Skizzen zu NEO

Alles rund um die Neuerzählung der PERRY RHODAN-Saga
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Honor_Harrington
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Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Ich wurde in der letzten Zeit von verschiedenen Foristen darauf angesprochen,
ob ich nicht meine verschiedenen Skizzen zu NEO nicht in einem einzigen Thread bündeln
und im NEO-Forum pinnen lassen könnte.

Darüber habe ich hin und her nachgedacht und finde diese Idee hilfreich,
besser als wenn die einzelnen Skizzen zerflettert durch Unterforum schwirren.

Daher fasse ich die bisherigen und zukünftigen Skizzen hier in diesem Thread zusammen.
Debatten laufen ja meist im parallelen Thread (Spoiler #x).

HH
Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Meine erste Skizze habe ich geschrieben, um auszuloten: Was kann eigentlich geschehen, wenn tatsächlich ES den terranern ein Dutzend Zellaktivatoren überreicht.
Wie kann solche kostbaren Kleinods die Verhältnisse zwischen Freunde und verwandte verändern; oder sei es aus Gier, Neid oder aus wissenschaftlicher Neugierde...
Es gäbe so viele Möglichkeiten - und eine davon habe ich konkretisiert.


01. Skizze vom 13.08.2012:
„Alles nur für die wissenschaftliche Forschung“


„Also gut“, seufzte John und drückte zum Abschied sanft die Schulter des schmächtigen Aras, „informiere mich bitte, wenn Du Wuriu siehst.“
Fulkar nickte einfühlsam. „Mach dir keine unnötigen Sorgen. Er wird sich gewiss melden, so bald er kann.“

Der ehemalige Arzt von Aralon verschwand wieder in dem weiträumigen Lakeside Institut, wo auch seine Privaträume lagen. Dort angelangt, betrat er einen Lagerraum, den er über die Monate hinweg sorgsam umgebaut hatte.

„Danke, dass du solange gewartet hast“, grüßte Fulkar seinen unfreiwillig anwesenden Gast.
Auf einem großen Medi-Servo lag Wuriu Sengu. Hände und Füße waren mit flexiblen Bändern fixiert. Zwar wurde eine gewisse Bewegungsfreiheit ermöglicht, wie ein schmerzhaftes Aufbäumen oder emotionales Aufbegehren – doch mehr auch nicht. Und es reichte für die optische Analyse – objektiv festgehalten durch die laufende aktuelle Kamera. Flucht jedoch war unmöglich.

Wuriu starrte ihn an und bäumte sich auf, während Tränen der Schmerzen und der Verzweiflung über seine Wangen perlten. Schreien konnte er nicht mehr. Sprechen blieb ihm versagt. Nachdem der gewandelte Ara ihn betäubt und in sein geheimes Versteck verschleppt hatte, war dessen zweite Handlung gewesen, ihn auf diese Streckbank zu fesseln. Die dritte Tat war das Einsetzen eines Knebels, der nach und nach mit seinen Mund biologisch verwuchs. Weder Hilferufe noch Schmerzensschreie oder Flüche waren möglich; noch nicht einmal die Zunge konnte er sich in seiner Verzweiflung abbeißen und auf einen raschen Tod hoffen.

Fulkar betrachtete die Diagramme und Messwerte auf dem Monitor. Bekümmert blickte er sein „Forschungsobjekt“ an, welches einmal – fast – ein Freund gewesen war.
Wuriu und Anne. Doch Sloane wäre als Mutantin mit starken telekinetischen Kräften nicht zu bändigen gewesen. Und so musste er zwangsläufig auf Sengu zurückgreifen, dessen Gabe als Späher zwar nützlich, dennoch ungefährlich war.

Er griff zum altmodischen Skalpell und beugte sich vor.
„Ich werde jetzt einen weiteren Schnitt machen, der uns einen großen Schritt in unserer Forschung vorwärts bringen wird. Wuriu, dein Einsatz ist nicht umsonst.“
Energisch stieß er das Skalpell in die Bauchdecke und schnitt eine eine 1cm tiefe und 15 cm lange Wunde. Kräftig sprudelte das Blut, während Sengu sich gequält aufbäumte.

Während Fulkar das hervorquellende Blut für die Analyse absaugte, dachte er bedauernd zurück, wie es nur soweit kommen konnte...

… Einst war er Besitzer einer großen Klinik auf Aralon gewesen. Von dort wurde er von den Fantan als Besun entführt. Nach seiner Flucht mit den anderen Besun-Gefangenen blieb er bei den Terranern. Zum einem, weil er ungestört am Lakeside Institut arbeiten konnte; helfende Forschung mit den häufig para-begabten Menschen. So hat sich eine über die berufliche Tätigkeit als Arzt hinausgehende Beziehung zu Iwan, Anne und Wuriu entwickelt. Sicherlich, die praktische Forschung war für die ara´sche Wissenschaft von immenser Bedeutung und würde ihn – falls er jemals nach Aralon zurückkehren würde – eine enorme Anerkennung als Wissenschaftler verschaffen. Ja, möglicherweise bekäme er sogar einen Sitz im Wissenschaftlichen Rat – der Regierung von Aralon!
Zum anderen ist die Aussicht dorthin zurückkehren zu können, gering. Mit 34.000 Lichtjahre Entfernung von hier nach dort ist beim gegenwärtigen Stand der terranischen Raumfahrt nicht im Traum daran zu denken. Und alle bisherigen erbeuteten Raumschiffe, sei es von den Topsidern oder den Ferronen, können diese Strecke nicht überbrücken. Das ist nun mal Tatsache.

Fulkar unterbrach seine abschweifende Erinnerung und begutachtete interessiert den langsam versickernden Blutschwall. Es war eine Tortur. Doch der Körper regenerierte sich dank des Zellaktivators. Womöglich nicht so schnell, wie das Blut verloren ging, sodass doch der Tod durch zu hohen Blutverlust eher eintrat als die heilende Wirkung greifen konnte. Dennoch: das Phänomen war enorm! So war es bereits bei den kleineren Wunden an den Armen und Beinen gewesen. Die jetzige Bauchwunde war da schon von einem anderen Kaliber. Aber darum geht es ja letztlich, nicht wahr? Wo ist die Leistungsgrenze des Zellaktivators, Verwundungen des Trägers zu heilen? Sicherlich eine ganz praktische, ja geradezu überlebenswichtige Frage – auch für ihn! Jedenfalls ein Ergebnis ist schon mal gesichert: Die amputierten Finger und Zehe konnte der ZA nicht nachwachsen lassen. Das war schon mal gewiss!

Interessiert las er die Diagnose auf dem Monitor und speicherte die Daten ab. Er wird noch genügend Zeit haben, dieses gigantische Datenmaterial auszuwerten. Letztlich jedoch war nur eine einzige Frage interessant: Wo liegt der Breakpunkt zwischen Heilung und Tod?

Wenn der Zellaktivator „heilende Kräfte“ besitzt – was ist dann das Referenzsystem? Bekommt ein krankes Wesen den ZA ausgehändigt, ist dann der aktuelle Zustand die „Norm“, auf den sich der Zellaktivator einpendelt und reguliert anschließend alle Vitalwerte auf diesem Niveau? Oder besitzt es interne Referenzen – quasi eine biodynamische Datenbank –, die besagt, was „vital“ für solche Aliens als „Soll-Wert“ zu betrachten ist und leitet darüber einen Heilungsvorgang ein?
Es wurmte Fulkar enorm, dass ihm dazu die notwendigen Vergleichsobjekte fehlen. Aber er muss sich mit dem bescheiden, was er hat. Und dazu gehörte das Wissen, dass in dem Moment, wo ein Wesen sich den Zellaktivator umhängt, sein aktuelles biologisches Alter „eingefroren“ wird. Dieses deutet zumindest darauf hin, dass der jeweilige körperliche und geistige Zustand als „gegeben“ fixiert wird. Es sei denn … es sei denn, der ZA macht eine selbstständige genetische Zellanalyse und berechnet den „optimalen Zustand“ des Trägers. Aber das müsste dann auch mit dem Lebensalter geschehen – das optimale Lebensjahr mit seiner voll entfalteten geistigen und körperlichen Vitalität. Und dem ist eindeutig nicht so.

Frustriert blickte der Ara seinen ehemaligen terranischen Freund an und meinte:
„Diese Phase haben wir nun erfolgreich hinter uns gebracht. Für heute haben wir nur noch ein Test zu absolvieren – eine Verletzung unter simulierter Kampfbedingung.“
Wuriu Sengu reagierte nicht mehr. Apathisch stierte er zur Zimmerdecke, während sein Körper in willenlosen Reflexe unkontrolliert zuckte. Er besaß längst keine Kraft mehr zum Widerstand. Sein Bewusstsein war verwirrt und sein Geist wanderte wie ein flackerndes Irrlicht umher. Dorthin, wo er einst glücklich gewesen war, wo es einst Hoffnung gab – und nun für ewig zerbrochen und verloren.

Fulkar richtete den Laserstrahler aus. Wenn er den Mechanismus auslöst, dann erfolgt ein energetischer Impuls, der exakt den rechten Arm bis hin zur Schulter komplett auflösen würde. Mit einer Hitze, die quasi antiseptisch und wundschließend wirkt. Was bleibt nach diesem großflächigen Verlust ist das Nichts und damit die Frage, wie der Körper, der Geist und letztlich - regulierend - der Zellaktivator den biologisch-mentalen Schock kompensieren kann.
Schließlich wird es ja ein Experiment ohne irgendeine Art von Betäubung sein!
Es würde sonst die Ergebnisse verfälschen. Er muss bereits jetzt schon unter gewissen Einschränkungen arbeiten, die die Ergebnisse der Forschung beeinträchtigten.

Als Perry und seine Freunde mit den zehn Zellaktivatoren auf Terra eintrudelten, war dieses für ihn – Fulkar – der Wendepunkt. Nicht das er unbedingt einen ZA haben wollte; das auch – aber es ging ihm nur um die wissenschaftliche Forschung an diesem kosmischen Kleinod! Es war von enormen Wert und glänzender Ehre, die selbst auf Aralon beispiellos wäre.
Und das hat einen unbändigen Ehrgeiz in ihm entfacht!
Sicher, er musste vorsichtig sein. Einen Mutant mit einem Zellaktivator verliert die Terranische Union nicht so leicht aus den Augen. Und John machte sich bereits extreme Sorgen und fühlte sich persönlich für das Wohl seiner Schutzbefohlenen verantwortlich.
Die Suchaktion lief bereits auf Hochtouren.

Aber was die Terraner nicht wussten, war die Tatsache, dass die Aras – zumal die Ärzte-Kaste – einen mentalstabilisatorischen Block besaßen. Kein Mutant oder Gerät konnte die Emotionen oder gar Gedanken eines Aras gegen seinen Willen erfassen. Sicherlich gab es andere Möglichkeiten der Wahrheitsfindung. Doch ohne gewichtigen Verdacht oder gar gesicherten Grund würden die Terraner nie zu solchen Mitteln greifen.
Bei Sengu hingegen lag der Fall anders. Bei ihm musste er ein Serum benutzen, das zur Bewusstseinstrübung führte. Mit anderen Worten: Wuriu besaß nicht mehr die Kraft, sich mental zu fokussieren und einen „stillen Hilfeschrei“ zu senden, den Telepathen empfangen könnten. Das Hirnwellenmuster war massiv „gedämpft“ bis zum Rande der Debilität. Eine Sicherheitsmaßnahme. Notwendig, aber ärgerlich. Es verfälscht auf jeden Fall die Daten. Dennoch, in der Abwägung zwischen der Chance auf besseres Analysematerial und dem Risiko entdeckt zu werden, hat er sich doch lieber für die sichere Seite entschieden.

In Kürze wird er mit der Experimentierphase fertig sein. Dann bliebe nur noch die traurige Pflicht, Sengus Körper mit Säure aufzulösen und zu entsorgen.
Natürlich ohne den Zellaktivator! Den wird er gewiss behalten! Sozusagen sein Lohn für die geleistete wissenschaftliche Forschung! Und dann werde er ins Wega-System fliegen, um dort zu bleiben. Sich als Arzt niederlassen. Die Ferronen werden dankbar sein für die medizinische Hilfe auf galaktischem Niveau, die er zu bieten hat. Und natürlich auch die Terraner, denen er weiterhin unterstützend zu Seite stehen will. Sofern sie denn seine medizinischen Kenntnisse und Hilfe brauchen – und dazu im Wega-System einchecken.
Aber hier auf Terra kann er nicht bleiben. Hier stände er zu sehr im Fokus der Mutanten. Und außerdem könnte er seinen neuen Status als neuer Träger eines Zellaktivators - und damit als ein Unsterblicher - auf Dauer nicht geheim halten.

„Also gut, Wuriu, jetzt kommt der letzte Versuch für heute,“ sagte Fulkar leise, „beiß die Zähne zusammen, o.k.?“
Dann betätigte er den unscheinbaren weißen Knopf des Lasers.

