaft nicht, ob man nicht einen ziemlichen Preis dafür zu zahlen habe. Seinerzeit war die Autorenschaft grade dabei, den Einen oder die Andere aus der Gilde der Unsterblichen über die Klinge springen zu lassen. In den damaligen Leserbriefen las ich so manches mal, dass die Anzahl der Roi Danton Befürworter im Sinken begriffen war. Vielleicht wäre es eine gute Möglichkeit gewesen, auch ihn den Gang alles Irdischen gehen zu lassen. Vielleicht dachte man aber auch, dass das für den schon so heftig beanspruchten Papa Rhodan zu viel geworden wäre.

Die Rolle, die RD spielte, hätte jeder darstellen können, der etwas Erfahrung hatte. Nun gut, war nicht. Aber bis er in der EA wieder eine wirklich tragende Rolle spielen würde, sollte noch einiges an Zeit vergehen. Und auch in der aktuellen Handlung Band 3246 weiß man nicht, wohin mit ihm. Die beiden SOL Abenteuer zähle ich nicht mit, weil keine EA.

Arndt hat die Story mit dem verkappten Cantaro General gut hingekriegt und es hat Spaß gemacht, den Band zu lesen. Kein Überflieger, sicherlich nicht, aber gute Unterhaltung. Daumen hoch!

So ganz langsam scheint es interessant zu werden. In den nächsten beiden Bänden wird man uns die Geschichte der Archäonten erzählen und im der Report - Vorschau tauchen die Namen Supremkommando und Gesil auf. Na also! wird doch.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Zwischenspiel:

Nach drei Tagen war soweit alles sortiert und geregelt. Bevor man sich nun an Bord der HALUTA begab, sollte in Billy McGuyers singendem Ochsen nochmal kräftig gefeiert werden. Icho Tolot passte natürlich nicht durch die Tür, blieb draußen vor dem Haus sitzen und spielte eine Art Klettergerüst für Kinder, die von dem Haluter begeistert waren. Das beruhte nun durchaus auf Gegenseitigkeit und der schwarze Riese hatte seine liebe Not, immer schön leise zu reden bzw. zu flüstern. Denn reden musste er viel.

"Wieso bist du so groß?"
"Was machst du den ganzen Tag?"
"Wo lebst du?"
"Wie lebst du??" oder
"Was hast du schon alles erlebt?"
sind nur einige wenige der Fragen, mit denen er beglückt wurde.

Gucky spitzte innen die Ohren und war eigentlich ständig bereit, Tolot wegzuteleportieren, falls die Neugierde der Kinder zu einem Lachanfall führen sollte. Dann sah er sich hier um. Atlan unterhielt sich mit Lee und John, das Thema war wie immer die vermaledeite Politik. Öffnung oder eben nicht, dachte er. Was für ein Unsinn! Gibt es bei denen eigentlich keine Neugierde auf Andere und Anderes? Die machen doch sonst einen völlig normalen Eindruck. Mal sehen, was nach unserem Rundflug wird. Und heiraten müssen die Zwei auch noch. Wahlkampf haben sie nach unserer Rückkehr. Aber noch sind wir ja nicht weg. Ich muss sehen, dass ich Perry mit zu der Hochzeit kriege, dann fallen die sicherlich um. Naja, erst muss er mal wollen. Egal. Wenn er nicht will, nehme ich ihn einfach mit. Aber soweit sind wir ja noch nicht.

Aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie Billy Bully grade erklärte, wieso bei diesem Schreihals - Song, den sie hier immer spielten, die Leute bei dem Satz "I live by the river" immer in die Luft sprangen. Und genau auf dem zweiten "r" in river wieder auf dem Boden ankamen. Egal, ob sie sieben, fünfundsiebzig oder hundertfünfundsiebzig Jahre alt waren. Er spitzte die Ohren und Ilts haben ein erstklassiges Gehör.

"Das war ganz einfach so", erklärte der Wirt, "als die ersten Siedler hier gelandet waren und aus der OLD LONDON TOWN herauskamen, lief über die Außenlautsprecher so ein Atomkrieg - Krawaller mit voller Lautstärke. Wie real das in dem Lied geschilderte Szenario damals tatsächlich war, kannst du besser beurteilen. Auf jeden Fall machten sie einen Höllenlärm und bei der ersten Zeile "London calling to the faraway town" müssen die damaligen Neuankömmlinge Rotz und Wasser geheult haben. Ein paar von Ihnen sollen sogar wieder zurück geflogen sein. Wie dem auch gewesen sein mag, das Teil wurde sowas wie unsere heimliche Hymne."

Und warum hüpfen die dann herum, als hätten sie sie nicht mehr alle? Gucky fehlte da noch ein wenig an Erläuterung.

Bully meinte so wohl was Ähnliches, auf jeden Fall sah er Billy weiter erwartungsvoll an.

"Ja, und dann", fuhr Billy McGuyer fort, "müssen ein paar Hundert Jahre später einige Jugendliche während einer Feier des Nachts und nicht mehr ganz nüchtern der Meinung gewesen sein, bei dem Stück etwas für die Optik tun zu müssen. Sie sprangen auf dem Wort "river" in die Luft. Nun gut, sie versuchten es zumindest, voll, wie sie waren. Ein ganz besonderer Scherzbold hatte die Aktion gefilmt und ins Netz gestellt. Einen Tag später hatten sie es gemerkt und wollten es löschen. Aber da war es zu spät. Zigtausend mal kopiert fing auf einmal ganz Newengland an, herumzuhüpfen. Ich weiß nicht, wie lange das her ist. Fünfhundert Jahre? Tausendfünfhundert? Egal. Es hat sich bis heute gehalten und ein Ende ist nicht abzusehen."

Gucky sah, dass Reginald sein 0,4 Liter Glas Nr. 12 austrank und ein neues bestellte. Das müsste doch wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn hier keine maßvolle Öffnung zustande käme. Dafür ist Atlan zuständig. Wenn am Schluss noch der entscheidende Anstoß fehlt, werde ich dazu kommen. Und ich erzähle ihnen von meiner Neugierde. Damals, als ich Tramp verließ und in die STARDUST II teleportierte.

Er lehnte sich zufrieden zurück und besah sich das Treiben im Singenden Ochsen.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Eigentlich

sollte es hier schon längst weitergegangen sein. Eigentlich. Das Problem an der Sache ist, dass ich im Moment absolut keine Zeit habe. 25 Jahre nach unserem Anbau steht zu Hause der nächste große Renovierungsschub an. Neue Fenster, ein paar offene Stellen im Dach dämmen und der ganze Kram innen. Dazu kommt unser Bürgerverein mit dem aufzubauenden historischen Archiv. Mein Auto hat den Geist aufgegeben und gefühlte 100 Arzttermine wegen diverser Vorsorgeuntersuchungen.

Ich komme noch nicht mal dazu, mir die Romane der EA mit Milchstraßenhandlung runterzuladen, geschweige denn lesen. Seht es mir nach, irgendwann wird's besser werden, dann geht es hier auch weiter. Vergessen hab ich es nicht.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
Tennessee
Zellaktivatorträger
Beiträge: 2072
Registriert: 12. Juli 2012, 00:32
Wohnort: vlakbij

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

R.B. hat geschrieben: 17. November 2023, 12:45 Eigentlich

sollte es hier schon längst weitergegangen sein. [....]dann geht es hier auch weiter. Vergessen hab ich es nicht.
Gutes Gelingen für alle An-, Aus-,Neu- oder Zubauten. Und toitoitoi für die Untersuchungen. Ich kann geduldig warten und freue mich, wenn es weiter geht.

Darauf einen Cocktail! *zwinker*
„Ein Wort“, sagte Humpty Dumpty, „bedeutet genau das, was ich es bedeuten lasse, nichts anderes.“
„Die Frage ist“, sagte Alice, „ob du Worten so viele Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – das ist alles.“
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band1471 - Museum der Archäonten - ist von Robert Feldhoff, erschienen am 31. Oktober 1989 und
Band 1472 - Loge der Unsterblichen - ist von Ernst Vlcek, erschienen am 7. November 1989
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Sie standen in der Zentrale des 350 Meter durchmessenden Raumschiffes von Icho Tolot, der HALUTA IV, und sahen zum ersten Mal aus dem All auf ihre Welt. Newengland erstrahlte auf dem großen Bildschirm in voller Pracht und sie waren fasziniert.

"Kommt mal mit", sagte Gucky, fasste Lee und John an den Händen und sprang mit ihnen in einen Raum, in dem außer ein paar Sitzgelegenheiten und etwas, das aussah wie ein Rechneranschluss eigentlich nichts zu finden war. Gucky wandte sich dem Anschluss zu und meinte: "Alles klar, Icho. Dann mach mal auf."

Die Beiden beobachteten staunend, wie die Wand, anscheinend die Außenhülle des Raumschiffes, durchsichtig wurde. Der Raum dunkelte sich ab und sie hatten auf einmal das Gefühl, frei im Weltraum zu schweben. Natürlich hatten sie schon Aufnahmen ihres Planeten gesehen, aber ein Trivid war eben mit der Wirklichkeit nicht zu vergleichen. Ihre Welt wirkte so klein, so verletzlich, sie war einfach nur ein blaugrüner Nadelkopf in der Weite des Alls.

"Wir müssen immer aufpassen. Immer!", flüsterte Lee. "Das darf nicht kaputt gehen." Sie blickte John an und ihr war umgehend klar, dass eines der Hauptthemen seines Wahlkampfes der Umweltschutz werden würde, neben dem anderen großen Bereich, Öffnung oder nicht. Aber grade bei Letzterem waren die Würfel noch nicht ganz gefallen. Sie nahm aber an, dass die Reise, die grade begann, zu einer Entscheidungsfindung beitragen würde.

Newengland wurde langsam aber sicher kleiner, war auf einmal verschwunden und sie kamen sich vor, als wären sie alleine in tiefer Schwärze - abgesehen von den paar leuchtenden Punkten um sich herum. Aber sie mussten in Bewegung sein, denn ganz weit hinten wurde einer dieser winzigen Punkte größer. Das ist East Alderney, ging es Lee durch den Kopf. East Alderney, wusste sie, war ein Wasserstoffgigant mit 1,6 Jupitermassen. Von dem originalen Jupiter wusste sie nur, dass er im Solsystem zu finden war und dass er immer noch als Maßeinheit für Riesenplaneten galt. Sie erkannte Ringe, Wolkenbänder und mehrere große Sturmfelder, die wie seltsame Flecken wirkten. Der Riese verschwand nach einiger Zeit und der Außenbereich des Systems näherte sich. Außer ein paar Eisbrocken fand sie nicht viel. Aber auch hier war sie von der bizarren Schönheit fasziniert und konnte sich nicht sattsehen.

Gucky riss sie beide recht heftig aus ihren Träumen. "So, ihr Herzblätter", holte er sie in die Wirklichkeit zurück und sie saßen wieder in dem kleinen, fast leeren Raum. Er sah beide an. "Das verpasst man, wenn man sein ganzes Leben auf eurer Hinterwäldlerwelt verbringt. Es gibt so viel zu sehen, das kann und darf man seinen Leuten nicht vorenthalten. Bei allem Verständnis für eure Eigenbrötlerei, immerhin hat sie euch viel Ungemach erspart, aber Interessierte müssen die Möglichkeit haben, so etwas auch erleben zu können. Und das hier ist erst der Anfang. Ihr werdet sehen."

Er transportierte Lee und John auf seine bewährte Art zurück in die Zentrale, wo sie von sechs erwartungsvoll schauenden Augen - Sieben, korrigierte Lee ihre Gedanken, angesehen wurden.

