Klassiker - Cantaro

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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

So. Sylvester. Normalerweise bereitet ich mich jetzt in Ruhe auf den Abend vor. Normalerweise. Diesmal nicht, weil eine alte Freundin mit Namen Bronchitis zu Besuch ist und schwer nervt. Jetzt ist erstmal Sofa und pflegen angesagt.
:( :(

Ich wünsche allen, die sich hier rumtreiben, einen Guten Rutsch, viel Glück im neuen Jahr und vor Allem Gesundheit.
:feuerwerk: :feuerwerk: :feuerwerk:
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Homer G Adams
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Homer G Adams »

R.B. hat geschrieben: 31. Dezember 2022, 13:18 Band 1430 - Hamillers Puzzle - ist von Arndt Ellmer, erschienen am 16.01.1989
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.....
Hola R. B.

Zu erst einmal möchte ich sagen, dass ich mich tierisch über deine jeweiligen kleinen Storysequenzen mit Gucky, Bully und Lee in New England freue. Diese sind das eigentliche Haupstueck in diesem wirklich inzwischen großen Werk oder deinem Projekt, wie du es an anderer Stelle bezeichnet hast. 😃 :st: :st: :lol:

Ich freue mich über jede Storysequenz. Am besten habe ich natürlich die Szene im Pub gefunden. :-)) :lol: :st: :st:
Der Wirt koennte eine Projektion von ES sein. 😁🤔😂

Auch der jeweilige Spoiler des Bandes mit den Worten der Drei finde ich einfach super. :st:
Das Gleiche gilt für die jeweiligen Schlussbemerkungen, gewissermaßen ein Fazit mit spitzfindigen
Bezügen auf unsere Realität oder auf die laufende EA Handlung. :st:
Wie eben zuletzt mit den Bemerkungen ueber das lieblose Abschieben von Bully und keine Verabschiedungszene mit Gucky. :o
Mehr möchte ich dazu nicht kommentieren.

Noch eine Schlussbemerkung : Diesen Post bringe ich auch auf dem ES Thread für Retroleser. Dein Projekt ist es wert durch den Hinweis in einem anderen Thread noch mehr Klicks zu bekommen.

Auch ich bin noch wütend ueber den vorläufigen würdelosen Abgang von Bully🤬
Zuletzt geändert von Richard am 3. Januar 2023, 18:47, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Vollquote entsorgt
„Cappuccino und Earl Grey ☕🍵🥐 ist uebrigens ein Hauptgrund, der die Existenz Terras berechtigt erscheinen lässt. “ etwas abgeändert.
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"Wenn der letzte Ritter der Tiefe gegangen ist, werden alle Sterne erlöschen." Alte kosmische Weisheit über die RdT

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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Lieber Homer,

ganz lieben Dank für deine Worte! Das freut mich sehr und motiviert mich, hier weiterzumachen.
:juhu: :juhu:

Ich habe grade mit dem Doppelband 1431/32 angefangen. Wenn ich hier durch bin, geht es weiter.
B-)
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Homer G Adams
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Homer G Adams »

R.B. hat geschrieben: 3. Januar 2023, 17:30 Lieber Homer,

ganz lieben Dank für deine Worte! Das freut mich sehr und motiviert mich, hier weiterzumachen.
:juhu: :juhu:

Ich habe grade mit dem Doppelband 1431/32 angefangen. Wenn ich hier durch bin, geht es weiter.
B-)
Hola R.B.

Da freue ich mich sehr darauf! :st:
„Cappuccino und Earl Grey ☕🍵🥐 ist uebrigens ein Hauptgrund, der die Existenz Terras berechtigt erscheinen lässt. “ etwas abgeändert.
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Tennessee
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

Homer G Adams hat geschrieben: 3. Januar 2023, 15:46
R.B. hat geschrieben: 31. Dezember 2022, 13:18 [...]
Hola R. B.

Zu erst einmal möchte ich sagen, dass ich mich tierisch über deine jeweiligen kleinen Storysequenzen mit Gucky, Bully und Lee in New England freue. Diese sind [...]
Salut R.B.,

das möchte ich auch einmal bestätigen. Ich finde deine Klassiker-Besprechung in dieser Form sehr erfrischend und bereichernd. Ich bin nur immer sehr unsicher, ob man/ich etwas dazu beitragen sollte oder könnte, da deine Form auch, und das ist positiv gemeint, eher geschlossen ist. Deswegen wird es, glaub ich, mal Zeit dir zu sagen, dass deine Besprechung viel Spaß machen und, zumindest von mir, aber ich glaube auch von anderen, regelmäßig mit viel Vergnügen gelesen werden - auch wenn ich/wir/man manchmal etwas still ist.

lg
Ten.
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Andreas Möhn
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Andreas Möhn »

Dem schließe ich mich an! Ich kommentiere hier zwar nicht viel, aber lese immer gerne mit.
Die Sternenflotte bestätigt hiermit, dass im Rahmen der Erstellung dieses Beitrags kein Rothemd erschossen, erschlagen, verstrahlt, zerstückelt, gefressen, liquidiert, aufgelöst, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise an Leib, Leben und/oder psychischer Gesundheit geschädigt wurde.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Danke. Einfach nur danke.
:st:
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Kardec
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Kardec »

Andreas Möhn hat geschrieben: 3. Januar 2023, 18:42 Dem schließe ich mich an! Ich kommentiere hier zwar nicht viel, aber lese immer gerne mit.
Dem schließe ich mich vollumfänglich an.
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1431 - Das Humanidrom - ist von H.G. Francis, erschienen am 23.01.1989
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"Das ging aber jetzt ziemlich schnell, von dem schüchternen Empfang meiner Wenigkeit bis zur prügelandrohenden Furie", meinte Reginald Bull und sah Lee interessiert an. Dabei griemelte er leicht, weil Gucky sich immer noch seine Ohren festhielt.

"Wenigkeit", grummelte Gucky. "Der sollte sich mal im Spiegel ansehen und auf die Waage stellen. Dann würde er nicht so einen Unsinn erzählen."
"Ruhe!" schimpfte Bully in Richtung des Ilts. "Sonst besorge ich eine Waage und stelle dich darauf. Über NATHAN müsste es möglich sein, das Idealgewicht eines Mausbibers herauszukriegen. Dann sehen wir weiter."

Beide beruhigten sich allerdings sehr schnell, als sie sahen, dass Lee plötzlich einen sehr in sich gekehrten Eindruck machen, ganz woanders war und den Tränen nahe zu sein schien. Sie hatte sich inzwischen auf einen großen, längs des Weges liegenden Baumstamm gesetzt und blickte zu Boden. Gucky watschelte zu ihr hin und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Hey Mädel", sagte er. "Was ist auf einmal los mit dir? Haben wir was falsch gemacht? Oder können wir was für dich tun?"

"Nein", sagte sie leise. "Es liegt nicht an euch. Das Problem bin ich und ich habe im Moment Angst, hier zu versagen."

"Red nicht so einen Unsinn", polterte Reginald Bull. "Du hast mit uns zwei Hübschen ja auch nicht unbedingt die jederzeitige Leichtigkeit des Seins geerbt. Was bedrückt dich? Glaub mir, wir beide wissen aus häufigen eigenen Erfahrungen, dass drüber reden hilft. Es geht einem danach besser."

Sie sahen, wie Lee tief Luft holte und zum Sprechen ansetzen wollte. Beim dritten mal klappte es.

"Ich habe ein massives Problem mit Männern, zu denen ich respektvoll aufblicke oder mir einbilde, aufblicken zu müssen."

Bull, der in seinem Leben so gut wie alles mindestens siebenundfünfzig Mal erlebt hatte, hatte jetzt schon eine Befürchtung, in welche Richtung Lees Geschichte ging. Er sah sie offen an und nickte ihr aufmunternd zu.

"Bei Gucky hatte ich diese Schwierigkeiten übrigens nicht." Der Ilt machte sich ebenfalls so seine Sorgen, daher unterließ er den an dieser Stelle eigentlich fälligen Spruch. "Ich habe mich Gucky als die gute Seele von Newengland vorgestellt", redete sie weiter. "Das stimmt soweit auch."

Sie sah ihre beiden neuen Freunde an und gab sich wieder einen Ruck. "Ich bin hauptberuflich psychologische Psychotherapeutin, nebenbei noch so etwas wie amtliche Streitschlichterin und äußerst selten noch das Empfangskomitee für nicht geplante Gäste. Letzteres kommt eigentlich nie vor, weil sich hier eben keiner verläuft. Ihr seid die ersten seit Menschengedenken. Aber man war der Meinung, wenn es denn mal passieren würde, wäre ich mit meiner Ausbildung die Richtige.

Und das mit der Streitschlichterin liegt darin begründet, dass ich gut auf andere zugehen kann, um mit ihnen zu reden. Das muss eine natürliche Begabung sein und mein hauptsächlicher Broterwerb tut sicher sein übriges dazu. Meistens dreht es sich hier um Kleinigkeiten wie ein paar Quadratmeter fruchtbares Land, dass jeder haben will, aber nur einer kriegen kann. Ich setzt mich mit den schlimmsten Streithanseln an den Tisch, sehe ihnen tief in die Augen und auf einmal wird der Ton ruhiger, sachlicher und man erzielt eine Einigung, ohne dass ich auch nur ein Wort gesagt habe."

"Hm", machte Gucky. "Hast du dich mal auf Psi - Fähigkeiten untersuchen lassen?"

"Das geht auf Newengland nicht. Ich müsste meine Heimat verlassen und das kommt für mich nicht in Frage. Sollte tatsächlich eine entsprechende Begabung festgestellt werden, könnte ich mir so manche Organisation vorstellen, staatlich wie privat, die ihre Finger nach mir ausstrecken würde."

Da hat sie Recht, dachte Bull und ihm fielen auf der Stelle etliche von solcherlei Vereinen ein.

"Zum Ersten will ich hier sowieso nicht weg und zum Zweiten ist die Gefahr, dass auf welchem Weg auch immer die Position unserer Welt bekannt wird, einfach zu groß. Ich bin doch froh, dass ich auf Newengland leben darf."

Wieder ein tiefes Luftholen. "Ich bin nämlich nicht von hier."

Obwohl sie immer noch zu Boden sah, wusste sie, dass sie erstaunte Blicke erntete. "Ich bin ein Findling. Ihr wisst, dass wir unsere Ex- und Importe so gut wie komplett über Transmitter regeln. Unsere Sender haben eine Besonderheit: Sie liefern keine Kennung mit, aus der man die Position des Absenders eruieren kann. Naja, als kleines Baby, als Säugling, wurde ich in einer hiesigen Empfangsstation aufgefunden. In einer Wiege, einfach so. Ich muss gottserbärmlich wegen des Entzerrungsschmerzes geschrien haben und so fand man mich recht schnell."

"Kein Absender?", fragte Gucky.

"Nein, das Ding muss die gleiche Technik wie wir angewandt haben. Nichts feststellbar. Ich bin eine Waise und habe keine Ahnung, wo meine Wurzeln liegen. Nein, kommt mir jetzt nicht mit genetischen Datenbanken an. Ich lebe hier, bin glücklich hier und bleibe hier."

Zum ersten Mal blickte sie auf und sah den anderen Beiden in die Gesichter, den Kopf von einem zum anderen drehend. "Und jetzt kommt meine eigentliche Geschichte", sagte sie. "Ich wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Anfangs sehr nette Leute, die mich aufnahmen, mich umhegten und umpflegten, erzogen und alles weiter wie Schule oder Sportvereine organisierten. Dann wurde ich größer."

Sie machte eine Pause. Wieso habe ich das Gefühl, gleich jemandem den Hals herumdrehen zu wollen?, ging es dem rothaarigen Terraner durch den Kopf.

"Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht, als mein Dad - für mich waren es ja meine Eltern - mir das eine oder andere Mal immer näher rückte."

Jetzt war es an dem Terraner, tief Luft zu holen.

"Dann kam er dir zu nahe, was? Musstest du lange leiden? Wenn du hier aufhören willst, ist alles in Ordnung, kein Thema."

"Nein. Ich bin jetzt soweit gegangen, jetzt kommt der Rest auch noch. Es war mein zwölfter Geburtstag, spätabends, als die Gäste und meine Freunde alle weg waren. Er erzählte mir irgendwas, schleimte um mich herum und dann..."

Stille. Man hörte Geräusche aus dem naheliegenden Wald, sonst nichts.

"Als ich begriff, was da passieren sollte, habe ich um mich geschlagen und getreten. Da ich damals schon ziemlich sportlich war, hatte ich in meinem Entsetzen zumindest an diesem Abend keine Probleme, zumal ihn ein Tritt an der richtigen Stelle getroffen hatte. Er ließ von mir ab und befingerte mich nicht mehr. Nein, er ging subtiler vor. Nichtbeachtung und Schläge. Aber so, dass man die Ergebnisse nicht sah. Ich konnte mich nicht wehren, es war furchtbar. Wie kann ein Mensch sowas machen? Ich hatte ihm doch nichts getan und für mein Aussehen konnte ich doch nichts. Es hielt drei schlimme Jahre an, bis ich allen Mut zusammennahm und mich Father John offenbarte. Father John ist unser Pater der offenen Religionen. Priester, Beichtvater, Gesprächspartner, unverzichtbar. Er trennte mich sofort von meiner Familie und sorgte für meine Sicherheit. Meine Pflegeeltern habe ich nie mehr wiedergesehen. Mein bisschen Hab und Gut, dass ich als Fünfzehnjährige besaß, holte er aus unserem Haus. Er begeisterte mich fürs Kickboxen, baute mich wieder auf und ich traute mich dank seiner Hilfe wieder unter Menschen. Er sorgte für meine Ausbildung mein Studium, ich bin ihm bis an mein Lebensende dankbar. Später erfuhr ich, dass Dad kurze Zeit später Suizid begannen hatte und Mom an ich weiß nicht welcher Krankheit verstorben war. Ob sie Bescheid wusste, weiß ich bis heute nicht. Das ist der Grund, warum ich psychologische Psychotherapeutin geworden bin. Schwerpunkt Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Und ich tue alles, dass auf unserer friedlichen Welt nichts und niemand mehr einen solchen Gräuel erleben muss."