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Meine zweite Skizze habe ich geschrieben, um auszuloten: Was kann eigentlich geschehen, wenn tatsächlich ES den terranern ein Dutzend Zellaktivatoren überreicht.
Wie kann solche kostbaren Kleinods die Verhältnisse zwischen den galaktischen Völkern verändern, wo doch jeder Imperator oder Despot meint, solches Gerät als Krönung besitzen zu müssen
Dieses wäre nicht nur ein Problem für ein paar lustige Abenteuerromane, sondern strukturell immer und immer wieder.
Und zwar durchaus existenziell!


02. Skizze vom 14.08.2012:
Ein Topsider kommt selten allein


Der Kommandant der TOSOMA stand auf der Brücke, als es geschah.
Aus dem Hyperraum brach eine Raumflotte in den Normalraum ein - kurz vor dem Sol-System!
Sirenen schrillten durchdringend. Schlagartig erwachte die bis dahin vor sich hin schlummernde Wachsamkeit. Nervosität breitete sich in der Zentrale aus.

Pounder bellte: „Daten, Leute, Daten. Zack-Zack! Wer oder was zum Teufel ist da. Und wie viele?“
Tifflor rief heiser: „Die Schiffssignatur weist auf Topsider hin! Das Positronik zählt eine gemischte Armada von 50 Raumschiffen!“
Im letzten Satz schwang der erste Anflug von Panik mit. Ein emotionaler Sturm des Entsetzens fegte durch die Zentrale. Nur mit eiserner Anstrengung unterdrückte Lesly einen derben Fluch und zwang sich zu demonstrativer Gelassenheit.
„Schön, dann haben wir jetzt den Salat.
Julian - sofortiger Funkspruch an den Administrator Homer G. Adams, der Raumadmiralin Thora da Zoltral und den Außenminister Reginald Bull!
Code Alpha – Top – 1.“



Mit ungewohnter Hast eilte Adam ins HQ, wo bereits ein hektisches Treiben herrschte. Inmitten des Chaos stand unbeirrt und kalt wie ein Eisberg Thora da Zoltral, Raumadmiralin der Terranischen Union und damit Verteidigerin des Sol-System. Sie nickte den Administrator zu, während sie ihren Auswertungsoffizier fragte: “Wann ist die kritische Zone erreicht? Gibt es bereits einen Kommunikationskanal?“
„Kritische Zone in 60 Minuten erreicht!
Kommunikationskanal wird aufgebaut!“

„Was ist das für ein Scheiß?“
Reginald Bull bahnte sich einen Weg zum Befehlsstand, wo er schnaubend neben Thora zum Stehen kam. „Gibt es was Neues?“
Da Zoltral schüttelte schweigend ihren Kopf und konzentrierte sich auf die hereinkommenden Daten.
Übel, wirklich Übel. Das waren keine kleinen Fische, sondern Haie.
Kampfraumer der 250 m – Klasse. Mindestens 20 Einheiten.
Truppentransporter der 800 m – Klasse. Mindestens 30 Einheiten.

Bull wandte sich an seinen stillen Begleiter, der gefasst neben ihm stand.
„Ras, schaff mir den Weisen Trker-Hon herbei. Er kann hoffentlich erklären, was seine Artgenossen hier wollen und sich vielleicht nützlich machen. Und dann such John. Er möge seinen Arsch hierher bewegen und soviel wie möglich von seiner Truppe mitbringen."
Der Teleporter Tschubai nickte und verschwand mit einem leichten "Plop".

"Leitung steht!"

Der großen Monitor flackerte. Dann folgte ein scharfes dreidimensionales Bild.
Bull zerbiss einen Fluch, während seine Finger sich spontan zu Fäusten ballten. Indessen blickte Thora da Zoltral mit demonstrativer Gelassenheit, ja mit geradezu arkonidischer Geringschätzigkeit ihren Gegenüber an.

Genkt-Tarm, Oberbefehlshaber der topsidischen Eroberungsflotte bei der Invasion des Wega-Systems, bleckte die Zähne und bellte eine kurze Grußfloskel.
Dann kam er gleich zur Sache. Topsider hielten sich nie lange mit Diplomatie auf.
"Wir grüßen das terranische Volk, welches wir nun gefunden haben.
Ich habe von unserem unfehlbaren Despotat den ehrenvollen Auftrag erhalten, den vereinbarten Friedensvertrag zur vollen – ich wiederhole: zur vollständigen Erfüllung – zu verhelfen. Im entsprechenden Friedensvertrag zwischen den Ferronen und unserem Imperium ist vereinbart worden, dass wir einen angemessenen Anteil der mysteriösen Technologie zugesprochen bekommen. Und wir andererseits Wiederaufbauhilfe für die Ferronen leisten. Wir haben unseren Teil der Vereinbarung erfüllt. Jedoch haben die Terraner unter der Führung von Perry Rhodan diesen Vertrag hintertrieben. Zwar haben wir die Transmitter-Technologie erhalten; jedoch hat sich die terranische Rasse eine Technologie unter den Nagel gerissen, die man "Zellaktivator" nennt und relative Unsterblichkeit verleiht.
Das topsidische Volk verlangt einen angemessenen Anteil. Laut unseren Informationen besitzt die terranische Union zehn Stück dieser Art – und wir verlangen die Hälfte."

Der Oberbefehlshaber hielt kurz inne, um das Gesagte sacken zu lassen.
Dann fuhr er fort, langsam jeden Satz zischend betonend, dass der Sinn des Gesagten sich in die Hirne der Verantwortlichen einätzte.
"Händigt uns fünf Zellaktivatoren aus, so betrachten wir den Vertrag als vollständig erfüllt. Wenn dieses nicht geschieht, betrachten wir diesen Akt der Weigerung als Vertragsbruch. In diesem Fall werden wir den Planeten angreifen.
Terraner. Wir achten die 3. Direktive, die da lautet:"Achte das Leben! Erhalte es, wo du kannst. Lösche es nur dort aus, wo es unumgänglich ist.". In diesem Sinne werden wir nach Ablauf des Ultimatums jeden Tag die jeweils größte Stadt auf eurem Planeten zerstören – bis ihr einwilligt oder untergeht! Es liegt in eurer Hand. 30 Minuten – die Zeit läuft ab jetzt!"

Mit unbewegter Miene hatte sich Thora die Botschaft angehört. Nun nickte sie und erwiderte verächtlich: "Das wars dann? Oder gibt es sonst noch irgendwelche Kleinigkeiten?"
Genkt-Tarm schnaufte und schaltete wortlos ab.


Stille senkte sich drückend über das HQ. Zäh dehnte sich die Zeit wie Gummi. Und raste doch unerbittlich zur Entscheidung drängend dahin.
Mit einem tiefen Seufzer richtete sich Adams - nachdem er sichtlich angesichts der nahenden Katastrophe in sich zusammengefallen schien – wieder auf.
"Also gut! Reg! Thora! Ich rufe hiermit den außerordentlichen Notstand und damit das solarische Kriegsrecht aus! Reg – du versuchst unbedingt eine diplomatische Lösung herbei zu zaubern. Und Thora – du versuchst mit den nicht vorhandenen Mitteln sowas wie ein Hauch von Verteidigung aufzubauen. Ich rufe den Planetischen Rat ein und werde die aktuelle Krisenlage sowie geeignete Maßnahmen erläutern – sofern ich überhaupt noch dazu kommen werde.
Haltet mich auf dem Laufenden."
Homer eilte in sein Büro und setzte die Maschinerie des Administrators in Gang.


Thora und Reginald sahen sich in die Augen und ihre Blicke verschmolzen ineinander. Sie suchten die begrenzten Möglichkeiten auszuloten, zwischen dem, was notwendig und dem, was tragfähig ist.

Bull sah eine Arkonidin vor sich, die in und durch ihren Schmerz gewachsen war. Und für einen kurzen Moment sinierte er über sie.
Der Verlust ihres Mentors Crest auf Wanderer, wo das msysteriöse Wesen dem Alten die Unsterblichkeit verweigert hatte, hatte sie zutiefst getroffen. Sie sprach es nicht aus, aber er wußte, dass sie ES hasste. Und das geradezu jeden Moment, da sie die lebenserhaltende und lebensverlängernde Wirkung spürte. Ja, sie griff wieder unbewusst zum Zellaktivator, der auf ihrer Brust lag.
Und nicht nur das.
Nachdem auch noch Atlan da Gonozal auf der Bildfläche aufgetaucht ist - ein vor unfassbaren 10.000 Jahren lebender Arkonide, der ebenfalls per ZA die relative Unsterblichkeit besaß - blühte Thora auf.
Wahrlich eine stolze Kriegsgöttin, eine unerbittliche Walküre mit dem Wissen und der Erfahrung des arkonidschen Großen Imperium. Zumindest theoretisch – an der Militärakademie von Arkon! Und aus diesem Grunde war sie die Raumadmiralin des Sol-Systems – die Verteidigerin der Menschheit!
Noch besser wäre natürlich dieser verdammte Atlan da Gonozal für diese Aufgabe geeignet gewesen. Der hatte die strategische Kriegsführung nicht nur am Planungstank an diversen historischen Geschehnissen simuliert, sondern eben – und das ist der Punkt – mit Feuer und Flamme hautnah erlebt. Als Flottenadmiral!
Schön, nicht wahr?

Bull konnte sich ein zynisches Grinsen nicht verkneifen.
Und weg ist er. Verdammt! Natürlich mit Perry! Irgendwo auf Arkon! Und hat auch noch das ultimative Team bei sich: Iwan Goratschin, Sue Mirafiore und den Mausbiber Gucky.
Verdammt, Perry, wenn man dich schon mal braucht ...

Andererseits konnte man – zumindest bevor die jetzige Katastrophe eintrat – wieder atmen. Vorher brannte die Luft – überall dort, wo Atlan und Perry aufeinander trafen.
Sicherlich, beide zogen aus den unterschiedlichen Gründen am gleichen Strang. Nee, es war eindeutig etwas persönliches zwischen den beiden Alpha-Tieren. Thora da Zoltral war in der Tat ein verdammt persönlicher Grund.
Bei den Arkoniden ist es nämlich so wie bei den terranischen Kids. Wenn sie einen Pod der neusten Generation in der Hand haben, dann können sie davon nicht mehr loslassen. Es bildet sich ein geradezu fetisches Verhältnis zum Objekt des Begehrens, welches vollständig die bloße Funktionalität verdrängt. Wahrscheinlich handhaben die Kids ihre Pods auch und vor allem im Bett – unter der Decke.
Und so war das bei den Arkoniden auch: ersetze den Pod mit den aristokratischen Titel und man hat dasselbe Ergebnis. Und was bitte ist ein hübscheres Pod als Atlan da Gonozal, ehemaliger Kronprinz eines verblichenden Imperiators vor unzähligen Generationen? Das war pures blaues Blut in höchster Potenz, wie es heutzutage im ganzen Großen Imperium nicht mehr fließt!
Da hat Perry auf jeden Fall die Arschkarte gezogen.
Gewiss! Und das wurmt. Auf jeden Schritt und Tritt
.
Bull wischte den Gedankengang beiseite. Egal!

Er sah wie die Tränen Thoras Augen befeuchteten, wie erregt sie war.
Oh ja! Thora da Zoltral wollte kämpfen! Mit allem was sie hatte, nämlich so gut wie nichts. Ein Hauch mehr als des Kaisers neue Kleider!
Code Alpha – Top – Z!
Der Kommandant der TOSOMA, Pounder würde sich durch die feindliche Flotte metzeln und das gegnerische Flagschiff frontal angreifen. Enthauptung! Flottenadmiral Genkt-Tarm muss fallen. Soweit der Plan. Wahrscheinlich wird eher die TOSOMA unter dem massiven Beschuss von 20 200-m-Raumschiffen in einem glühenden Ball verdampfen.
Blieben noch die 50 kleinen ferronischen Moskitojets, die die Terraner für den ferronischen-topsiderischen Friedensvertrag geschenkt bekommen haben. Damit kann man bestenfalls Kamikaze-Attaken durchführen. Und so wird es auch geschehen – bis zur völligen Vernichtung dessen, was man hochtrabend eine terranische Flotte nennen könnte.
Die kinetische Bombadierung – und darauf läuft es wohl hinaus – werden sie jedoch nicht stoppen können. Dazu ist das Zeitfenster zu kurz und die Durchschlagskraft zu gering.
Der solarische Verteidigungsplan sah ursprünglich vor, binnen zehn Jahren eine Raumwerft nahe Venus zu bauen und dort die benötigten Raumschiffe sowie vor allem Raumforts zu bauen. Diese sollten in einer vorgelagerten Kugelmatrix den Schutz des Sol-Systems übernehmen. Vollendung in 50 Jahren!

Der Außenminister lachte bitter auf.
Die Raumadmiralin hob fragend eine Augenbraue. Er brauchte nichts zu sagen. Sie wußte auch so, was er, was sie gemeinsam dachten.
Die ganze Situation war von Arsch.
Eine einzige Katastrophe, die sich über die Menschheit zusammenzog.

Wo verdammt bleibt Ras?
Noch 20 Minuten ...
Irgendwie muss mehr Zeit rausgeschunden werden!