"Da ist man erstmal sprachlos", sagte John. "Ich hatte das Gefühl, auf die Ewigkeit zu sehen und so mancherlei kleinliches Gezänk kommt mir sowas von überflüssig vor. Es ist unbeschreiblich."

"Ja", sagte Atlan. "So geht es jeder Person, die zum ersten Mal diesen Blick hat. Man gewöhnt sich zwar dran, aber wenn man ehrlich zu sich selber ist, bleibt die Faszination erhalten. Auch nach gefühlten Ewigkeiten."

Sie ließen den Menschen von Newengland genug Zeit, um die Eindrücke der letzten zwei Stunden verarbeiten zu können. Vergessen werden sie das sowieso nie, ging Gucky durch den Kopf, während er überlegte, mit welchem Schiff die Reise weitergehen sollte. Tolot wurde auf Halut gebraucht und war in Bälde unabkömmlich. Der Ilt lehnte sich zurück.

"Aber erstmal geht unsere Geschichte weiter", sagte Gucky.

Lee prüfte, ob ihr Aufzeichnungsgerät noch eingeschaltet war und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Spoiler:
Gucky erzählt von dem Museum der Archäonten:

Also, ich halte Perry ja für lernfähig. Im Gegensatz zu dir, Dicker. Stur wie sonstwas und wenn du etwas nicht kapieren willst, kann man jegliche Hoffnung fallen lassen. Perry ist anders. Der hat zum Beispiel von unserer Lieblings - Superintelligenz ES gelernt, kryptisches Zeug von sich zu geben und danach geheimnisvoll zu lächeln.

So nervte er den armen Homer, unser Finanzgenie und damaligem Chef von WIDDER, als er vier von seinen Raumschiffen haben wollte. Ohne Besatzung. Was damit passieren sollte, sagte er natürlich nicht. Dabei hatten die WIDDER so viele funktionsfähige Schiffe nun auch wieder nicht. Aber unser größter aller großen Meister beruhigte Homer auf seine ureigene Art. Dessen Sorgen, so unser Überheld, erübrigten sich. Er, Perry der Große, könne nämlich schon jetzt garantieren, dass der WIDDER - Chef die bewussten vier Einheiten nie wiedersehen würde.

Ich glaube, Homer hätte ihm in einer ersten Reaktion am Liebsten den Hals herumgedreht; aber er wird es wohl bei einem Seufzer belassen haben. Man kennt eben seine Pappenheimer und lässt ihnen letztlich dann doch ihren Willen.

Nach Amagorta sollte es gehen. Das hatte die Auswertung der auf Angermaddon erbeuteten Daten ergeben. Amagorta war ein schwarzes Loch und sollte der geheimnisumwobene Zufluchtsort der Herren der Straßen sein. Wer oder was diese Herren waren, wusste ja immer noch niemand so genau. Die direkten Unholde vor Ort waren die Cantaro. Darüber gab es aber noch welche, sprich, über den wahren Feind herrschte nach wie vor Verwirrung. Steckte nun hinter all dem nur Perrys Intimfeind Monos? Und wie passten die ominösen Herren der Straßen ins Spiel?

Nun gut. Wenn Perry sich einmal etwas in sein zartes Köpfchen gesetzt hat, kriegt man das nicht mehr das raus. Natürlich wussten wir jetzt, wo Amagorta zu finden war. Aber wir wussten ebenfalls, dass diese Koordinaten auch unserem speziellen Freund Monos bekannt waren. Und dem war klar, dass Perry über kurz oder lang dort auftauchen würde. Wir wiederum konnten uns denken, dass Monos das wusste und so vermuteten einige von uns einfach nur eine riesengroße Falle.

Deshalb die vier unbemannten Schiffe. Sie wurden so umgebaut, dass sie den Cantaro eine Weile Widerstand leisten konnten. Aber wirklich wichtig war Schiff Nummer fünf. Damit ging es in das Schwarze Loch hinein. Wir waren voller Hoffnung, endlich mehr zu erfahren. Wir, das waren Perry, Atlan, Homer, die drei Anoree, der Nakk Ayshupon und selbstverständlich ich. Denn ohne mich - aber ich glaube, ich habe euch schon Mal erzählt, dass ohne mich gar nichts läuft? Maul halten, Dicker, dich hat zum Beispiel niemand gefragt.

Aber Raumschiffe fliegen können Perry und Atlan besser als ich. Wenigstens etwas, wo sie mich nicht zu brauchen. Zumal natürlich vor Ort Cantaro - Schiffe auf uns warteten. Degruum hatte sie in der Akkretionsscheibe entdeckt. Nun, unsere List funktionierte. Die unbemannten Beiboote beschäftigten die Cantaro, während wir den Ereignishorizont überquerten.

Mich lässt das immer noch erschauern. Nach all den Jahren noch. Wir flogen völlig normal innerhalb des Mikro - Universums eines Schwarzen Loches, als ob es nichts wär. Normal war das alles nicht. Aber der Knackpunkt waren die Stationen, die aus Black Holes Schwarze Sternenstraßen machten, die durch Einstein-Rosen-Brücken miteinander verbunden waren. Hier innerhalb von Amagorta gab es zu allem Überfluss auch noch zwei Planeten, die in gleicher Entfernung wie die Station die Singularität umkreisten. Eine Welt war von Blitzern heimgesucht worden, auf der anderen fanden wir eine verlassene Stadt vor, in der wir ein Areal thermonuklearer Asche vorfanden. Natürlich sahen wir uns das näher an. Als wir grade vor Ort waren, dachte ich, ein bekanntes Gedankenmuster entdeckt zu haben. Ja, es war da, aber nicht greifbar. Ich suchte, bis Perry und Atlan zuviel kriegten, aber da war was. Nach einigem Grübeln hatte ich Ayshupon, unseren Nakk, im Verdacht, mir Streiche zu spielen. Aber wenn ich das fremde Muster schon mit dem Unsrigen verwechselt hatte, konnte ich nur einen anderen Nakk gefunden haben.

Perry tangierte das weniger. Innerhalb einer Pyramide entdeckte er so etwas wie eine "Vier - Tage - Show", die uns etwas über die Archäonten erzählte. Das heißt, mir natürlich nicht, weil ich mit der Suche nach dem zweiten Nakk beschäftigt war. Ich fand ihn aber nicht. Dafür stolperte Perry nach dem Ende der Multivisions - Präsentation über ihn. Von ganz alleine. Ermancluq hieß der Bengel und schirmte seine Gedanken ab, auf dass ich ihn nicht finden würde. Er nahm Perry mit und eröffnete ihm, dass er noch nicht wisse, was ihm bevorstehe.
Gucky strahlte in die Runde.

"Da sieht man es mal wieder", meinte er. Kaum passe ich mal nicht auf euch auf, wird einer entführt." Er reckte sich und machte den Eindruck, als wäre alles erzählt.

"Ääh", gab Lee von sich. "Das war doch nicht alles? Wo bleibt denn die Geschichte der Archäonten? Und wie seid ihr wieder da raus gekommen? Ich meine, wenn du schon anfängst, kannst du auch zu Ende erzählen."

"So etwas mach ich nie wieder. Man hat ja keine Stimmbänder mehr. Also: Das erste humanoide Volk in diesem unserem Universum waren wohl die V'Aupertir. Sie bereisten damals das ganze Universum und hinterließen so überall ihre Spuren. Um ein paar Ecken seid ihr Dank ES auch mit denen verwandt. Aber eben nicht nur ihr habt mit euren Vorvätern was zu tun, das war anderswo ähnlich. Und so verschmolzen in einer Galaxis diverse Ableger der V'Aupertir zu einem Volk, dass sich nun - das Volk - also Amarena nannte.

Das Weitere ist eine lange Geschichte von Kriegen und vielen Versuchen, Frieden zu stiften. Aktiv, wie die Amarena damals waren, erbauten sie das Netz der Schwarzen Sternenstraßen, zunächst wenige, danach immer mehr. Dadurch konnten sich die Kontrahenten aus dem Weg gehen und es gab tatsächlich längere Friedensperioden. Unholde und Strolche bekamen die Lizenz zur Nutzung der Sternestraßen entzogen und beruhigten sie so zwangsweise. Das Dumme war nun, dass sie immer weiter bauten und irgendwann die Kontrolle über ihre Schöpfung verloren hatten. Chaos und Kriege waren unvermeidlich, ja sogar gegen die Amarena selber und so waren sie gezwungen, sämtliche Lizenzen zur Nutzung der Straßen zu löschen oder zumindest zu verändern.

Die Kampfhandlungen kamen nach und nach zum Erliegen und die Amarena selber verließen die Gestade und wurde wieder zu Nomaden. Nach und nach stellten sie ihre Körperlichkeit in Frage und das Zeitalter des Geistes begann. Sie wurden nahezu unsterblich, konnten sich aber nicht mehr fortpflanzen. Die kleinlichen Streitereien anderer Völker interessierten sie nicht mehr, sie waren nur noch auf der Suche nach einer letzten Bleibe. Die fanden sie in Amagorta, dem Schwarzen Loch, in dem wir grade waren. Sie koppelten die umliegenden Galaxien von den Sternenstraßen ab und ernannten die Anoree zu Verwalter der verbliebenen Straßen. Danach zogen sie sich endgültig zurück."

"Also wusstet ihr jetzt zumindest, wer sich hinter dem Begriff "Die Herren der Straßen ursprünglich verbarg", resümierte Lee. "Und Monos oder welche Übeltäter auch immer machten sie sich untertan."

"Jepp. So ähnlich. Aber dieser Teil der Geschichte geht noch weiter. Wir haben noch über das Erbe der Archäonten zu reden."
Spoiler:
Gucky erzählt weiter, diesmal von der Loge der Unsterblichen:

Nun, die Amarena hätten sich mit ihrer Körperlosigkeit wohl immer weiter entwickelt, wenn, ja, wenn nicht der DORIFER - Schock beziehungsweise die Große Kosmische Katastrophe passiert wäre. Es kam zu allen möglichen und unmöglichen Hyperraumphänomenen, die sich grade auf einen derart vergeistigten Verein ziemlich heftig auswirkten. Nix mehr war da mit "Zeitalter des Geistes", dass in der "Zeit der Reife" münden und irgendwann in der "Vollkommenheit" enden sollte.

Sie hatten sich vor zwei Millionen Jahren zwei Planeten ins Schwarze Loch geholt. Einen nannten sie Ort und einen Welt. Auf Ort wollten sie meditierend das Geheimnis des Universums ergründen und auf Welt wohnten sie. So blieb das im Großen und Ganzen eine Weile. Es endete im Jahr 448 NGZ, als die Schockfronten, die die Materialisation des letzten Hangay - Viertels ausgelöst hatten, ihre Ecke erreichten.

Das wars dann mit der friedlichen Forschung. Ein paar Amarena wurden wahnsinnig und verließen Amagorta. Betroffen waren aber alle, bis auf eine von ihnen. Iridora hieße sie und war die Letztgeborene der Amarena. Sie entdeckte zuerst Ort, wo die Blitzer als erstes gehaust hatten. Dann verließ sie Amagorta und begab sich in Richtung Milchstraße, wo sie noch mehr derartig verheerte Welten vorfand. Die Galaktiker hatten die Cantaro unter Verdacht, unter Anderem deshalb, weil deren Raumschiffe denen der Amagorta sehr ähnlich sahen.

