Ein Terraner vor der letzten Entscheidung –
sein Tod könnte ein Schlüssel werden
Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer
Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr
5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte
Weise verschwand das Solsystem mit
seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem
bekannten Universum.
Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes
kleines Universum transferiert, wo die Terraner
auf seltsame Nachbarn treffen, die sich alles
andere als freundlich verhalten. Nach zahlreichen
Verwicklungen kann jedoch Reginald Bull
einen Waffenstillstand erreichen.
Nun müssen die Menschen mit einem Eindringen
QIN SHIS rechnen, jener negativen Superintelligenz,
die sich dieses Taschenuniversum geschaffen
hat.
Allerdings konnte der Feind nicht damit rechnen,
dass sich seine ehemaligen Verbündeten
neu orientiert haben und an der Seite Terras
stehen.
Einer jener Menschen, die am meisten unter den
Ereignissen litten, ist Shamsur Routh – er wagte
alles, um seine Tochter von den Sayporanern
zurückzuholen. Und obwohl ohne ihn der Frieden
kaum möglich gewesen wäre, verliert er persönlich
dabei alles: seine Familie, seinen Verstand
und sein Leben. Seine letzte Reise endet im
TODESLABYRINTH ...
5 Susan Schwartz
Die Hauptpersonen des Romans:
Shamsur Routh – Der Journalist zerbricht und vergeht.
Saram Ialtek – Ein Mediker nimmt seine Verantwortung
ernst.
Palko – Der Pfleger schließt Freundschaft mit einem
Sterbenden.
Anicee Ybarri – Shamsurs Tochter besucht ihn ein
letztes Mal.
Chourtaird – Der neue Herrscher der Sayporaner trifft
seinen terranischen Ziehsohn.
1.
12. Januar 1470 NGZ:
Terrania, Ralph-Artur-Klinik
Mein Name ist Shamsur Routh, und
ich werde bald sterben.
Interessiert das jemanden?
Nein.
Ich werde einsam und verlassen sterben.
Niemand denkt mehr an mich.
Niemand erinnert
sich mehr an mich.
Niemand weiß mehr,
was ich getan habe.
Ich werde genauso
elend verrecken wie
ein Wurm, den nicht
einmal mehr der Vogel
anrührt.
Das ist so verdammt
ungerecht!
*
»Saram! Saram! Er hat es schon wieder
getan!«
Stationsleiter Saram Ialtek schreckte
hoch. Er war eingenickt, nur für einen
kurzen Moment, wie der rasche
Blick auf die Uhrprojektion an der
Wand zeigte. Er berührte das Sensorfeld
seines Arbeitstisches. »Palko?«
»Ja, Chef.« Der Imarter klang zerknirscht.
»Tut mir leid, dich zu wecken,
ich weiß, du wolltest für fünfzehn Minuten
Ruhe. Aber er ist abgehauen.«
Müde rieb sich Ialtek das Gesicht.
»Wie hat er es diesmal geschafft?«
»Essenausgabe.«
»Warum war die Tür nicht verschlossen?
«
»Er ist kein Gefangener, mit Verlaub.
Außerdem schien er heute Morgen sehr
klar.«
»Bis zum nächsten Anfall. Stell das
übliche Suchteam zusammen! Dann
sucht ihn! Er kann nicht weit kommen.
Bringt ihn anschließend zu mir.«
»Geht klar, Chef.«
Ialtek war beunruhigt. Er sollte die
Familie herholen, vielleicht brachte
dies Besserung. Andererseits ... es könnte
den Patienten zu sehr aufregen und
alles nur verschlimmern. Shamsur
Routh musste zuerst zur Ruhe kommen,
bevor er in der Lage
war, Besuch zu empfangen.
Er musste
stabiler werden.
Was für ein Witz.
Stabiler? Wie sollte
das funktionieren?
Jede Stunde, die er
überlebte, war bereits
ein Geschenk,
mit dem man nicht
rechnen durfte.
Die Familie sollte
deshalb Abschied
nehmen können.
Eben! Es sollte ein Abschied, kein
Schock sein, ihn in diesem Zustand zu
erleben.
Es war fraglich, ob sie überhaupt
kommen konnten.
Der Mediker starrte aus dem Fenster.
Die Sonne schien dort draußen. Ja. Die
Sonne. Die echte Sonne, Sol, kein
künstliches Licht aus einem Atomsonnenpulk
mehr. Der Fimbul-Winter war
beendet worden, ein überwältigender
Moment planetenweit ... nein, im ganzen
System. Wildfremde Menschen hatten
sich auf den Straßen in den Armen
gelegen, geweint und gelacht, gefeiert
und getanzt ...