Thora da Zoltral wußte genau was Reginald dachte. Und sie wußte auch, welche begrenzten Möglichkeiten er hatte! Nur eine! Kapitulation! Mag er gemeinsam mit dem weisen Trker-Hon noch soviel diplomatisch herumlavieren – die galaktischen Militaristen werden niemals nachgeben außer der brutalen Überlegenheit. Die Reptilien akzeptieren nur Stärke und sonst gar nichts! Ein Einsatz der Mutanten, entweder den Flottenadmiral zu töten oder überall Bomben zu legen würde nur eine Verzögerung bedeuten. Die vernichtende Rache umso unerbittlicher sein.
Das wußte sie genausogut wie Bull.
Also wird er zähneknirschen kapitulieren müssen, bevor das erste Angriffziel – vermutlich Großraum Tokio mit 40 Millionen Einwohner, gefolgt von Seoul mit 30 Millionen Einwohner – in Flammen stand.
Fünf Zellaktivatoren war für die Rettung ein geringer Preis! Oder?

"Achtung! Neue Erschütterung des Hyperraums!"
Gebannt sahen die Verantwortlichen im HQ auf den Hauptbildschirm.
"100 Raumschiffe! Ich wiederhole: 100 Raumschiffe! Signatur bekannt! Fantan!"

"Himmel, Arsch und Zwirn! Schaff mir auch den Botschafter Skelir her!"
Bull rammte seine geballten Fäuste krachend auf den Planungstisch.
Feuriger Schmerz zuckte durch seine Arme. Stöhnend rang er um Besinnung.
Besun! Natürlich! Besun! Was kann es für ein größeres Besun in dieser Galaxis geben als die verfluchten Zellaktivatoren?

Und er verstand! Endlich!
Wahrhaftig - ein faustisches Geschenk von diesem Überwesen ES!
Die Wahl heisst: An dieser vergifteten Gabe zu wachsen oder zu sterben.
Die Menschheit stand vor ihrem Doomday – Armageddon – die Apokalypse...

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Meine dritte Skizze versuchte den Begriff "Ringen" etwas auszuloten.
Dabei hatte ich mich von zwei Aspekten leiten lassen:
Zum einem sollte die Konfliktlinie "Ringen" nicht unbedingt kriegerisch auflösbar bzw. nicht wirklich durch niedere Lebensformen zu lösen sein.
Und zum anderem sollte damit die "Zwiebelschale" dahingehend re-formuliert werden, als das es zwar eine Ebene von SI gibt, jedoch nicht notwendigerweise "höher" hinausreicht (vertikal),
sondern eher als universale Familie (mit sicherlich unterschiedlichen Alter, Macht und Einfluss)(horizontal).



Zu #24 „Welt der Ewigkeit“ von Frank Borsch

03 Skizze vom 18.08.2012
Das Ringen in der Mächtigkeitsballung


„Ein Patzer...“ raunte es ungläubig durch den milchigen Sternennebel.

Schweigen

„Wie kannst du glauben mich niederringen zu können mit solchem … Patzer?“
Zögernd antwortete ES:“Er wollte nicht.“
„Er wollte nicht?“ echote mit leicht höhnischem Unterton sein Gegenpart.
„Und damit ist es gut, ja? Eine niedere Lebensform „wollte nicht“ deinen Zellaktivator tragen und damit ein Lehnsbauer in unserem kosmischen Schachspiel werden. Ein Bauer mit seinem ganzen Volk – den Terranern. Und du akzeptierst?“
„Entscheidend ist nicht das Tragen eines Zellaktivators - den im übrigen ein anderes durchaus fähiges Wesen trägt – sondern es kommt auf die Bereitschaft an, Verantwortung zu übernehmen. Für eine gerechte Sache.“
„Natürlich! Für deine? Gegen mich!“

Erneutes Schweigen.

„Du wirst mich nie niederringen können, ES. Und auch dieses Mal wirst du verlieren. Weil ich dir über bin!“
„Du bist mir nicht über! Wie könnte das sein, da du doch ein Teil von mir bist, Anti-ES.“
„Schweig! Ich bin nicht mehr ein Teil von dir! Wir waren mal eins. Doch du hast mich aus dir heraus gestoßen und dich von mir abgewandt.
Als wäre ich das Böse – die pure Dunkelheit.
Und du das Gute – natürlich - das strahlende Licht.“

Bedauern waberte durch den Äther...

„So war es nicht! Jedenfalls nicht die ganze Wahrheit , auch wenn die Kränkung deinen Stolz verletzt hat und du deswegen die Wirklichkeit verzerrst ...“
„Schweig!“
„... Durch den Angriff einer anderen Entität wurde unser Inneres auseinander gerissen und gespalten. Und du hast ...“
„Ja, ich bin ICH geworden! Frei von deinen unterdrückerischen, rechthaberischen kindlichen Macken und habe mir den größten Teil der Mächtigkeitsballung gesichert. Andromeda!“
„..Und hast mich-uns geschwächt. Begreife doch. Nur gemeinsam, wenn wir wieder vereint sind, haben wir eine Chance zu bestehen. Lass dich von mir wieder integrieren...“
„Niemals! ICH werde sein und du wirst von mir assimiliert werden! Dann, erst dann haben wir-ES wahre Stärke und können uns behaupten gegen die Anderen hinter den Nimbus, die uns nur mitleidig als Kleinkinder in der Krabbelkiste betrachten.“
„DU verstehst nicht.
Denk an das erste Voltz´sche Gebot für Entitäten: Wissen führt zum Wachstum! Und damit Ausdehnung des Einflusses auf allen Seins im Kosmos!“
„Leeres Gewäsch! Klare Kommandostrukturen von unserem Sein als Entität zu den niederen Lebensformen; Befehl und Gehorsam, Pflicht und Unterwerfung, Maximierung der Ressourcen und Liquidierung jeden bremsenden Widerstandes führen zur Macht. Und die brauchen wir – ICH – um den potentiellen Feind aufzuhalten, ja vielleicht sogar zerstören zu können.“
„Dein Weg führt in die Irre. Nur Freiwilligkeit und Selbstentfaltung setzen die notwendige Kreativität frei, um konstruktive Lösungen zu finden.“
„Illusionen! Andromeda habe ich bereits errungen. Und selbst hier – im Zentrum – habe ich bereits die Topsider auf meiner Seite. ..“
„Durch Intrigen und Manipulation. Appelle an die tiefen dunklen Seiten der Existenz...“
„Und sie sind wirkungsvoll! Die „sozialen Weisungen“ sind doch nur noch blasse Erinnerungen. Ein leeres Ritual. Aber ich habe dieses Volk bereits zu einer schlagkräftigen Kriegerrasse geformt und positioniert.
Wenn dann der Feind kommt...“
„Der Feind braucht nicht mehr zu kommen.
Du bist bereits schon da und wendest dich gegen dich selbst, gegen mich. ES.“
„Rede nur. Selbst das Wega-System ist nicht mehr sicher. Ja, sogar auf deine Heimstatt Wanderer habe ich schon meine Hand gelegt“
„Ein gutes Beispiel für dein Scheitern.
Die Invasion deiner manipulierten Topsider im Wega-System ist durch den Terraner Rhodan und seiner Gefährten gestoppt worden. Mit nur geringen, ja, geradezu erbärmlich schwachen Kräften haben sie mit Kreativität und persönlichen Mut deine Invasion abgewendet, die 100-fach überlegen war.
Und sie konnten dank ihrer persönlichen Integrität die Lage befrieden, sodass – zumindest solange du nicht wieder die Situation vergiftest – drei Völker in friedlicher Koexistenz leben und deren Zivilisationen aufblühen können.“
„... Und dekadent werden – wie deine Arkoniden!“
„Die du schleichend ...“
„Klar, immer ich. Dann, wenn deine Pläne scheitern, bin ich dein Buhmann.
Wie bequem. Aber meine Hilfsvölker sind nicht dekadent. Sie stark und motiviert.“
„Gehorsame Killertruppen meinst du!“

Schroffes Schweigen breitete sich aus.

„Also gut“, begann ES von Neuem, “lass uns die Haarspalterei und das Zwiebelschneiden. Das bringt uns nicht weiter.
Es ist etwas geschehen... das `Auge´ ist erschienen...!“
Freudige Furcht und ängstlicher Jubel schwollen erstaunt durch den Äther.
„Das `Auge´ ist … erschienen?“
„Ja! Die Terraner haben es gesichtet – und nennen es `Harno´.
„Wann, wann geschieht es?“
„Bald, mein anderes Sein. Sehr bald“.
„Wie bald ist sehr bald?“, drängte ICH.
„Vermutlich in 1000 oder 2000 oder 3000 Jahren. Standard.
Dann setzen die Hyperion-Gesänge ein.“
Entzückung wallte auf.
„Hier?“
ES bestätigte dieses mit einer ebenfalls wohligen Vorfreude.
„Das werdende Endymion wird sich in unserer Existenzebene materialisieren.“
„Und Aenea...“
„Und Aenea...Vielleicht.“
„ICH werde bereit sein. ICH werde sein.“
„Narr,“, wütete ES nun ungehalten, „habe ich dir diese Neuigkeit überbracht, um deinem aufgeblasenen Ego weitere Nahrung zu geben?“
ES zügelte mühsam seine Ungeduld und fuhr sanfter fort:“Nein, es war ein Friedensangebot! Wir müssen unsere Spaltung aufheben, dunkler Bruder. Wir müssen uns wieder vereinigen – um die innere Kraft zu finden, die wir so dringend brauchen.
Es kommt nicht nur auf die äußere Stärke der Hilfstruppen an. WIR – also das wahre ES – müssen genügend psionische Energie haben, um den Ansturm auf unsere Mächtigkeitsballung abwehren zu können. Denn das ist klar: die anderen Entitäten jenseits des Nimbus werden uns nicht mehr im Buddelkasten spielen lassen, wenn sie erfahren, dass das Werdende sich hier in der Lokalgruppe manifestieren wird. Dann werden die Großen mitspielen wollen; womöglich sogar die Alten vom Ende des Universums, die schon in ihrer Todessehnsucht auf die Entropie warten. Alle diese Entitäten – die ganze Familie - werden neidisch aufgeschreckt werden. Wir haben keine Chance; denn getrennt, innerlich zerrissen und gespalten, sind wir so geschwächt, dass wir uns gleich auflösen können.
Darum lass uns das Ringen beenden!“
„ICH bin stark und werde die notwendige psionische Energie aus meinen Hilfsvölkern saugen.“
„Und einen milliardenfachen Massenmord an den niederen Lebensformen verüben. Doch dieser wird dich nicht stärken, sondern schwächen. Eine weitere Spaltung deiner Teil-Persönlichkeit wird eingeleitet werden. Der zerbrochene Spiegel spiegelt sich in den Facetten bis hin zum Wahnsinn!“
„Unsinn“, erwiderte ICH barsch und doch mit einem verunsicherten Unterton.
„Doch! Das ist der Punkt. Nur wenn die Lebewesen der niederen Existenzform– und nur diese verfügen über die psionische Energie – freiwillig und aus Überzeugung sich in UNS integrieren, kann diese kosmische Energie fruchtbringend in voller Optimierung sich manifestieren; können WIR wachsen und an Wissen, Weisheit und Einfluss gewinnen. Doch eine gewaltsames Einsaugen erzeugt Widerstand, zumindest Gleichgültigkeit wie der Kadavergehorsam. Es wäre bloß schwache Energie, die lähmt – wenn sie nicht sogar eine Spaltung verursacht.
Kurz: kontraproduktiv und destruktiv!“

Nachdenkliches Schweigen.

„Darum“, nahm ES den Faden wieder auf, „bitte ich dich, lass uns das Ringen beenden. Integriere dich – lass uns wieder gemeinsam werden zum wahren ES. Die Zeit wird knapp und es gibt noch viel zu tun ...“
„Nein“, klang es trotzig zurück. „Ich will nicht wieder Teil von dir sein. ICH bin ICH und DU darfst dich in mir assimilieren. Komm – und das Ringen hat ein Ende. Dann können die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden.“

Ratloses Schweigen.
Der Dialog war gescheitert.
Wieder einmal.

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Mit der folgenden Skizze wollte ich ausloten, wie es ist, wenn eine -unbeabsichtige- Katastrophe zusammenfällt mit einer gewollten Meuterei durch religiöse Fanatiker, die punktgenau die Gunst der Stunde ausnutzen. Als Alternativende wäre diese Passage vor dem Epilog einzufügen.