Iridora merkte aber, dass die Cantaro nicht die technischen Möglichkeiten hatten, Planten zu blitzen. Es konnten also nur die bekloppt gewordenen Amarena gewesen sein. Denen gings es übrigens auch schlecht: Im Wahn wurde gut die Hälfte der Amarena getötet. Der Rest kam in die Archiv - Pyramide auf Welt und wurde vom Rest des Universums isoliert.

Bei uns zu Hause war ziemlich viel Durcheinander, wovon ihr hier auf Newengland nichts mitgekriegt oder zumindest nichts abbekommen habt. Die Blitzer waren unterwegs, wo sie zuschlugen, wusste keiner und die Cantaro folgten ihnen, um deren Identität herauszubekommen. Die galaktische Öffentlichkeit informierten sie natürlich nicht und so hielt man sie in der Milchstraße für die Übeltäter.

Man wurde der verrückten Amarena nicht Herr und so sah sich einer der letzten Normalen dieser Art gezwungen, den Bewohnern der Milchstraßen die Zusammenhänge zu offenbaren. Er nahm einen Vorschlag der Cantaro auf und setzte durch, dass Schutzwälle um die Milchstraße errichtet werden sollten, damit die Gefahr nicht auf andere Galaxien übergreifen konnte. Die Cantaro erhielten das Know - How zur Errichtung der Wälle und mussten versprechen, diese wieder abzubauen, wenn 10 Jahre lang keine Blitzer mehr erschienen waren.

Nach 495 NGZ tauchten zwar keine Blitzer mehr auf, die Wälle sind aber immer noch vorhanden. Monos auch. Durch waren wir also noch lange nicht. Und die Blitzer? Die letzten Amarena sammelten alle technischen Erzeugnisse von ihnen ein - von den Blitzkanonen bis hin zu einfachen Küchenmaschinen. Keiner, wirklich niemand, sollte Geräte in der Hand halten, die soviel Leid über so viele Wesen gebracht hatten.

Und wir? Konnten Amagorta wieder verlassen. Ich, wer sonst, fand Perry. Unser Nakk tötete den fremden Nakk und meinte daraufhin schlicht, der hätte es verdient. Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen, aber ein Nakk ist nun mal ein Nakk. Und wer bin ich, dass ich über solche Wesen urteile? Wir verließen, um vieles schlauer geworden, das Amagorta Black Hole. Gefühlt waren wir eine halbe Ewigkeit darin gewesen. Als wir es endlich verlassen hatten, waren außerhalb grade mal zwei Tage vergangen.
"So. Jetzt ist ein anderer dran. Gucky hat Pause."

Er lehnte sich zurück und schlürfte genießerisch an einem Möhren- / Spargelcocktail.

"Aber", begann Lee, woraufhin der Ilt sie leicht genervt ansah.

"Was ist denn jetzt schon wieder?"
"Was ist denn aus den Amarena geworden? Den Wahnsinnigen und den anderen?"

"Hab ich das nicht erzählt?" fragte der Kleine. "Nun, sie begingen kumulativen Selbstmord. Die letzten Gesunden hatten festgestellt, dass sie über kurz oder lang alle im Wahnsinn enden würden. So gab es kein Zurück mehr und sie zogen den endgültigen Schlussstrich. Ihre allerletzte Botschaft war: Wir treten von der kosmischen Bühne ab und machen neuen Formen des Lebens Platz."

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Zwei Romane, die uns in der Vorgeschichte wesentlich weiter bringen. Langsam aber sicher wird einiges klarer. Anoree, Cantaro, Herren der Straßen. Dargebracht von den damaligen Star - Autoren Feldhoff und Vlcek.

Feldhoff überrascht in seinem Roman mit dem sofortigen Beginn der Amarena - Story. Wie Perry & Co da hinein passen, erfahren wir erst ganz langsam abschnittsweise. Die Geschichte, die Feldhoff erzählt, hat mich mitgenommen und ich fand zu den Fremden sofort einen Draht. Feldhoff eben. Nur bei dem Namen Angermaddon lese ich immer noch Armageddon.

Routinier Vlcek baut direkt auf Roberts Roman auf und erzählt den Rest. Welcher Roman mir besser gefallen hat? Weiß ich nicht mehr. Es ist zwei Monate her, dass ich sie gelesen habe. Um sie zu bewerten, musste ich mich nochmal in sie vertiefen und das erspare ich mir.

Demnächst wieder mehr in diesem Theater.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1473 - Jagd den Terraner - ist von K.H. Scheer, erschienen am 14. November 1989
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Sie saßen in einem separaten Raum der RTSKO06, einem Beiboot der RAS TSCHUBAI der Olymp - Klasse. Die 240 Meter Durchmesser zusammen mit ihrer extremen Schnelligkeit garantierten eine reibungslose Reise und vor allem eine pünktliche Rückkehr nach Newengland. Sie, das waren die neuen Freunde, die sich auf dieser nur wenigen bekannten Welt gefunden hatten: Lee Barringham, die psychologische Psychotherapeutin und der Mann, der Dank Gucky zu ihrem Lebensgefährten geworden war, der Politiker und höchstwahrscheinlicher Präsidentschaftskandidat für die Wahl im nächsten Jahr, John Talbot. Die Runde wurde ergänzt durch Atlan und Gucky.

Letzterer fläzte sich auf einem Sitzmöbel herum und strahlte dabei Lee an. Der Ilt wusste natürlich genau, was sich in ihrem Kopf abspielte. Jetzt, wo sie aus Lees Heimatsystem heraus waren, wollte sie wissen, wie es mit den telepathischen Fähigkeiten des Ilts aussah, traute sich aber nicht, ihn zu fragen.

Sie sind alle so leicht einschätzbar. Auch ohne Telepathie, dachte Gucky gutgelaunt. Na gut, Perry nicht immer, der ist ab und zu ein wenig verquast. Atlan bildet sich zwar ein, er wäre anders, aber er hat zu lange auf der Erde gelebt. Sowas färbt ab. Das sieht man ja an mir. Manchmal mehr Mensch als Mausbiber. Dem Ilt war immer noch nicht klar, ob das nun ein Kompliment war oder nicht. Dann stand Bully vor seinem geistigen Auge. Der Dicke ist wiederum zu typisch. Der schafft es tatsächlich das eine oder andere Mal, mich zu linken. Insbesondere, dass er alleine auf Reisen gehen will, hätte ich ihm nicht zugetraut. Aber mir hat er es wenigsten vorher verraten.

Natürlich hatte Lee ein Problem mit seinen telepathischen Fähigkeiten und wollte wissen, wie er es damit halten würde. Er ließ seine Freundin noch ein wenig zappeln, dann erbarmte er sich. Es ist ja nicht so, als hätte ich das nicht schon mindestens tausend mal erlebt. Außerdem war ihm die Freundschaft zu den beiden Newenglandern zu wichtig, um hier jemanden im Regen stehen zu lassen.

"Ich kann dich beruhigen", sagte Gucky. "Meine telepathischen Fähigkeiten sind noch nicht wieder zurückgekehrt. Das dauert noch ein bis zwei Tage. Ich stelle das ständig vorhandene Grundrauschen schon fest, aber mit dem Rest muss ich noch Geduld haben. Du willst wissen, wie ich es mit dem Gedankenlesen bei euch halte, schätze ich mal."

Lee war ein wenig peinlich berührt und nickte.

"Ich versuche mal, es zu erklären. Es ist so ähnlich wie hören. Nicht wie der Gesichtssinn. Schau mal, wenn du von dieser schnöden Welt nichts mehr sehen willst, machst du die Augen zu und weg ist sie. Bei den Ohren geht das nicht. Die kannst du nicht verschließen und du hörst nichts mehr. Denn hinter der nächsten Ecke könnte ein Säbelzahntiger auf dich warten, weil er noch einen Happen als zweites Frühstück braucht. Den musst du ja früh genug hören können. So ähnlich funktioniert Telepathie.

Stell dir vor, du stehst in einer Menschenmenge. An deinen Ohren kommt so das Übliche an: Gemurmel, Rascheln aus kleinen Bewegungen und dergleichen. Aber nichts Konkretes. Dann sagt jemand schräg links hinter dir: Du meine Güte, ist das heiß hier. Dein Gehirn fängt automatisch an, diesen Satz zu verarbeiten und setzt ein Bild zusammen.

Männlich, nicht älter als Mitte vierzig, Plophos - Dialekt und der Typ ist hitzegenervt. Vielleicht, weil er aus einer kühlen Gegend kommt. Vielleicht drehst du dich noch rum und ergänzt: Einenmeterachtzig groß, dunkelblonde schulterlange Haare, gepflegter Typ, Dreitagebart. Damit bist du einen Schritt weiter und könntest ihn bei Bedarf sicherlich identifizieren. Wer das aber nun wirklich ist, weißt du nicht. Du kennst ihn nicht.

Du drehst dich wieder um und hast ihn nach zwei Minuten vergessen. Oder du lächelst ihn an, gehst auf seine Bemerkung ein und ihr verbringt den Rest eures Lebens miteinander.

Ein Telepath erlebt das - mit ein paar Abstrichen - ähnlich. Ich stehe in der gleichen Menge und drei Meter rechts neben mir denkt einer sehr intensiv.

Oh, hallo Dicker, setz dich zu uns. Nein, du kannst das mit dem intensiven Denken nicht gewesen sein, bei dir ist immer so eine Totenstille. Solltest du mal was gegen tun. Wo war ich stehengeblieben? In der Menge, gut.

Also der Typ denkt: Du meine Güte, was redet der da vorne für einen Unsinn!. Der anschließende Prozess bei mir ist der Gleiche wie bei dir, weil mein Gehirn aus den erhaltenen Informationen automatisch ein Bild zusammensetzen will. Und das Ergebnis ist ebenso das Gleiche wie bei dir: Ich kenne die Figur nicht und habe sie nach zwei Minuten wieder vergessen."

Gucky sah sein Gegenüber an und fuhr fort. "Natürlich kenne ich meinen Ruf. Und wenn du direkt vor mir stehst, könnten deine Gedanken wie ein offenes Buch für mich sein. Aber erstens sind wir befreundet, ziemlich gut sogar und da gehört sich eine derartige Schnüffelei nicht."

Reginald Bull hätte sich fast an seinem Kaffee verschluckt, als er das hörte, woraufhin der Ilt ihn giftig anblickte.

"Lange nicht mehr dein eigenes Gebrüll gehört, was Dicker?" fragte er und Lee zugewandt erklärte er noch: "Und zum Zweiten gibt es seit den Anfangstagen einen Ehrenkodex unter den Personen mit besonderen Begabungen. Wir setzen unsere Fähigkeiten nie zur Befriedigung persönlicher Neugier ein, sondern nur zum Wohle der Allgemeinheit oder einer in Not befindlichen Person. Es mag nun sein, dass ich das Anfangs nicht ganz so ernst genommen habe, aber mittlerweile sehe ich das anders. Sogar Gucky ist erwachsen geworden."

Er erhob sich, watschelte zu Bullys Sessel und baut sich mit erhobenem Zeigefinger vor ihm auf.

"Ich bin nicht nur der schönste aller Ilts, sondern auch der intelligenteste und zuverlässigste Mausbiber überhaupt. Hast du Gucky stets dabei, löst sich dein Problem wie durch Zauberei!", skandierte er.

Bull sah ihn an und sagte: "Ich glaube langsam tatsächlich, dass ich mal längere Zeit Urlaub brauche. Stellenweise ist es wirklich nicht zum Aushalten mit dir. Auf jeden Fall war ich damals nicht umsonst Chef der Explorer - Flotte. Aber um das Thema zu wechseln. Wer ist mit der nächsten Erzählung dran?"

