Hydors Golem hat geschrieben:vielen Dank für die ausführliche Antwort, ich hoffe ich bin dir da nicht zu nahe tretten. Natürlich ist es legitim das die Figur Jurukao sterben muss, wenn es denn unbedingt sein muss. Mir erschließt sich nur nicht ganz warum.
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Du merkst ich mochte Jurukao ...
Zunächst einmal bin ich grundsätzlich anderer Meinung, was das "wenn es denn unbedingt sein muss" angeht. Das würde ja bedeuten, eine bestimmte Handlungsentwicklung ist der Default, und andere benötigen eine spezielle Begründung. Als Erzähler stehe ich aber allen Entwicklungen neutral gegenüber.
Der dramaturgische Grund für diese Entwicklung liegt darin, zu zeigen, dass eine reale Gefahr für die Protagonisten besteht. Dazu muss eine Figur sterben, die mehr ist als nur ein Name.
Hydors Golem hat geschrieben:Warum musste unbedingt Jurukao mit in das Gefecht? Das war der erste Punkt der mich etwas stutzig gemacht hat, schließlich werden die anderen Plattformen von Tiuphoren geflogen, falls mich dort meine Erinnerung nicht täuscht.
Hier täuschst Du Dich - sämtliche Wuutuloxo nehmen an dem Gefecht teil:
Nach Gefechtsphase Eins – der Landung der Gyanli – hatte Zweitmechaniker Duxaluk den Wellenbrecher aktiviert, dadurch den Funkverkehr der Gyanli lahmgelegt und Gefechtsphase Zwei eingeleitet.
In dieser bestrichen die Wuutuloxo die Gyanli mit breit gefächertem Paralysefeuer aus ihren auf Antigravplattformen montierten Kanonen. Um die gewünschte Betäubungswirkung zu erzielen, mussten zuvor die Schutzschirme der Gegner überlastet werden.
Das war die Aufgabe der Tiuphoren, vor allem derjenigen, die Kombistrahler aus der Produktion der ODYSSEUS erhalten hatten.
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Die Statusanzeige verriet, dass sich der Schirm im Heckbereich der Fähre seinem Belastungsmaximum näherte. Wer immer diesen Beschuss koordinierte, verstand etwas vom Soldatenhandwerk. Sicher war er kein Tiuphore, ebenso wenig wie die Piloten der mobilen Geschützplattformen. Die Datenbank der SHADRUUS identifizierte sie nach Mustervergleich als Wuutuloxo, Angehörige eines eigentlich friedlichen Volks, vernarrt in Leitungen und Nieten. Nun ja, jede Population brachte einige Tapfere hervor.
Hydors Golem hat geschrieben:Das Perry und Pey-Ceyan in die Schlacht fliegen ist normal, das haben sie ja schon mal gemacht, während sich die Zweitmechanikerin da ja im Vorgängerroman dezent zurück gehalten hat.
Da hat sich auch Pey-Ceyan zurückgehalten - oder wurde zurückgehalten, weil der Generator der Dakkar-Spanne nicht 3 Personen sicher transportieren kann.
Auch das ist natürlich eine willkürliche Festlegung: Bei einer solchen fiktiven Technologie kann man die Beschränkungen ja beliebig setzen, aber die Exposéautoren haben sich für ein Agentenabenteuer mit Rhodan und Leccore entschieden. Das liegt also primär in der gewünschten Dramaturgie begründet, die "Weltregeln" werden dann passend dazu gestaltet.
Hydors Golem hat geschrieben:Gut, das jemand bei einem Feuergefecht stirbt liegt in der Natur der Sache. Das hätte theoretisch aber auch ein Redshirt-Tiuphore sein können.
Es sind auch viele Tiuphoren umgekommen. Das hat aber nicht die gewünschte Wirkung in der Wahrnehmung des Lesers: Er soll denken - okay, Jurukao ist tot ... eine Figur, die mich mehrere Hefte begleitet hat ... könnte der Autor als Steigerung im Sinn haben, Pey-Ceyan oder Leccore zu töten? Der Leser soll wissen: Hier steht niemand unter Naturschutz. Niemand überlebt, nur weil er zu den Guten gehört oder als Held eingeführt ist. Die Gefahr ist real, es kann jeden treffen - nicht nur unbenannte "Zähl-Figuren".
