Das Avalon-Projekt (Teil 21)
Der Morgen graute. Erste Vögel zwitscherten. Erschrocken fuhr ich hoch. Das Lagerfeuer glomm noch. Karsten war in der Hocke vor den Scheiten, um das Feuer wieder zu entfachen. Bei meinen verursachten Geräuschen drehte er sich zu mir um.
„Irgendetwas stimmt hier immer noch nicht, wir sind nach wie vor im Dschungel“, äußerte Karsten überflüssigerweise. Neben mir regten sich zwei weitere Gestalten.
„Das sehe ich auch“, kommentierte denn auch Jack morgenmuffelig.
„Dafür bin ich gerade dabei das Feuer neu zu beleben und der Kaffee ist auch schon in der Kanne. Muss nur noch warm werden.“
„Prima“, meldete sich auch Merlin noch halb verschlafen, „und wo bleiben die Brötchen?“
Wenn die Situation nicht so komisch gewesen wäre, dann hätten wir lachen mögen, aber so stand uns allen nicht der Sinn danach.
„Hallo, Bedienung!“, rief Merlin nun etwas lauter. „Die Brötchen bitte!“
Nichts regte sich, kein Bediensteter im Frack oder sonst jemand ließ sich blicken. Wie es aussah mussten wir uns mit dem Kaffee begnügen – und mit den Resten des gestrigen Abendessens.
Gerade waren wir fertig und hatten begonnen zu beratschlagen, was wir nun unternehmen sollten, da ertönten links von uns schlagende Geräusche, so als ob sich jemand mit einer Machete einen Weg in unsere Richtung bahnen würde. Von Zeit zu Zeit hörten wir auch Rufe und wir meinten auch, Schüsse zu hören.
Jack bedeutete uns, Deckung zu suchen. Und wir verschwanden hinter Büschen, Baumstämmen oder einem nahen Felsblock.
Kurz darauf brach ein kleiner Mann mit einem Riesendolch aus dem Dickicht auf der linken Seite des Dschungels hervor, sah das Lagerfeuer und erschrak kurz, bevor er sich seitlich wieder in die Büsche schlug.
Die Rufe wurden jetzt lauter und es war nicht mehr zu verleugnen, es waren auch Schüsse zu hören. Der Mann wurde offensichtlich gejagt. Den seitlichen Haken, den er eingeschlagen hatte, trieb ihn nun genau in meine Richtung. Mir schlug vor Schreck das Herz bis zum Hals. Ich duckte mich tiefer in den Busch, aber es nützte nichts. Der Mann entdeckte mich schon nach wenigen Augenblicken. Erschrocken blieb er kurz stehen, bedeutete mir mit Zeichen, leise zu sein. Dann kam er langsam näher, das Ungetüm von Messer immer noch in seiner rechten Hand. Ich wich zurück. Da bemerkte er, dass ich Angst vor ihm hatte.
„Ich will nichts von dir. Ich werde verfolgt. Bitte sei leise“, flüsterte er mir entgegen.
Halbwegs beruhigt ließ ich ihn zu mir ins Gebüsch und wir horchten gemeinsam auf die Rufe und die vereinzelten Schüsse. Als wir sicher waren, dass sie sich nicht weiter näherten, sondern sich entfernten, verließen wir das Versteck nach einigen Minuten und stellten uns vor.
„Ich bin Simona Sommerwind. Und Du?“
„Torben Blumenbringer, angenehm“, und schüttelte mir die Hand.
„Wer so einen schönen Namen trägt, kann kaum Böses im Schilde führen. Warum wirst Du denn verfolgt?“
„Ich habe keine Ahnung. Ich hatte mich gerade vor etwa zwei Stunden mit zwei Kollegen hier im Dschungel eingefunden, als wir auf eine Spur stießen, die uns auf so komische schwarze Leute brachte. Und ab dann ging alles drunter und drüber.“
Bei Torbens letzten Worten stießen meine drei Freunde zu uns und Jack fragte auch gleich: “Was ging drunter und drüber?“
Ich stellte alle gegenseitig vor, dann bat ich Torben zu wiederholen, was er mir gesagt hatte.
Nachdem er geendet hatte, meldete sich Karsten zu Wort: „Ich muss Euch etwas sagen, aber versprecht, mir zuzuhören, bis ich fertig bin.“
„Na, klar!“, sagte ich und die anderen bestätigten nickend.