"Der schönste aller unserer Arkoniden", meinte Gucky. "Wenn ich mich recht entsinne, spielt Ronald Tekener eine ziemliche Rolle dabei. Und der gehörte eindeutig unserem Arkoniden."

"Ja", antwortete der Arkonide nachdenklich. "Ronald hatte wohl mal zu mir gehört. Ich würde etwas drum geben, wenn er noch hier wäre. Aber er war damals im Einsatz und wusste, welches Risiko er einging. Außerdem: Man schaue sich mal die Gesetze über Wahrscheinlichkeiten an. Man braucht nicht lange zu überlegen, um sich immer wieder zu fragen, warum ausgerechnet wir noch leben. Zellaktivator hin oder her. Es ist, als würde irgendwer irgendwo eine schützende Hand über uns halten. Als wäre..."

Sein Blick ging in weite Fernen. Dann gab er sich einen Ruck und war wieder da.

"Ronald hatte sich geschworen, Ertrus nie wieder zu betreten. Zwei- oder dreimal war er schon da gewesen. Ein Monster von einer Welt."

Er lehnte sich zurück.
Spoiler:


Atlan erzählte die Geschichte von der Jagd auf den Terraner:

Ertrus hat eine Schwerkraft von 3,4 g, 100 Erdmassen schwer und eine mittlere Temperatur von über 32 Grad Celsius. Eine Extremwelt mit einem Luftdruck, wie wir ihn auf terraähnlichen oder -gleichen Planeten 70 bis 80 Meter unter Wasser haben. Die heimische Flora und Fauna ist sehr aggressiv und riesengroß. Letzteres ist ein absoluter Gegensatz zu fast allen anderen Hochschwerkraftwelten. Normalerweise bleibt dort so gut wie alles am Boden, weil für Höhenwachstum mehr Energie aufgewendet werden müsste. Auf Ertrus ist das genau gegenteilig. Und weil die Pflanzen mehr Energie benötigen, haben sie zwischendurch mal Appetit auf einen tierischen Happen in unserer Größenordnung. Also ein Planet so richtig zum Wohlfühlen.

Heute gestalten sich Besuche relativ locker. Man wird in einem Spezial - SERUN gesteckt, der aus extrem leichtem, aber dichtem Material besteht und läuft dort herum, als gäbe es nichts einfacheres. Nun gut, sobald einer der heftigen Stürme aufkommt, ist es vorbei mit der Herrlichkeit und du wirst sozusagen vom Winde verweht. Wenn du ganz viel Glück hast, bleibt dein Anzug zumindest dicht, auch wenn der Rest nicht mehr funktionsfähig ist. Wenn du noch mehr Glück hast, findet dich die anschließend losgesandte Suchexpedition. Was passiert, wenn du Pech hast, kannst du dir ausmalen.

Und da wollte Ronald Tekener hin, um den Cantaro eins auszuwischen. Von Ertrus stammten die Hauptkämpfer der Cantaro, die Hygophoten. Aus dem Erbmaterial von Ertrusern gezüchtete Kämpfer. Sie zeichneten sich durch verminderte Intelligenz, dafür aber enormer Kampfkraft aus.

Es war auch dringend notwendig, tätig zu werden. Die Cantaro zeichneten sich zu dieser Zeit mit fast explosionsartigen Aktivitäten aus. Das gebot höchste Abwehrbereitschaft, zumal überall Stützpunkte ausgehoben wurden. An Orten, die wir eigentlich als sicher betrachteten. Jede Menge WIDDER - Agenten wurden wo auch immer getötet und es sah nicht gut aus. Sicherlich, ein großer Teil des Zentralplasmas war zurückgekommen und es bestanden gute Aussichten, das Kontrollfunknetz in absehbarer Zeit zu stören. Eine eventuelle Beeinflussung der davon abhängigen Cantaro galt als Fernziel.

Aber soweit waren wir noch nicht. Viele der über ARINET eintreffenden Meldungen berichteten über katastrophale Rückschläge. Die Herren der Milchstraße holten zum Vernichtungsschlag aus. Wie sie es schafften, getarnte Stützpunkte und noch mehr Mitarbeiter zu fassen, war vorerst noch ein Rätsel.

Und Ronald Tekener hatte als einzige auf Heleios verbliebene Führungspersönlichkeit beschlossen, ein bereits vor Wochen geplantes Unternehmen namens Albtraum Ertrus in die Tat umzusetzen. Zwölf Klonfabriken sollten auf Ertrus vernichtet werden. Da hatte er sich was vorgenommen. Zumal Perry nichts davon hielt. Rhodan hatte einen Zusammenhang zwischen seinen Unternehmungen und der begonnenen Großoffensive der Cantaro hergestellt und forderte Tek auf, seinen Plan umgehend ruhen zu lassen, um sich zunächst auf andere Dinge zu konzentrieren.

Nun, da war er bei dem Smiler an der falschen Adresse. Das war einer wenigen Male, bei denen Perry sich nicht durchsetzen konnte.

Blicken wir mal auf das direkte Einsatzteam: Es bestand aus drei Personen. Ronald Tekener selbst, dann dem Plophoser Yart Fulgen, der sich zwar täppisch gab, aber einen extrem scharfen und analytischen Verstand bestand und den Ektopoden Tauro Kasom. Ektopoden waren Klone der Cantaro, eine Art Cyborg mit originalem Gehirn. Der Körper konnte sich in bis zu elf Modulen aufteilen, die bei unterschiedlichen Tätigkeiten von Hirn aus gesteuert wurden. Kasom war nun ursprünglich als Cantaro - Jäger unterwegs gewesen, bis er sich später den WIDDERN anschloss.

Diese Drei waren mit einem Spezialschiff unterwegs. Während ihrer Reise erfuhren sie beim Auftanken im Wega - System, dass auf Ertrus der größte Teil der dortigen WIDDER - Agenten getötet worden sind. Aus den erhaltenen Informationen folgerte Fulgen, dass man vor Ort auf das Unternehmen Albtraum Ertrus aufmerksam gemacht worden war und er ging davon aus, dass das ARINET, das Kommunikationsnetz der WIDDER nicht mehr sicher war.

Das Problem war nun nicht, das Einsatzteam auf Ertrus abzusetzen. Man fingierte einen Angriff und währenddessen schickte man Tekener und Co mittels Transmitter nach Ertrus. Nein, die Schwierigkeit war die Welt selber. In eigentlich notwendige SERUNS konnte man die beiden nicht hineinstecken, die wären sofort geortet worden, allemal, wo die Cantaro sowieso besonders gut aufpassten zu dieser Zeit. Sie trugen eine abgespeckte Version, die man als weine Art Tornister auf dem Rücken trug. Der Rest des Körpers lag frei und musste vor dem Einsatz in langwierigem Vorgehen an den hohen Luftdruck gewöhnt werden. Das war sogar für den Smiler als Zellaktivatorträger fast eine Nummer zuviel. Für Yart Fulgen erst recht.

Das war letztlich auch der Grund, warum man statt der kompletten zwölf und trotz aktiver Hilfe vor Ort nur acht Klonfabriken zerstört bekam. Aber das bedeutete wesentlich weniger Hygophoten. Und wesentlich weniger Terrorisierung der Bevölkerung, die als Ei - bzw. Samenspender missbraucht wurde.

Dass der Einsatz überhaupt ein Erfolg wurde, lag an der Überheblichkeit der Cantaro. Ertruser wären nie in die Klonfabriken hinein gekommen. Aber mit einem Einsatz von zwei Zahnstochern, wie sie uns ab und zu nennen, rechneten sie nicht. Nun denn. Hochmut kommt vor dem Fall.

Aber am Schluss ging es einfach nicht mehr. Die Cantaro waren wach geworden und unsere Freunde körperlich am Ende. Sie zogen sich zurück, nahmen dreihundert ertrusische WIDDER mit, aber Tauro Kasom schaffte es nicht, Er opferte sich, um den anderen das Leben zu retten.
"Und so schloss Tauro Kasom sich der schier endlosen Menge derjenigen an, die unser Leben mit Ihrigen bezahlten. Das", Atlan sah sich in der Runde um, "das sind die wahren Helden. Ohne alle die gäbe es uns schon lange nicht mehr."

"Finstere Zeiten, von denen ihr hier redet", sagte John Talbot. "Wenn ich mir das anhöre, bin ich mir nicht sicher, ob der von mir angepeilte Weg richtig ist." Unsicher blickte er auf seine Gefährten.

"Natürlich ist der richtig, mein Junge", entgegnete Reginald Bull. "Du kannst nicht auf ewig eine ganze Planetenbevölkerung wegsperren. Und wenn man mal Atlans vorhin zitierte mathematische Wahrscheinlichkeiten bemüht, kommt ein Besuch eurer Welt von irgendwelchen Unholden jeden Tag ein bisschen näher. Ortungsschutz durch eure verquaste Sonne hin oder her. Da sollte es schon besser sein, im Falle eines Falles zu einer großen Völkergemeinschaft zu gehören, als sich ständig wegzuducken."

"Ja", ergänzte Gucky. "Ab und zu hat sogar der Dicke mal Recht."

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ein Scheer ohne Heldentümelei. Nanograinger hatte Recht, als er zu Beginn meiner Reise meinte, die späteren Scheer Romane wären besser. Das war so einer.

Wenn man in diesem Band einen Held findet, so ist das aus meiner Sicht eindeutig Yart Fulgen. Dem linkisch erscheinende Typ, den man als Sohn eines Plophosischen Wissenschaftlers unterwegs aufgegabelt hatte, mag es an normalen Talenten fehlen. Er eckt an, wenn er den Mund aufmacht und die geneigte Leserschaft wundert sich, dass sich überhaupt jemand mit ihm unterhält.

Er hat auch keine besonderen Fähigkeiten, er ist kein Kämpfer, kein Mutant und kein wissenschaftliches Genie. Aber er kann aus gegebenen Fakten eindeutige Schlüsse ziehen. Er hat Mut und geht mit nach Ertrus. Eine Welt wie diese stelle ich mir nun wirklich nicht sonderlich anheimelnd vor. Sonstige Scheer'sche Edelhelden wie Ratber Tostan hätten zweifellos alle zwölf Klonfabriken alleine eliminiert. Aber wäre das spannend gewesen?

Der Roman ist gut geschrieben, Langeweile kam bei mir zu keinem Zeitpunkt auf. Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt gibt, ist das hier die Tatsache, dass zu wenig Ertrus dabei war. Vor dem Einsatz wird Yart Fulgen mit seinen Eigenarten von KHS vorgestellt, danach ist man unterwegs, hängt aber im Wega - System fest, weil man auftanken muss und nach Ertrus kommt man erst ganz zum Schluss. Ich hätte mir etwas mehr ertrusische Natur gewünscht. Nun gut. Man kann nicht alles haben.

Der nächste Roman ist von Kurt Mahr. Mit Pedrass Foch haben wir einen bekannten Namen unter den Hauptpersonen. Ich bin neugierig.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1474 - Das Supremkommando - ist von Kurt Mahr, erschienen am 21. November 1989
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Narr! Natürlich fühlen sie sich hier nicht unbedingt wohl!

Das brauchte mir mein wie immer überaus freundlicher Extrasinn natürlich nicht unter die Nase zu reiben. So ganz daneben war ich nun doch noch nicht. Wie auch immer.

Nachdem wir den zuletzt berichteten Teil unserer Geschichte von ehedem beendet hatten, sah Gucky auf einmal in Richtung Reginald und sagte: "So Dicker. Jetzt wollen wir mal wissen, wie das denn nun mit dir wird. Bully weg oder Bully nicht weg oder was?"