Die vergangenen Tage waren reich an
Umwälzungen gewesen. Die Sonne
kehrte zwar zurück, aber die »Sayter-
6 Susan Schwartz
raner« und dazu viele weitere Menschen
– insgesamt 35 Millionen Menschen
– waren freiwillig ins Weltenkranz-
System ausgewandert, wo sie
sicher sein sollten vor allen Unbilden,
die über das Solsystem hereinbrechen
sollten. Der Umbrische Rat hielt sich
noch auf Terra auf, seine Mitglieder
würden als Letzte ihren ehemaligen
Mutterplaneten verlassen.
Gleichzeitig aber gab es neue alarmierende
Nachrichten ... Saram wusste
nicht genau, welche, denn es war strikte
Geheimhaltung angeordnet worden.
Er hatte lediglich über diverse Kanäle
ein paar Gerüchte mitbekommen, die
irgendetwas von einer »Veränderung
der Anomalie« besagten.
Was immer das bedeuten mochte,
ging ihn allerdings nicht direkt an. Er
war Mediker und hatte seine Aufgabe
zu erledigen: Leben zu retten. Und vor
allem das Leben dieses einen Mannes,
der aufgrund seiner familiären Beziehungen
sehr prominent war. Sogar Reginald
Bull hatte sich nach ihm erkundigt
und gewünscht, auf dem Laufenden
gehalten zu werden. Wobei das
nicht ganz ernst gemeint sein konnte,
weil der Resident derzeit wichtige Dinge
zu erledigen hatte. Ialtek schickte
trotzdem jeden Abend einen Bericht an
das Residenz-Büro. Er erwartete keine
Antwort, und damit behielt er recht.
Vor allem aber schien Sarams Patient
für den Konsul der Sayporaner sehr bedeutend
zu sein, da dieser im Gegensatz
zu Bull ständig anrief.
Ein Blinken signalisierte eine Nachricht,
und der Absender war schnell
identifiziert. Ah, wie aufs Stichwort:
der nächste Anruf.
»Ich kann nichts weiter dazu sagen«,
wiederholte Ialtek wie jedes Mal nach
den üblichen einleitenden Floskeln. »Es
tut mir leid, Chourtaird, aber Shamsur
Routh ist nicht in der Lage, Besuch zu
empfangen.«
»Ich bin kein Besuch, ich bin ... nun,
wie eine Art Ziehvater für ihn«, erwiderte
der Sayporaner. »Ich könnte sicherlich
etwas für ihn tun.«
Ja, irgendwelche Organe entnehmen
und für dich selbst verwenden. Saram
wusste Bescheid über dieses Volk, zum
Teil von Shamsur selbst, wenn er in klaren
Momenten von seiner Odyssee
durch das Weltenkranz-System erzählte.
Auch wenn Terraner und Sayporaner
mittlerweile zumindest zum Teil »Verbündete
« waren, musste er keine
Freundschaft für diese Leute empfinden.
Und Chourtaird gegenüber hegte
er sogar eine strikte Abneigung.
»Ich bin sicher, Shamsur würde sich
freuen, mich zu sehen«, wandte Chourtaird
ein. »Er muss sich sehr einsam
fühlen.«
Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht.
»Ich kann es nicht verantworten,
nicht derzeit«, lehnte der Mediker dennoch
ab. »Ich bin für ihn verantwortlich,
es ist meine unumstößliche Entscheidung.
Versuch also gar nicht erst,
mich über die Einschaltung höhergeordneter
Stellen beeindrucken zu wollen.
«
Der Sayporaner schien nachzudenken.
»Es wäre sehr wichtig, dass ich dabei
bin, wenn er ... Nun, du weißt, was
ich meine.«
»Er stirbt. Ja.« So zartfühlend? Saram
vermutete dahinter einen psychologischen
Trick, sich »menschlich« zu
geben. Er dachte ebenfalls nach. »Willst
du Abschied nehmen?«
»Das möchte ich. Und vielleicht kann
ich noch etwas für ihn tun. Wir beide ...
Nun, etwas verbindet uns. Als sein sayporanischer
Ziehvater möchte ich ihm
Todeslabyrinth 7
das letzte Geleit geben. Er muss den
richtigen Weg finden.«
Der Mediker gab sich einen Ruck.
»Also schön, ich gebe dir Bescheid.«
»Vielen Dank! Ich halte mich bereit.«
Verdammt, dachte Saram, als die Verbindung
beendet war. Wenn es nur jemanden
gäbe, der etwas tun könnte ...
*
Zu fünft suchten sie nach dem Verschwundenen.
Shamsur Rouths Geist
mochte zerrüttet sein, aber seine journalistischen
Instinkte als Reporter waren
noch nicht erloschen. Er wusste
genau, wo er sich verstecken musste,
um nicht bemerkt zu werden.
»Vielleicht hat er die Etage schon verlassen?
«, überlegte die Ara-Praktikantin
Korafin.