Zu #25: „Zielpunkt Arkon“ von Leo Lukas

04. Skizze vom 18.08.2012

Die Meuterei auf der TOSOMA


Im provisorischen Lazarett
Rhino erwachte in einer Hölle des Schmerzes.
Aber er lebte!
Stöhnend öffnete er seine Augen und blickte um sich.
Er befand sich in einer große Halle und lag – so wie viele andere Personen auch – auf einer Liege. Ringsherum wuselten Medo-Robots.
Rinat Ugoljew richtete sich auf und prompt schwappte eine dunkle Welle voller Übelkeit über ihn hinweg.
Unweit von ihm entfernt stand ein stämmiger, rothaariger Mann, der wüst vor sich hin fluchte und grimmig die Hilfsmaßnahmen beaufsichtigte.
„Herr Bull“, krächzte Rhino.
Reginald Bull blickte auf und stampfte auf ihn zu.
„Unser Meisterkoch. Herr Ugoljew, die Küche hat bis auf weiteres geschlossen!“
Rhino verspürte einen leichten Hauch voller Verwunderung, dass Bull sich an ihn erinnerte. Andererseits hatte dieser ihm ja auch gehörig den Kopf gewaschen wegen dem außerplanmäßigen Traktorstrahl während des Startmanövers.
„Wie viele...?“
Bull spukte seitlich aus und stieß grimmig hervor: „135 Mann! 135 Tote, verdammt!“

„Und ihr seid schuld“, kreischte eine Stimme so laut, dass diese mühelos durch die ganze Halle schrillte.
Mühsam blickte Rhino zu dem Schreihals und erkannte den Assistenten von Theaterregisseur Kutschker, Ottokar von Monzat.
„Wir hätten mit diesem alten Seelenfänger erst gar nicht starten dürfen.
Ein Schrottkahn ohne Beiboote und zu wenige Raumanzüge. Ihr...“, und dabei zeigte er auf Bull und meinte die gesamte Schiffsführung samt der terranischen Administration, „...Verbrecher seid Schuld an den Tod so vieler guter Männer!“
Prima, dachte Ugoljew, zumindest das Wichtigste haben wir geklärt: Die Schuldfrage!

Bull war unter der Wucht der Anschuldigung kreidebleich geworden.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und … schwieg.
Was hätte er auch sagen sollen?
Hatte er nicht gerade vor kurzem noch Perry genau das gleiche gesagt?
Sein ungutes Gefühl angesichts des zehntausend Jahre alten Kahns. Dieser war zwar angesichts der arkonidischen Technik gewiss völlig veraltet und verrottet, andererseits im Verhältnis zur terranischen Technologie Lichtjahre in unerreichbarer Weite voraus.
Das war das Dilemma!
Und sein Misstrauen gegen die Autoreparaturroutine des Schiffes.
Oh ja, er war mit Abstand derjenige, der sich am besten mit der arkonidischen Technologie auskannte. So intensiv wie er hatte keiner sich mit der Schiffstechnologie befasst. Noch nicht mal Perry. Aber was heißt das schon? Soll er mit einem Rechenschieber die Behauptung des Positronik nachrechnen?
Und er war auch dagegen gewesen, die 1.800 Passagiere: Wissenschaftler, Gelehrte, Techniker, Künstler, Wirtschaftsleute – allesamt herausragende Persönlichkeiten – mit an Bord zu nehmen. Wie er auf Perry eingeredet hat. Aber nein, der sture Esel musste natürlich mal wieder seinen Kopf durchsetzen!
Reginald knirschte hörbar mit den Zähnen, bis sein Kiefer schmerzte.
Scheiß drauf! Und jetzt haben wir den Salat!
Sicherlich war das Argument stichhaltig: Am Hof des arkonidischen Imperators Eindruck schinden. Das wir keine Barbaren sondern zivilisierte Wesen sind.
Aber so ist es halt im Leben: Wäre alles gut verlaufen, wäre Perry mit seiner Idee von allen Menschen bejubelt worden. Doch geht es schief, dann kommen diejenigen aus ihren Löchern gekrochen, die schon immer das Projekt madig machen wollten und nur auf die Gelegenheit der Schwäche warteten, um so richtig ätzend zu bohren und zu höhnen. So wie jetzt.
Und er konnte es ihnen nicht einmal verübeln.
Perry hat ihnen wahrlich Tür und Tor geöffnet. Noch nicht einmal ausreichend Schutzanzüge waren am Bord gewesen. Alles so unerträglich überstürzt...

„Tod dem Teufel und seinen Vasallen“, schrie Ottokar von Monzat und zog wie aus dem Nichts einen Strahler hervor. Ein greller Strahl flammte auf und fraß sich durch den nächst stehenden Medo-Robot, der explodierte und dessen Metallstücke als glühende Geschosse durch die Halle sirrten.
Menschen, bereits unter Schock und verwundet, schrien auf voller Angst und Schmerz auf.
„Hölle!“, brüllte Reginald und stürzte sich auf den hysterischen Attentäter.
Doch der rollte sich zur Seite, während der Strahler im Dauerbetrieb immer weiter und weiter seine tödlichen Bahnen zog. Weitere Medo-Robots explodierten und inzwischen wurden auch Besatzungsmitglieder direkt von dem vernichtenden Strahl getroffen.
„Nieder mit den dämonischen Arkoniden und ihrer Teufelstechnologie. Es lebe die Junge-Erde-Kreationistische Bewegung!“


In der Kommandozentrale
Leichenblass wiederholte Perry Rhodan seine schiffsinterne Ansprache:
„Ich bitte um Entschuldigung für diese Katastrophe. Als wir uns entschlossen haben, diesen Flug nach Arkon zu unternehmen, um zumindest bis zu den ersten Vorposten des Imperiums vorzustoßen, war uns von Anfang an klar, welche immensen Risiken wir eingehen würden.
Jeder wusste dieses von Anfang an und musste sich entscheiden!
Niemand kann sagen: er habe von nichts gewusst!
Und doch wiegt das nun eingetroffene Desaster schwer.
Es war für uns – für mich – ein Abwägen zwischen einem möglichen Risiko für die Besatzung der TOSOMA und der möglichen Gefahr für die Menschheit.
Wir hatten Besuch von den Fatan, mussten gegen die Topsider kämpfen, alles innerhalb weniger Monate.
Terra ist nicht länger ein weißer Fleck auf der galaktischen Sternenkarte. Früher oder später wird unweigerlich das Imperium der Arkoniden auf uns aufmerksam werden. Es ist uns unendlich überlegen. Es könnte uns jederzeit vernichten.
Unsere einzige Chance liegt in der Flucht nach vorne: Wir stellen den Kontakt her, nicht andersherum. Wir müssen nach Arkon! Daran hat sich auch und trotz dieser Tragödie nichts geändert. Ende.“

Eine Warnsirene schrillte.
Die Positronik meldete mit seiner unpersönlichen Stimme: „Achtung! Gefechte in der Halle B-4. Besatzungsmitglieder ergreifen die Waffen. Medo-Robots werden vernichtet. Ich ergreife Maßnahme M-C-07! Bitte um Bestätigung: Maßnahme M-C-07!“
Thora da Zoltral rang immer noch um Fassung. Die Augen tränten und zeugten so von ihrer inneren Aufgewühltheit. Sie konnte sich einem Gefühl der Schuld, zumindest der Mitschuld, nicht erwehren. Wäre sie doch nur gründlicher gewesen und hätte auf dieses kleine, aber dennoch vorhandene Indiz von Unregelmäßigkeit reagiert. Hätte sie …
„Erläutere Maßnahme M-C-07!“, befahl sie mit der beherrschten Stimme einer Kommandantin, die sie war.

Perry sah aus dem Augenwinkel wie der erste Offizier, Samuel von Hohenstein, einen Strahler zückte. Verdammt, woher bekommen denn diese Narren bloß die Strahler her, dachte er noch verblüfft-verbittert, während er schrie: “Vorsicht Thora!“
Er sprang nach vorne, um Thora zu schützen. Doch Crest war schneller …

„Im Namen Gottes! Verflucht seid ihr Dämonenbrut und alles Teufelszeug!
Wir werden die TOSOMA vernichten und uns von allem außerirdischen Übel reinigen. Es lebe der Junge-Erde-Kreationismus.“
Mit verzehrtem Gesicht schoss von Hohenstein, ursprünglich stellvertretender Kommandant des legendären Pounder auf der amerikanischen NASA-Weltraumbasis, ...und traf.
Der Strahler fraß sich todbringend durch Crests Brust.
Der Zellaktivator löste sich mit einer gewaltigen Implosion auf.
Unmittelbar erfolgte ein weiterer Blitz.
Die Positronik schlug mit dem bordeigenen Geschütz zurück.
Samuel von Hohenstein war so schnell verbrannt, dass ihm noch nicht einmal der Tod bewusst wurde.

Die Positronik meldete erneut: „ Achtung! Gefechte in der Halle B-4. Besatzungsmitglieder ergreifen die Waffen. Medo-Robots werden vernichtet.
Gefahr in der Zentrale – arkonidische Offiziere werden angegriffen und getötet! Ich ergreife Maßnahme M-C-02! Bitte um Bestätigung: Maßnahme M-C-02!“

Mit einem leisen „Plopp“ materialisierte der Teleporter Tako mit Reginald Bull.
„Himmel, Perry“, keuchte Reg, „in der Halle der Verwundeten ist der Teufel los. Irgendwelche Sekten-Fuzzis meutern und schießen alles nieder. Die Menschen, die noch nicht tot sind, sterben nun. Wir müssen handeln. Jetzt!“

Dann sah er und begriff nichts: Crest mit zerrissenem Oberkörper, Thora an seiner Seite niederkauernd und Perry weiß wie eine Leiche. Und daneben noch eine echte, völlig verschmorte Leiche.
„Sch*****, was ist denn hier los? Ist die ganze TOSOMA ein Tollhaus, oder was?“

Die Positronik meldete erneut: „Letzte Aufforderung.
Bitte um Bestätigung: Maßnahme M-C-02!
Automatische Aktion in drei Minuten!“

„Thora, was bedeutet das?“, fragte Perry im beherrschten Tonfall, „M-C-02?“
Mit einem Ruck richtete sich da Zoltral auf und ihre Augen leuchteten flammend Rot, deren zornige Glut alles niedersengen mochte, was die Bordstrahler übrig gelassen hatten.
„Positronik erkläre!“, forderte sie im eisigen Ton.
„M-C-02 ist die imperiale Direktive zur Bekämpfung von Meuterei auf arkonidischen Kriegsschiffen. Alle fremden Lebewesen werden exekutiert!“
„Nein“, rief Perry entsetzt. „Wir haben eine Krise. Die Menschen müssen beruhigt werden...“

„Davon wird Crest auch nicht mehr lebendig“, erwiderte Thora schroff.

„Das kannst du nicht machen“, polterte Bull grimmig. „Ihr wart es, die Perry bedrängt habt, den Flug nach Arkon hier und jetzt zu unternehmen.
Und warum es so verdammt wichtig ist, habt ihr auch nie verraten...“

„Bull, beruhige dich, es ist jetzt nicht die Zeit gegeneinander aufzurechnen...“

„Halt die Klappe! Sch***** ist es gelaufen! Ja, für uns alle, Thora. Nicht nur für dich! Eure restriktive Informationspolitik, was es mit dem Großen Imperium und ihrem Imperator auf sich hat, eure etwaigen Wirren der Vergangenheit und Animositäten oder Missverständnisse, die sich nun angeblich ausräumen lassen. Wir riskieren viel und noch viel mehr für euch. Und jetzt willst du uns alle liquidieren lassen?
Komm, Thora, du schuldest uns was!“

„Noch zwei Minuten bis zur Ausführung M-C-02“, zählte die Positronik seelenlos den Countdown runter.

„Also gut. Ich mach es kurz“, sagte Thora da Zoltral. „Unserer Suche nach der Unsterblichkeit liegt folgende galaktische Saga zu Grunde. Demjenigen, der diese Gunst von der mysteriösen Entität gewährt bekommt, erhält nicht nur die persönliche Unsterblichkeit, sondern dient – und das ist der entscheidende Punkt – als fokussierendes Symbol für die ganze Rasse.
Der Zellaktivatorträger muss Imperator werden.“

„Heiliger Bimbam“, stöhnte Bull auf.

„Mit anderen Worten“, fasste Perry das Gesagte zusammen, „die am Boden liegende, degenerierte arkonidische Rasse würde sich vitalisieren und erholen, erneut Kreativität und Unternehmungsgeist entwickeln. Eine beschleunigte Evolution – zumindest Aufhebung der Degeneration!?“
„Ja. Und wir wären als das Große Imperium ein Ordnungsfaktor erster Güte in dieser Galaxis.“

„Deswegen hat die Entität ES dem so widerspruchslos zugestimmt, Perry.“

Perry nickte stumm und überlegte fieberhaft.

„Noch eine Minuten bis zur Ausführung M-C-02“, verkündigte die Positronik erbarmungslos.

„Positronik“, rief Perry Rhodan einer plötzlichen Eingebung folgend, „die terranische Besatzung stellt eine ausgewählte Abordnung der Bevölkerung von Larsaf III dar, die der Imperator persönlich zur Audienz gerufen hat.
Die Liquidierung wäre nicht im Interesse des Großen Imperiums!“

„Ist diese Behauptung richtig, Kommandantin Thora da Zoltral?“, fragte die Positronik nach. „Bitte um Antwort, bevor die Maßnahme M-C-02 in 10 Sekunden greift!“

Thora blickte Perry Rhodan und Reginald Bull an und nickte.
„Ja, es ist wahr! Hiermit ordne ich die Umwandlung der Maßnahme in M-C-08 an. Alle Bordmitglieder in der Halle der Heilung sind mit sofortiger Wirkung per Gas zu betäuben und ruhig zu stellen.“

„Verstanden, Kommandantin. Der Befehl wird jetzt ausgeführt!
Außerdem weise ich darauf hin, dass seit zwei Minuten die Orter ein unbekanntes Raumschiff gesichtet haben.
Das unbekanntes Flugobjekt steuert direkt auf die TOSOMA zu.
Es treffen Funksignale ein....“


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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Ich habe den Roman zum Anlass genommen darüber nachzudenken, was denn eigentlich die ganzen "Ehrenwerten" auf Wanderer den lieben langen Tag im Laufe von Jahrhunderten so treiben.
Also, ob sich in dieser "Suchen nach dem ewigen Leben" ein Zweck verbirgt, der nicht nur dem Glücklichen eine relative Unsterblichkeit bescherrt, sondern auch für ES einen Sinn macht.