Bevor nun unsere neuen Freunde sich bei diesem erneut hochkochenden Thema unter alten Kumpels fehl am Platze fühlten, bat ich sie zu bleiben und sagte ihnen, dass ihre Gegenwart für uns sehr wichtig sei.
Ich erntete fragende Blicke von beiden und erläuterte: "Manchmal ist es für uns notwendig, grade in solchen Runden, wo es ans Eingemachte geht, Leute wie euch mit zugegen zu haben. Wir laufen sonst in Gefahr, den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren."

"Ja," ergänzte Bully. "Das Ding in unserer Schulter verleitet dazu, sich das eine oder andere Mal einfach nur abgehoben zu fühlen. Es führt zu Gruppenbildung und Abkapselung. Und: Ab und zu macht es sogar ein schlechtes Gewissen. Das würde ich an eurer Stelle natürlich nicht zwingend glauben, im Gegenteil; ich dächte, da verkauft mich einer für blöd. Hab ich das nicht schon mal gesagt? Egal. Ist aber so. Und manchmal sieht man es seinen Gegenübern an der Nasenspitze an. Wieso darf dieser Laberkopp so lange leben und ich nicht? - solche Gedanken sind klar erkennbar und führen auch bei uns zum Rückzug. Das soll aber nicht sein. Und daher brauchen wir den Kontakt zur - ich sag mal - normalen Bevölkerung, um nicht irgendwann mal einen in die Klatsche zu kriegen." Er blickte in Richtung Gucky. "Bevor du jetzt was von dir gibst, Kleiner, denk daran, dass auch du zu unserem Verein gehörst."

"Das ehrt dich sehr", formulierte Lee vorsichtig. "Aber habt bitte auch Verständnis für uns."

"Keine Sorge", warf ich ein. "So ganz von der Realität entfernt sind wir noch nicht. Der Unterschied zwischen eurem Zuhause und einem 240 Meter Raumschiff ist uns durchaus klar. Auf eurer Welt sitzen wir im Singenden Ochsen zusammen. Würden wir anfangen, dummes Zeug zu reden, könntet ihr aufstehen und den Tisch verlassen. Das geht hier nicht. Obwohl ihr schon mehrfach mit leuchtenden Augen auf die Wunder des Universums gesehen habt und wir eure Begeisterung gespürt haben - hier könnte ihr nicht einfach verschwinden. Die Welt ist auf 240 Meter begrenzt."

Wir waren unterwegs zum zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße, wahlweise als Degejaa Uveso oder terranisch Sagittarius A* bezeichnet. Vorsicht war geboten, weil in der Nähe dieses Riesenteils weitere 10 - 20.000 kleinere Schwarze Löcher unterwegs waren, die das Zentrum umkreisten und es ab und zu fütterten. Die kleinen Löcher sammelten Material aus der weiteren Umgebung und verloren es in Folge an den großen Bruder in der Mitte. Und ab und zu ging mal ein ganzer Stern verloren. Aufpassen war also trotz Hypertechnik angesagt. Aber aus respektvoller Entfernung betrachtet, war es ein Anblick, den man nie vergessen würde.

Komm zurück, Narr! Deine Weisheiten kannst du später von dir geben. Ich seufzte innerlich und schob unser Reiseziel beiseite. Wieder in der Wirklichkeit angekommen, hörte ich grade noch, dass Reginald fragte, wie er denn von unseren Gästen gesehen würde.

Ich sah John tief Luft holen und dann begann er:

"Das, was bei uns auf Newengland über terranische Geschichte bekannt ist, ähnelt im Großen und Ganzen einem Lebenslauf von einem von euch Aktivatorträgern. Wobei die Hauptperson leider nicht anwesend ist."

Er sah Bully an.

"Ich denke, du hattest den schwierigeren Teil eurer Jobs. Betrachten wir mal Rhodan und Bull. Ich bitte um Verständnis, wenn ich die anderen und insbesondere euch beide", jetzt er sah Gucky und mich an, "außen vor lasse. Das würde zu ausufernd werden. Du, Bully, warst die halbe Zeit zu Hause und durftest der Welt und der Milchstraße erklären, wo dein Kumpel Perry Rhodan denn jetzt schon wieder unterwegs war und Steuergelder verschwendete. Dabei macht ganze Chose auf Außenstehende manchmal den Eindruck, als müsse er Probleme lösen, die es ohne ihn gar nicht geben würde. Ein Beispiel: Warum zum Teufel habt ihr Hangay nicht da gelassen, wo es hingehörte? Ursprünglich hattet ihr ja wohl mal die Vereinigung zweier Universen geplant, geht's noch? Man sieht ja in euren Erzählungen, was nach dem Transport nur einer Galaxis passiert ist. Kriege und Tote ohne Ende. Jahrhundertelang.

Rhodan war bei der Hangay - Geschichte wohl der Antreiber, schätze ich mal. Vielleicht hat ihn auch nur irgendwer aus der Meute der Höheren Wesen über den Tisch gezogen, wer weiß. Aber das ist genau das Thema: Er stellt irgendwas an und andere müssen es ausbaden. Im Zweifelsfall du. Wie oft bist du auf der Erde geblieben und hast die Kastanien aus dem Feuer geholt? Zu oft. Aber weil du nur sehr selten in den wirklichen Tiefen des Alls unterwegs warst oder bist, wirkst du auf viele Leute wie die Nummer zwei. Die bist du aber nicht. Ohne dich hätte Perry Rhodan seinen Bauchladen schon längst zumachen können."

Gucky grinste. "Das nächste Mal nehmen wir Perry mit, ob er will oder nicht. Würde mich glatt interessieren, was er hier zu sagen hätte. Denn so ganz unrecht hat unser Freund nicht."

Lee übernahm das Wort und sprach weiter.

"Dabei bist du eigentlich ein Typ, der ab und an raus muss. Du warst nicht umsonst Chef der Explorer - Flotte. Ich bin überzeugt, da spielten heimliche Sehnsüchte mit. Dummerweise hast du in eurem Zweier - Team die Schreibtisch - Rolle übernommen. Aber, und das ehrt dich ohne Gleichen, steht für dich die Menschheit und mittlerweile die ganze Milchstraße deutlich vor eigenen Interessen. Deine Frau und deine Tochter sind weg. Das letzte, was du von ihnen vernahmst, war eine Nachricht, dass du folgen solltest. Dass sie dich lieben. Und du? Hast dich in Perrys Abwesenheit ein paar Jahrhunderte um unsere Galaxis gekümmert. Nachdem Rhodan wieder auftauchte, konntest du dir erstmal anhören, dass er natürlich alles schneller, besser und schöner hingekriegt hätte.

Ich glaube, ich hätte dem die Brocken vor die Füße geworfen, mich herumgedreht und wäre gegangen. Du bist aber immer noch hier. Es wird Zeit, dass du endlich, endlich mal an dich selber denkst. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, dann hau ab. Pack schon mal deinen Koffer, hat man wohl früher gesagt. Aber lass ihn noch zu Hause und warte auf den richtigen Zeitpunkt. Vergiss es nur nicht."

Bully sah uns nacheinander lange an, dann sagte er: "Ich danke euch. Ihr habt Recht." Er blickte eine Weile auf Lee und John. Dann nickte er nachdenklich. "Ab und zu braucht man einen Tritt in den Allerwertesten und bei solchen Aktionen sind Unbeteiligte wie ihr unbezahlbar. Unseren Chef - Arkoniden und hier auf der anderen Seite dem schönsten aller Mausbiber kenne ich einfach zu lange. Zwei Personen, die ihr Leben noch normal leben können und sich ihren gesunden Menschenverstand bewahrt haben, sind allemal wichtiger als mehrere tausend Jahre alte Quatschköppe."

Das Unwohlsein unserer Gäste hatte sich schlagartig erledigt. Ich sah, dass Gucky mir von seiner Couch aus zuzwinkerte. Natürlich hatte seine Frage nicht den Zweck gehabt, Bully nochmal nach seiner Meinung zu fragen, die stand sowieso fest. Aber unsere Freunde waren wieder da. Und so etwas kriegt mit einer derart flapsigen Bemerkung eben nur der Kleine hin.

Gucky stand auf und skandierte: "So. Das hätten wir. Jetzt bestellen wir eine Runde von dem, was jeder trinken will und gucken jemanden aus, der freiwillig weiter erzählt. Mein Bedarf ist noch gedeckt. Ich habe noch Muskelkater im Unterkiefer vom vielen Reden."

Bully mokierte ein wenig, dass es doch sehr schade sei, dass gewisse Mausbiber so selten Muskelkater in den Sprechwerkzeugen hätten. Dann wäre doch wenigstens ab und zu mal Ruhe. Der Ilt ging aber ausnahmsweise mal nicht auf Reginalds Bemerkung ein und sah mich an. "Na Arkonide, wie wär es denn mit uns für die nächste Etappe?"

Es blieb mir wohl nichts anderes übrig. Also weiter im Text.
Spoiler:
Atlan erzählt die Geschichte vom Supremkommando:

Daarshol hatte ein Problem. Das heißt, eigentlich sollte er keines haben, denn er war seinem Ziel einer Beförderung ein ziemliches Stück näher gekommen. Der Cantaro war bekanntlich mit unserem Freund Pedrass Foch als Geisel geflüchtet. Foch wurde befreit und war einige Zeit später bei dem Desaster am Perseus Black Hole der letzte Überlebende Drakist und geriet erneut in Darshools Fänge. Der wiederum wollte die eine oder andere Info über die Freihändlerwelten weiterleiten, um im Anschluss befördert zu werden.

Letzteres hatte auch funktioniert - er war zum Zeitpunkt dieser Erzählung Standortkommandant der Cantaro Welt Nirva. Nirva war auf das Verhör von besonderen Häftlingen spezialisiert. Und genau das war sein Problem. Sein Häftling war nicht irgendwer: Der Drakist und Widerständler Pedrass Foch war in den Tiefen der planetaren Zentrale eingesperrt und lag mit seinen schweren Verletzungen in einem Regenerationstank. Foch musste fit werden, damit er endlich reden konnte, Daarshol hatte nämlich das Gefühl, dass man ihm weiter oben kein ausreichendes Gehör schenkte.

Gut, ein paar Informationen hatte er erhalten und auch getreulich weitergeleitet, so unter anderem ein paar Sätze zu den WIDDERN, aber auch diejenigen, die von der Auflösung der CALIDA handelten. Für die CALIDA Geschichte war er gelobt worden, während die WIDDER - Daten zu keinerlei Reaktionen seitens des Supremkommandos geführt hatten. Er kam nicht richtig weiter und hatte Sorge, dass er nicht mehr allzu lange auf diesem Posten bleiben dürfte.

Seine Sorge war berechtigt. Das Cantaro System war eines, dass auf Druck und bedingungslosem Gehorsam fußte, andere Meinungen zählten nicht und wurden im Zweifel unterdrückt. Dergleichen führt aber seltsamerweise bei so gut wie allen Völkern und Kulturen dazu, dass ein Jeder sein eigenes Süppchen kocht.

Natürlich war das hier nicht anders. Der Mediker Pripoch, der für Fochs Heilungsprozess zuständig war, zögerte den Heilungsprozess hinaus und fügte Foch immer wieder teils heftige Schmerzen zu. Grund war die Hoffnung, dass er vor Daarshol an Informationen kam. Natürlich hoffte auch er auf Vorteile.

Und Foch? Spielte das Spiel scheinbar mit. Als Drakist war er sowieso einiges gewöhnt - zudem hatte er einige Mikro Vorrichtungen wie Module und dergleichen in seinem Körper, die seinem zuständigen Arzt irgendetwas vorspielen konnten.