»Unwahrscheinlich.« Palko benutzte
die biometrische Ortung, aber das war
in diesem riesigen Klinikkomplex nicht
einfach. Die Frequenzen überlagerten
sich gegenseitig, und ständig musste er
neu kalibrieren, um die Störsignale herauszufiltern.
Ganz abgesehen davon,
dass die Labors, Untersuchungs- und
OP-Räume abgeschirmt waren. »Ich
habe alle Aufzüge gesperrt, also kann
er nicht weg.«
»Aber er hatte doch einen Vorsprung.«
»Korafin, das Problem ist ... Ich glaube
nicht, dass er so schnell einen Lift
findet. Er mag beim Verlassen des Zimmers
vielleicht einen Plan gehabt haben,
aber der ist unterwegs verloren
gegangen. Sein Kurzzeitgedächtnis ist
bereits nahezu zerstört.«
»Möglicherweise will der arme Kerl
längst wieder zurück, findet aber den
Weg nicht mehr«, stimmte ein anderer
Pfleger zu.
»Wir werden ihn finden.« Palko gab
sich zuversichtlicher, als er war. Schon
bei der ersten Suche hatten sie über
drei Stunden gebraucht, bis sie den
ehemaligen Journalisten gefunden hatten.
So lange waren auch die Aufzüge gesperrt
gewesen – es hatte beinahe einen
Aufstand gegeben und Beschwerden
gehagelt. Das kam erneut auf ihn zu.
Im Geiste sah er sie alle schon vor sich.
Wegen eines Mannes wurde der gesamte
Betrieb lahmgelegt? Wann wurde
derjenige, der für diese Inkompetenz
verantwortlich war, endlich gefeuert?
Sollte das von nun an jeden Tag passieren?
Ja, vielleicht sogar öfter. Das Schlimme
war, sie konnten nicht berechnen,
wo Routh hinging, da jede Flucht stets
die Folge einer Desorientierung und
eines unkontrollierbaren Angstzustands
war. Von daher gab es keine gezielte
Bewegungsrichtung, sondern
alles wirkte wie ein von Panik beherrschter
Zickzacklauf, dessen Richtung
sich jedes Mal änderte, sobald
Routh Gefahr lief, entdeckt zu werden,
und auswich.
Und der Komplex war groß, mit über
zweitausend Krankenzimmern, medizinischen
und technischen Einrichtungen,
Kammern und Archiven; so war
das auf jeder Etage. Dieses Gebäude in
der Innenstadt, am südwestlichen Ende
des Goshun-Sees gelegen, war das Modernste,
was die Medizin derzeit zu bieten
hatte, einschließlich wohnlich eingerichteter
Zimmer, dazu Aufenthaltsräume,
Fitnesseinrichtungen und
verglaste Gärten für Spaziergänge.
Und natürlich mit Restaurant und Café.
Wie ein Hotel präsentierte es sich
trotzdem nicht, die Gänge waren zwar
in freundlichem Pastellorange gehalten
8 Susan Schwartz
Gespannt darauf, wie es weitergeht?
Diese Leseprobe findet ihre Fortsetzung im PERRY RHODAN-Roman 2694 mit dem Titel
»Todeslabyrinth«. Ab 5. April 2013 gibt es diesen Roman im Zeitschriftenhandel zu kaufen.
Zum Download steht der PERRY RHODAN-Roman dann auch bei diversen Download-Anbietern als
E-Book und als Hörbuch zur Verfügung.
Kontakt:
Heidrun.Imo@perry-rhodan.net
und mit warmem Licht ausgeleuchtet,
aber es war und blieb eine Klinik, in der
sich kein Patient freiwillig aufhielt und
nur so lange wie nötig.
Trotz der funktionalen Aufbauweise
gab es Dutzende Möglichkeiten, sich zu
verstecken. Sie konnten schließlich
kaum laut rufend durch die Gänge
trampeln und alle anderen Patienten
verstören.
Immerhin, eines konnten sie eingrenzen
– Routh schaffte es vermutlich nicht
bis in den Freizeitbereich. Er war sicher
noch irgendwo in einem Klinikgang.
Trotzdem blieben immer noch viele
Räume zu durchsuchen ...
Ialtek schickte stets Palko vorweg,
weil Shamsur nicht nur so etwas wie
Vertrauen zu dem Imarter aufgebaut
hatte – er konnte sich wahrscheinlich
auch an ihn erinnern. Wie alle seines
Volkes war er groß, mit tonnenförmiger
Brust, birkenblattgrüner Haut, violetten
Haaren und vor allem einer voluminösen
Stimme. Eine Erscheinung, die
man nicht so schnell vergaß. Bisher hatte
es funktioniert, Ialtek und Palko gemeinsam
hofften auf ein weiteres Mal.