"So", schloss sie ab. "Jetzt wisst ihr, wer und was ich bin. In meiner Geschichte sind mit Sicherheit die Probleme mit Männern begründet. Allemal mit solchen, zu denen ich aufgucken muss. Dann kommen manchmal Panikattacken und man muss mich zuerst wieder beruhigen, sonst kann man mit mir nichts anfangen."

"Puh", machte Gucky. "Das ist harter Tobak. Aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass du jeden Grund hast, stolz auf dich zu sein. So wie ich dich einschätze, leistest du hervorragende Arbeit. Lass dir von einem alten Ilt gesagt sein: Immer, wenn es dich so wie jetzt überkommt, setz dich in eine Ecke und denke darüber nach, wie vielen Menschen du geholfen hast, jungen wie alten. Oder stell dir vor, du sitzt an einem Fluss irgendwo im Wald an deiner Lieblingsstelle. Denk dir weiterhin, du hättest kleine Papierschiffchen gebastelt und würdest sie ins Wasser setzen. Auf jedes dieser Schiffchen setzt du dann eine Sorge und einen bösen Gedanken drauf, bis du sie alle verteilt hast. Dann siehst du den Schiffchen zu, bis sie mitsamt ihrer Ladung hinter der nächsten Ecke verschwinden. Mitsamt deiner Schwierigkeiten. Weg sind sie. Ich bin sicher, so etwas hast du x mal anderen empfohlen und geraten. Nur bei dir selber hast du es noch nicht angewendet. Glaub mir, es funktioniert. Weiß ich aus eigener Erfahrung." Er wurde nachdenklich. "Nein", fuhr er fort. "Du wärest auf anderen Welten falsch. Du musst hierbleiben und aufpassen. Auf die Menschen in Newengland. Genauso wie ich auf den Rest der Menschheit aufpasse und dafür sorge, dass sie nicht vor die Hunde geht."

"Danke", sagte Lee zu Gucky, wandte sich ihm zu und setzte ihm einen dicken Kuss auf die Nase. Dann drehte sie sich zu Bully. "Du hattest natürlich Recht. Nur wer redet, dem kann geholfen werden. Ich fühle mich, als wäre ein Riesenklotz von meiner Seele gefallen. Aber ich wollte euch doch nicht mit meinen Schwierigkeiten zulabern. Ich..."

"Unsinn", blaffte der Terraner. "Du hast uns nicht zugelabert. Immerhin haben wir es schon fast provoziert. Außerdem: Du bist wichtig und deine Welt hier. Der komplette Rest des Universums ist völlig uninteressant, allemal wir zwei Deppen hier."

"Wenn hier einer der Depp ist, du das zweifellos du und keinesfalls ich", Gucky strahlte Bully an. "Was nämlich passieren kann, wenn kein Gucky da ist, der auf diese Meute aufpasst, siehst du in der folgenden Erzählung. Kaum ist der erwiesene Retter des Universums mal 695 Jahre weg, geht alles, aber auch wirklich alles schief."
Spoiler:
Gucky erzählt die Geschichte über das Humanidrom:

Ich weiß nicht, Dicker, ob du dich an die Geschichte vom Bau des Humanidroms erinnerst. Es ist ein klassisches Beispiel der indirekten Unterdrückung, wie es sie wohl gibt, seit dem angeblich intelligente Wesen das Universum bevölkern. Dergleichen ist völkerübergreifend und egal wo immer wieder auf unterschiedliche Arten zu finden. Nur bei dem einzig wahren und reinen Volk, dem der Ilts gibt es sowas natürlich nicht. Wir waren immer, stets und ständig...

Was sagst du? Ich soll in die Gänge kommen? Ich weiß nicht, seit dem du hier rumläufst, artet das Erzählen in Arbeit aus. Man darf nicht mehr sagen, was man denkt und du bist andauernd der Meinung, du hättest auch schon was zu kamellen. Was natürlich nicht der Fall ist. Denn dafür bin ich ja da.

Nun denn. Wir sind auf Lokvorth, damals eine unverschämt reiche Welt. Sechsunddreißigtausend und ein paar Lichtjahre von der Erde weg lebte man im Luxus sondergleichen - es gab nichts, was man nicht kaufen konnte. Auch vermeintliche Freunde waren für Geld zu haben. Aber ob die echt waren, wage ich zu bezweifeln. Und Armin Holm hatte eingeladen, um die Geburt seines achten Kindes, eines Sohnes, zu feiern.

Eine der Gäste war Esmalda. Sie war eine seltsam zwielichtige Frau, zudem als Hellseherin bekannt. Unser Armin befragte diese Dame nun, was seinem Sohn in Zukunft bevorstehe. "Dein Sohn wird die Weiten der Milchstraße kennenlernen und viele fremde Welten betreten", eröffnete sie dem glücklichen Vater. Schlagartig erloschen sämtliche Gespräche. Ein Gast sagte dann dazu, er könne sich nicht vorstellen, warum der Kleine später mal Lokvorth verlassen wollen würde. Kein Mensch denke doch an Raumfahrt. Andere Welten könne man über Holos betrachten, zudem hätte man doch sowieso keinen Grund, Lokvorth zu verlassen. Nirgendwo wäre es schöner als hier auf Lokvorth.

Die schöne Esmalda zog währenddessen unseren Armin an die Seite und empfahl ihm, auf der Hut zu sein. Zwei Geheimpolizisten wären unter seinen Gästen, sagte sie. Es könne an Leib und Leben gehen. So war Armin Holm schnell klar, dass die eben gehörten Worte in erster Linie für die beiden Spitzel gedacht waren. Er lächelte dünn. Sein Sohn werde auf Lokvorth bleiben. Da sei er ganz sicher. Was eigentlich auch niemanden wunderte, denn von einer derartigen Welt des Überflusses, des Kosumrausches und, ja, auch der lockeren Sitten wollte eigentlich keiner weg.

Nur mit der vermeintlichen Freiheit war es dann wohl doch nicht so ganz. Keine Raumfahrt, selbst wenn man sich nur mal woanders umgucken wollte, Geheimpolizei und dergleichen sprachen eine eigene Sprache. Offiziell wurde das damals, wir sind im Jahr 800 NGZ, mit einer Organisation namens CALIDA begründet. Das seien, so war zu hören, allesamt schädliche Terroristen.

Genau diese Feier, meine Lieben, exakt diese fröhliche Zusammenkunft war der Anfang von Ende des Überflusses. Das konnte da aber noch keiner wissen. Zunächst betrat nur ein junges, blondes und extrem gutaussehendes Mädchen die Bühne. Ihr Gesicht war vor Erregung gerötet. Es sei sensationell, behauptete sie. Soeben sei eine äußerst wichtige Nachricht von der Erde eingetroffen. Man habe beschlossen, dass Lokvorth seinen Reichtum zum Ruhme der gesamten Menschheit einsetzen solle. Den Lokvorthern sei der Auftrag erteilt worden, ein Humanidrom zu bauen.

Und obwohl keiner der Anwesenden wusste, was ein Humanidrom sein sollte, brach man in minutenlangen, lauten Jubel aus. Bis Armin fragte, was das denn überhaupt sei, ein Humanidrom. Es wäre eine gigantische Weltraumstation, kam zur Antwort von der jungen Blonden. Riesengroß soll es zu einem Denkmal menschlichen Genies werden. Von der Menschwerdung bis heute. Die Erde veranschlage eine Bauzeit von fünfzig Jahren. Man würde sich ein ewiges, galaktisches Denkmal setzen. So ging das noch eine Weile weiter, der leitende Bauingenieur des Humanidroms, Endehar Roff, war ebenfalls vor Ort und gab noch das eine oder andere zum Besten.

Armin Holm wurde misstrauisch, als Esmalda ihn fragte, ob er seinen Sohn schon gesehen habe und ihn an die Seite in einen separaten Raum zog. Total entsetzt war er, als tatsächlich zwei Mitglieder der Geheimpolizei den Raum betraten und Esmalda ehrfürchtig behandelten. Er, Armin sei ein Narr, sagte sie zu ihm. Er lebe im absoluten Überfluss und habe trotzdem gegen die Gesetze verstoßen. Darauf stehe die Todesstrafe. Armin wurde abgeführt, eine Stunde später begann sein Schauprozess, der glatte zehn Minuten dauerte. Weitere zehn Minuten später war Armin Holm tot. Oben wurde indes weitergetrunken. Das Humanidrom müsse schließlich gefeiert werden, sagte Esmalda. Den Gästen erzählte sie, Armin wäre in die Klinik zu Frau und Sohn geflogen.

So fing es an.

Und dann ging die Bauerei los. Der Weltraum-Ingenieur Albert Holm, der Sohn von Armin, wurde ins Humanidrom bestellt, um bei dem Bau mitzuwirken. Die beiden führenden Gestalten machten es sich ziemlich einfach: Sie gaben eine Order mit den benötigten Mitteln nach unten und dort hatte man zu liefern. Ich fürchte, wenn da einer gegen aufgemuckt hätte, wäre der den gleichen Weg wie der unselige Armin gegangen. Also wurde geliefert. Die Konstruktionspläne und damit die Bestellungen waren aber derart umfangreich, dass die eigene Wirtschaft und die Entwicklung von Lokvorth immer mehr ins Hintertreffen geriet. Die Wirtschaft konnte den immer höher werdenden Anforderungen nicht stand halten.

Holt merkte davon nichts. Er hatte in der Zwischenzweit geheiratet, seine Frau blieb auf Lokvorth und er baute fleißig weiter am Humanidrom. Was mit seinem Vater gewesen war, wusste er nicht. Noch fünfundzwanzig Jahre nach dessen Tod hielt er ihn für einen Verräter. Und Verräter interessieren keinen. Man arbeitete und baute, ab und zu kam ein Rückschlag durch Angriffe der CILADA, die man wie immer als Terrorismus abhakte.

Was inzwischen in der Galaxis um Lokvorth herum passierte, wusste dagegen keiner so genau. Perry Rhodan hieß es, habe Selbstmord begangen. Er sei durch ein Virus depressiv geworden und habe sich 490 NGZ in ein schwarzes Loch gestürzt. Letztlich sei das ja alles eine Folge der Großen Kosmischen Katastrophe. Auch diesen Begriff hinterfragte niemand und keiner wusste nichts genaues. Drei weitere Unsterbliche, nämlich Galbraith Deighton, Geoffrey Abel Waringer und Homer G. Adams hätten die Milchstraße vor dieser Katastrophe gerettet, in dem sie einen von innen undurchdringlichen Wall um sie herum schufen. Allerdings hätten Homer und Geoffrey in einem Anfall von Wahnsinn später probiert, den Wall durchbrechen und dabei den Tod gefunden. Galbraith Deighton lebte noch und spielte den Obersten Galaktiker. Was auch immer.

Holt interessierte das alles nicht. Er war begeistert. Er hatte sein Studium und so gut wie sein komplettes Lebens dem Humanidrom gewidmet. Die Folgen für seine Heimatwelt sah er nicht. Dabei war es ganz einfach: Die komplette verarbeitende Industrie wurde in Diensten dieser Museumsstation gesteckt. Neuherstellung, Zulieferung, alles. Zuerst klappte das ja auch. Gegenstimmen gab es keine und wer aufmüpfig wurde, erhielt netten Besuch von Esmaldas Geheimpolizei. Also alles gut. Bis auf einmal die ersten Dinge auf Lokvorth ausfielen. Ganz einfach, weil sie kaputt gingen und nicht mehr zu gebrauchen waren. Da fingen die Schwierigkeiten an: Es gab keine Ersatzinvestitionen mehr, weil ja der komplette Planet für das Humanidrom arbeitete. Es wurden keine neuen Gleiter oder Syntrons hergestellt, Immobilien verfielen. Langsam aber sicher. Und dann immer weiter und immer weiter.

Irgendwann nach etlichen Jahren Bauzeit benötigte man ein paar syntronische Module oder so ein Zeug. Auf Lokvorth war nix mehr zu holen. Grade gehört. Also musste man woanders einkaufen und zu Albert Holms großem Erstaunen gab es tatsächlich noch ein funktionsfähiges Raumschiff, mit dem man sogar fliegen durfte. Alles fürs Humanidrom, egal was es kostet. Nur: Auf den Nachbarwelten war das nun auch nicht so einfach. Von wegen, ins nächste Geschäft gehen, das Benötigte kaufen und ab dafür. Auf einem Planeten im Nachbarsystem, den Namen hab ich vergessen, man kann ja als armer kleiner Mausbiber nicht alles behalten, wurde zwar kein Humanidrom gebaut, dafür gab es eine derart überbordende Bürokratie, dass den Kaufwilligen nur die flucht übrig blieb.

Da war das komplette öffentliche Leben gelähmt, stellt euch das mal vor. Ich habe Terra ja schon für den Gipfel der Unmöglichkeiten auf diesem Gebiet gehalten, aber auf dieser schrägen Welt passierte nichts mehr. Als unser Albert sich bei einem höheren Tier beschwerte und wissen wollte, was das denn solle und wer das in die Welt gesetzt habe, erhielt er als Antwort, es gäbe Gesetze, an die man sich zu halten habe. Täte man das nicht, ginge es einem nicht ganz so gut. Die notwendigen Gesetze wären von Terra gekommen, von NATHAN ausgearbeitet.

Da diesen Gestalten augenscheinlich nicht zu helfen war, sah man sich anderweitig um, aber etwas lag auf jeder Welt im Argen. Fünf oder sechs Planeten weiter war es anscheinend nicht ganz so schlimm, dafür gab es aber ein Exportverbot. Aber bei näherem Hinsehen konnte man auch hier nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Schulen war abgeschafft. Ebenso Universitäten und jegliche Art von Bildungseinrichtung. Die Bevölkerung wurde bewusst verdummt. Als Ausgleich gab es eine neue Religion, die angeblich von Perry Rhodan höchstdaselbst gestiftet worden sei. Satansanbeter waren das allemal. Und wer sich dem nicht anschloss, naja, ich glaube, das brauche ich nicht mehr zu erläutern. Auf hier dürft ihr nur einmal raten, wo dieser bekloppte Blödsinn herkam.