Wir hatten also zunächst drei Parteien und ich verrate sicherlich nicht zuviel, wenn ich sage, dass Arzt zu gegebener Zeit den Kürzeren zog, als er mit Foch zu Gange war. Irgendetwas explodierte und dann gab es einen Mitspieler weniger.

Darshool erlebte indes eine Überraschung: Mit dem weisen Simedon Myrrho kündigte sich einer von ganz oben an, einer der Mächtigen, einer der Herren der Straßen. Um den hohen Herrn zu beeindrucken, wies der Cantaro den Arzt an, den Drakisten fit zu machen, umgehend, sofort und nicht erst in ein paar Tagen. Nach einigen Stunden hatte Darshool eine aus seiner Sicht wichtige Information: Er kannte die Position des WIDDER - Stützpunktes Paolamon, dessen Vernichtung er Myrrho sozusagen als Geschenk präsentieren wollte. Was er nicht berücksichtig hatte, war die Tatsache, dass Fochs Kenntnisse inzwischen ein wenig veraltet waren. Die eigentlich wehrlose Niederlassung war drastisch von den WIDDERN aufgewertet worden. Umfassende Verteidigungsanlagen sorgten dafür, dass der Cantaro Angriff zu einer deutlichen Niederlage wurde.

In den Wirren danach entkam Foch seinen Widersachern und sein Leibarzt segnete das Zeitliche. Natürlich wurde er wieder eingefangen und dem hohen Besuch präsentiert. Myrrho, der übrigens aussah wie ein Terraner, war davon derart begeistert, dass er Darshool entgegen seiner Befürchtungen nicht bestrafte, sondern im Gegenteil sogar beförderte. Er kam zu seinem großen Erstaunen im Rang eines Strategen als vollberechtigtes Mitglied ins Supremkommando. Er hätte seine Entscheidung nicht unüberlegt getroffen, meinte Myrrho dazu, die derzeitigen Kommandeure wäre mittlerweile in die Jahre gekommen, im Denken verknöchert und bräuchten dringend eine Auffrischung.

Der überraschte Cantaro folgte seinem Herrn zu der Welt Schotschi, auf der sich das Supremkommando mit seinen 1000 Mitgliedern befand. Pedrass Foch hatten sie mitgenommen. Teilweise mit und teilweise ohne Myrrhos Beteiligung wurde Foch von den vorhandenen Mitgliedern des Kommandos verhört und er offenbarte, scheinbar randvoll mit psychischen Mittelchen, jene Menge Standorte der WIDDER. Er eröffnete den staunenden Zuhörern, dass die WIDDER sich auf eine Invasion der Milchstraße vorbereiten würden. Die Technik hätte in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, man sei den Cantaro ebenbürtig und gedächten, diese zu vertreiben.

Die Verdienste schrieben die Suprem - Mitglieder alleine Darshool zu und verneigten sich vor der Weisheit derer, die ihn auf die Kommando - Ebene angehoben hatten.

Als sich Myrrho an dieser Stelle einschaltete und ebenfalls über die WIDDER referierte, wurde er von einer Computer - Meldung unterbrochen. In der Unterkunft des terranischen Drakisten habe es eine Explosion gegeben. Es hatte den Anschein, dass Foch und sein medotechnischer Bewacher vernichtet worden seien.

Aber es hatte nur den Anschein. Den wahren Grund der Explosion fand man nicht heraus. Was man bei den Untersuchungen feststellte, war die Tatsache, dass die gefundenen Überreste nichts mit Pedrass Foch zu tun hatten. Ein Cantaro war ums Leben gekommen. Von Foch fand man keine Spur, zumal die erhofften visuellen Ortungen ins Leere liefen. Er war einfach verschwunden.

Natürlich war Myrrho über das Gehörte wenig erfreut. Lediglich die Meldung der Einsatzbereitschaft der cantarischen Streitkräfte stellten ihn einigermaßen zufrieden.
"Schlagt zu, sagte er und hört nicht eher auf, bis die Organisation WIDDER vollständig vernichtet ist."

Mit diesem Satz beendete ich meine Erzählung.

"Ich traue diesem Typ nicht", meinte Lee nach einer Pause. Als ich sie fragte, wie sie darauf käme, erklärte sie: "Ziemlich zu Beginn hat Gucky den Namen Foch mal ausgesprochen, als würde er diese Figur am Liebsten nochmal zum Teufel jagen. Das war zwar nur einmal, aber ich hab das nicht vergessen. Dann deine Art der Erzählung, nie den Vornamen alleine, immer nur Foch oder Drakist. Diese Mikromodule, von denen die Rede war und die aus meiner Sicht nur angebliche psychische Beeinflussung."

Sie lehnte sich zurück.

"Der taugt nicht die Bohne und erzähl mir jetzt nichts anderes!"

"Das hätten Herr Admiral aber auch geschickter hinkriegen können, oder?" piepste eine Stimme im Hintergrund. Wo er Recht hat, hat er Recht, alter Narr. Deine Erzählungen waren schon mal besser.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Pedrass Foch war für mich damals bis zu diesem Roman einfach nur Pedrass Foch. Ein zwar mit allen Wassern gewaschener Agententyp, aber ansonsten ein normaler Mensch. So ein Typ wie Don Redhorse oder ähnlich.

Ich erinnere mich deutlich daran, wie ich nach diesem Band meine Meinung änderte. Ich hatte zwar immer noch keine Ahnung, wo das letztlich hinführen sollte, aber eben "normal" war der nicht mehr. Es mag sein, dass andere früher misstrauisch wurden, aber ich merke sowas immer erst dann, wenn ich mit der Nase draufgestoßen werde. Das hat sich übrigens nie geändert.

Kurt Mahr schreibt wieder einen Chef - Roman, der das letzte Viertel des Zyklus einläutet. Und so ganz langsam scheint sich der Vorhang etwas weiter zu lichten, immerhin haben wir zum ersten Mal einen von ganz oben. Viel verrät er natürlich nicht, dafür ist es noch zu früh, aber es erhöht die Spannung.

Der Roman selber war nun kein Überflieger, aber er war gut lesbar und wie gesagt: Er öffnet Tore.

In der Vorankündigung für Band 1475 taucht tatsächlich der Name Gesil auf und unser guter alter Walter erfreut uns nochmal mit einem neuen Roman.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Zwischenspiel:

"Es steht fest", sagte Reginald Bull. "Ich werde gehen."

Er sah Lee an und sprach weiter: "Was du später hieraus machst, ist mir egal. Aber tu mir bitte den Gefallen und veröffentliche nichts, solange ich noch noch nicht weg bin."

Lee nickte und antwortete, dass man über Selbstverständlichkeiten nicht zu reden brauche und dass er sich auf sie verlassen könne.

Anschließend nahm Bull den Ilt und den Arkoniden ins Visier. "Es wird keine Abschiedsfeier geben. Ich werde mich bei passender Gelegenheit umdrehen und bin dann mal weg. Denn bei einem öffentlich geplanten Ausstieg werden garantiert irgendwelche Leute Leuchtplakate oder sowas hochhalten, auf denen steht - Bully, du darfst uns nicht verlassen oder ähnliches. Die Gefahr, dass ich dann hierbleibe, ist viel zu groß. Der Einzige, der mich aufhalten kann, soll ich selber sein. Und der Einzige, von dem ich mich verabschieden werde, wird Perry sein. Das bin ich ihm einfach schuldig. Und er wird es verstehen"

Gucky nickte. Ja, das konnte er nachvollziehen. Er erwiderte den Blick und sah nachdenklich aus - geradezu so, als überlegte er Ähnliches.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Meinung:

Drei Viertel des Zyklus sind rum und so ganz, ganz langsam scheint es auf die Zielgrade zuzugehen. Die Haluter sind gefunden, das Zentralplasma auch und ansonsten kommt man ebenfalls weiter.

Natürlich ist seit einiger Zeit erkennbar, dass alles auf einen Kampf Rhodan - Monos hinausläuft; aber wer das ist, weiß noch keiner. Seit dem letzten Band ist erkennbar, dass mit Pedrass Foch irgendwas nicht ganz so ist, wie man bislang dachte. Wie es in Terras Hallen aussieht, ist nach wie vor völlig unbekannt, es gibt also noch genug zu klären.

Immerhin taucht im Folgeband der Name Gesil auf, also werden auch hier Fortschritte erzielt werden.

Perry Rhodan selber scheint sein Formtief überstanden zu haben. Aktuell wirkt er wieder wie der Rhodan, den man seit Band eins kennt. Aber er war nie menschlicher und "normaler" als in diesem Zyklus. Die Schilderungen seiner Person, als er die Analyse der Gewebeprobe erhielt hat gezeigt, dass auch ein Perry Rhodan an seine Grenzen kommen kann. Leider hat man es in der ganzen Serie danach nie wieder geschafft, einen derartig völlig fertigen Haupthelden zu sehen. Schade, das hat ihn sehr menschlich gemacht; zudem ist aus den Leserbriefen erkennbar, dass das damals gut angekommen war.

Es gab wie so häufig viel zu wenig Bully, o.k., anfangs war man immerhin mit seinem Schiff CIMARRON unterwegs, da war zumindest zu gegen. Aktuell findet er nicht statt. Als gäbe es ihn nicht. Er wird noch nicht mal ansatzweise erwähnt.

Dann beginnt in diesem Zyklus die Phase der Trennungen. Ratber Tostan ist weg. Dem weine ich nicht hinterher, der war mir eine Nummer zu heldenhaft. Aber ich bleibe bei meiner Kritik an der Art des Verschwindens. Vierzehn Schiffe hatte man. Vierzehn. Und eines davon wird derart leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Unseren alten KHS in allen Ehren. Aber der Atlan früherer Tage hätte sich niemals so über den Tisch ziehen lassen und Tostan wohl eher eingesperrt, als dergleichen zuzulassen.

Atlans Herzblatt Iruna, wohl eine HGE Entwicklung, war ebenfalls an der Reihe. Genauso wie RT wurde sie so entsorgt, dass nicht völlig klar wurde, ob sie denn nun tot ist oder nicht. Perry Rhodan serientypisch gehen beide so von dannen, dass man sie bei Bedarf mit einigen Spiegeltricks wieder hervorholen konnte.

Dann begann in diesem Zyklus das Unsterblichensterben (tolles Wort, stand mal so in einem Leserbrief). Die damalige Meinung ging von "Endlich wird mal aufgeräumt" bis hin zu "Lasst uns unsere Lieblinge". Mich würde interessieren, wie die Äußerungen gewesen wären, hätte man gewusst, was noch kommen sollte. Deightons Tod war - nein, nicht angebracht, das ist ein Tod vor der Zeit nie, ich muss das richtige Wort finden - aus Seriensicht okay, sag ich mal. Mir war nie klar, warum der ehemalige SolAB Chef einen Zellaktivator erhalten hatte. Den hatte er in den Wirren der Second Genesis Krise als Nachfolger von Allan D. Mercant erhalten. Aber wofür? Welche konkrete Leistungen hatte er vollbracht, um sich dieses Ding zu verdienen? Aber man hat ihm zu seinem Ende wenigstens eine gute Geschichte geschrieben.

Und Waringer? Sein Ende hatte mir damals einen richtigen Stich gegeben. Dem ursprünglich linkische Schwiegersohn Rhodans wurde ganz profan der Zellaktivator geraubt (genau wie Deighton). Als der Rest der unsterblichen Truppe sah, wie es ihm ergangen war, erkannten sie ihr eigenen Ende. Ein großer Moment der Serie. Heute sehe ich Waringers Tod anders. Er hatte zu sehr diese Daniele Düsentrieb Funktion, Erfindungen auf Knopfdruck. Die Vorgehensweise der Autorenschaft ist für mich aus heutiger Sicht nachvollziehbar.