Zu # 24: „Welt der Ewigkeit“ von Frank Borsch

5. Skizze vom 06.09.2012
Die Ehrenwerte Bön - 1.AYA-Episode

Stadtbezirk Chengguan in Lhasas / Provinz Tibet / VR China / Planet Terra – Ortszeit: Januar 2037

Aya kauerte sich hinter einer Steinmauer, die Schutz dem Leben vor dem eisigen Wind, der zu dieser Jahreszeit alles Lebendige jagte, gab
Gierig blickte sie zu den Ständen des großen Marktes von Chengguan, dem größten Stadtteil von Lhasas. Hier war Nahrung. Endlich essen können - nachdem sie nun schon so lange mit ihrem immerwährenden Hunger aus ihrem Dorf geflohen war.
In ihrer Verzweiflung tat sie verbotene Dinge; allerdings nur mit Tieren, nie mit Menschen.
Das hatte sie ihrer Mutter versprochen!
Und den Eid gebrochen!
Aya schluchzte auf und würgte die aufsteigende Trauer hinunter.
Tot war tot – und sie musste sich auf das Leben konzentrieren.
Ihr Leben!

Seit ein paar Tagen zählte sie sieben Jahre. Und doch erschien es ihr wie ein anderes Leben. Alles war so schmerzhaft, so schwierig, so verwirrend und einsam. Gerade einmal ein Jahr ist es her, als sie glücklich gewesen war.
Mit ihrer Mutter. Bön! Und mit ihrem Vater. Elric, den sie – aus Versehen – tötete!
Vor einem Jahr schwebte sie noch im unwissendem Paradies und nun scharrte sie im Schatten der wissenden Hölle.
„Aya“, sprach damals ihre Mutter mit leiser, beruhigender Stimme, „für diesen schrecklichen Unfall kannst du nichts. Lass uns gemeinsam weinen und trauern , doch gibt dir nicht die Schuld.
Was du nicht weißt, kannst du nicht verantworten! Und ich habe es zu spät bemerkt. So soll der Tod deines Vaters dir die Lehre tief ins Gedächtnis einbrennen, sodass du ab nun das Wissen und die Verantwortung hast!“

Ihre Mutter schloss die Augen und ließ sich von ihrer Erinnerung treiben.
Weit fort durch Raum und Zeit – und sprach:
„Ich bin Bön, die Ehrenwerte!
Vor Äonen war ich eine der vielen Sucherinnen nach dem unsterblichen Lebens gewesen und eine der wenigen Finderinnen, die den Ewigen gefunden haben. Im „wahren Amber“ - auch „die Welt des Lichts“ genannt -, welcher der Sitz des Unsterblichen ist, und als „Wanderer“ durch das Sternenmeer treibt.
Nachdem ich als Lohn die relative Unsterblichkeit erhalten hatte, lebte ich unzählige Jahre in der „strahlenden Stadt“ und – langweilte mich. Und so erging es vielen Geschöpfen, die über die Jahrhunderte hinweg, den Weg zum Licht fanden.
Doch irgendwann wurden ich und andere Wesen zu den Ewigen gerufen.
ES gab uns eine Auftrag!
Aya, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich wir waren, endlich etwas Sinnvollen bewirken zu dürfen; wie dankbar wir waren, der endlosen Langeweile entfliehen zu können.
Zwölf Lebewesen – alles Humaniode – wurden durch ein Tor geschickt, welches ES einen Fiktivtransmitter nannte, und landeten hier auf dieser Erde.
Wir waren elf Blauhäutige – die sich Ferronen nannten – und die eine.
Ich – Bön!
Unser Auftrag lautete ein Wesen zu suchen, welches schon seit Jahrtausenden hier verweilte und doch schon längst fort sein musste. Ein Wesen, welches eine enorm wichtige Aufgabe hat, und diese doch nicht erfüllte! Wir sollten es suchen und daran erinnern, dass es seinen Preis bezahlen muss.
Die Botschaft lautet:“Geh nach Arkon!“
Doch wie sollten wir es finden? Wir wussten nicht wie es aussieht und wie es sich nennt. Unverdrossen machten wir uns auf dem Weg und erkannten nach unzähligen Jahren, dass hier auf der Erde eine große Katastrophe stattgefunden haben musste, sodass das Land nicht mehr existierte.
Und doch fühlten wir in unserem Inneren die Verbundenheit mit diesem Wesen, welches ebenso wie wir Unsterblichkeit besaß, und spürten so, dass dieses noch lebte.
Er konnte seine Aufgabe, nach Arkon zu gehen, nicht erfüllen – und musste warten, bis sich die kulturellen und technologischen Möglichkeiten soweit entwickelt haben, dass ein Reisen möglich wurde.
Es musste sich gedulden.
Und wir mussten warten.
Bis die Zeit reif wird für die mahnende Erinnerung, was es sicherlich immer noch selber wusste: „Geh nach Arkon“.
Aber wir konnten dem nicht sicher sein und es ist der uns gestellte Auftrag!“

Aya dachte bei sich, wie verwirrend die erwachsenden Menschen denken konnten. Sie bekam schon allein vom Zuhören Kopfschmerzen und war sich dabei sicher, längst nicht alles verstanden zu haben,was ihre Mutter mit einem Schwall der Erleichterung, sich endlich mitteilen zu dürfen, von sich gab.

„Wir haben uns dann auf dieses Fleckchen Erde festgesetzt“, fuhr ihre Mutter in ihrer Erzählung fort. „Natürlich haben wir uns unter die hiesigen Einwohnern gemischt und unser Wissen – soweit es halt ging – mit ihnen geteilt.
Wie du ja weißt...“, und Bön hat ihr dabei tief in die Augen geblickt, „... handeln viele Heilige Bücher und Legenden von den Göttlichen Wesen und Dämonen, die aufgrund ihrer Ehrenwertigkeit blauhäutig waren. Ich hingegen war und bin die Ehrenwerte Bön, was soviel wie „Wahrheit und Wirklichkeit“ bedeutet.
Das ist auch schon wieder eine kleine Ewigkeit her – zu einer Zeit, bevor der Dalai Lama kam und seine Auslegung des Buddhismus gründete.
Aber du musst wissen, Aya, es geht immer darum, alles Seiende zu verstehen und mit Vernunft zu erklären und das bisschen was noch als Lücke übrig bleibt, was der Mensch sich beim besten Willen nicht erklären kann, mit Glauben zu füllen.
So war am Anfang der menschlichen Kultur viel Aberglaube und wenig Wissen vorhanden. Und das führte oft zu schmerzhaftem Irrsinn und blutrünstiger Raserei. Doch mit der Zeit wandelte sich die Erkenntniswelt und nur die alten Sagen und Legenden erzählen von dem verzweifelten Bemühungen der Menschen, sich die Welt, das Sein und das Werden zu erklären.
Darum“, und Bön stieß mit ihren spitzen Zeigefinger direkt pochend auf die empfindliche Stelle von Ayas Stirn, „versuche stets erst durch Denken und Vernunft die Welt zu verstehen und den Rest magst du glauben oder nicht...“

Aya nickte.
Sie wusste bereits jetzt schon, auf welcher Seite sie sich befand; sie verstand nämlich nichts. Trotzdem nickte sie eifrig und guckte so klug, wie sie nur konnte, ihre Mutter an.

Bön seufzte und meinte versonnen: “Inzwischen sind sie alle tot. Die relative Unsterblichkeit schützt nicht vor Unfall und Mord. Ich bin die Letzte, die alte Bön. Und ich habe meine Mission noch nicht erfüllt. Das werde ich wohl auch nicht mehr schaffen, denn meine Kräfte versiegen und schwinden langsam dahin...
… Wie dem auch sei, Aya, nun kommen wir zu dir!“

Diesen Moment hatte Aya befürchtet. Sie hatte genau gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde. Wie könnte es anders sein, nach den Tod ihres Vaters? Zwischen fiebriger Angst und schmerzlicher Trauer schnürte sich ihre Kehle zusammen.

„Mein Blut hat dieses Land getränkt und viele Nachfahren leben hier. Doch du bist nun die Letzte von meinem unmittelbaren Blut, Aya Bön.
Dein Erbe ist erwacht und nun handele mit Bedacht.
Wenn der schwarze Hunger in dir nagt und du nicht widerstehen kannst, dann gehe in den Wälder und Felder und suche dir ein Tier!
Du musst den Menschen meiden und widerstehen können!
Hast du mich verstanden?“

Aya nickte. Oh ja, wie gut sie verstanden hatte. Wie könnte sie jemals die Lektion vergessen, die ihr vom Leben erteilt worden war? An jenem Abend, als sie ihren Vater mit einer völlig unbedachten Handlung – eine liebevolle Umarmung – das Leben nahm.
Die Monate vergingen und obwohl man sagt: „die Zeit heilt alle Wunden“, fühlte sie immer noch den Schmerz der Schuld in ihrer Seele bohren.

Dann kam der Abend des Schreckens.
Warum und weswegen blieb ihr ein immerwährendes Rätsel. Plötzlich betraten zwei Betrunkene ihren kleinen Laden, in dem Mutter Kräuter und Salben an ihre Mitmenschen aus dem Dorf und der Umgebung verkaufte.
Friedlich, unscheinbar und harmlos.
Die zwei Männer in der Uniform der chinesischen Volksmiliz – der verhassten Besatzer – stießen grölend Tonkrüge und Holzregale um und zischten: „ Palden Lhamo! Hexe! Srid Pai Rgyalmo! Dämonenbrut!“
Dann zogen sie torkelnd ihre Offizierssäbel und hieben auf Bön ein.
Aya hatte sich in ihrer Angst hinter ihrer Mutter versteckt und schrie ihr Entsetzen hinaus.
Voller Mordlust hieben die beiden Milizen unentwegt zu und längst floss das Blut, während Bön inmitten der Lache zusammenbrach.
Im Sterben wandte sich die Mutter noch an Aya.
Während die Blutfontänen aus allen Körperteilen zischten und sich über Aya ergossen, stieß Mutter Bön noch hervor: „Denk an die Botschaft an den unbekannten Unsterblichen. Du musst diese Mission erfüllen.“
Doch Aya verstand nichts und lachte.
Sie sah die Fratzen der mörderischen Berserker und die brechenden Augen ihrer sterbenden Mutter. In diesem Moment des Wahnsinns überkam ihr die Stille der Gewissheit: Ihr bisheriges Leben endet hier und jetzt und ist vorbei.

Bebend richtete sie sich auf.
Ihr Leinenhemd war vom Blutschwall ihrer sterbenden Mutter durchtränkt und sie hatte sich in ihrem Entsetzen entleert.
Sie wird ihren Eid brechen.
In einer vagen, fahrigen Bewegung streckte Aya ihre Arme aus; zu den Berserkern der chinesischen Volksmiliz - den Besatzern -, die seit hunderten von Jahren unter den Augen der Weltbevölkerung, nach wie vor ihr Volk strangulierten.
Sie sah in den Augen die widerliche Vorfreude der Männerbestien aufglimmen, während die Säbel auf den Boden schepperten und die Hosengürtel hektisch aufgeschnallt wurden.
Diese dummen, dummen Erwachsenen-Männer.
Der Sabber floss schon aus ihren verzehrten Grinsemäuler.

Ihr drittes Auge öffnete sich und strahlte in einem intensiven Gelb.
Eine kurze Berührung mit den Händen und der Kontakt war hergestellt.
So einfach.
Dann ging es schnell.
Kurz und schmerzlos.
Fast.
Mit einem beiläufigen Bedauern spürte sie das viel zu schnelle Sterben.
Zu schnell saugte sie die Vitalenergie – das pure Leben – aus deren Leibern.
Die Seelen zerstoben wie glühende Funken in ihrem Inneren und erfüllten sie mit enormer Energie, die sie wie ein Tsunami überflutete.
Ihre grünen Augen waren nun von gelben Flammen ausgefüllt.
Sie gab sich der verbotenen Ekstase hin.
Ihr schwarzer Hunger war – für heute - gestillt.
Die verwelkten Leichen lies sie achtlos liegen; wechselte auch nicht ihr stinkendes beschmutztes Kleid, sondern ging wie sie war, hinaus in die hinein brechende Nacht.
Aya verließ ihr Dorf ohne nochmal zurückzublicken.