Richtig. Von Terra. Ich bin stolz auf euch. Von Rhodan initiiert, von den Cantaro verbreitet. Wobei natürlich - wie hieß sie noch, diese Welt? Das war irgend so ein total bescheuerter Name, wartet mal, mir fällts gleich ein, ja, Arranguusha, hieß sie. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, da wusste natürlich niemand, wer oder was diese Cantaro waren. Auf jeden Fall schaffte man es, eine stillgelegte Firma zur Herstellung der gewünschten Teile wieder in Betrieb zu nehmen und mit den fraglichen Dingern zu türmen, bevor das Chaos mit heftigen religiösen Unruhen Überhand nahm.

Man baute weiter und weiter am Humanidrom. Lokvorth ging es immer schlechter und war eigentlich pleite. Aber unser Freund Albert Holm merkte erst etwas, als er zu Hause seine Frau besuchte und mit ihr groß ausgehen wollte. Es dauerte eine Weile, bis er das begriff. Als er es kapiert hatte, wollte er nach Jahrzehnten endlich, endlich wissen, was mit seinem Vater passiert war und gegen welche Gesetze er verstoßen hatte. Ein guter Freund, ein Siganese, sagte es ihm. Er hatte ein Raumschiff gebaut und wollte damals von Lokvorth weg. Er hatte wohl damals schon geahnt, dass es hier ein wenig schief läuft. Und da kam ihm die Geheimpolizei in Person von Esmalda, die im Übrigen des jüngeren Albert Holms Schwiegermutter war, toll was?, na die kam dem Senior auf die Spur und das wars dann.

Albert beschloss, es seinem Vater gleich zu tun. Es wollte sich ebenfalls ein Raumschiff bauen. Egal, wie lange es dauern würde. Er musste nur raus aus diesem verdrehten System, das alle zu Marionetten machte.

Oben auf dem Humanidrom stand in Kürze die Einweihung an und zur Feier des Tages wollte Albert seiner Frau den Grund für den so-gut-wie Untergang Lokvorth zeigen und führte sie im Humanidrom rund. Das gab wohl den letzten Ausschlag für seine Pläne. Er sah einen Nakk, zwar nur ganz diffus und einmal rumgedreht war er weg, aber da stimmte was nicht. Das Innenleben entsprach auch nicht mehr den Planungsunterlagen, ganz seltsam verdreht war das in der Station, irgendwie vierdimensional. Man ging durch eine Tür und fand nicht mehr zurück. Denk dir einen Tesserakt, so einen Hyperkubus. Da drin würdest du dich auch verlaufen, zumal er innere Würfel genauso groß ist wie der äußere. Aber da kriegt man einen Knoten ins Hirn.

Wie auch immer, Albert arrangierte sich mit seinen Freunden und erfuhr so, dass auf so gut wie jeder Welt etwas passierte, dass normales Leben und arbeiten unmöglich machte. Gesteuert würde das Ganze von Terra, das sich damit eventuelle Konkurrenz vom Leib halten wolle. Albert entschloss sich, seinen Freunden zu helfen und die Flucht vorzubereiten.

Als dann tatsächlich die Einweihung des Humanidroms losging, tauchte einer aus unserer alten Garde auf, wie du es wohl ausdrücken würdest, Lee. Der oberste Galaktiker, Mister Galaktikum höchstpersönlich mit Namen Galbraith Deighton betrat den Raum. Der gute Albert war geschockt, als er ihn sah. Denn der Deighton, der da vor ihm stand, hatte nix mehr mit dem aus alten Holos bekannten Original zu tun. Er war komplett vermummt, hatte einen Gefühlsmechaniker - Helm auf dem Kopf und wirkte ziemlich furchteinflößend. Albert und seine Frau Deni hatten ziemliche Angst, zumal niemand wusste, was sich denn nun tatsächlich hinter dieser Maskerade verbarg. War der echte Deighton tot? Oder war sonst was mit ihm passiert und die Cantaro hatten ihn umprogrammiert?

Alle Welt erwartete nun, dass Deighton feierlich das Humanidrom eröffnete, sich bei den Lokvorthern bedankte und was auch immer zum wirtschaftlichen Wiederaufbau stiftete. Weit gefehlt. Er beschlagnahmte die Station und eröffnete der Bevölkerung, dass er hoffe, dass man aus eigener Kraft wieder nach oben kommen würde. Danach stand auf einmal Esmalda neben ihm. Sie sprachen von dem Raumschiff, dass Albert und Co bauten und forderten die Übergabe. Deighton schwafelte noch von dem Wall, der nicht zu durchdringen sei und dass es außerhalb kein Leben mehr gebe und sowieso: Widerstand würde nicht geduldet. Im anschließenden Durcheinander erschoss Deni ihre Mutter und flüchtete mit einem aus Revoluzzer - Quartett mittels des Raumschiffes. Die zwei anderen, darunter unser Albert, gerieten in Gefangenschaft.
"So". Gucky sah ziemlich fertig aus. "Jetzt sage ich eine Weile kein Wort mehr. Das fand ich doch ziemlich reichlich."

"Du hast das aber sehr gut rübergebracht", wollte Lee den Ilt motivieren. "Das war ja eine ganz perfide Geschichte, die da augenscheinlich von Terra ausging. Betraf das alle Welten oder nur die, von denen Terra Konkurrenz befürchtete? Hatten die vor Ort denn keine Wissenschaftler oder Ökonomen, die ihnen erklären konnten, dass das so nicht funktionieren konnte? Ich meine, ich bin ja nicht das hellste Licht in Wirtschaftswissenschaften, aber das ist sogar mir klar."

"Zuerst", erläuterte Reginald Bull, "haben sie nichts gemerkt, weil Lokvorth nur aus Geld und Luxus bestand. Es mag vielleicht ein paar kritische Stimmen gegeben haben, die wurden aber entweder überhört oder direkt entsorgt. Hinter dem Deckmantel des schieren Luxuslebens befand sich eine totale von Terra gesteuerte Diktatur. Und als man es merkte, war es zu spät. Lokvorth ist zwar später wieder in die Gänge gekommen, aber das hat sich elendig hingezogen."

"Da lob ich mir unser Newengland. Selbst wenn wir hier nicht aus Luxus bestehen, sondern für unsere Erträge hart arbeiten müssen", stellte Lee abschließend fest.

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Es ist zwar eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich diesen Band gelesen hatte, aber es sind doch ein paar Erinnerungen mehr da, als es bei den 300ern der Fall war. So weiß ich noch ganz genau, dass ich mich damals tierisch aufgeregt hatte, weil es immer noch keine Infos über den gefangenen Cantaro gab. Wozu hatte man den denn, wenn die Leser nichts über ihn erfuhren? Im Klartext: Ich fühlte mich beim Öffnen dieses Romanes veräppelt. Was ist damals beim Lesen empfunden habe, weiß ich allerdings nicht mehr.

Heute aber kann ich nur sagen: Hut ab! HGF hat ein tolles Werk abgeliefert. In einem Rutsch gelesen (passiert mir heutzutage eher selten). Er erzählt eine interessante Geschichte, die ihre Spannung daraus bezieht, dass man die ganze Zeit befürchtet, dass Albert gegen Ende den Weg seines Vaters gehen wird. Ob er letztlich die Festnahme überleben wird, ist am Ende der Story noch unklar. Sein Vater wurde ja auch verhaftet, war aber anderthalb Stunden später tot.

Wir erfahren zum ersten Mal etwas über das Leben innerhalb des Walls, und zwar 343 Jahre vor dem Auftauchen unserer Freunde. Terra richtet sich ein, die Konkurrenz wird niedergemacht. Passend zugeschnitten wird jede Welt auf ihre Art primitiviert. Wer steuert das? NATHAN würde man das zutrauen, aber wer zum Henker hat den denn umprogrammiert? Und was ist aus Galbraith Deighton für ein Unhold geworden? In der Tat. Alle diese Fragen lassen derzeit nur eine Antwort zu: Der Teufel persönlich haust in Terras Hallen.

Fein ein paar Bröckchen Cantaro und Milchstraße hingestreut (Deighton), aber Wesentliches erfährt man natürlich nicht. Trotzdem: Es war das richtige Thema zur richtigen Zeit und vor Allem für den richtigen Autor!
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Andreas Möhn
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Andreas Möhn »

Die Rückblenden in die Dunklen Jahrhunderte waren überhaupt sehr starke Romane.
Kurzer Einwand: Hieß die Terrororganisation nicht CILADA? Du hast oben CALIDA geschrieben.
Die Sternenflotte bestätigt hiermit, dass im Rahmen der Erstellung dieses Beitrags kein Rothemd erschossen, erschlagen, verstrahlt, zerstückelt, gefressen, liquidiert, aufgelöst, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise an Leib, Leben und/oder psychischer Gesundheit geschädigt wurde.
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nanograinger
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

Rückblickromane kommen auch deshalb meist gut an, weil in ihnen oft (nicht immer) kondensiert Geschichten erzählt werden, auf die die Lesys einerseits schon lange warten, die aber auch andererseits inhaltlich von Bedeutung sind, siehe etwa Band 1421/1422.

Das ist hier teilweise auch so, man lernt wieder etwas über die Geschehnisse in der Milchstrasse und insbesondere über das perfide System von Ausbeutung und Unterdrückung, dass teilweise im Namen Perrys installiert (der gleichzeitig für tot erklärt wird). Das wird im kommenden Roman von Francis und danach ausgebaut bis zum Höhepunkt in Band 1491/1492. Die sich entwickelnde Dystopie ist schlicht allumfassend, richtig starker Tobak. Die Serie war weder davor noch danach jemals so düster, meiner Meinung nach.

Beide Romane von Francis habe ich in recht guter Erinnerung, eine positive Überraschung für mich.

Und ja, die angebliche "Terrororganisation" heißt CILADA, der Name hat eine Bedeutung, wie wir im nächsten Roman erfahren.
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R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Andreas Möhn hat geschrieben: 6. Januar 2023, 10:24 Die Rückblenden in die Dunklen Jahrhunderte waren überhaupt sehr starke Romane.
Kurzer Einwand: Hieß die Terrororganisation nicht CILADA? Du hast oben CALIDA geschrieben.
Du hast völlig Recht. CILADA. Man kann sich seinen Kram 10 mal durchlesen, bevor man auf absenden drückt und trotzdem ist immer noch was falsch...
:D
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

R.B. hat geschrieben: 6. Januar 2023, 12:11
Andreas Möhn hat geschrieben: 6. Januar 2023, 10:24 Die Rückblenden in die Dunklen Jahrhunderte waren überhaupt sehr starke Romane.
Kurzer Einwand: Hieß die Terrororganisation nicht CILADA? Du hast oben CALIDA geschrieben.
Du hast völlig Recht. CILADA. Man kann sich seinen Kram 10 mal durchlesen, bevor man auf absenden drückt und trotzdem ist immer noch was falsch...
:D
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1432 - Fluchtziel Gevonia - ist von H.G. Francis, erschienen am 30.01.1989
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"Was mich fasziniert", meinte Lee, "ist die Tatsache, dass ihr so detailliert berichten könnt. Habt ihr so ein gutes Gedächtnis? Funktioniert das bei euch anders als bei Normalsterblichen?"

"Wie es um das Erinnerungsvermögen bei Menschen bestellt ist, weiß ich nicht", antwortete Gucky. "Es soll da Exemplare geben, die ganz schön löchrig sind." Dabei sah er seinen alten Kumpel Bully an, der aber aus irgendeinem Grund nicht auf die Bemerkung des Ilts ansprang. "Nein," sagte er. "Es ist wie überall: Es gibt Dinge, die bleiben für immer sofort abrufbar im Hirn kleben. Zum Beispiel, wie ich damals auf Tramp Ende Dezember 1975 der alten Zeitrechnung auf diese seltsame Truppe stieß. Da diese komischen Kerle und ihr rundes Riesenschiff mich interessierten, teleportierte ich einfach an Bord. Damit ging die ganze Misere los. Der da", er zeigte auf Bully, "wollte mich einsperren oder wegmachen. Da ließ ich ihn telekinetisch um die Lampe kreisen, auf dass er sich wieder beruhige. Perry hab ich dann ein, zwei Mal treuherzig angeguckt, hatte meinen Namen weg und die ganze Geschichte nahm ihren Anfang."

"Haben wissenschaftliche Untersuchungen seinerzeit nicht ergeben, dass Mausbiber zwar einen ausgeprägten Spieltrieb haben, dafür aber nur tagsüber eine leidlich ausgeprägte Intelligenz besitzen und in der Nacht gar keine? Wenn man sich das vor Augen hält, wundert einen fast überhaupt nichts mehr. Außerdem wird es langsam dunkel. Also Vorsicht." Reginald Bull sah es für notwendig an, seinen Senf dazuzugeben.

Die beiden alten Freunde bemerkten schnell, wie Lee langsam aber sicher rot anlief. Bevor Gucky auf Bullys Bemerkung eingehen konnte, platzte ihrer Gastgeberin der Kragen. "Ist es eigentlich völlig unmöglich, dass ihr zwei Gestalten euch mal eine halbe Stunde unterhalten könnt, ohne dass dabei Blödsinn aus euch herauskommt? Ich habe doch eine klare Frage gestellt. Wieso bekomme ich keine Antwort?" Wutentbrannt blickte sie von einem zum anderen.

Die sahen sich betreten an und der rothaarige Terraner versuchte nachfolgend zu erklären: "Gucky hat Recht. Es gibt Dinge, die sind da. Ständig und immer. Das dürfte bei dir genau das Gleiche sein. Es gibt Dinge, die sind eher nebulös vorhanden, aber abrufbar und es gibt Dinge, die sind einfach weg."

Lee nickte. Ja, so kannte sie das. "Aber bei euch kommt doch immer mehr dazu. Lauft ihr nicht über?"

"Ich gehe davon aus, dass unsere Gehirne aussortieren. Nehmen wir mal Sprachen. Ich habe absolut keine Ahnung mehr, wieviele Sprachen ich bisher gelernt habe. Mit ganz viel Glück könnte ich wohl noch einige davon verstehen, wenn mein Gegenüber nicht zu schnell spricht, aber selber reden? Beim besten Willen nicht. Natürlich fällt mir ein erneutes Erlernen weniger schwer. Aber stets griffbereit? Nein. Die Sprache mit der ich aufgewachsen bin werde ich nie verlernen, egal wie lange ich was auch immer in anderem Kram von mir geben muss. Aber Englisch ist vorhanden. Das ist im Großen und Ganzen das, was ihr Altsprache nennt. Ein paar von euch werden die sogar fehlerlos sprechen können, aber nicht alle. Was ihr hier redet, ist ein in meinen Ohren seltsames Pidgin - Englisch, was aber bei eurer Abgeschiedenheit keinen wundern dürfte. Immerhin schreibt ihr noch fast normal. Jetzt pass mal auf mein Kind", Bully grinste und gab einen Schwall für Lee absolut unverständlicher Worte von sich.