Zwei weiteren Figuren steht das Ende noch bevor. Aktuell (Stand 1475) leben sie zwar noch, aber ich denke, bis zum letzten Band über Irmina Kotschistowa und Jennifer Thyron wird es nicht mehr lange dauern. Auch hier war der geheimnisvolle ZA - Dieb zu Gange. Wobei das bei IK aus meiner Sicht total daneben war. Es war bekannt, dass der ZA Klau umgeht und sie lässt das Teil in einem Anfall von Größenwahn in ihrer Kabine liegen. Das hätte man besser regeln können.

Aber trotz meiner Moserei gefällt mir dieser Zyklus bis jetzt sehr gut. Ein stellenweise einsamer und verletzlicher Perry Rhodan, dann die anfängliche Frage, was sich hinter diesem teuflischen Wall verbirgt, Blitzer, Haluter weg, Zentralplasma weg, das hatte schon was. Allererste Sahne.

Im Moment läuft die Chose auf die drei Fragen hinaus, die Jemand in seinem Leserbrief aus Band 1475 formulierte:

1. Wer zum Teufel ist der Teufel, der in Terras Hallen wohnt?
2. Wer zum Teufel ist der Teufel, der die Zellaktivatoren klaut?
3. Wo zum Teufel ist unsere Lieblings - Superintelligenz ES mal wieder abgeblieben?

Eine der drei Fragen wird bis 1499 beantwortet werden. Mit den beiden anderen dauert es noch ein wenig...
:devil:
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
Richard
Forums-KI
Beiträge: 11138
Registriert: 3. Mai 2013, 15:21
Wohnort: .at & TDSOTM

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Richard »

Mir kommt vor, dass wir das schon mal hatten: Der ZA ist jetzt nicht einfach in ihrem Zimmer auf einem Tischchen rumgelegen sondern wurde aus einem Schrank gestohlen.
Und "Grössenwahn" hätte ich da nicht gesehen. Irmina war der Ansicht, dass sie sich dank ihrer Mutantenfähigkeit ohne ZA dauerhaft am Leben erhalten kann. Vermutlich hätte das sogar geklappt, wenn sie nicht auch noch wenig später Jennifer "mitversorgt" hätte.
Irmina wollte - wenn es ihr tatsächlich gelungen wäre, auf den ZA zu verzichten - ihren ZA an Nia Selegris weitergegeben.
Benutzeravatar
Tennessee
Zellaktivatorträger
Beiträge: 2072
Registriert: 12. Juli 2012, 00:32
Wohnort: vlakbij

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

R.B. hat geschrieben: 5. Januar 2024, 07:19 Meinung:

Drei Viertel des Zyklus sind rum [...]
Salut R.B.,

zunächst: Es ist immer noch eine Freude dich den Cantaro-Zyklus wieder lesen zu lesen. Vor allem deine Form der Besprechung, nämlich innerhalb einer eigenen Geschichte, finde ich zum Niederknien hervorragend!! Da bin ich doch ein bisschen neidisch, weil ich ja selbst zu wenige Geduld für solche Geschichten habe und darum sowas nie schreiben könnte.

Deine Meinung zum Cantaro-Zyklus trifft ganz oft auch meine Meinung, was ich natürlich sehr wohltuend finde. *grinst wie eine satte Katze*

Zum Zyklus: Ich glaube, dass ganz viel, gerade am Anfang, aber punktuell auch noch im Laufe des Zyklus, an "Zeugs" beseitigt und entsorgt werden sollte/wollte, dass noch auf die ganze "kosmische Rhodan-Phase" verwies und teilweise auch noch aus der Voltz-Zeit stammte (und das manchmal auch arg brachial geschah):
- die Porleyter verschwinden (*schwupps* in eine andere Dimension) und auch von Kosmokraten oder Chaotarchen oder dem Dritten Weg hört man nüscht mehr
- die NARGA SANT und NARGA PUR sind hinüber
- durch den DORIFER-Schock haben es ganz viele "Chronofossilien-Ereignisse" nicht wirklich wahrnehmbar über 700 Jahre geschafft
- die "kosmische" Hanse - und ihre ureigenste Aufgabe - ist gar nicht mehr wahrnehmbar
- durch die Abschottung der Milchstraße waren ganze Elemente wie "der permanente Konflikt" und seine Auswirkungen nicht mehr existent; andere Elemente aus dieser Zeit wie z.B. diese "träumenden Pflanzen" wurden entsorgt
- Degeneration und ein gefühlter technischer Stillstand und kaum noch völkerübergreifende Zusammenarbeit
- insgesamt ist m.E. Vieles aus der Phase 1000-1399 fort (die Hintergründe dazu sind ja auch bekannt)
- gleiches beim Personal: Demeter ist tot (sie kriegte auch nur einen kleinen Nebensatz spendiert), J. Thyron wird - wahrscheinlich - mit I. Kotschistowa sterben, Deighton und Waringer sind auch verstorben (für mich waren beide auch immer sehr blasse und unscheinbare Charaktere, vor allem Deighton)

Und insgesamt tat das alles der Perry Rhodan Serie unwahrscheinlich gut, finde ich.

Interessant finde ich aber auch folgendes: Wenn man die Ansprüche und auch die Kritik an den PR-Geschichten in Inhalt und Stil von heute auf die Cantaro übertragen würde, so käme m.E. dieser Zyklus nicht so gut weg. Er gilt aber als einer der Fan-Favourites. Daher die Frage: Was denkst du, was der Cantaro-Zyklus hat, was ihn trotzdem so beliebt macht? Ist es reine Nostalgie? Ist der Stil doch passender und heute vielleicht unpassend? Sind die Geschichten einfach besser? Ist die Dramaturgie besser? ...
„Ein Wort“, sagte Humpty Dumpty, „bedeutet genau das, was ich es bedeuten lasse, nichts anderes.“
„Die Frage ist“, sagte Alice, „ob du Worten so viele Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – das ist alles.“
Benutzeravatar
nanograinger
Kosmokrat
Beiträge: 8280
Registriert: 18. Mai 2013, 16:07

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

R.B. hat geschrieben: 5. Januar 2024, 06:31 Zwischenspiel:

"Es steht fest", sagte Reginald Bull. "Ich werde gehen."

...

Und der Einzige, von dem ich mich verabschieden werde, wird Perry sein. Das bin ich ihm einfach schuldig. Und er wird es verstehen"

Gucky nickte. Ja, das konnte er nachvollziehen. Er erwiderte den Blick und sah nachdenklich aus - geradezu so, als überlegte er Ähnliches.
Das klingt, als hättest du inzwischen deinen Frieden mit Band 3199 gemacht?
thinman
Ertruser
Beiträge: 799
Registriert: 26. Juni 2012, 12:44

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

Tennessee hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:08 Daher die Frage: Was denkst du, was der Cantaro-Zyklus hat, was ihn trotzdem so beliebt macht? Ist es reine Nostalgie? Ist der Stil doch passender und heute vielleicht unpassend? Sind die Geschichten einfach besser? Ist die Dramaturgie besser? ...
Ich bin zwar nicht direkt gefragt, aber in meinen Augen war das Zusammentreffen des Zusammenbrechen des Warschauer Pakts inklusive der sich abzeichnenden Desintegration der DDR mit der Handlung in diesem Zyklus damals auffällig. Ernst Ellerts Botschaft erschien, während DDR Flüchtlinge in die Deutsche Botschaft in Prag flohen, die ersten erfolgreichen Durchbrüche durch den Cronopulswall konnten mit den Fluchten kleiner Gruppen durch den eisernen Vorhang verglichen werden, und dann plötzlich fiel die Mauer als die Loge der Unsterblichen erschien. Mir kam das damlas beim Lesen uncanny vor.

thinman
Benutzeravatar
Tennessee
Zellaktivatorträger
Beiträge: 2072
Registriert: 12. Juli 2012, 00:32
Wohnort: vlakbij

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

thinman hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:52
Tennessee hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:08 Daher die Frage: Was denkst du, [...]
Ich bin zwar nicht direkt gefragt, aber [...]

thinman
Antworten kann natürlich jeder, nicht nur R.B. Ob aber der Zusammenbruch des Warschauer Paktes, der Mauerfall usw. tatsächlich Absicht war, oder einfach einer jener unglaublichen Zufälle...? Ich glaube eher letzteres. Aber schön war's allemal.
„Ein Wort“, sagte Humpty Dumpty, „bedeutet genau das, was ich es bedeuten lasse, nichts anderes.“
„Die Frage ist“, sagte Alice, „ob du Worten so viele Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – das ist alles.“
Benutzeravatar
Carrasco
Terraner
Beiträge: 1292
Registriert: 15. Juli 2012, 16:59
Wohnort: München

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Carrasco »

Tennessee hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:08 Was denkst du, was der Cantaro-Zyklus hat, was ihn trotzdem so beliebt macht? Ist es reine Nostalgie? Ist der Stil doch passender und heute vielleicht unpassend? Sind die Geschichten einfach besser? Ist die Dramaturgie besser? ...
Ein undurchdringlicher Wall um die heimatliche Milchstraße, eine mysteriöse dystopische Diktatur (der Teufel in Terras Hallen), ein persönlich be- und getroffener, phasenweise fast gebrochener Held PR ... die damalige Handlung ging mir einfach viel näher als die heutige.
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Vielen Dank für eure Beteiligung und eure Rückinfos, über die ich mich sehr gefreut habe.
:st: :st:
Ich werde sie mir zu Gemüte führen und sehen, dass ich zu den Fragen ein paar Antworten finden kann.
:D
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

nanograinger hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:42 Das klingt, als hättest du inzwischen deinen Frieden mit Band 3199 gemacht?
Ich fange mit dieser Frage mal an. Band 3199 erschien am 9.12.2022. 49 Wochen vorher, nach Band 3150 habe ich den regelmäßigen Lesekonsum eingestellt, weil mir die Handlung der ersten Hälfte des Chaotarchen Zyklus nicht mehr zusagte und ich vorher schon so meine Probleme hatte. Ich wurde zum "Romanepicker" und lud mir nur noch die Bände, von denen ich mir etwas versprach, auf den Rechner.

Band 3199 tauchte bei den kommenden Romantiteln im Forum am 7. Oktober auf und am 18.11. kam der Untertitel. Am gleichen Tag schrieb ich:
R.B. hat geschrieben: 18. November 2022, 16:36 Dabei verbleibe ich in der Hoffnung, dass AE ihn nicht für ein paar 100 Bände aus der Serie schreibt...
und hatte von diesem Moment an meine Befürchtungen, die auch prompt eintrafen.

Nein, ich habe meinen Frieden mit diesem Roman nicht gemacht. Inzwischen weniger, weil Bull weg ist. Nein, es ist und bleibt die Art, wie das passiert ist. Für sich alleine gesehen, ist der Roman von AE gut bis sehr gut, keine Frage. Er gibt Perry die Hand und tschüss. Mir fehlte das Auf Wiedersehen mit den verbliebenen restlichen Weggefährten, insbesondere mit Gucky. Das ist mein Thema.

Es ist weniger der hoffentlich vorübergehende Abgang von Bully, da will ich hier auch keine Diskussion mehr lostreten, die würde sowieso woanders hingehören, nein, für mich ist diese Art des Verschwindens einfach völlig unmöglich.