So war es gewesen. Erst ein paar Tage her und doch fühlte sie sich mit ihren knappen Sieben bereits zu alt.
Genug der Erinnerung!
Hier auf dem Markt will sie Essen ergattern.
Und dann wird sie sich auf den Weg machen zu jenem Ort, den der Marktklatsch „Terrania“ nannte – einem Ort, wo man zu den Sternen fliegen konnte; einem Ort, wo gewiss auch der namenlose Unsterbliche zu finden sein wird.
Dort wird sie ihn aufsuchen und die Mission ihrer Mutter erfüllen.
Sie wird ihm gegenübertreten und sagen: „Du muss den Preis bezahlen, nach Arkon reisen und deine Pflicht erfüllen!“

Wie wirr die Erwachsenen sind. Jemanden zu erinnern, was dieser gewiss selber die ganze Zeit über wusste. Nun ja, je älter, desto dümmer – es muss eine Art Erwachsenenkrankheit sein.
Aber dennoch, dann findet Mama Bön ihren Seelenfrieden.
Und das war das Mindeste was sie für ihre Mutter tun konnte.

Aya richtete sich hinter der Steinmauer auf und schlich näher zu den Marktständen. Doch bevor sie die ersten Buden erreichte, stürzte sich eine Kinderbande auf sie. Natürlich alles Jungen und größer als sie – sie riefen „stinkende Ratte, stinkende Ratte“ und warfen mit Eseldung nach ihr.
Mit einem enttäuschten Fauchen lief Aya davon.

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Bei dieser Skizze ging es mir aus reiner Lust an die Fortschreibung der Aya-Geschichte.
Hinzu kam jedoch auch die Fragestellung: Wie ist es eigentlich für die millionen Menschen des hinduistischen Glaubens,
wenn jetzt auf einmal blauhäutige Wesen - Ferronen - im Sol-System auftauchen, die schon seit mehreren 1000 Jahren
als Götter verehrt werden? Fühlen sie sich mit ihrer Religion auch besonders bestätigt, verschiebt sich das inner-religiöse Verhältnis der Menschheit,
Kollektivbewußtsein, oder gar eine andere Form von Fanatismus?
Nach wie vor ist die religiöse Komponente einer äußerst machtvolle Triebfeder - was für aufgeklärte Atheisten kaum nachvollziehbar ist.
Aber das nur nebenbei - PR NEO soll ja keine Matrix für Max Weber werden.

Mein Dank für die Korrektur an OLD MAN - alle Fehler gehören mir.


Zu #25: Zielpunkt Arkon“ von Leo Lukas
06. Skizze vom 09.09.2012 - 2. AYA-Episode
Abschied von Tibet


Tempel der Bön / Lhasas / Provinz Tibet / VR China / Planet Terra
Ortszeit: Januar 2037

„Weg. Geh weg, du stinkende Ratte!“, schimpfte der junge Mönch und hielt dabei drohend seinen Reisigbesen, als würde er gleich in seiner Abscheu das Bündel ekeligen Etwas zu Brei schlagen.

Zusammengekauert, wie eine in die Enge getriebene Katze, hockte Aya über ihrer „Beute“ - ein Häufchen verfaultes Obst. Sie spürte in sich den schwarzen Hunger und wollte nicht mehr weichen. Fauchend richtete sich die Siebenjährige in ihrem mit Exkrementen beschmutzten und mit rostroten Flecken durchtränktes Kleid auf.

Entsetzt sah Trisong, wie sich aus der Stirn dieses widerwärtig stinkendem Mädchens ein drittes Auge öffnete. Ein strahlendes goldgelbes Licht leuchtete daraus.
Es kam mit gierigen Blick auf ihn zu.
Aus dem Augenwinkel erblickte der junge Mönch einen Schatten. Er fühlte sich zu Boden gerissen und hörte erstaunt seinen Tönpa Shen Miwoche ehrfürchtig rufen: „Willkommen, Ehrenwerte Bön!“

Aya stockte und betrachtete verwirrt den alten Mann, der wohl der Abt dieses zerstörten Tempels war, wo sie sich eingeschlichen hatte. Dummköpfe! Selbst ein Kind wie sie erkannte sofort, dass sie keine „Ehrenwerte Bön“ sein konnte.

„Ihr sprecht von meiner Mutter?“, fragte sie zögernd.

Der junge Adept richtete sich auf und wollte sich ihr nähern.
Doch der Alte zupfte ihn am Ärmel und raunte:“Narr, willst du sterben?“
Und fuhr laut fort: „Wir Bönpa erkennen eine wahre Bön. Hast du Hunger?“

Aya nickte stumm.

Shen Miwoche zeigte auf eine naheliegende kleine Scheune, wo das Blöcken von Schafen herausdrang. „Dort, junge Ehrenwerte, findest du, was du brauchst.“

Aya schlich mehr als sie ging zum Stall; sie öffnete die Tür und trat hinein.
Erst anschwellendes Geblöcke - dann abrupte Stille!
Nach endlos gedehnten Minuten trat Aya aus dem Stege.
Sie sah satt und zufrieden aus.

„Was können wir für dich tun?“, erkundigte sich der Meister erleichtert.

Aya strahlte ihn aus ihren zwei Augen freundlich an und erwiderte mit ihrem natürlichen Charme einer Siebenjährigen: „Ich möchte mich waschen und ein neues Kleid bekommen!“
#

Später, sehr viel später, saß Aya dem alten Abt in seiner Klause gegenüber.
Shen Miwoche betrachtete sie immer wieder und schüttelte verwundert seinen Kopf über diese unwirkliche Begegnung mit einer wahren Ehrenwerten. Jedoch vergaß er nicht seine Pflichten und erzählte der jungen Bön was er wusste.

„Wir leben zwar auf dem Dach der Welt, jedoch nicht hinter dem Mond“, begann der Tönpa lächelnd. „Wir verfügen über Satelliten-TV. Es scheint auf dem ersten Blick so, als würden die Ehrenwerten blauhäutigen Götter wieder auf unsere Erde kommen. Sie nennen sich selbst „Ferronen“ und erzählen uns, dass sie aus einem weit entfernten Sonnensystem kommen, welches die Menschen Wega genennen.
Die Besucher sind gekommen, um der „Terranischen Union“ bei ihrem Aufbau zu unterstützen. Aus Dankbarkeit dafür, dass Perry Rhodan und seine Gefährten ihnen geholfen haben, einen entsetzlichen Krieg zu beenden.“

Der Abt hielt inne und sah zu ihr hinüber. Brav nickte Aya mit ausdrucksloser Miene, als würde sie auch nur irgendetwas verstehen, was der Alte ihr sagte. Offenbar reichte es, denn der Tönpa fuhr in seiner Erklärung fort.
„Diese Blauhäutigen sind genauso einfache Lebewesen wie wir, junge Bön, und gehören nicht zu den legendären Unsterblichen, die einst deine Mutter begleitet haben. Sie haben kleine Sternenschiffe aus ihrer fernen Heimat mitgebracht und...“, Shen Miwoche hielt kurz inne und seine Miene verdüsterte sich, „helfen den Terranern bei einer schwierigen Aufgabe, die sie „Terraformierung“ nennen: die Urbarmachung des Mars, einen Himmelskörper, du weißt...?“

Wieder nickte Aya tapfer und verspürte, wie dieses nichtssagende Geplapper langsam ihren Kopf zu kleisterte. Aber soviel verstand sie schon: In ihre Liste der zu erledigenden Dinge kamen nun die Ferronen! Nicht nur, weil diese zum Volk der Blauhäutigen gehören, die hier und in anderen Ländern als legendäre Götter aus den Urzeiten angebetet wurden. Nein, das war ihr egal. Die närrischen Erwachsenen können ihre scheinbar überschüssige Lebenszeit damit verbringen, in alten Büchern und Pergamenten zu graben und zu studieren, bis diese und sie selbst zu Staub zerfallen sind. Wie sinnlos!
Nein, Sie muss Kontakt herstellen, weil die Ferronen vielleicht den Weg zum „wahren Amber“ wussten, dort, wo ihre Mutter herkam und dem Ewigen begegnete.

„Für uns Tibetaner es ist von großer Wichtigkeit“, riss Shen Miwoche die junge Bön aus ihren Gedanken, “dass der ehemalige General der Volksrepublik China, Bai Jun sich aktiv auf Perry Rhodan Seite geschlagen hat und nun als Generalfeldmarschall als oberster Befehlshaber der in Aufbau befindlichen Terranischen Truppen fungiert. Bai Jun war einer der 4000 Delegierten, die Homer G. Adams zum ersten Administrator der Terranischen Union wählte. Und das“, der Tönpa hob dozierend den Zeigefinger, „ gibt uns Hoffnung!

Hoffnung? Von welcher Hoffnung mag der Alte bloß reden?, sinnierte Aya. Ihre Mutter war noch nicht einmal vor zwei Wochen von besoffenen Milizen niedergemetzelt worden. Die verfluchten Besatzer hatten aus reiner Mordlust gemeuchelt. Doch sie wird nicht vergessen, nicht verzeihen und keine Gnade schenken!

„Ja Hoffnung“, bekräftigte der alte Abt. „Wenn es stimmt, dass nach und nach alle Nationen mit der Terranischen Union eine immer enger werdende Kooperation eingehen und dann – zu einem späteren Zeitpunkt – miteinander zu einer Weltunion verschmolzen werden, dann - jedenfalls ist das der Plan von Homer G. Adams - werden wir auch ein Volk unter Gleichen sein.“

Dann! Dann! Dann!
Ihr sagte dieses ganze Geplapper nichts. Was hat das mit ihr zu schaffen?
„So? Bekommen wir jetzt besseres Essen und schönere Kleider? Werden jetzt unsere zerstörten Häuser und Tempel wieder aufgebaut? Dürfen wir unsere eigenen Schulen besuchen und unsere Bräuche pflegen? Werden wir nicht mehr willkürlich schikaniert und straflos getötet?
Oder fliegen nur ein paar Wenige mit ihren Sternenschiffen und erzählen uns von den schönen Dingen, die sie erleben und genießen können, während wir hier auf Erden in Elend und Dreck hausen?“
Ihre Stimme klang wehklagend und dafür schämte sie sich. Sie wollte nicht jammern, wie ein kleines Kind, welches sie doch noch war.

„Wir brauchen Geduld, junge Ehrenwerte“, seufzte der Tönpa. Der Meister wusste um ihre Ungeduld, die sie mit vielen Menschen aus Tibet teilte.

„Also gut!“
Aya war entschlossen, auch diese Hürde zu nehmen.
„Ich werde in Terrania diesen Chinesen Bai Jun aufsuchen und ihn fragen, was mit unserem Land und mit unserem Volk geschehen soll“, erklärte sie mit zögernder Entschlossenheit, um im Gedanken trotzig hinzuzufügen, dass sie diesen Generalfeldmarschall eben töten wird, falls ihr seine Antwort nicht gefallen sollte.

„So steht dein Entschluss fest?“

„Ja! Hier hält mich nichts mehr“, klagte sie.

Shen Miwoche nickte traurig. „Aber erweise uns die Ehre und nimm vorher an unserem Losar – dem traditionellen Neujahrsfest - zu deiner Huldigung teil.“
Am liebsten würde sie rundherum ablehnen. Solche Aufmerksamkeit war ihr fremd und wäre von ihrer Mutter sicherlich nicht erwünscht gewesen. Aber konnte sie einfach wie ein verwöhntes Balg nein sagen? Nein, konnte sie nicht. Und so nickte sie stumm.
#

Seit Stunden lag die Musik in der Luft. In der Dämmerung kamen mehr und mehr Menschen zum Tempel. Feierlich wie eine Prozession.
In der großen Halle, durch deren zerstörtes Dach die Weite des Sternenhimmels zu bewundern war, standen singend oder knieten betend hunderte und aber hunderte Bönpa – voller Hingabe auf sie wartend!

Aya blickte nervös zu den Tönpa; er müsse wohl wissen, ob das, was geschah, auch wirklich seine Richtigkeit besaß - oder doch nur nackter Wahnsinn war. Sie fühlte sich unwohl. Dass sie nun auch noch im Mittelpunkt dieses wirren Tamtams stehen sollte, passte ihr schon gar nicht. Lieber würde sie in der Menge sitzen und selber mit voller Hingabe singen und tanzen; und huldigen … wem?

„Ehrenwerte junge Bön. Viele Bönpa sind heute Abend gekommen. Viele erhoffen sich die Gnade, Zeuge des Ritus des uralten Bön zu werden, den nur du vollziehen kannst.“

Aya beobachtete aus einer inneren Distanz heraus, wie sich ihre Füße bewegten und langsam zum Zentrum der großen Halle des Tempels schritt.
Zur Anhöhe.
Dort stand sie entrückt wartend, während die Gesänge der Lobpreisung an Intensität zunahmen.
Es war Wahnsinn - und sie wusste es. Sie wusste, dass ihre Mutter dieses niemals gebilligt hätte; ja sogar jene gewesen war, die diesen Ritus vor Jahrhunderten gestoppt und verboten hatte.
Und war sie letztlich nicht auch deswegen gestorben? Hätte sie nicht ihre Kraft gebrauchen können, um die beiden Mordgesellen vorher zu töten, bevor diese sie meucheln konnten? Andererseits war ihr schmerzhaft bewusst, dass ihre Mutter bereits vor dem Weg ins Nichts gestanden hatte. Ein oder zwei Jahre noch … Ihre Zeit war abgelaufen – auch die Unsterblichkeit versickerte in der Ewigkeit. Irgendwann. Erst recht, wenn man nichts dagegen unternahm.
Aya schluckte ihre Trauer hinunter und schwor bei ihrem eigenen Namen, das sie alles notwendige tun würde, um zu leben und zwar lange!