"Das macht er immer, wenn er andere Leute beeindrucken will, weil sonst nichts Beeindruckendes an ihm dran ist", kommentierte Gucky das soeben Ausgesprochene, hielt sich aber sofort zurück, als er sah, dass Lee seine Ohren fixierte. "Ich bin ja schon ruhig", grummelte er. "Ist doch wahr, mit mir als armem, kleinem Mausbiber kann man es ja machen..."

Bull grinste immer noch. "Was ich da grade gesagt habe, war nichts anderes als: Mein Name ist Reginald Bull, ich bin in Far Rockaway im New Yorker Stadtteil Queens geboren und aufgewachsen. Die dortige wunderbare Sprache habe ich bis heute nicht verlernt."

Er sah ihren aufmerksamen Blick und erläuterte weiter: "Es kann aber durchaus sein, dass ich mit etwas, das mir vor einem Jahr jemand beigebracht hat, nichts mehr anfangen kann. So musst du dir das vorstellen. Ich kann dir von Perrys und meinem mit Abstand größtem Abenteuer, unseren ersten Flug zum Mond jedes noch so kleine Detail verraten. Wie Flip sich nach dem Start die Zunge blutig gebissen hatte. Oder meine Gedanken, als wir dieses Riesenteil von einem Raumschiff gefunden hatten. Erics Blick, als er Crest untersuchen sollte oder Perrys Miene, als er das erste Mal Thora gegenüber stand. Und die Landung, wie zuerst Perry und danach ich unsere Rangabzeichen entfernten. Alles da. Von späteren Geschichten würde ich nur grobe Umrisse oder Überschriften hinkriegen. Aber Einzelheiten? Wenn wir uns im engeren Kreis darüber unterhalten, fällt uns sicher noch mehr ein. Aber nicht viel. Lediglich, wenn ich eine Datei abrufe und mich optisch, akustisch oder visuell damit beschäftige, ist doch einiges wieder da."

"Und wie funktioniert das dann hier? Wieso weißt du so viel und das auf Anhieb?" Lee hatte sich diesmal an Gucky gewandt.

"Keine Ahnung", sagte der. "Wir hatten etwas Vergleichbares schon mal. Da saßen zunächst Perry, Atlan und ich, später noch Bully zusammen und haben uns über M 87 die Köpfe heißgeredet. Damals hatte uns wohl unser alter Freund ES eingesperrt, um uns Werweißwas klarzumachen. Von dem merke ich hier aber nichts. Es gibt auch keine anderen Anzeichen. Warum uns beiden hier so viel einfällt, kann ich dir nicht sagen. Gut, es ist nicht ganz so lange her, aber das kann nicht der Grund sein. Ich weiß es nicht."

"Hm." Lee fand die Antwort eher unbefriedigend. Vielleicht kommen sie ja noch dahinter. Würde mich doch mal interessieren, ging es ihr durch den Kopf. sagte aber: "Schade eigentlich. Aber dann lässt es uns ausnutzen. Ich möchte nämlich wissen, ob und wie die Geschichte von Albert Holm weitergeht."

"Du bist dran, Dicker", sagte Gucky. "Ich habe genug geredet."
Spoiler:
Reginald Bull erzählt die Geschichte vom Fluchtziel Gevonia:

Natürlich hatte Albert die Befürchtung, es erginge ihm genauso wie seinem Vater und er rechnete mit dem Ende seines Lebens. Er hatte Glück. Naja, wie man's nimmt. Er überlebte. Vielleicht hatte es mit dem Ableben dieser Chefsadistin Esmalda zu tun, es wusste es nicht. Auf jeden Fall ließ der Schlag einer Robot - Peitsche Albert Holm zu Boden gehen. Fünfzig Jahre Arbeitslager. Da muss man sich mal vorstellen. Das ist sogar für unsereins eine ziemliche Hausnummer, erst recht aber für jemanden, der sein komplettes Leben in den Dienst des Humanidroms gestellt hatte.

Was hatte er denn vom Leben gehabt? Die paar schönen Stunden mit seiner Frau Deni? Das waren viel zu wenige gewesen. Zwanzig Jahre aufwachsen, den eigenen Vater für einen Verräter halten, Schule, Studium, Humanidrom. Humanidrom, Humanidrom, Humanidrom. Fünfzig Jahre lang. Danach die Verhaftung, der Schrecken und die Angst vor dem Prozess. Das Urteil. Nein, nicht Tod. Arbeitslager. Die nächsten fünfzig Jahre.

"Hast du vergessen, wie du mich anzureden hast?" fragte der Roboter. "Nein, Herr", stammelte Albert. "Verzeihung, Herr!" Dann ging die Knechterei weiter. Herr! Einen Roboter! Ich glaube, ich wäre an seiner Stelle wahnsinnig geworden, umgehend total ausgeflippt und hätte mich dann von meinem Leben verabschieden können.

Dabei hatte er sowas wie einen Jahrestag. "Heute vor fünfzig Jahren wurde das Humanidrom eingeweiht", sagte er seinem Nebenmann: Weißhaarig, alt, mit hohlen Wangen und tief in den Höhlen liegenden Augen. "Am gleichen Tag wurde ich verurteilt", erläuterte er seinem Nachbarn. "Zwanzig Jahre Zwangsarbeit."

"Und wieso bist du dann noch hier?" fragte der Alte.

"Es endet niemals", gab Holm zurück. "Sie finden immer einen Grund, um dich festzuhalten. Ich habe in fünfzig Jahren nicht einmal erlebt, dass jemand entlassen wurde." Als Gegenleistung ließen die Maschinen sie regelmäßig ihre Peitsche spüren. Damit konnten sie Holm aber nicht brechen, wie das bei so manch anderem armen Teufel passierte. Er wusste genau, dass eines Tages seine Chance kommen würde. Vielleicht war die auch schon da. Grade heute.

Albert Holm spürte die Schläge nämlich nicht. Der Robot konnte ihn stundenlang schlagen, er würde nichts davon merken. "Ich habe mich mit Arranguusha - Warzen bei einem Mithäftling infiziert, von dem Planeten dieser Teufelsanbeter. Die setzen das Schmerzempfinden auf Null."

Der Alte, er hieß Eschraxan, wollte wissen, ob Holm schon mal an Flucht gedacht hatte. "Täglich, stets und ständig", antwortete Albert. "Aber eine Flucht hat nur dann Sinn, wenn ich Lokvorth verlassen könnte. Und dann gibt es auch nur einen Planeten in der ganzen Milchstraße, zu dem zu gehen sich lohnt. Gevonia."

Du erinnerst dich, Kleiner? Okay. Aber dir sagt das sicher nichts, Lee. Aber ich denke, du hast den Namen Ribald Corello schon mal gehört. Genau. Der Supermutant. Zu der Zeit, als er noch krank war, hatte er sich Gevonia nach seinen Vorstellungen verändert. Dort war seine Zentrale und seine Hauptstadt, das Tapura mit dem Tapurium darin, seinem Hauptquartier. Später, nach seiner Heilung machte er geschehendes Unrecht soweit er konnte, wieder gut und schenkte den Bewohnern diese Welt. Und dieser Planet geisterte als Ziel der Sehnsucht durch die Köpfe der Verurteilten und zu Zwangsarbeit Verdammten.

Die Sache hatte nur ein Problem: Man benötigt ein Raumschiff, um von Lokvorth wegzufliegen. Hätte man erstmal eines in seinen Besitz gebracht, wäre der Rest schnell erledigt. Es gab auf Lokvorth keine wie auch immer geartete Bewaffnung, mit der man Schiffe abschießen konnte. Die kaputte Wirtschaft hatte sich ausgewirkt.

Eschraxan kam nun mit einer handfesten Überraschung. Er wusste, wo ein Raumschiff zu finden war. Höchstens hundert Kilometer weit weg, zur Not fußläufig zu erreichen, aber leicht defekt sei das Ding. Aber Holm sei ja Ingenieur, der würde das schon hinkriegen. Einen Tag später hatte Holm sich entschieden. Flucht war angesagt.

Jetzt sagt man uns ja nach, immer dann, wenn wir ein Problem hätten, käme ein Mutant, meistens Gucky und das Problem wäre erledigt. Das können andere aber auch: Holm verzehrte mit großem Appetit einen faustgroßen Käfer. Die würden zu einer Körperausdünstung führen, die die Flußechsen auf Distanz halten würde, erläuterte er seinem Kameraden. Der brauchte nämlich einen handfesten Grund, um die nicht grade schon aussehenden Krabbeltiere ebenfalls zu verspeisen. Praktisch, nicht wahr? Und so genau passend. Das Lager war nämlich von einer Seite nicht umzäunt. Dort begrenzte ein Fluss das Areal. Und darin lebten eben Flussechsen, die mit großem Hunger alles verspeisten, was sich dort herumtrieb.

Gesagt, getan, die beiden Männer flohen, die Echsen ließen sie in Ruhe und sie fanden tatsächlich das Raumschiff. Holm nahm die Syntronik in Betrieb, die umgehend die Selbstreparatur - Mechanismen anwarf, ließ sich die Warzen entfernen und schlief sich erstmal aus.

Am nächsten Tag diskutierten die Geflohenen über den Sinn und Unsinn des Humanidroms sowie über die aktuelle Lage in der Milchstraße. Es ging nur um Wohlverhalten Terra gegenüber. Wer aufmuckte, wurde bestraft. Wer früher reich war, wurde in Armut gestürzt. Wer gehorsam und folgsam war, wurde belohnt. So einfach war das. Dann die Geschichte mit dem Schutzwall, hinter dem angeblich kein Leben möglich war. Das konnte man nun glauben oder auch nicht. Albert glaubte es nicht. Vielleicht, so meinte Eschraxan, gäbe es den ja nur, um das Regime auf Terra an der Macht zu halten und zu verhindern, dass alle aus der Milchstraße türmten.

Als einzige Hoffnung bezeichnete der Alte die CILADA. Wenn er könnte, würde er sich sofort mit denen in Verbindung setzen. Aber er hatte keine Ahnung, wie. Diese Organisation schien ihm wie ein Phantom, irritierend. Der Name, erklärte Eschraxan stammte von einer altterranischen Sprache: Es sei portugiesisch und bedeute Falle. Er habe auch schon mal den Namen WIDDER gehört, wisse aber nicht, ob CILADA und WIDDER ein- und der derselbe Verein seien oder eben nicht.

Vielleicht, dachte Albert Holm, gibt es die Freiheit nur außerhalb der Milchstraße. Vielleicht ist tatsächlich alles nur eine Lüge. Außerdem: Wer waren eigentlich die Herrscher über die Galaxis? War alles nur eine Erfindung? Egal. Sein Ziel war Gevonia. Aber nicht direkt. Sein Weg führte über Gatas, um Rache an dem Verräter Yilgrizz zu üben. Dem hatte er damals seine Verhaftung zu verdanken. In fünfzig Jahren hatte sich jede Menge Ärger aufgestaut.

Es gab noch einiges an Durcheinander, der Alte wollte unbedingt ins Humanidrom und die Zwei kriegten sich in die Wolle. Albert Holm obsiegte und verfrachtete seinen ehemaligen Mithäftling auf einen unbewohnten Planeten, wo er ihn mit ausreichender Bewaffnung zurückließ. Holm schaffte mit dem Raumschiff den Weg nach Gatas und fand schließlich auch den Gesuchten. "Ich komme, um dich zu töten!", begrüßte er den Jülziish. "Verrat verjährt nicht."

Yilgrizz erzählte Holm eine detaillierte Geschichte über Galbraith Deighton sowie Holms Frau nebst einem ebenfalls flüchtenden Siganesen und überzeugte so unseren Freund, dass er nichts und niemanden verraten habe. Er könne Holm sogar weitgehend helfen. Er habe Kontakte zur CILADA und stellte Albert in Folge Eylaraud vor, einer kleinen, zierlichen Frau, die so gar nicht wie eine CILADA - Kämpferin aussah. Sie erzählte von der Gefahr, Verräter in den eigenen Reihen zu haben, so hatte NATHAN ihrer Organisation mal eine paar falsche Widerständler untergejubelt. Jahre habe es gedauert, sich davon zu erholen. Aber jetzt sei Schluss.

Holm holte sie und noch fünfunddreißig weitere Kämpfer an Bord seines Schiffes und man begab sich ab in Richtung Gevonia. Als sie begriff, wohin es nun endgültig gehen sollte, stammelte eine Akonin: "Wir sind auf dem Weg ins Paradies. Ich fasse es nicht!" Nun, es sah tatsächlich so aus, als wäre das Schlimmste überstanden. Eylaraud sollte der Syntronik die galaktische Position von Gevonia angeben und dann ab dafür.

Jetzt könnte natürlich alles sehr einfach werden, was es tatsächlich aber nie ist. Denn, so sagte die Mitkämpferin, Gevonia würde nie direkt angeflogen, das wäre viel zu gefährlich. Man könne immerhin trotz Allem überwacht und verfolgt werden. Nein, man träfe sich zuerst mit der LFG. Richtig gehört. G. Das sollten die Letzten Freien Galaktiker mitsamt eines Raumschiffes sein. Holm vertrauter ihr und ihren Leuten. Immerhin war er jahrzehntelang weggesperrt gewesen und hier kannte man alle Tricks und sie wussten definitv besser als er, wie man sich zu verhalten habe. Er fühlte sich absolut sicher und schlief zum ersten Mal seit vielen Jahren tief und fest.

Dreißigtausend Lichtjahre weiter traf man auf einen Kugelraumer, 240 Meter Durchmesser, moderne Bauweise. Holms Schiff dockte an und nachfolgend hörte er die Begrüßung durch den arkonidischen Kommandanten des LFG - Schiffes. Alle sollten, so der Kommandant, an Bord seines Schiffes kommen, man würde sich um sie kümmern. Holm behielt trotz allem einen letzten Rest von Misstrauen und befahl der Syntronik seiner IKARUS, für alle Fälle startbereit zu bleiben. Dann verließ er sein Schiff.