Karsten nestelte an einem kleinen Gerät herum, das er am Gürtel trug und plötzlich stand da nicht mehr Karsten, sondern … ein Schwarzer. Wir alle erschraken uns, setzten ein oder zweit Schritte zurück und starrten ihn sekundenlang entsetzt an.
Jack fasste sich als erster, als er ihn fragte: „Warst Du das schon immer oder wie lange machst Du diese Maskerade schon?“
„Seit heute Nacht. Wir tauschten Karsten gegen mich aus. Ihm geht es gut, aber lasst mich nun bitte reden.“
„Und was … ?“, wollte Jack nachfassen, aber ich bat ihn, den Schwarzen reden zu lassen, denn ich hatte das Gefühl, dass sich uns danach so einiges erschließen würde.
„Danke!“, sagte der Dunkle in meine Richtung. Dann begann er zu erzählen. „Auf der Erde halten sich unfreiwillig zwei Gruppierungen von Schwarzen auf. Solche, die zur Schwarzen Beate gehören, wie auch ich, und solche, die sich gegen die Meinung der ersteren Gruppe stellen. Beates Gruppe möchte gerne Euer Projekt kennenlernen und fördern, wenn es uns zusagt. Die andere Gruppe möchte die Arbeit von Euch sabotieren, weil sie das Ergebnis fürchten. Und ich denke seit gestern ist diese Gruppe auf einen rabiateren Kurs eingeschwenkt, weshalb ich mich geoutet habe. Von der Scharzen Beate habe ich entsprechende Befugnis, Euch zu helfen und zu unterstützen, falls nötig. Dies ist nunmehr gegeben.“
Fassungslos schauten wir auf Karsten und konnten immer noch nicht richtig glauben, was wir soeben gehört hatten.
„Und wie kommen wir jetzt hier wieder heraus und wie geht es dann weiter?“, war ich schneller als die Anderen.
„Wir bahnen uns zunächst einen Weg ins parallele Nachbargebäude und werden dies durch die Tür Nummer 21 verlassen. Dieser virtuelle Abenteuerpark benötigt schließlich riesige Ressourcen, so dass wir diesen Ausweg nehmen können. Den Weg kenne ich, denn dieser Notfall war von mir eingeplant.“
Wir vier Freunde und Torben schauten uns an und kamen dann zu der Überzeugung, dass dies ein vernünftiger Vorschlag sei. So schlossen wir uns dem Schwarzen Karsten an und siehe da, schon bald konnten wir durch die genannte Tür ins Freie treten.
Vor der Tür lag Basti und ließ sich von der kräftigen Mittagssonne den Bauch und das Fell wärmen. Als er uns sah, erhob er sich behäbig und kam gemächlich auf uns zu. Er ließ sich von allen streicheln, bei dem Schwarzen Karsten blieb er jedoch auf Distanz und beäugte ihn die ganze Zeit misstrauisch. Als er wieder genug Streicheleinheiten eingeheimst hatte, machte er sich auf den Weg, nur um wieder ein paar Meter entfernt stehen zu bleiben und zurück zu uns zu schauen.
„Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber heute folge ich dem Kerlchen und schaue mal, was er uns zeigen will. Kommt jemand mit?“, stellte ich in den Raum.
„Eigentlich schon, aber wir haben noch etwas mit dem Dunklen hier zu bereden. Morgen vielleicht“, erwiderte Merlin.
„Gut, dann eben nicht. Wir treffen uns dann morgen um die übliche Zeit.“
Damit huschte ich hinter Basti her, der sich schon um die nächste Ecke geschlichen hatte. Er führte mich noch ein paar Häuser weiter in ein verlassen wirkendes Gebäude und es ging zwei Stockwerke nach oben, dann einen langen Flur entlang in einen abgedunkelten Raum.
In dem Raum standen alte Möbel und lag allerlei Gerümpel herum. Von einer Decke halb verborgen war eine kleine Nische, auf die Basti nun zusteuerte. Schon beim Näherkommen hörte ich ein schwaches Miauen mit einem vielfachen Echo ...
*
„Das darf doch jetzt nicht wahr sein“, klagte der eine Schwarze.
Der Andere fügte hinzu: „Als ob sich alles gegen uns verschworen hat. Selbst die Endlosschleife in dem Programm der virtuellen Realität ist unterbrochen worden. Die Gruppe muss Hilfe von außen bekommen haben.“
„Ja, sieht so aus.“
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21.12.2017 by Hans Herrmann -