Hydors Golem hat geschrieben:Perry hätte die Agrav-Plattform aufgeben können oder zumindest Pey-Ceyan einen Rettungsversuch unternehmen lassen können und selbst die Plattform übernehmen können.
Diese Option habe ich (als Autor) ihm dadurch genommen, dass Jurukaos Antigrav-Plattform beim Absturz zerstört war:
Die Waffenplattform kreischte. Das Antigravaggregat explodierte.
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Ihr Gefährt überschlug sich und krachte in die Müllhalde, zerbrach, rollte einen Hügel hinunter und blieb schließlich an dessen Fuß liegen.
Hydors Golem hat geschrieben:Er ist nur auf den Angriff fixiert, wohl wissend, das dieser auch schiefgehen kann - was er schlussendlich auch tut. Den Orbitalangriff fand ich übrigens super! Als Unsterblicher hat er solche Aktionen schon unzählige Male durchgeführt um zu wissen, das diese Situation keine sichere Chance war und das es andere Möglichkeiten gibt, die er dann ja später auch genutzt hat.
Hm, sicher wissen kann er eigentlich nur, dass Klavtaud ihm in dieser Situation entkommt, wenn es ihm nicht gelingt, die Landefähre zur Landung zu zwingen. Das bewahrheitet sich auch.
Dass es eine weitere Chance gibt, seiner habhaft zu werden, kann er dagegen keineswegs wissen: Genauso gut hätte sich Klavtaud auf die SHADRUUS zurückziehen und das Lichfahne-System verlassen können, um in den Weiten Orpleyds zu verschwinden und dort das Operandum voranzutreiben.
Dass Rhodan eine weitere Möglichkeit nutzt, als sich diese dann ergibt, ist klar - er konnte diese Möglichkeit aber nicht herbeiführen.
Hydors Golem hat geschrieben:Jurukao hätte problemlos auch auf dem Rückweg sterben können, schließlich heißt Rückweg ja nicht, das man es bis zur Medostation schafft oder nicht noch etwas passiert. Das hätte Perry etwas besser darstehen lassen.
Ich glaube, der Punkt, auf den es hinausläuft, ist eine unterschiedliche Erzählhaltung. Ich sehe mich als tendenziell neutral: Protagonisten und Antagonisten handeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten, und was dann geschieht, das geschieht. Beide erzielen ihre "Treffer".
Demgegenüber steht die Annahme eines Schutzengels, einer guten Fee oder eines Weltgesetzes, das die Protagonisten begleitet und dafür sorgt, dass gute Taten immer belohnt werden oder zumindest keine schlimmen Folgen haben. Das macht die "Winning Strategy" leicht durchschaubar und nimmt meines Erachtens eine Menge Spannung aus der Erzählung: Wer ein reines Herz hat und diesem folgt, wird glücklich sein bis an sein Lebensende und über die Bösen siegen.
Bei mir haben Entscheidungen ihren Preis. Rhodan muss abwägen, und er weiß, dass er jemandem Unrecht tun wird. Er kann nicht allen gerecht werden - ein Motiv, das schon in der griechischen Tragödie etabliert ist. Das erzeugt einen inneren Konflikt.
Hydors Golem hat geschrieben:Perry hätte die Zweitmechanikerin mit der Dakkarspanne retten können, schließlich geht es hier um seine wertvollsten Verbündeten.
Klar, das hätte er machen können.
Auch damit hätte er für's Erste den Plan aufgegeben, Klavtaud in die Hände zu bekommen und dadurch die für die gesamte Galaxis lebenswichtige Information erhalten zu können, wie sich die Entwicklung der Materiesenke stoppen lässt.
Eine Zweitmechanikerin gerettet ... Aberbilliarden Lebewesen geopfert ... inklusive der Zweitmechanikerin, die auch nicht rechtzeitig aus Orpleyd entkommen könnte, sollte es jetzt schnell gehen mit dem Operandum ...