Alles in ihm zog sich zusammen, als er auf den LFG Schiff jemanden sah, den er kannte. Den er als lebenslustigen, sprühenden Mann kannte. Sicherlich, es war klar, dass der andere älter geworden war, aber seine Augen waren tot! Er bewegte sich wie eine Puppe mechanisch und irgendwie kraftlos. Holm war, als wäre er in eine Falle gegangen. Aber nach einem Gespräch mit dem arkonidischen Kommandanten beruhigte er sich wieder und schob seine dunklen Gefühle auf seine Überspanntheit auf Grund der Erlebnisse der letzten Jahre.

Aber als er einen weiteren ihm bekannten Mann als Droiden entlarvte, der ihm zu allem Überfluss eröffnete, die CILADA wäre von terranischen Agenten unterwandert, war es wieder da, das miese Gefühl. Als er dann auch noch mitbekam, dass alle seine Mitstreiter zu "medizinischen Untersuchungen" geführt wurden, war es vorbei. Er zwang sich, hinzusehen. Zuerst stellte er fest, dass der Kommandant ein Spitzel der terranischen Regierung war. Und Eylaraud, die vermeintliche Kämpferin, mit ihm zusammen arbeitete. Dann merkte er, dass seinen Mitstreitern syntronische Steuerelemente in den Kopf einoperiert wurden.

Er wollte keine Sekunde länger an Bord des angeblichen LFG Schiffes bleiben. Er musste zurück zur IKARUS, das war seine einzige Hoffnung. Natürlich klappte es nicht. Sie fingen ihn ein und paralysierten ihn. Dann erfuhr er die Wahrheit. Sein Freund Yilgrizz, der ihm auf Gatas erklärt hatte, dass er kein Verräter gewesen sein konnte, war doch einer und hatte das alles hier eingefädelt. "CILADA", lachte der arkonidische Kommandant, "es ist alles ganz einfach. CILADA heißt Falle. Und genau das ist es. Das System wurde von NATHAN ausgearbeitet. Er hatte die CILADA entstehen lassen, um alle jene anzulocken, die Widerstand leisten wollten. Wir brauchen sie nur einzusammeln."

Die Widerständler, derer man habhaft würde, kamen tatsächlich nach Gevonia. Allesamt operiert mit einem Chip im Kopf. Dort, im vermeintlichen Paradies würden sie aufbewahrt, bis man sie benötigen würde.

Und so, meine liebe Lee, endet die Geschichte. Albert Holm wurde operiert. Er überlebte und kam tatsächlich nach Gevonia. Aber diese Welt entpuppte als alles Andere denn paradiesisch. Es war eine Urwaldlandschaft, die noch nie die ordnende Hand eines Menschen gesehen hatte. Er hatte gehofft, hier noch eine lebenswerte Ecke zu finden. Es gab sie nicht. Die Macht von Terra war allumfassend. Sie duldete keinen Widerspruch.

Dann schaltete jemand seine Kapsel ein. Holms Bewusstsein löste sich auf. Es war vorbei.
Lee war ziemlich fertig mit ihrer Welt. "Dann gab es also keine Hoffnung", sagte sie und fand sich auf seltsame Art wieder in diesem Buch aus grauer Vorzeit, 1984, wieder. Auch dort war der angebliche Widerstand nur Show gewesen, inszeniert von einem System, dass bis in die letzte Ecke sah und alle Menschen unterjochte. So ähnlich muss es damals in der Milchstraße gewesen sein. "Und wir haben davon nichts mitbekommen. Wir haben weiter in unseren Kneipen gesessen, Bier getrunken und gefeiert." Sie wirkte fassungslos.

"Sei lieber froh, dass man euch nicht gesucht und gefunden hat", meinte Bull. "Sonst gäbe es das hier alles nicht."

"Ja, wir leben doch sehr in unserer eigenen Welt." Sie blickte auf ihren Chrono und gähnte. "Seid mir nicht böse, aber für mich wird es Zeit. Ich denke, ich gönne mir noch ein Bier und dann ist Feierabend. Bringst du mich zu Billy?" Sie sah Gucky an, der sie umgehend für die Tür vom Pub beförderte. "Ein Stück die Straße rauf ist Lillys Café. Dort gibt es zum Thema Frühstück alles, was das Herz begehrt. Sehen wir uns morgen gegen 11.00 Uhr?"

Gucky nickte, wünschte ihr eine gute Nacht und verschwand.

Bully war schon unterwegs zu ihren kleinen Beibooten, mit denen sie hier auf Newengland gelandet waren. Sie trafen sich wieder und errichteten den üblichen Nieder - Energieschirm, damit keine tierischen Bewohner in ihre unmittelbare Nähe kommen konnten, sich aber auch nicht verletzten. Sie machten es sich in körperangepassten Sitzen bequem, lehnten sich beide zurück und lauschten den nächtlichen Geräuschen des Waldes. Für mehr als zwei oder drei Stunden sagte niemand ein Wort. Sie hingen einfach nur ihren Gedanken nach und genossen die Ruhe.

Dann drehte sich Reginald Bull in Richtung seines Freundes.

"Du redest morgen mit ihr?", fragte er.

"Natürlich", sagte Gucky.

"Gut. Sie hat es verdient."

Sie lehnten sich wieder zurück. Irgendwann im Laufe der Nacht erhoben sie sich beide gleichzeitig. Wie ein altes Ehepaar, ging es dem Terraner durch den Kopf, als sie sich zunickten und jeder in seinem Boot verschwand.

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Dieser Doppelband von HGF war fantastisch, hat mir gut gefallen und imponiert. Einerseits verstand er es sehr gut, das Grauen zu schildern, dass einen bei der Schilderung des herrschenden Systems überkommt; andererseits war da die Hoffnung des Helden dieser zwei Romane, Albert Holm.

O.k., es war zu befürchten, dass er diese Geschichte nicht bzw. nicht gesund übersteht, aber daraus bezog die Handlung ihre Spannung. Denn es hätte genauso gut sein können, dass uns hier eine neue Hauptperson vorgestellt wird. Durch den Blickwinkel eines (fast) Normalsterblichen erfahren wir nachvollziehbar, wie sehr der Teufel in Terras Hallen die Milchstraße bis ins letzte Detail beherrscht. Die orwellschen Tricks mit der vermeintlichen Widerstandsorganisation CILADA nehmen den Lesenden zunächst jegliche Hoffnung auf Besserung. Dann taucht bei tieferem Nachdenken der Name WIDDER zum ersten Mal auf. Also gibt es doch noch mehr? Eigentlich ist die Milchstraße ja groß genug, um sich irgendwo verstecken zu können.

HGF hat aus zwei vermeintlichen Füllromanen eine tolle Geschichte gebastelt, die ihm Nachhinein betrachtet an dieser Stelle richtig untergebracht war und die Fangemeinschaft mit den Verhältnissen innerhalb der Milchstraße bekannt gemacht hat. Da die geschilderten Ereignisse aus Sicht der aktuellen Handlung über 300 Jahre her sind, kann es in der Zwischenzeit eigentlich nur noch schlimmer geworden sein. Oder etwa nicht?
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Andreas Möhn
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Andreas Möhn »

Man liest den Roman von damals, denkt an das China von heute und fühlt sich von der Wirklichkeit eingeholt.
Die Sternenflotte bestätigt hiermit, dass im Rahmen der Erstellung dieses Beitrags kein Rothemd erschossen, erschlagen, verstrahlt, zerstückelt, gefressen, liquidiert, aufgelöst, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise an Leib, Leben und/oder psychischer Gesundheit geschädigt wurde.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von thinman »

Andreas Möhn hat geschrieben: 11. Januar 2023, 11:10 Man liest den Roman von damals, denkt an das China von heute und fühlt sich von der Wirklichkeit eingeholt.
Man darf nie vergessen, dass als diese Romane in der EA erschienen, die Sovietunion noch existierte, aber im Warschaeuer Pakt schon deutlicher Ausfallserscheinungen aufgetreten waren und wir wissen heute, dass Erich Mielke ähnlich gedacht hat, wie die Bösewichter hier im Hintergrund.
"Uncanny how live's immitating art" könnte man jetzt sagen, und das sollte sich über diesen und den Folgezyklus noch fortsetzen. Orwell war 1948 sehr hellsichtig, er hatte ja beide Seiten in Spanien kennengelernt.

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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von nanograinger »

Der Roman kam Ende März/Anfang April 1989 heraus, aber ich glaube kaum, dass die Autoren sich an realen Verhältnissen des Warschauer Pakts oder gar China orientierten. Von den Autoren hatte m.W. nur Ewers Erfahrung mit der DDR, und er floh kurz vor dem Mauerbau, als er 31 Jahre alt war. (Marianne Sydow wurde in Altdöbern geboren, aber ich weiß nicht, wann sie nach Westdeutschland kam, vermutlich recht jung).

Da scheinen mir schon eher Aspekte von Orwells 1984 Vorbild gewesen zu sein.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1433 - Blockadebrecher - ist von Kurt Mahr, erschienen am 06.02.1989
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"Ob die Besitzerin etwas dagegen hat, wenn ich hier ein Aktustikfeld errichte?" fragte Gucky am nächsten Morgen in Lillys Café.

"Aber nie im Leben. Wird's denn so geheimnisvoll?" wollte Lee wissen.

"Nein, aber vielleicht persönlich. Jetzt traue ich deiner Lilly ja keine Bosheiten zu. Menschen mit ihrem Job wissen sowieso mehr über andere Leute, als der gesamte Rest, aber der Laden ist zu gut besucht." Gucky hantierte an seinem Chrono herum und kurz danach sah man das charakteristische Flimmern des Feldes. Auf diesem Weg wurde auch Lippenablesen unmöglich gemacht.

"So", begann der Ilt. Er hatte länger darüber nachgedacht, wie er denn das Gespräch eröffnen sollte. "Bevor ich dir gleich eine Frage stelle, sag ich dir was über mich. Du hast mich hier einfach nur als Gucky, den Mausbiber kennengelernt. Ich bin hauptberuflich aber so etwas wie Soldat, Kämpfer und wenn es hart auf hart kommt, kommandiere ich Raumschiffe oder ganze Flottenverbände. Obwohl die letzten beiden Tätigkeiten nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehören. Ich bin sowohl Einzelkämpfer als auch Teamplayer, wenn es denn sein muss. Nebenberuflich bin ich noch sowas wie Wissenschaftler. Ich habe, dies möchte ich in aller Bescheidenheit anmerken, einige Doktortitel, darunter einen in theoretischer Physik und einen in Geschichte. Naja, ich habe ja auch Zeit genug zum Lernen. Vielleicht aber weiß ich deshalb etwas mehr bei meinen Erzählungen. Und: Ich bin das, was man früher Diplom - Fremdrassenpsychologe nannte. Heutzutage heißt sowas Kosmopsychologe."

Er sah Lee in die Augen und merkte, dass sie sich ein bisschen unwohl fühlte.

"Keine Sorge, mein Kind", sagte er. "Den weitaus größten Teil von dem ganzen Krempel habe ich woanders gelassen. Und da bleibt er auch. Schließlich bin ich ja auf Urlaub hier auf eurer schönen Welt. Die darfst du mir eigentlich auch mal detaillierter zeigen, wenn du möchtest. Aber: Wenn hier jemand von außen den richtigen Blick auf einzelne Personen hat, bin ich das. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Ilt. Dazu kommt, dass ich eine ziemliche Zeit unter Euresgleichen lebe und glaube mir bitte, es gibt nichts, aber auch rein gar nichts, was mir fremd ist. Bitte schließe aus den Frotzeleien von Bully und mir nicht auf den restlichen Gucky. Das dient bei uns Beiden nur zum Stressabbau. In mir drin sieht ganz anders aus. Denn wenn man so lange lebt wie ich, erfährt man alleine aus diesem Grund eine ganze Menge. Allemal zusätzlich noch, wenn man Telepath ist. Es ist jetzt nicht so, dass ich sämtliche Gedanken in meiner Umgebung sondiere. Hier klappt das ja sowieso nicht. O.k., ab und zu bin ich neugierig. Aber nur ganz, ganz selten."

Lee hatte einen Blick drauf, der Gucky mitteilte, dass sie ihm alles glaube, tatsächlich grade den letzten Satz nicht.

"Gut, vielleicht bin ich ein wenig zu oft neugierig, mag ja sein. Aber, und da kannst du dich zwingend drauf verlassen, es bleibt hier drin". Er zeigte auf seinen Kopf. "Nie wird irgendwer erfahren, was mir auf diesem Wege bekannt wurde. Noch nicht mal die Betroffenen selber. Sonst könnte ich sehr schnell meine Koffer packen. Betrachte mich einfach als Freund, der dir helfen will. Denke daran, deine Patienten haben mindestens die gleiche Hemmschwelle dir gegenüber, wie du das jetzt bei mir verspürst. Darf ich dir ein wenig hilfreich zur Seite stehen?"

Lee schluckte. Damit hatte sie nicht gerechnet, obwohl, nach ihrer Lebensgeschichte gestern Abend hätte sie es sich denken können. Sie fühlte sich von dem Ilt angeguckt. Naja, deswegen heißt er ja auch so, ging ihr durch den Kopf und sie musste unwillkürlich grinsen. Sie nickte. "Ja", sagte sie. "Ich bitte darum."

"Ich stelle jetzt noch keine Fragen", eröffnete Gucky ihr. "Vorher haben wir noch ein anderes Thema, sozusagen zur Einstimmung."

Er lehnte sich zurück, nippte an seinem Möhrensaft und begann:
"Menschen, Lee sind seltsame Wesen. Sie sind von vorne bis hinten hormongesteuert und das geht bei manchen Figuren schief, wie zum Beispiel in deiner Familie. Das ist euch entwicklungsgeschichtlich begründet. Denn bei allem medizinischen und technischen Fortschritt seid ihr eigentlich immer noch die alten Steinzeitmenschen. Weißt du, ein kluger Mann hat mal gesagt: So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen, doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet, sind sie immer noch die alten Affen."