Mir hat das natürlich bei meiner Rahmenstory geholfen, weiterzukommen. Ich fragte mich andauernd, wieso er weg ist. Was war der eigentliche Grund? Es mag natürlich sein, dass der aus den Bänden, die ich nicht kenne, hervorgegangen ist, ja. Aber trotzdem: Ein vernünftiger Abschied von den Leuten, mit denen er jahrtausendelang unterwegs war, fehlte.

Also versuche ich hier unter Anderem in den Gesprächen mit der psychologischen Psychotherapeutin Lee Barringham herauszukriegen, was ihm wohl im Kopf querhängt. Der Weg wird klar (zumindest für mich): Er muss mal raus aus dem Gedöns, braucht aber den passenden Zeitpunkt. Deswegen verabschiedet er sich von Atlan, aber insbesondere auch von dem Ilt sozusagen im Vorfeld.

Mich würde nur interessieren, ob die Art des Abschieds in 3199 vorgegeben war oder ob AE sich das selber ausgedacht hat.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Richard hat geschrieben: 5. Januar 2024, 09:20 Und "Grössenwahn" hätte ich da nicht gesehen. Irmina war der Ansicht, dass sie sich dank ihrer Mutantenfähigkeit ohne ZA dauerhaft am Leben erhalten kann. Vermutlich hätte das sogar geklappt, wenn sie nicht auch noch wenig später Jennifer "mitversorgt" hätte.
Irmina wollte - wenn es ihr tatsächlich gelungen wäre, auf den ZA zu verzichten - ihren ZA an Nia Selegris weitergegeben.
Deighton - ZA geklaut
Waringer - ZA geklaut

Da Mindeste, was hier vorliegt, ist extreme Fahrlässigkeit mit eingebauter Dämlichkeit. Sorry, aber das ist meine Meinung. Denn der ZA Klau ging ja schon einige Zeit um, da hätte sie das Teil zumindest irgendwo lassen sollen, wo kein Strolch drankommt.

Der Hintergrund für mein Wort liegt zudem mit darin, dass wir uns bei Zellaktivatoren ja immerhin über die Technik der Höheren Mächte unterhalten. Da hätte sie eigentlich auf die Idee kommen können, dass ihr Vorhaben nicht so einfach realisierbar ist. Wenn sie allerdings der Meinung war, besser zu sein, musste sie sich belehren lassen. Sie zahlte einen sehr hohen Preis für persönliche Sturheit.
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
nanograinger
Kosmokrat
Beiträge: 8280
Registriert: 18. Mai 2013, 16:07

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

R.B. hat geschrieben: 5. Januar 2024, 14:12
nanograinger hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:42 Das klingt, als hättest du inzwischen deinen Frieden mit Band 3199 gemacht?
...
Nein, ich habe meinen Frieden mit diesem Roman nicht gemacht. Inzwischen weniger, weil Bull weg ist. Nein, es ist und bleibt die Art, wie das passiert ist. Für sich alleine gesehen, ist der Roman von AE gut bis sehr gut, keine Frage. Er gibt Perry die Hand und tschüss. Mir fehlte das Auf Wiedersehen mit den verbliebenen restlichen Weggefährten, insbesondere mit Gucky. Das ist mein Thema.
...
Mich würde nur interessieren, ob die Art des Abschieds in 3199 vorgegeben war oder ob AE sich das selber ausgedacht hat.
Lieber R.B., wie es scheint fehlen dir einige wichtige Romane vor 3199, weil du um 3150 quasi ausgestiegen bist.

Eine (für mich sehr) stimmige Abschiedsszene mit Perry gibt es bereits in WiVas Band 3181. Damit war der (vorläufige) Abschied von Bully aus der Serie klar. Ja, es gab keine Abschiedsszene mit Gucky. Wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass sich AE da entweder nicht rangetraut hat, oder dass man bewusst diese Abschiedsszene nicht geschrieben hat, um indirekt zu sagen, dass es eben kein Abschied für immer ist.
Benutzeravatar
R.B.
Superintelligenz
Beiträge: 2719
Registriert: 28. August 2013, 11:19
Wohnort: Köln

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Tennessee hat geschrieben: 5. Januar 2024, 11:08 Interessant finde ich aber auch folgendes: Wenn man die Ansprüche und auch die Kritik an den PR-Geschichten in Inhalt und Stil von heute auf die Cantaro übertragen würde, so käme m.E. dieser Zyklus nicht so gut weg. Er gilt aber als einer der Fan-Favourites. Daher die Frage: Was denkst du, was der Cantaro-Zyklus hat, was ihn trotzdem so beliebt macht? Ist es reine Nostalgie? Ist der Stil doch passender und heute vielleicht unpassend? Sind die Geschichten einfach besser? Ist die Dramaturgie besser? ...
Hm. Nostalgie waren die MdI. Wir waren jung und schön (okay, Letzteres sind wir immer noch :D ) und es war der erste Riesenzyklus über 100 Bände.

Nein, dass ist es nicht. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von Band 1400 war ich zweieinhalb Jahre verheiratet und wir hatten einen kleinen Sohn. Da verschieben sich die Betrachtungsweisen.

Es war die Übergangszeit von der - ich sag mal - PR Steinzeit in die Neuzeit. Die alten Autoren wie Scheer oder Darlton gab es noch, aber im Großen und Ganzen waren deren Nachfolger wie Ellmer, Sydow oder Feldhoff am Start. Der Schreibstil ist ebenfalls in Richtung neue Zeit unterwegs, aber noch lange nicht angekommen.

Als Beispiel möchte ich die damalige Diskussion über Sex in PR nennen. Was heutzutage völlig problemlos und total unverkrampft rüberkommt, war Ende der 80ziger doch stellenweise ein ziemliches Gewürge. Der arme KHS hatte sich dieses Themas mal angenommen, meine Güte, dergleichen würde heute sofort auf dem Garagendach landen. Aktuell ist dagegen das Geschlecht bei den handelnden Personen teilweise unklar, zum Beispiel bei der Figur, die Männer männlich und Frauen weiblich sehen (ich habe den Namen vergessen). In der Gegenwart sieht man sowas als selbstverständlich an und das ist auch gut so.

Nein, es war etwas Neues kreiert worden. Zeitsprünge hatten wir zwar schon mal (399 - 400), aber der hier war anders. Die Milchstraße war abgeriegelt, der Teufel tanzte in Terras Hallen und niemand wusste nichts Genaues. Unsere Helden fielen aus dem Nichts in eine Welt hinein, in der sie Überreste aus der Steinzeit hätten sein können. Mit den Gurrads tauchte ein längst vergessen geglaubtes Volk wieder auf. Perry Rhodan gibt sich als verletzlicher Mensch - denke an die Gewebeprobe. Altre Figuren treten ab- und wie sie abtreten: ZA geklaut. Tolle Einzelromane (Marianne Sydow und die Kartanin) in einer faszinierenden Rahmenhandlung ergänzten. Monos als Satan daselbst.

Ich glaube, es war ein Konglomerat aus allem Möglichen.

Mit dem Zeitsprung und der abgeriegelten Milchstraße wurde etwas komplett Neues erschaffen. Hierin liegt m.E. der Grund für die Beliebtheit des Zyklus.

Übrigens: Nächste Woche Samstag ist unsere Herrensitzung. Die ist hierzulande noch beliebter als der Cantarozyklus.
:P :P :o) :P :P
Bleck vun dä Schäl Sick op unsere schöne Dom: Sankt Peter und Maria mit Hohenzollernbrücke
Benutzeravatar
nanograinger
Kosmokrat
Beiträge: 8280
Registriert: 18. Mai 2013, 16:07

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

Band 1400 "Götter der Nacht" kam im Juni 1988 heraus. Die Ausreisen über Ungarn, dann Tschechien und der Fall der Mauer war noch über ein Jahr entfernt und damals trotz Gorbatschow, Perestroika und Glasnost noch so undenkbar wie eine Besuch von Marsmenschen. Der einzige Autor mit echtem Ostbezug war H.G. Ewers (soweit ich das überblicke), der fleißig seine Romane schrieb, aber die Serie nicht steuerte. Ich sehe also keinen Zusammenhang zwischen Mauerfall und Überwindung des Chronopuls-Walls.

Der Cantaro-Zyklus stellte den größten Bruch dar, den es bis dato (aber auch seither) in der Serie gab, den Reset aller Resets. Die Linien, die weitergeführt wurden (bspw. die Nakken und Monos' Herkunft) werden im Wesentlichen erst im Linguiden-Zyklus wieder aufgenommen (die beiden Zyklen sind vermutlich in Teilen zusammen konzipiert worden). ES, von etwa 700 bis 1399 beständig in der einen oder anderen Form dabei (zuletzt in der Inkarnation des Benneker Vling), spielt in diesem Zyklus überhaupt keine Rolle. Perry und die Galaktiker sind auf sich allein gestellt, sind nicht in irgendeinem Auftrag unterwegs, sondern in ureigener Sache. Mit der Genprobe von Monos wird dies für Perry Rhodan sogar persönlich. Mir hat dieser Aspekt damals wie heute nicht gefallen, aber das ist Geschmacksache.

Vor allem zeichnete sich der Cantaro-Zyklus durch eine Düsternis und eine Brutalität aus, die es in der Form noch nie in der Serie gab. Das mag damals einen Nerv getroffen haben, es ist schließlich die Zeit nach Filmen wie Alien (1979), Blade Runner (1983) und Terminator (1984), und SF-Romanen wie der Neuromancer-Trilogie (ab 1987 in deutscher Übersetzung). Gerade Letzteres dürfte durchaus Einfluss auf den Cantaro-Zyklus gehabt haben (Simusense). Kurz gesagt: Es war die Zeit, in der Dystopien populär wurden.

Ich bin aber auch sicher, dass viele Lesys die Serie damals auch verlassen haben, weil sie eben diese Dystopien und diese Brutalität nicht lesen wollten. Die kamen dann auch bei Feldhoff nicht zurück. Aber die Lesys, denen der Cantaro-Zyklus gut gefiel, die kamen vermutlich auch mit Feldhoffs Expokratie gut zurecht.
Benutzeravatar
Tennessee
Zellaktivatorträger
Beiträge: 2072
Registriert: 12. Juli 2012, 00:32
Wohnort: vlakbij

Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

R.B. hat geschrieben: 5. Januar 2024, 14:23 [...] wir uns bei Zellaktivatoren ja immerhin über die Technik der Höheren Mächte unterhalten. Da hätte sie eigentlich auf die Idee kommen können, dass ihr Vorhaben nicht so einfach realisierbar ist. Wenn sie allerdings der Meinung war, besser zu sein, musste sie sich belehren lassen. Sie zahlte einen sehr hohen Preis für persönliche Sturheit.
Das würde ich ähnlich sehen. Das ist ja schon ein gewisser Hybris-Gedanke (Sturheit würde ich eher nicht denken), der da bei ihr aufkommt - und ob mit oder ohne Jennifer Thyron, ich hätte nie gedacht, dass Irmina das gelingen würde.

Was die Klauerei anbelangt: Irmina war auch recht viel mit der PERSEUS unterwegs; ich könnte mir vorstellen, dass ihr die ZA-Klauerei in seiner Systematik nicht so bewusst war. Was sie z.B. von Deighton wusste oder nicht, da bin ich doch noch sehr unsicher bzw. erinnere die Hefte nicht mehr so genau.
„Ein Wort“, sagte Humpty Dumpty, „bedeutet genau das, was ich es bedeuten lasse, nichts anderes.“
„Die Frage ist“, sagte Alice, „ob du Worten so viele Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – das ist alles.“
Antworten

Zurück zu „PERRY RHODAN Classics“