Hydors Golem hat geschrieben:Er ist der Typ, der sich seine Uniformabzeichen abzieht, um die dritte Macht zu gründen und sich damit gegen seine "alte Truppe" wendet. Ich fand das war ein unglaublich starkes Bild. Gerade das hat ihn zu einer Figur gemacht, der weiter denkt und damit genau das Gegenteil von einem engstirnigen "Auftragausführer" ist.
Das Bild mit der Flagge finde ich auch sehr stark.
Ich halte es in beide Richtungen für konsistent. Man kann die Figur durchaus so entscheiden lassen, wie Du es vorschlägst.
Man kann aber auch einen anderen Pfad aufzeigen:
... Rhodan entscheidet sich nicht für sein "Team", seine Nation, sondern für das große Ganze
... für das maximale Glück für möglichst viele Individuen
... für das Überleben von Orpleyd
... für das Verhindern der Materiesenke
... für die Gefangennahme von Klavtaud
... da es um Aberbilliarden Leben geht, muss er jede Chance nutzen, und wenn sie noch so klein ist. Auch, wenn der Preis dafür sein eigenes Leben oder das Leben seiner Leute ist. Im Kampf kann man sterben, auch Jurukao wusste das.
Hydors Golem hat geschrieben:Ich habe nichts gegen wilde Schießereien in Romanen, aber die müssen für mich einen für mich nachvoll ziehbaren Hintergrund haben. Und wenn jemand stirb darf es nicht konstruiert aussehen, sondern sollte sich organisch aus der Situation entwicklen.
Da ist die Frage, wo man ansetzt.
Wenn man auf dem weißen Blatt beginnt, kann man sagen: "Jede Schießerei ist vermeidbar - der Autor hätte eine andere Geschichte erzählen können." Das ist richtig, und letztlich ist das eine Frage des Lesegeschmacks. Wir lesen PERRY RHODAN, weil wir der Science-Fiction als solcher generell nicht abgeneigt sind, etc.
Ein anderer Ansatz ist, zu prüfen, ob die geschilderte Entwicklung plausibel ist. Ich denke, in dieser Szene von
Der Leidbringer ist sie es.
Rhodans Annahme, dass die Entstehung einer Materiesenke eine galaxisweite Katastrophe auslösen wird, ergibt sich aus seinen Erfahrungen.
Rhodans Annahme, Klavtaud wisse etwas über die Entstehung der Materiesenke in Orpleyd und habe Einfluss auf diesen Prozess, ergibt sich aus den Erkenntnissen im Vorgängerroman.
Sein Plan, Klavtaud in die Hände zu bekommen, um die Katastrophe zu verhindern, ist naheliegend, weil Klavtaud der Einzige ist, von dem er annehmen kann, dass er diese Macht hat (es wird auch andere geben, die aber nicht in Rhodans Reichweite sind).
Seine Wahrnehmung der knappen verbleibenden Zeit ergibt sich aus der Aussage "Das Operandum nähert sich der Vollendung" und dem Eintreffen der Sammler.
Es ist also Gefahr im Verzuge. Dadurch wird plausibel, dass Rhodan rasch handelt.
Für den Fall eines Fehlschlags muss er davon ausgehen, dass die maximal denkbare Katastrophe eintritt, die Materiesenke entsteht.
Um dies zu verhindern, sind Opfer gerechtfertigt.
Er instrumentalisiert die Tiuphoren, er gibt auch Jurukao auf. Hier hätte ich es übrigens sehr verwerflich gefunden, wenn er ausgerechnet Jurukao gerettet hätte, nachdem zuvor schon so viele Tiuphoren gefallen sind - das hätte nämlich bedeutet, dass ihm das Leben eines Tiuphoren, der für seine Sache kämpft, weniger wert gewesen wäre als das der Wuutuloxo ...
Summa summarum ist meine Wahrnehmung, dass sich Rhodans Handeln und Jurukaos Tod organisch aus der Situation entwickeln. Der Prozess scheint mir also Deinen Kriterien zu genügen - auch wenn das Resultat bei Dir nicht auf Wohlwollen stößt.
Was natürlich
nicht heißt, dass der Roman jedem Leser gefallen muss - das wäre ja auch noch schöner. Selbstverständlich kann man den Roman auch schlecht finden.