Gucky strahlte Lee an und die musste lachen. "Den Spruch kenne ich nicht, den muss ich mir merken. Das ist was für Billys Kneipe. Darf ich nicht vergessen!"

Der Ilt fingerte an seinem Chrono herum und sagte: "Das gibt es auch als Lied , hab ich dir grade geschickt. Aber wie war das denn ehedem bei euren Vorfahren? Geburt, Kindheit, Pubertät, Partnersuche, jede Menge Kinder kriegen, großziehen und dann? Waren sie überflüssig und konnten abtreten. Das alles in 35 Jahren. Ärztliche Versorgung gabs in der Steinzeit ja nicht. Sicherlich liegt die Lebenserwartung heutzutage wesentlich höher, aber, ich sag mal, die inneren Werte sind den medizinischen Spielereien nicht gefolgt.

Bei Ilts ist das anders. Wir sind von Natur aus mit einer Lebenserwartung von 500 - 600 Jahren ziemlich langlebig. Und was unser selber angeht, sind wir bekanntlich die Bescheidenheit in Person."

Lee lachte.

"Was denn? Sieh mich einfach nur an, dann weißt du doch Bescheid! Als ob ich jemals unbescheiden gewesen wäre, also wirklich!"

Lee setzte sich neben Gucky und kraulte ihm den Nacken.

"Sehr schön", kommentierte dieser. "Du hast jetzt für nächsten drei Stunden eine Beschäftigung. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Bescheidenheit. Und: Es dauert alles etwas länger. Das Aufwachsen zum Beispiel. Eure Steinzeitler hatten längst das Zeitliche gesegnet, da war unser Nachwuchs noch nicht erwachsen. Nach Jahrzehnten überlegte man sich ganz langsam, ob man auf Partnersuche gehen sollte. Aber nur keine Hast! Denn wir werden nicht von Hormonen wie ihr bestimmt. Deswegen", Gucky sah seine Freundin schelmisch an, "gibt es bei mir auch keinen Hormonstau, wie ihn mir so einige Zeitgenossen unterstellen. Es sind keine da. Die haben einfach nicht begriffen, wie Ilts funktionieren."

"Aber ihr habt doch Nachwuchs bekommen", konstatierte Lee.

"Klar. Denn sonst gäbe es mich ja nicht. Ich, der ich in aller Bescheidenheit als mehrfacher Retter des Universums gelte, wäre nicht existent. Welch grausiger Gedanke! Nein. Natürlich gibt es bei Ilts Hormone. Aber alles zur passenden Zeit. Hatte man nämlich die passende Partnerin gefunden, musste man erstmal sehen, ob man es denn so viele und lange Jahrzehnte aushalten würde, bis der Nachwuchs groß ist. Wenn man dann irgendwann ans Zeugen heranging, war man aber schon deutlich über 100 Jahre alt. Danach waren die Hormone wieder weg und körperliche Nähe beschränkte sich eigentlich aufs Nackenkraulen. Wäre das bei Ilts wie bei euch, würden Welten wegen unserer Lebenserwartung nach kurzer Zeit in Ilts ersticken. Das ist nun der kleine, aber wesentliche Unterschied zu euch Menschen."

"Wenn es dich nicht gäbe...", begann Lee.

Gucky unterbrach sie und beendete den Satz: "...müsste man mich glatt erfinden. Weiß ich," strahlte er. "Das hat mir schon mal jemand gesagt. Aber jetzt bist du dran!"

Lee schluckte. "Ich glaube, ich kann von dir noch viel lernen", sagte sie. "Du kannst deinem jeweiligen Gegenüber wunderbar Ängste und Sorgen nehmen. Aber lass mir bitte noch einen Moment zum Nachdenken. Alleine deine Gegenwart gibt mir schon sehr viel und kann einiges von dem Durcheinander in mir sortieren. Komm, wir setzen uns unten an den Fluss und du erzählst mir den nächsten Teil der Geschichte. Danach sehen wir weiter."

Bangemachen gilt nicht, dachte Gucky, ließ Lee aber gewähren. Solche Dinge darf man eben nicht übers Knie brechen, wusste er. Also gewährte er seiner Freundin den Vortritt und watschelte hinter ihr her zum Fluss. Sie setzten sich auf eine Bank und ließen sich eine Weile von der Sonne bescheinen. Dann begann Gucky mit dem nächsten Teil.
Spoiler:
Gucky berichtet über die Geschichte vom Blokadebrecher:

So, meine Liebe. Du wirst dich sehr freuen, denn es geht mit deinem Lieblings - Cantaro weiter. Daarshol ist wieder da. Am Anfang zwar nicht so ganz, wie er sich das vorgestellt hatte, aber so ganz blöd war der ja nicht.

Aber von Vorne:
Unsere fernöstliche Geistesgröße mit Namen Sato Ambush - du erinnerst dich an den? Das war der Typ mit den Pararealitäten, diesen seltsamen nebenhergehenden Wirklichkeiten oder auch Unwirklichkeiten, was außer ihm wohl niemand so richtig begriffen hatte. Ich jedenfalls nicht. Für mich ist das alles halbgares Zeug.

Was sagst du? Ich hätte eben noch mit einem Doktortitel in Physik angegeben? Mein Herz, der beschränkt sich auf klassische theoretische Physik. Einsteinuniversum, Lichtgeschwindigkeit im Zusammenhang mit dem Verhalten subatomarer Teilchen und so. Mit diesem ganzen Hyperphysik - Gedöns kann ich kaum was anfangen. Mit wollte mal einer erklären, wie ein Tesserakt aussieht. Eben. Das ist ein vierdimensionaler Würfel, wobei der innere genauso groß ist wie der äußere. Das hab ich nicht in meinen Kopf gekriegt und damit war das höherdimensionale Zeug bei mir durch. Obwohl Psi - Kräfte am kurzwelligen Hyperspektrum angesiedelt sind. Oder so ähnlich. Aber dafür gab's und gibt's ja unsere Wissenschaftler. Wie Sato Ambush & Co.

Auf jeden Fall hatte der unseren fremden Kumpel etwas genauer untersucht, weil er wissen wollte, wie das denn funktionierte mit der Zusammenarbeit von biologischem Gewebe und den syntronischen Bestandteilen. Er war der Meinung, da müsse es eine Verbindung geben, eben so eine Art hypertoyktischer Verzahnung für Cantaro. Er fand sie. Und er entfernte sie. Es handelte sich um eine 0,8 Millimeter kleine Kugel. die als Koordinationsselektor einen Teil des Bewegungsablaufes steuerte, den die synthetischen Muskeln in Daarshols Droidenkörper zu bewältigen hatten. Ohne dieses Ding ging das nicht. Er war nämlich jetzt auf die Signale seines organischen Gehirns angewiesen und das war nun nicht so ganz einfach für ihn. Im Klartext: Er konnte sich nur noch äußerst langsam bewegen und noch nicht mal mir davonrennen und ich bin nun wirklich kein besonders schneller Läufer.

Er muss ein klein wenig angesäuert gewesen sein, denn eigentlich hätten wir bei der Fertigstellung des Pulswandlers seine Hilfe gebraucht. Das wäre sogar in seinem eigenen Interesse gewesen, alldieweil er ja nun auch in die Milchstraße zurück wollte. "Du kommst umsonst, kleiner Mann", hatte der Droide mit einer gewissen Gehässigkeit zu Sato gesagt. Und: Er solle sich wegscheren. Jetzt konnte man unser gutes fernöstliches Genie mit solchen Sprüchen nicht beeindrucken. Er fragte Darshool noch, ob ihm nicht der Gedanke gekommen wäre, dass die, denen er bei der Fertigstellung des Gerätes nicht helfen wolle, ihn einfach hier stehen lassen könnten. Dann ließ er unseren Freund alleine.

Meine Leute wälzten derweil andere Probleme. Eirene merkte, dass Covar Inguard wohl vor Heimweh eingehen würde und wieder nach Hause wollte. Die anderen überlegten grade, wie lange es wohl noch mit dem Blockadebrecher dauern solle und wie man danach vorzugehen gedachte, als sich Sato Ambush wieder meldete. Er habe den Verdacht, meinte er, dass Daarshol damit rechne, Phönix werde von seinen Artgenossen angegriffen werden oder er gedenke zu fliehen. Das ginge doch gar nicht, erhielt er zur Antwort. Denn erstens sei er ja im Moment nicht der Beweglichste überhaupt und zweitens nütze ihn eine Flucht sowieso nix, weil er ja nicht durch den Chronopulswall durchkomme. "Das macht nichts", antwortete Sato. "Er braucht sich nur irgendwohin zu begeben, wo hin und wieder Raumer seines Volkes auftauchen. Er strahlt dann ein Notsignal ab und man nimmt ihn auf."

Unser größter aller großen Meister, Perry Rhodan höchstdaselbst machte der Diskussion ein Ende. Die Bedenken seien allesamt überflüssig und man solle sich doch lieber wichtigeren Dingen zuwenden. Vor soviel Weisheit muss man sich zu verbeugen. Die hat ihm aber nichts genützt, als man Sato Ambush am nächsten Morgen außer Gefecht am Fuß eines Mauervorsprungs fand. Paralysiert. Aber derart heftig, dass man froh war, dass er überhaupt noch lebte. Es würde wohl ein paar Tage dauern, bis er wieder der alte sei, meinten die Mediker. Und Darshool? Der war natürlich verschwunden. Trotz angeblicher Bewegungslosigkeit. Und dann? Durfte der arme, kleine Gucky wieder ran. Ich sollte ihn suchen. Wobei ich keine Ahnung hatte, wie. Nach Mentalsignalen sollte ich suchen. Wie das gehen sollte, wenn er sein organisches Bewusstsein völlig blockiert, sagten sie mir nicht. "Aber", so meinte unser aller Perry, "Darshool braucht die Blockade nur eine Sekunde zu lüften, dann hätte ich Aussichten, ihn zu finden."

Also ehrlich, ab und zu ist dieser Mann mir trotz seiner Erfahrung suspekt. So blöd kann doch der dämlichste Cantaro nicht sein, sich so einfach finden zu lassen. Ich fand ihn auch nicht und kam irgendwann mal total fix und fertig zurück. In der Zwischenzeit blieb der Kerl natürlich verschwunden und schmiedete Pläne. Er hatte eine Überbrückung gebaut, die das entfernte Kügelchen ersetzte. Die fraß zwar ziemlich viel Energie, aber er wollte baldmöglichst ein Raumschiff kapern, flüchten und sich an einer Cantaro - Flugroute auf Warteposition begeben. Dann hätte der die Überbrückung ausgeschaltet und einfach nur gewartet.

Sato Ambush war in der Zwischenzeit immer noch k.o. auf der Krankenstation und nicht ansprechbar. Dort hatte man festgestellt, dass der Paralysator ein äußerst heftiges Teil gewesen sein musste: Dreißig Megawatt hatte das Ding. Im Normalfall hatten damals großkalibrige Waffen höchsten zwei Megawatt. Mehr nicht. Also suchte man nach einem solchen Teil.

Ja. Und dann tauchte unser Freund Pedrass Foch auf. Er hielt Roi Danton die Waffe unter die Nase und behauptete, sie gehöre Reno Yantill, seinem Boss, und er habe sie aus dessen Gleiter geholt. Da habe Darshool sie wohl auch gefunden. Roi traute dem Kerl nicht so ganz über den Weg, denke ich. Allemal, als er feststellte, dass Foch wohl die Cantaro bewunderte. Sie hätte beeindruckende Intelligenz und verständen zu kämpfen und derlei Blabla mehr. Er wirkte auf Roi, als hätte er Einsicht in Darshools Pläne. Misstrauisch setzte Danton ihn wieder vor die Tür.

Natürlich fand man Darshool wieder. Sein Ziel war es nämlich, sich den Pulswandler anzueignen und dazu brachte er erstmal einen Testlauf ins Durcheinander. Dann nahm er drei Freihändler als Geisel. Er wollte endlich in die Gänge kommen. Naja, dabei hatte er aber Phrang-Toc, einen Karaponiden, vergessen. Darshool war schuld, dass er seine Lebensgefährtin verloren hatte. Und so baute er eine neue Waffe, einen Cantaro - Killer, Techniker, der er war. Dieses Teil brachte die syntronischen Gänge im Inneren des Droiden ins Durcheinander und so setzte man den Droiden außer Gefecht.

Nun denn, wenn die eigenen Chancen schwinden, ist man zumeist zu vermehrter Zusammenarbeit bereit. Auf Darshool passten wir auf Grund der letzten Erlebnisse jetzt besser auf. Und siehe, er half tatsächlich mit, den Pulswandler in Betrieb zu nehmen. Das Ding erzeugte nämlich eine hyperenergetische Wellenfront, die periodische Verzerrungen des Raumzeitgefüges bewirkten. Frag mich nicht, wie Waringers Erfindung funktionierte, es muss irgendwas mit winziges Zeitverschiebungen im Nanosekundenbereich zu tun gehabt haben. Auf jeden Fall kamen die drei gestarteten Sonden durch den Chronopulswall. Als die Teile fünf Minuten später immer noch da waren, brach lauter Jubel aus und Sato Ambush weinte vor Freude.

Zwei Dinge blieben mir im Kopf haften:
Zum Einen: Wer oder was sollte Darshool eigentlich daran hindert, seine ominöse Schaltung erneut vorzunehmen?
Und zum Zweiten: Nach mehreren Stunden explodierte eine der Sonden in ungefähr fünfzig Lichtjahren Entfernung. War die ganze Hoffnung umsonst gewesen?
"Und?", fragte Lee. "War die Hoffnung umsonst?"

"Gemach, gemach", erwiderte Gucky. "Hab ich dir nicht schon mal gesagt, dass du viel zu neugierig bist? Anstatt du dich freust, dass wir mal einen Schritt weiter kamen, wird man hier als armer, kleiner Mausbiber wieder in die Ecke gedrängt. Abwarten und Möhrensaft trinken, wie ich immer zu sagen pflege."

Lee seufzte. "Okay. Themenwechsel. Wo hast du eigentlich Bully heute morgen gelassen? Frühstückt der nicht?"

"Oh", meinte Lees kleiner Freund. "Wenn der einmal dran ist, hört der nicht mehr auf. Aber er wollte nicht. Im Moment steht er sich selbst im Weg und muss sich über seinen weiteren Werdegang klar werden. Dazu sucht er bewusst die Einsamkeit in der hiesigen Wildnis. Das kann Stunden, aber auch ein paar Wochen dauern. Irgendwann taucht er schon wieder auf."