Nun, mit zögernde Entschlossenheit erfüllt, nickte sie ihrer Gemeinde zu, die gekommen war, um gemeinsam mit ihr den alten schwarzen Brauch zu feiern.
Unter dem anschwellenden Gesang wurde ein zotteliger Yak hereingeführt.
Das Tier scheute und trabte unruhig auf sie zu.
Aya breitete ihre Arme aus und ließ innerlich los; ließ los vom strengen Verbot ihrer Mutter und hieß die Dunkelheit willkommen.
Ihr drittes Auge öffnete sich und strahlte voller Glanz. Sie berührte leicht, fast zärtlich, den Yak, der wie vom Blitz getroffen zusammenbrach.
Tief in sich verspürte Aya Scham, dass sie sich nun hier so offen vor so vielen Männern und Frauen und Kindern ihr geheimes Auge – und damit in gewisser Weise auch sich selbst - entblößte und ihre Dunkelheit offenbarte.

In einem kurzen Moment der Trance erklang die Stimme der alten Bön: „Aya, ehre jedes Lebewesen! Sie sind die schwachen Brüder und Schwestern der Menschentiere. Auch sie verspüren Schmerz und Leid und finden in der Existenz ihre Bestimmung. Darum – wenn der schwarze Hunger in dir nagt und du nicht widerstehen kannst – töte rasch.“
Natürlich war sie eine gehorsame Tochter gewesen. Und jedes Mal hatte sie tiefe Schuldgefühle empfunden, wenn sie Nachts in die Steppe hinaus schlich, um kleine Tiere zu jagen, die meist zutraulich von selbst zu ihr kamen.
Aya war sich sicher, dass ihre Mutter viele Geheimnisse in sich bewahrt hatte; und nichts vom dem verraten wollte – zum einem Teil, weil sie als kleine Aya noch zu jung für solche Düsternis war, und zum anderem Teil es wohl auch nie erlernen sollte.
Dennoch, eins war ihr sogar als Sechsjährige klar gewesen: Wie dumm die Anderen waren! Für das notwendige Essen zu töten, um sich dann vom toten Aas zu nähren! Aber das Wichtigste, die lebensspendende Vitalenergie, nutzlos im Äther verpuffen zu lassen! Das erschien ihr als das wahre Unrecht gegenüber dem lebendigen Sein zu sein.
Nicht, dass das tote Fleisch schlecht wäre. Nein, Essen war es allemal. Dennoch, es war wie getrunkene Buttermilch gegenüber verschüttetem Honig; eine Vergeudung purer Energie aus der Natur.
Aya sog langsam die Lebensenergie aus dem Yak heraus; spürte sein Sterben und wie die animalische Energie in ihr brodelte. Ihr drittes Auge pulsierte und sie wusste in ihrer sich ausbreitenden hitzigen Ekstase, dass auch ihre beiden normalen Augen nun goldgelb strahlten.
Die Menge stöhnte in ihrer Ergriffenheit und bebte voller Entzückung; begann nun, zuerst vereinzelt und dann immer mehr, mit rhythmischem Klatschen und stampfenden Füssen zu jubilieren.
Srid Pai Rgyalmo!
Srid Pai Rgyalmo!
Srid Pai Rgyalmo!
Wieder und wieder, wie im Fieber.

Aya legte ihren Oberkörper auf den Yak und schmiegte sich an das Opfer.
Ihr Blut rauschte und sie gab sich ganz der erfüllenden Ekstase hin; sog gierig die um sie herumschwirrende Lebensenergie der Horde in sich auf, bis jede Zelle ihres Leibes gesättigt war. So satt, so erfüllt war sie noch nie gewesen ...
… und da spürte sie es.
Den Impuls der Unsterblichkeit.
Es war wie ein leises, feines silbernes Schwirren – eine Schwingung von unsagbarer Zartheit, ein Glockenschlag geronnener Zeit, die sie tief in sich verspürte.
Das war es!
Das Phänomen, wovon ihre Mutter erzählte hatte; von der Gewissheit, dass das unsterbliche Wesen lebte.
Es lebte!
Es lebte jetzt und auf dieser Erde!
Wach!

Ganz elektrisiert riss diese fundamentale Erkenntnis sie aus ihrem Rausch.
Sie musste gehen und ihre Suche beginnen.
Nach Terranien; dort, wo die Sternenschiffe warten, dort, wo ein Aufbruch möglich wurde.
Nach Arkon … und anderswo.
Aber sie riss sich zusammen, bezwang ihre kindliche Ungeduld.
Das große Feuer loderte und der tote Yak wurde aufgespießt. Eine aufgewühlte fröhlich lachende Menge feierte das Neujahrsfest mit ihr – ihrer Göttin!
Dem konnte sie sich nicht entziehen.
Und sie schritt von der Empore hinunter und gesellte sich zu ihnen; trank Buttermilch und aß Yak – gemeinsam mit ihren Bönpa.
#
Am nächsten Tag standen sie zu dritt auf dem Bahnhof von Lhasa.
Shen Miwoche verneigte sich würdevoll und überreichte seiner Srid Pai Rgyalmo zum Abschied eine aus Holz geschnitzte Schatulle.
Aya öffnete sie und sah einen schlichten Phurbu. Nicht so ein schmuckvoller Dolch, wie diese auf dem Markt feil geboten oder im Tempel für rituelle Zwecke benutzt wurden. Nein, dieser war von der schlichten Sorte und man sah seine Benutzung an.
„Dieser Phurbu“, erklärte der Abt von der Lhasa´schen Bön-Gemeinde feierlich, gehörte einst deiner Mutter, junge Bön. Sie hinterließ diesen Dolch unserem Tempel, nachdem sie vom Brauch der Opferung abgerückt ist. Rechtsmäßig gehört er dir!“
Ihr Begleiter, der Mönch Trisong, stand schweigend daneben. Ihm war die besondere Ehre zuteil geworden, die junge Ehrenwerte nach Terrania zu begleiten. Ganz pragmatisch - ohne spirituelle Erhabenheit. Allein aus dem banalen Grund, dass nun mal ein Erwachsener eine siebenjährige Göre von einem Ort zum anderem bringen musste, ohne auf endlose Schwierigkeiten mit den chinesischen Besatzer-Bürokraten zu stoßen.
Der Zug fuhr in den Bahnhof ein.
Aya wusste, sie würde nie mehr wieder nach Tibet zurückkehren!
Sie würde nach Terrania ihre Gaben bringen:
Leben und Tod!

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

So schön ich die Handlungsebene auf Terra auch fand, insbesondere endlich mal wieder Bai Jun zu erleben,
so "wirklichkeitsfern" fand ich letztlich doch die Geschehnisse um Cui und Chang.
Auch hier schien sich die Tendenz durchzuziehen alles "kompatibel" für 7 - 14 jährige Kids / Jugendliche zu machen,
also lesbar als wäre alles ein lustiges SF-Abenteuer auf nen Pony-Hof.
Da bekommt beim Lesen sicherlich niemand ein Trauma -
Harry Potter war in jedem Band zig-dramatischer als je ein NEO-Heft gewesen ist.
Auch hier entspringt die 3. AYA-Episode aus meinem tiefen Bedürfnis nach einer Alternative.

Danke an OLD MAN für seine Korrektur - alle Fehler gehören mir.


Zu # 26: "Planet der Echsen" von Bernd Perplies

07. Skizze vom 17.09.2012
„Der Terroranschlag“ - 3. AYA-Episode


Nahe Terrania / Wüste Gobi / VR China / Planet Terra
Ortszeit: Februar 2037

Ein knisterndes Rauschen zwängte sich aus dem Funkgerät.
Andächtig lauschte Chen dem Äther, während seine Augen über die Mao-Zedong-Brücke schweiften. Er sah den Zug aus der Ferne kommen.
„Alles zur Sprengung bereit?“, vergewisserte sich der Kommandant zum letzten Mal. Doch hegte er nicht den geringsten Zweifel, dass sein Team perfekt gearbeitet hatte. Sie waren Profis! Als Leiter einer Sondertruppe des chinesischen Militärgeheimdienstes unterstanden ihm hier und jetzt zwanzig Mann; alles Professionelle mit langjährigen Erfahrungen.
Dieses war kein theoretischer Lehrgang, sondern blutige Praxis.
Für das Vaterland!
In ihm kochte erneut die Wut hoch, als er an die Versagerin Chang dachte.
Anfängerin!
Stümperin!
Bevor die Versagerin in Beijing ankam, war sie bereits durch einen tragischen Unfall verstorben. Sicher ist sicher! Ein verschärftes Verhör hätte Chang niemals durchgestanden. Und ein Verrat über die geheimen Kontakte - Befehlsstrukturen - zu den höchsten Stellen im neuen Politbüro musste um jeden Preis verhindert werden. Und das galt natürlich auch für sein Team.
Versagen war keine Option!
Sieg oder Tod!

„Sprengung bereit, Genosse Kommissar.“

Chen hatte auch nichts anderes erwartet. Zufrieden seufzte er auf und dachte bei sich: Ihre Aktion war von strategischer Wichtigkeit. Hier, über die Mao-Zedong-Brücke führt sowohl die Schnellstraße S 315 als auch der regionale Zugverkehr Tibet – Gobi. Ist die Brücke erst einmal gesprengt, bricht links und rechts auf 250 km Strecke die Infrastruktur zusammen! Ein Durchkommen zu der wachsenden Hauptstadt Terrania – das Zentrum der Terranischen Union – wäre von dieser Flanke her dann nicht mehr möglich! Zumindest für eine ganze Weile.
Die chinesische Regierung wird Krokodilstränen vergießen und massive Aufbauarbeit versprechen; die mit tatkräftiger Unterstützung des terranischen Bürgermeisters - dem verhassten Bai Jun - auch leider viel zu schnell erfolgen wird. Dennoch: Sand im Getriebe – wo auch immer möglich. Das ist die Devise der Renegaten!
Ein Blick auf die Uhr.
„X – minus 3 Minuten. Auf mein Kommando!“

#

Seit zehn Tagen saßen sie in diesem ratternden Zug. Eingepfercht zwischen den viel zu vielen Leibern, die alle nach geronnenen Schweiß stanken wie sie selbst. Natürlich war der Zug hoffnungslos überfüllt. Von Anfang an. Seit Lhasa.
Einmal in der Woche fuhr der Linienexpress Tibet-Mongolei mit seinen sieben überlangen Wagons. Der Express unterschied sich vom üblichen Zugverkehr dadurch, dass er nur in jeder Stadt hielt – und nicht in jedem Kleinkleckersdorf. Also jede dritte Station! Soviel zu: Stadt!
Und jeder einzelne Wagon war extrem überbelegt. Verboten – doch gängige Praxis! Wer hatte schon Zeit, eine weitere Woche zu warten, bis der nächste Zug fahren würde?
Und die Bahngesellschaft verdiente daran immens.
Für jeden Wagon waren 60 Sitzplätze vorgesehen. Tatsächlich drängten sich jedoch 120 Personen auf den Sitzen und in den Gängen. In Wechselschicht! Die Toiletten funktionierten nicht. Hygiene war etwas exotisch luxuriöses Unbekanntes.
Wer musste, musste seinen Hintern aus dem fahrenden Zug halten. So einfach.
Und wer sich nicht festhielt, flog raus!
Da hatten sich schon manche Gesellen einen derben Scherz mit unliebsamen Fahrgästen erlaubt.
So was passiert eben!
Am schlimmsten waren die Hühner und Gänse in den Käfigen; die lebendige Nahrung für unterwegs. Woks wurden abends rasch inmitten der Gänge aufgestellt, um auf die Schnelle das wenige Gemüse zu garen und ein frisch geschlachtetes Irgendetwas zu braten. Das Risiko, den Holzboden des Wagons gleich mit anzukokeln, wurde mit einer wegwerfenden Geste und einem fröhlich-frechen Lachen zur Seite gewischt.

Aya kuschelte sich in die Arme des jungen Mönches Trisong, der steif wie ein Brett dasaß und dennoch innerlich voller Seligkeit jubelte, dass Srid Pai Rygyalmo ihm so nahe war. Endlich war der Zug an der letzten größeren Stadt Ejin vorbeigefahren und hielt jetzt mit vollem Dampf direkt auf die Grenze des Großraums Terrania zu.
Nur noch knapp 100 km, dann …

… Explosionen barsten durch das quirlige Leben.
Der Zug, gerade inmitten auf einer Eisenbahnüberführung, die eine rund 10 Meter tiefe Schlucht überbrückte, erbebte. Langsam wie in Zeitlupe, dann - durch sein Eigengewicht gezogen - immer schneller, brach der Zug weg und stürzte haltlos in die Tiefe. Dabei riss er nach und nach die angehängten Wagons mit sich in den Abgrund.