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Natürlich ist bei mir der Zyklusverlauf im Groben vorhanden, aber nur im ganz Groben. Trotzdem ist das eine oder andere Detail präsent.

So schaue ich beispielsweise bei den Kurt Mahr Bänden in bestimmten Situation etwas genauer hin, um auf Hinweise zu stoßen, die mir damals entgangen sind.

Der Roman hat ich nicht ganz so fasziniert wie die HGF Vorgänger, denn es war absehbar, dass Darshool wieder eingefangen wird. An einigen Stellen fiel Perry Rhodan daselbst mir auf die Nerven, weil er alles besser wusste und ständig einen Spruch obendrauf zu setzen hatte. Zum Beispiel, als er Sato Ambush beschied, man wolle sich jetzt wichtigeren Dingen zuwenden. Immerhin hat er danach seinen Fehler eingesehen.

Die Passagen, in denen Darshool seine Erlebnisse aus seiner Sicht schilderte und natürlich das Gespräch von Roi Danton mit Pedrass Foch haben mir gut gefallen und zogen mich in ihren Bann. Mal sehen, wie es weitergeht.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Band 1434 - Station der Rätsel - ist von H. G. Ewers, erschienen am 17.02.1989
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Nach einem dreistündigen Frage- und Antwortmarathon atmeten beide durch.

"Wir haben also zwei Probleme ausgearbeitet", sagte Gucky und nahm sein Gegenüber ins Visier. "Zum einen, wie bei Bully erlebt, deine Schwierigkeiten gegenüber Männern, zu denen du meinst, aufschauen zu müssen. Kerle, die du dominant einschätzt oder die du für edler, wichtiger oder sonst was hältst. Das zweite Thema beinhaltet die Schwierigkeit, eine Beziehung mit Männern einzugehen, die über eine normale Freundschaft hinausgeht. Weil du dann immer wieder die Zwölfjährige bist, die Angst hatte, dass ihr Vater ihr zu nahe kam. Gut, es war nicht der biologische Vater, aber das spielt keine Rolle. Bei beiden Themen entwickelst du Schuldgefühle, weil du meinst, du wärest die alleinige Ursache. Und den ganzen Kram hast du diesem elenden Drecksack zu verdanken. Stimmt das soweit?"

"Ja", antwortete Lee und nickte. Sie war ziemlich fertig. Sie hatte Gucky ihr Innerstes offengelegt, hatte das aber auch tun müssen. Der Mausbiber hatte ihr eröffnet, er könne ihr nur helfen, wenn rückhaltlos alles, aber auch wirklich alles auf den Tisch käme. Das war ihr als psychologischer Psychotherapeutin eigentlich klar. Aber es ist immer etwas anderes, wenn man selber betroffen ist, ergänzte sie in Gedanken. Ihr half die Tatsache, dass Gucky eigentlich ein Fremder war, gleichzeitig ihr aber trotz seiner Verspieltheit samt seiner Marotten überaus vertrauenswürdig erschien. Wäre der Ilt ein Mensch gewesen, hätte sie wohl größere Schwierigkeiten gehabt.

"Also", begann Gucky. "Gestatte mir einige wenige Sätze, dann lassen wir es für heute sein. Gut Ding will eben Weile haben. Du bist nichts schuld! Mit diesem Wissen solltest du nach Hause gehen. Der Schuldige ist jemand anderes, der Schuldige ist tot und kann dir nichts mehr antun. Und alle weiteren Leute haben nichts gegen dich. Auch die Männer wollen im Regelfall mit dir auf Augenhöhe reden. Niemand hat ein Interesse daran, dich platt zu machen. Niemand. Und: Halte dir vor Augen, dass du mit deinen zwei Berufen, als Therapeutin sowie Streitschlichterin sehr vielen Menschen etwas Gutes getan hast und sie eher zu dir aufsehen. Du bist freundlich, aus meiner Sicht grundehrlich, tust für Jeden alles, was du kannst und siehst im Zweifelsfall sowieso besser aus als deine Gegenüber."

Gucky setzte sich in Pose. "Von mir natürlich abgesehen. Du dürftest lange suchen, bist du jemanden findest, der noch schöner ist als ich!"

Lee lachte. "Es tut gut, das zu hören", sagte sie. "Es ist ja nun nicht so, als hätte ich mir das nicht schon werweiß wie oft selber erzählt, aber..." Sie suchte nach Worten.

"Manchmal muss man es von jemand Anderem hören", beendete der Ilt den Satz. "Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich stand ein paar Mal kurz vor dem Sendeschluss. Glaub also einem alten Mausbiber. Die wichtigste Lehre für heute ist: Vertraue deinen Gefühlen und deiner Erfahrung. Wenn einer vor dir steht und du bist der Meinung, dass der wohl der allergrößte Lump überhaupt ist, wird das mit Sicherheit stimmen. Das hat nichts mit schuldig oder nichtschuldig von dir zu tun, das ist dann eben so."

"Das weiß ich alles", antwortete Lee. "Eine psychische Erkrankung heißt ja nicht, dass man einen in der Klatsche hat. Bei anderen sehe ich das sofort. Es ist nur sehr schwer, das Erarbeitete bei sich selber anzuwenden."

"Geh als Allererstes ehrlich damit um. Gestehe es dir selber ein und teile dich vertrauenswürdigen Personen mit. Du wirst feststellen, dass dich keiner, absolut niemand zum Teufel jagen wird. Im Gegenteil. Du sorgst für mehr Verständnis deiner Situation."

Gucky stand auf und baute sich vor Lee auf. "Das reicht für heute. Du hast jetzt erstmal genug zu verdauen. Themenwechsel." Er schaltete das Akustikfeld, das sie auch hier umgeben hatte ab und meinte: "Und damit wir auch tatsächlich von etwas anderem reden, geht es mit unserer Geschichte weiter."

"Ihr hattet diesen Cantaro wieder eingefangen und hoffentlich das Gerät fertig, das den Chronopulswall durchqueren konnte. Geht es endlich in die Milchstraße hinein?"

Gucky grinste. "Das wäre doch viel zu einfach", eröffnete er Lee. "Natürlich kommt vorher noch ein anderes Thema. Wenn ich nur wüsste, wie ich da eine komplette Story draus machen kann. Mal überlegen."
Spoiler:
Gucky versucht sich an der Geschichte über die Station der Rätsel:

Du erinnerst dich an Covar Inguard? Richtig, der Eingeborene von Buglakis und Nachfahr eines Teiles der ehemaligen BASIS Besatzung. Er hatte sich uns angeschlossen und wollte... Ja, was wollte er eigentlich? Obwohl Perrys Tochter Eirene sich um ihn kümmerte, fühlte er sich im Laufe der Zeit überflüssig, sozusagen ständig als das fünfte Rad am Wagen. Und er hatte heftiges Heimweh.

Er gehörte nicht in die Welt der Freihändler auf Phönix, genau sowenig wie die nach Buglakis gehören würden. Seine Welt, das waren die Tafelberge, vor allem aber der Stamm der Erdenkinder auf den Tafelberg Terrania. Und dann war er weg.

Er verschwand im Dschungel der Freihändlerwelt und ward nicht mehr gesehen. Ich konnte ihn nicht finden, denn ich war anderweitig unterwegs. Du siehst also wieder, ohne Gucky ist alles nichts. Gar nichts. Einmal espern, zwei Teleportationen und das Thema ist erledigt. Aber so? Ging natürlich Eirene alleine auf Suche nach ihrem Schützling. In den Urwald. So im Großen und Ganzen war sie damals ja ganz vernünftig, aber da ging wohl ihre Jugend mit ihr durch. Sie fand Covar zwar, aber beide gerieten prompt in die Fänge des Monsters der Woche, eines Pilzgeflechtes, dass sie zersetzen und verspeisen wollte.

Aber ebenso prompt wurden sie natürlich gerettet, von einem Freihändler, einem Toklunten. Das sind so seltsame Ziegenbockähnliche aus einer anderen Galaxis. Der Pilz hatte Pech gehabt, er geriet nämlich zur Lieblingsmalzeit dieses Wesens und damit waren unsere zwei Helden gerettet.

Danach sollte es für Covar Inguard zurück nach Buglakis gehen. Zusammen mit, natürlich, Eirene, dann Perry, Atlan und dessen damaliger Lebensabschnittsgefährtin, der Akonin Iruna von Bass-Thet. Dummerweise tauchten grade jetzt ein paar Lichtjahre weit weg zwei oder drei Ewigkeitsschiffe der Cantaro auf und das wars dann mit der Begleitung für Perry und Atlan. Die wurden vor Ort gebraucht.

Der Rest ging auf Tour mit der CRAZY HORSE. Danach kam eine völlig wirre Geschichte mit einem Angriff von diesen Piraten - Kartanin, den Eirene und Covar nur knapp überleben und eine noch schrägere Story von einer Station, die Iruna auf Buglakis gefunden hatte. Das kriege aber nicht mehr auf die Reihe. Irgendwas mit einer fremden Station und einer Positronik, dessen Biokomponente die Akonin mittels Pedotransferierung übernehmen wollte. Cappins spielten da mit, Hauri und Afu-Metem, der Fürst des Feuers, einer ganz üblen Gestalt. Und im Zusammenhang mit der Großen Kosmischen Katastrophe funktionierte Irunas Pedo - Kraft nicht mehr so richtig. Sie konnte nicht mehr in ihren Körper zurück, schaffte es aber noch, diesen für eine eventuelle Rückkehr zu stabilisieren.

Und Eirene? Ließ Covar Inguard da, wo er hingehörte und kehrte alleine zurück.
"Eigentlich war Covar ja ein ganz sympathischer Kerl", schloss Gucky seine Erzählung ab. "Aber er gehörte nun mal nicht zu uns. Wer weiß", sinnierte er, "wäre ich damals auf Tramp hundertfünfzig Jahre älter gewesen, wäre ich vielleicht auch nicht an Bord dieses schrägen Riesenteils gegangen, dass sich in Nachhinein als terranisches Raumschiff entpuppt hatte. Ich hätte nicht dahin gehört."

Der Ilt wirkte auf einmal sehr nachdenklich. "Mit den Orgh wäre ich wohl fertig geworden. Meine Heimat Tramp gäbe es dann wohl noch." Er hatte Tränen in den Augen, als er weiter darüber nachdachte. Wäre ich nur etwas früher da gewesen, dann wäre das nicht passiert! ging ihm durch den Kopf.

Lee sah ihn an und sagte leise: "Für dich gilt aber das Gleiche wie für mich. Du bist es nicht schuld, kleiner Freund."

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Ich habe mit Ewers Romanen zumeist ein Problem. Vielleicht liegt es auch an mir. Ich erwarte, dass Ewers Romane schlecht sind und ich nichts mit ihnen anfangen kann. Deswegen werden sie auch so. Für mich zumindest. So als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Band 1434 war so einer. Ich habe mich letztlich durch ihn gequält, das Teil sechs Mal weggelegt und sieben Mal wieder angefangen, bis ich endlich am Ende angekommen war. Ein Lückenfüller reinsten Wassers mit einer Handlung, für die drei Sätze gereicht hätten. Ob man damals gemerkt hatte, dass man mit der Person Covar Inguard nichts anfangen konnte oder ob von vornherein geplant war, ihn wieder zu entsorgen?

So entwickelt Ewers eine in meinen Augen völlig abstruse Geschichte mit einen Wiederaufflammen des Hexamerons, den zitierten Cappins und ich weiß nicht noch wem. Immerhin war Ewers verlässlich. Der hatte es in den 300ern schon fertig gebracht, einen kompletten Zyklus auf 60 Seiten unterzubringen.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Tennessee »

R.B. hat geschrieben: 20. Januar 2023, 21:22 [...]

Ich habe mit Ewers Romanen zumeist ein Problem. Vielleicht liegt es auch an mir. Ich erwarte, dass Ewers Romane schlecht sind und ich nichts mit ihnen anfangen kann. Deswegen werden sie auch so. Für mich zumindest. [...] Der hatte es in den 300ern schon fertig gebracht, einen kompletten Zyklus auf 60 Seiten unterzubringen.
Salut R.B.,

mir ging es bzgl. Ewers zu dieser Zeit auch so. Und er schrieb m.E. nicht nur quer, sondern kreuz & quer. Dabei fand ich ihn bei seinem Einstieg und in seinen früheren Romanen sehr gewinnbringend und bereichernd: Rhodan duzt Marshall als dieser dafür sorgt, dass die Monster der Woche befriedet werden, Sengu und die Mutanten sind "Sonderoffiziere" mit erhöhter Befehlsgewalt in bestimmten Situationen und immer wieder tauchte bei ihm das Handlungselement auf von "Lass-uns-drüber-reden" oder "Frieden-schaffen-ohne-Waffen". Das mochte ich doch sehr bei ihm. Nur irgendwann verlor er sich in seinen eigenen Figuren (aka "Kinder") und in seinen immer wunderlicher werdenden Handlungen. Eine Zeit lang hatte ich den Eindruck, dass dieses "Ewers-schreibt-mal-wieder-am-Exposé-vorbei-und-seine-eigene-Geschichte" ein bisschen wie ein kurioses Markenzeichen schoßhündchenhaft gestreichelt wurde, bis es sich in dieser Perry-Zeit als störend herauskristallisierte. Und gerade die Cantaro und auch die nachfolgenden Linguiden sind ja sehr bodenständige Zyklen - da wirkte er für mich schon ein bisschen wie ein Fremdkörper. Später hatte er aber mit der Oxtornerin Dilja Mowak wieder gute Momente, wie ich fand.

lg
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Tennessee hat geschrieben: 21. Januar 2023, 12:01 mir ging es bzgl. Ewers zu dieser Zeit auch so. Und er schrieb m.E. nicht nur quer, sondern kreuz & quer.

Hallo Ten,

ja, kreuz und quer. Das trifft es. Es ist ja nicht so, dass er überhaupt keine guten Szenen beschreiben kann. In dem Roman betrat Eirene auf der Suche nach Covar eine Kneipe, in der alle möglichen und unmöglichen Gestalten saßen. Das Bild baute sich sofort bei mir auf. Aber der Rest....

Naja, hoffen wir.

Grüße R.B.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Zwischenspiel:

Sie hatten sich zwei Tage nicht gesehen. Gucky war der Meinung, dass Lee erstmal genug zum Nachdenken hatte. Immerhin durfte man einen solchen Therapieversuch nicht übertreiben. Zuviel Input auf einmal führt zum genauen Gegenteil des Beabsichtigten, ging es ihm durch den Kopf. Daher machte er offiziell einfach zwei Tage Urlaub von alledem.

Bully war im Moment nicht auffindbar, aber das störte ihn nicht. Der taucht schon irgendwann wieder auf, dachte er und tat einen kompletten Tag lang - nichts. Gar nichts. Er saß vor seinem kleinen Schiffchen, döste vor sich hin und genoss es, inmitten der Natur zu sein. Das mache ich viel zu selten. Immer nur Metallplastik um einen herum und wenn man woanders ist, jagt man irgendwelchen Strolchen hinterher. Nein. Pause. Morgen ist auch noch ein Tag, um mit dem Geplanten in die Gänge zu kommen.
---
Zwei Tage später saßen sie wieder auf der selben Sitzgelegenheit am Fluss. Grade als Lee etwas sagen wollte, meinte Gucky, er habe Durst. Ob man hier auch auf den alten Roboter zurückgreifen könne. Lee flüsterte daraufhin etwas in ihren Chrono und kurz darauf erschien der klobige Kerl. "Eine Flasche stilles Wasser und für mich einen Möhrensaft" orderte Gucky.

Der Robot verneigte sich, sagte: "Sehr wohl, Sir," und verschwand. Just als er kurze Zeit später mit dem Gewünschten erschien und servierte, flanierten drei typisch englische alte Ladies vorbei und sahen der Bewirtung fasziniert zu.

"Klappt das auch bei uns?", wollten sie wissen.

Nachdem Gucky ihnen "Probiert's aus, Mädels" zugerufen hatte, sagte die Älteste der Damen: "Bring uns einen Tisch, drei Stühle sowie ausreichend Tee. Darjeeling, 1st flush. Sahne und Zitrone separat." Auch hier verbeugte der Robot sich, meinte "Sehr wohl Ma'am", verschwand und kam umgehend mit dem Gewünschten zurück.

Kurz nachdem die Drei ihren ersten Schluck Tee zu sich genommen hatte, sagte die Lady mit dem seltsamen roten Hut zu ihren Begleiterinnen: "Schaut mal, das ist doch Lee Barringham, die Therapeutin."

"Du musst nämlich wissen, dass eine unserer Nachbarinnen nur in den höchsten Tönen von dir redet, meine Liebe", meinte sie zu Lee. Letzterer war das zunächst peinlich, später freute sie sich über das Lob und begann ein Gespräch mit den älteren Frauen.

Gucky war zufrieden und grinste in sich hinein. Der Anfang ist schon Mal gemacht, dachte er.

Ebenso wenig wie die alten Damen hatte Lee die fünf Männer, Alter so Mitte Dreißig, auf dem Plan. Als der erste den Robot in der Ecke stehen sah, rief er seinen Kumpels zu: "Seht mal, da steht ja unser Lieblingskellner!"

Sie bestellten zwei Mal Cider, zwei Mal Best Bitter und ein Lager. Pints natürlich. Nachdem sie sich lautstark zugeprostet hatten, bauten sie sich vor Lee auf und einer von ihnen sagte zu ihr: "Ich weiß nicht, ob du dich an uns erinnerst. Es ist so sieben bis acht Jahre her, da hatten wir fünf uns unsterblich in der Wolle wegen eines größeren Stückes Land, dass jeder von uns haben wollte. Wir waren kurz davor, aufeinander loszugehen, als du auf einmal aufgetaucht bist. Wir haben uns oft über diesen Moment unterhalten und wissen bis heute nicht, was da passiert ist. Du hast uns alle einfach nur angesehen und wir konnten plötzlich wieder normal miteinander reden. Die Lösung war natürlich ganz einfach: Wir betreiben das Land gemeinsam und jedes Jahr ist ein anderer dran, es einzusäen. Das haben wir dir zu verdanken und wollten es dir schon immer mal mitteilen. Irgendwie ist es nie dazu gekommen. Und da wir heute hier sind, nutzen wir die Gelegenheit. Danke! Einfach nur danke!"

Die übrigen Vier stimmten mit ein und Lee war fassungslos.

Gucky strahlte sie an. "Willst du noch ein paar Beispiel mehr? Es kommen sicherlich noch welche."

Es kamen die unterschiedlichsten Leute. Gruppen, Einzelpersonen, alte Leute, junge Leute und alle hatten ihr aus irgend einem Grund zu danken. Das ging solange weiter, bis die ganze Geschichte auf einmal eine Art Volksfestcharakter hatte und jemand wissen wollte, wer das denn alles bezahlen würde.

Gucky gab sich generös und sagte die Begleichung der Rechnung zu. Es ist ja nun nicht so, dass man als Ilt mit einigen Jährchen auf dem Buckel nicht ein paar Kröten in der Hinterhand hat, dachte er und erfreute sich an den feiernden Menschen. Auch wenn inzwischen einige darunter waren, die nichts mit dem ursprünglichen Zweck zu tun hatten. Besonders freute er sich darüber, dass Lee langsam auftaute und mitten in der Menge zu finden war.

Die Menschen waren gut drauf in ihrer auf Gucky unwirklich wirkenden Art. Sie sind keine High-Tech Freaks, sondern auf eine seltsame Art naturverbunden. Auf anderen Welten käme niemand auf die Idee, Arbeiten selber auszuüben, die ein Roboter übernehmen kann, dachte er. In den paar Tagen, die er hier war, hatte er viel mitbekommen und kam zum widerholten Male zu dem Ergebnis, dass man sie unbedingt schützen musste - hier auf ihrer Welt am Ende der Milchstraße.

Eine Ecke wurde unruhig und die Unruhe ging in einen auf Gucky leicht schräg wirkenden Gesang über. Er hatte dergleichen noch nie gehört und der Text, in altem Englisch gesungen, hörte sich schwer nach Weltuntergang an. Fasziniert beobachtete, wie die ganze Meute inclusive der alten, Tee trinkenden Damen, bei der Textzeile "and I live by the river" in die Luft sprang und genau auf dem letzten "r" des Wortes River wieder auf dem Boden aufkam. Die alten Ladies hatten danach so einen typischen "Wisst ihr noch, früher, als wir noch jung und wild waren" Blick drauf. Und Lee feierte mit.

Zumindest so lange, bis dieser typische Engländer auftauchte. Mit Bowler Hat and Umbrella. Mit Anzug, West, Krawatte, dann diesen seltsamen runden Hut und einen Regenschirm. Trotz blauem Himmel und Sonnenschein. Homer würde vor lauter Begeisterung Luftsprünge machen, dachte Gucky und warf ein Auge auf seine Freundin. Als diese den Neuankömmling erblickte, stockte sie mitten in der Bewegung, wurde ein wenig weißer im Gesicht und wandte sich mitten im Gespräch von ihrem Umfeld ab. Dem Anderen ging es auch nicht viel besser. Sein Kommen hat mich auch ziemlich viel Überredungskraft gekostet, ging es Gucky wie zur Bestätigung des Verhaltens der Beiden durch den Kopf.

Sie standen mitten im Gewühl auf einmal voreinander und sahen wie peinlich berührt zu Boden. Nach einer Weile ging der Gucky schon bekannte Ruck durch Lee und sie sagte etwas, wohl eine Begrüßung, zu ihrem Gegenüber, der Entsprechendes erwiderte. Sie atmete tief ein und fragte ihn etwas. Von dem perfekt gestylten Englänger kam eine Gegenfrage und dann redete Lee geschlagene 30 Minuten auf ihn ein, höchstens mal von einer präzisen Bemerkung unterbrochen. Danach war Thema durch und sie wussten wieder nichts miteinander anzufangen. Der Mann sagte noch etwas, dann reichten sie sich unbeholfen die Hand und er ging wieder.

"Puh", machte Lee, als sie wieder bei Gucky ankam. "Der ist Staatssekretär im Gesundheitsministerium und wird wohl in Kürze das Ministeramt übernehmen."

"Also", meinte Gucky, "das war einer von den Typen, mit denen du im Normalfall nicht reden kannst, ohne umzufallen. Dafür hast du das aber ganz gut geregelt gekriegt. Ich bin zufrieden mit dir." Gucky nickte gönnerhaft.

"Aber soll ich dir mal was sagen?", sprach der Ilt weiter. "Von so wenigen Gestalten wie mir mal abgesehen, kann man den Leuten nur vor die Stirn gucken. Hier bei euch geht es mir schließlich auch nicht anders. Aber ich brauche keine Gedanken lesen zu können, um zu wissen, was sich da abgespielt hat. Er war mal unsterblich verliebt in dich. Richtig?"

Lee war peinlich berührt und wusste nicht, was sie von sich geben sollte. Um sie herum war beste Stimmung und sie hatte plötzlich das Gefühl, einfach nur überflüssig zu sein.

"Du brauchst nichts zu sagen, ich weiß es auch so." Gucky führte das Gespräch alleine weiter. "Du hast ihn abgewiesen, weil da auf einmal nicht die erwachsen werdende Lee stand, sondern die Zwölfjährige, die Angst vor ihrem Vater hatte. Und seit diesem Tag gehst du ihm aus dem Weg, hast ein extrem schlechtes Gewissen und weißt nicht, was du tun sollst. Aber soll ich dir mal was sagen?"

Er fixierte Lee mit den Augen.

"Der Kerl ist in einer für eure Welt sehr hohen Position und wird wohl noch höher steigen. Aber tief in sich drin hat auch er Komplexe. Er weiß nämlich genauso wenig wie du, wie er sich dir gegenüber verhalten soll. Er kriegt nämlich nicht auf die Kette, was damals mit euch zwei Hübschen passiert ist. Weil er immer noch in dich verliebt ist, macht er sich Riesenvorwürfe, weil er denkt, dich seinerzeit in irgendeiner Weise verletzt oder dir seelisch weh getan zu haben. Er fühlt sich dir gegenüber schuldig."

Lee sah Gucky mit aufgerissenen Augen an. "Ja, aber er hat doch gar nicht falsch gemacht. Er ist auch nichts schuld, er kann doch nichts für meine..." Sie stockte mitten im Satz und hätte sich fast verschluckt.

"Ach du meine Güte!", sagte sie, als die Erkenntnis sie übermannte. "Ach du meine Güte!"

Ein sichtlich zufriedener Gucky nippte an seinem frisch gepressten Möhrensaft (mit einem Hauch Orange darin) und meinte zu seiner Freundin: "Das war der zweite Teil unserer Lektion. Probieren", er strahlte sie an, "geht nämlich immer noch über studieren. Und jetzt überlasse ich dich den Leuten hier, die dir alle was auch immer zu verdanken haben."

Sprachs, verschwand mit einem Plopp und ließ eine ziemlich fassungslose Lee inmitten all der Menschen am Ufer des ruhig dahinströmenden Flusses zurück.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

So, ihr Lieben. Nachdem Guckys Versuche, seine Lee seelisch wieder auf die Füße zu stellen, augenscheinlich erfolgreich sind, muss ich mal was anderes als PR lesen.

Ich brauche einen bis zwei ganz einfache Morde und werde zunächst hier ins Bergische Land, einen Krimi weiter nach England gehen, um in mindestens zwei Schmökern auf Mördersuche zu gehen. Danach werden meine verbrecherischen Gelüste gestillt sein und es geht hier weiter. Außerdem werde ich mir heute Abend noch ein Kölsch auf den höchsten Sieg meines geliebten FC seit 40 Jahren (gestern 7:1 gegen Bremen) gönnen.
:D :D :D
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Homer G Adams
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von Homer G Adams »

R.B. hat geschrieben: 22. Januar 2023, 08:29 So, ihr Lieben. Nachdem Guckys Versuche, seine Lee seelisch wieder auf die Füße zu stellen, augenscheinlich erfolgreich sind, muss ich mal was anderes als PR lesen.

Ich brauche einen bis zwei ganz einfache Morde und werde zunächst hier ins Bergische Land, einen Krimi weiter nach England gehen, um in mindestens zwei Schmökern auf Mördersuche zu gehen. Danach werden meine verbrecherischen Gelüste gestillt sein und es geht hier weiter. Außerdem werde ich mir heute Abend noch ein Kölsch auf den höchsten Sieg meines geliebten FC seit 40 Jahren (gestern 7:1 gegen Bremen) gönnen.
:D :D :D
Moin R.B.

Deine Lee, Bully und Gucky Geschichten muss ich noch nachholen. Ich brauche bei meinen Storys, ebenfalls eine kleine Pause. Was den Fussball angeht, warte ich auf den Dienstag. Dein FCK kommt zu 'meinem' FCB. Das Ganze kann auch auf Free TV (Sat 1) verfolgt werden.
Ob du dann wieder dein Kölsch mit Schmackes trinken kannst? :devil: :o)
Natürlich würde ich bei einem Sieg der 'Roten' als Alemanne ein Viertele schlotzen. :fg:

Trotzdem lass dir dein sprudeliges Getränk, solange es kein Root Beer ist, schmecken. Das letzte mögen sogar die Ferengi: :P (Siehe DS9)

Ach ja, versuchen wir noch ein akonisches Kavla. :rolleyes:

Noch viel Spaß beim Krimi schmökern, egal ob vom Bergischen oder dem Ländle. Von mir aus sogar aus dem Angelsächsischen.

Grüße

Homer
„Cappuccino und Earl Grey ☕🍵🥐 ist uebrigens ein Hauptgrund, der die Existenz Terras berechtigt erscheinen lässt. “ etwas abgeändert.
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Re: Klassiker - Cantaro

Beitrag von R.B. »

Homer G Adams hat geschrieben: 22. Januar 2023, 10:58 Was den Fussball angeht, warte ich auf den Dienstag. Dein FCK kommt zu 'meinem' FCB. Das Ganze kann auch auf Free TV (Sat 1) verfolgt werden.
Ob du dann wieder dein Kölsch mit Schmackes trinken kannst?
Da gehe ich wie selbstverständlich von aus.
:P :P :P :P

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