Reflexartig reagierte Aya. „NYN“, dachte sie intensiv, und spürte wie ein Blitzschlag durch ihren Körper raste.
„Aya, hör mir zu“, hallten die mahnenden Worte ihrer Mutter in ihrer Erinnerung wider. „Wenn du dich bedroht fühlst oder in Gefahr gerätst verletzt zu werden, dann denke intensiv an das Mantra NYN – und es wird sich binnen Sekunden in deiner Haut eine Schutzzone aufbauen, die weich und geschmeidig wie Samt sowie undurchdringlich und hart wie Stahl sein wird. Die menschliche Haut besteht aus mehreren Schichten, doch unsere Haut hat noch drei weitere. Wir sind etwas dickhäutig...“ , und sie hörte noch ihre Mutter lachend glucksen wie über einen Witz, den sie nicht verstand. „Durch den mentalen Befehl strukturieren unsere Mitochondrien das Zellengewebe zu ihrer besonderen flexiblen Härte um. Aber, Aya, denk daran: dieser molekulare Vorgang kostet dich enorm viel Vitalenergie. Hältst du diesen Vorgang zu lange aufrecht, zerrt dich der Energieverbrauch zu sehr aus und dann gefährdet diese vermeintliche Sicherheit genau das,was du schützen willst: dein Leben!“

Im bodenlosen Fall hörte sie das Kreischen der Menschen. Männer, Frauen und Kinder flogen wie Puppen über die Gänge und aus den aufreißenden Wänden in den Abgrund. Selbst die in sich selbst verbogenen Wagons schrien kreischend in ihren berstenden Stahlkonstruktionen und brechenden Holzvertäfelungen – bis der Aufprall alles beendete.
Erdrückende Stille dröhnte schmerzvoll in den Ohren der Überlebenden.
Aya richtete sich stöhnend auf, dachte intensiv „NON“ – womit die zelluläre Schutzzone sich deaktivierte – und sah um sich.
Trisong lag mit völlig verdrehtem Kopf unter ihr. Tot!
Aya sah an sich hinunter und bemerkte, dass ihr schlichtes Kleid seitlich komplett aufgeschlitzt war; von einer armlangen Glasscherbe, die sie beim Zersplittern der Fensterscheibe wie ein Schrapnell sie gestreift hatte. Doch hatte sie noch nicht einmal eine Schramme davongetragen. Aber sie fühlte sich schwach und ausgelaugt.
Überall leises Wimmern und lautes Jammern, schmerzvolles Weinen und hysterisches Schreien, dumpfe Trauer und schweigendes Entsetzen.
Wo Aya auch hinguckte, erblickte sie zerfetzte Leiber und abgerissene Gliedmaßen. Blutlachen bildeten blühende Seen und der Gestank von Urin und Kot vervollständigte das Inferno.
Die junge Bön kroch mehr als sie ging durch das zertrümmerte Abteil; von einem Menschen zum anderen. Dort verweilte sie kurz und fühlte den Schmerz und den Grad der Verwundungen. Aya entschloss sich und gab den Schwerverwundeten und Sterbenden ihre Gabe der Gnade – und saugte ihnen das flackernde Lebenslicht aus. Schnell und schmerzlos. Und fühlte dafür die in sich ausbreitende Wärme der herein strömenden Energie. Die Seelen loderten wie Sonnenglut!
Harmonisch strahlte goldgelbes Licht aus ihren drei Augen.

#

„Ausschwärmen“, kommandierte Chen barsch. Nur mühsam konnte er den triumphalen Klang in seiner Stimme unterdrücken und den professionellen, kalt-sachlichen Ton beibehalten. „Phase Zwei. Alle Überlebenden liquidieren!“

#

Ganz in ihrem Tun vertieft, wurde Aya durch Rufe und Schüsse aufgeschreckt.
Sie huschte zum Fenster und blickte hinaus. Und was sie sah, entfachte ihren Zorn.
Ein dutzend Männer in schwarzem Militärdress schritten an den umgestürzten Wagons entlang und schossen mit ihrer alten MP AKS-74U auf alle Menschen, die herausgeschleudert und noch am Leben waren. Andere Schlächter gingen durch die Wagons, um dort zu morden.
Wieder die chinesischen Besatzungstruppen!
Die bestialische Volksmiliz!
Von ganz tief unten - auf dem Grund ihres Herzens – brodelte der nackte, unverfälschte, gnadenlose Hass hoch und schrie Rache dürstend: Töten! Töten! Töten!
Gebückt zog sich die junge Bön sich zurück und legte sich wie tot neben Trisong.
Schüsse und Gejohle kamen näher und näher - und dann hörte sie Schritte, die den zerschmetterten Wagon betraten.
Aya tastete mit ihren Sinnen nach den Bluthunden. Mit einem grausamen Lächeln sog sie langsam, ganz langsam die Vitalenergie aus den drei Milizen. Nicht wissend wie ihnen geschah, stürzten diese keuchend und japsend zu Boden. Auf allen Vieren kauerten sie schwer atmend in den Blutlachen ihrer Opfer. Einen kurzen Augenblick später brachen sie röchelnd - ihrer Seele entrissen – sterbend zuckend zusammen.
Ayas drei goldgelbe Augen leuchteten intensiv und klar.
Sie fühlte die tsunamische Energie des Lebenselexiers.
Sie war eins mit ihrem wahren Sein.
Sie war jene, die sie war.
Srid Pai Rygyalmo!
Aus dem nächstliegenden Wagon hörte sie erneute MP-Salven und widerliches Gelächter. Aya richtete sich in ihrer vollen Größe einer Siebenjährigen auf und schritt im Bewusstsein ihrer Selbst mit kraftvoller Entschlossenheit zum nächsten Ort des Grauens.
NYN“, dachte die junge Bön und fühlte sogleich das Brennen ihrer sich blitzartig molekular veränderten Haut. Genügend Vitalenergie pulsierte in ihr - vollgesogen mit Seelenkraft.
Mit einem leichten, anmutigen Sprung setzte Aya zum anderen Wagon über. Dort sah sie ebenfalls drei, nein vier Volksmilizen. Unbekümmert durchforsteten diese die Sitzreihen, dabei hier und da eine Salve abfeuernd - bis sie Bön sahen.
Angesichts der drei Augen huschte das nackte Entsetzen über ihre Gesichter und sie schrien panisch auf, als Aya wie eine Furie über sie kam. Reflexartig rissen die Soldaten ihre MP hoch und feuerten, während Aya zeitgleich ihre Arme wie zu einer Umarmung ausstreckend auf diese zulief, hinweg über die zerfetzten Leiber der im Gang herumliegenden Leichen. Sie spürte den Aufprall der Kugeln, den kinetischen Schmerz, doch im Nu berührte sie ein, zwei, drei und dann den vierten Milizen, die allesamt tot zusammenbrachen.
In Wonne gab sich Aya der Ekstase hin.

#

Leise drang das Rotorengeräusch durch ihren Rausch. Hubschrauber näherten sich.
Erneut ratterten Schüsse. Doch die kamen aus den Läufen von Maschinengewehren Typ T2/80. Die Bordgeschütze der Hubschrauber waren auf die Mörder in Uniform gerichtet.
Aya sah das Gefecht; sah, wie einer nach dem anderen fiel. Dann landeten die Hubschrauber und Soldaten der chinesische Volksmiliz sprangen hinaus.
Die junge Bön verstand die Welt nicht mehr.
Erst die Sprengung der Brücke, dann das Massaker und jetzt kämpften die chinesischen Besatzer sogar untereinander. Und während sie so darüber nachdachte, dass ja eigentlich schon seit vielen Stationen immer weniger Tibeter im Zug saßen, sondern mehr und mehr chinesische Tagelöhner mit Frauen und Kindern - dann verstand die Siebenjährige dies noch weniger. Eine verrückte Welt!
Neben der chinesischen Volksmiliz kamen noch andere Männer in komischen Schutzanzügen und trugen merkwürdige Waffen. Wenn sie schossen, zischte ein blitzschneller Strahl und setzte die Terroristen außer Gefecht.
NON“, dachte Aya und ihre zellulare Schutzzone erlosch.
Sie griff nach ihrem Phurbu. Dieser diente ihr aktuell als Energieabsorber. Ihr drittes Auge schloss sich – und so konnte sie hinter ihrem siebenjährigem Kind-Sein ihr Anders-Sein vor den Menschen verbergen.
Die junge Bön kletterte aus dem Wagon und ging zögernd in ihrem zerfetzten Kleid auf die Neuankömmlinge zu. Inzwischen schwärmten Ärzte und Sanitäter aus und eilten zu den zertrümmerten Wagons.
Etwas abseits stand ein ernster junger Mann, der sich umblickte, bis er sie sah.
Mit einem warmherziges Lächeln kam er auf Aya zu und meinte freundlich: „Du bist eine Überlebende dieses Terroranschlages. Wir hoffen noch mehr Lebende zu finden, auch wenn die Chance nur gering ist. Leben deine Eltern noch?“
Aya schüttelte den Kopf und meinte: „Nein. Mein Begleiter ist leider tot“, und war ganz überrascht, in ihrer Stimme so etwas wie Traurigkeit zu hören. „Ich war auf dem Weg nach Terrania...“
„Alle Menschen, die diese Strecke fahren, wollen nach Terrania, der Hauptstadt von der Terranischen Union. Deswegen auch dieser Terroranschlag! Um mit Angst und Schrecken diesen Zustrom an Menschen zu unterbrechen. Als das Zugsignal erlosch, ist die terranische Flugpatrouille gleich gestartet.“
Er streckte seine Hand aus: „Mein Name ist Lhundup, ich bin der Assistent von Bai Jun, dem Bürgermeister von Terrania.“

Aya Miene verdüsterte sich und sie trat ein Schritt zurück, während ihre innere Stimme frohlockte. Einem Ziel bin ich näher!
Mit einem unmerklichen Ruck trat sie dann wieder vor und gab zögernd dem freundlich aussehenden Mann die Hand.
Luhundup gab nicht zu erkennen, ob er dieses kurze innere Widerstreben bemerkt hatte, sondern meinte unbekümmert: „Nun, da du keine Familie hast, aber nach Terrania willst, kannst du mit mir kommen. Wir werden dich in einem schönen Kinderhaus unterbringen. Dann kannst du in der Schule die neue terranische Sprache erlernen und alles andere auch.“

Erst jetzt bemerkte Aya, dass der Mann die ganze Zeit über tibetisch gesprochen hatte, womöglich gar ein Landmann sein könnte. Scheinbar unbeeindruckt erwiderte sie mürrisch: „Ich brauche keine Schule!“
Lhundup lachte hell auf: „Alle Menschen wollen lernen, um sinnvoll ihr Leben zu gestalten!“
Patzig grummelte Aya:“Alle Menschen müssen sterben!“

Dem Assistenten von Bai Jun gefror angesichts der unerwarteten Kälte des jungen Mädchens sein Lächeln ein. Dann gewann jedoch sein heiteres Wesen erneut die Oberhand. Verschmitzt meinte er: “Mein weiser Onkel hat mir heute morgen erzählt, dass ich ein interessantes Mädchen kennenlernen werde. Und das bist wohl du!“
„Dein Onkel?“
„Ja“, nickte Lhundup eifrig, „Onkel Dalaimoc!“


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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

In dieser Skizze versuche ich alle bisherigen Bedrohungsaspekte zusammenzufassen (und etwas von mir aufgebohrt), wie sie nun im Laufe der 26 Hefte entstanden sind und sich entwickelt haben.
Im Grunde genommen steht der Terranische Union vor immensen Probleme, die auch irgendwann organisatorisch angegangen und bewältigt werden müssen.
Der Beginn jedes effektiven Handels ist dabei die Bestandsanalyse.
Ich würde ja gerne mal lesen, ob sich irgendein Verantwortungsträger den Kopf macht und Maßnahmen gezielt in die Wege leitet.
Was Perry sich gedacht hat mit seinem Abflug nach Arkon wissen wir (#25), dass er sowohl geschoben als auch gezogen wird und darin sein Handlungsraum auslotet.
Aber sonst?

Danke an OLD MAN für seine Korrektur - alle Fehler gehören mir!





Zu # 26: „Planet der Echsen“ von Bern Perplies

08. Skizze : „Allans Bedrohungsanalyse“ vom 23.09.2012


Stardust Tower / Terrania / Terra
Februar 2037

Unscheinbar, fast schon etwas verloren, saß der kleine Mann hinter einen wuchtigen Schreibtisch. Ein riesiger Monitor ragte rechts empor und eine monströse Telefonanlage lauerte links auf der Platte, während mittig die Touch-Tastatur dazu einlud, jeden Impuls sofort an die Positronik weiterzuleiten. Er war es gewohnt, im Hintergrund zu agieren und von unachtsamen Außenstehenden als Schatten ignoriert zu würde.
Allan D. Mercant gähnte. Dreißig Stunden waren wie im Fluge davongeweht. Doch nun war seine Bedrohungsanalyse fertig, die er morgen dem Administrator Adams und dem Koordinationsrat vorlegen wird.
Sein Blick schweifte kurz zu der bequemen Couchgarnitur in der repräsentativen Sitzecke, die für Besucher, für Einzelbesprechungen und kleine Konferenzen gedacht war. In Wirklichkeit fungierte diese eher als sein zweites Schlafzimmer. Und das schon seit Wochen . Seine privaten Räumlichkeiten besuchte er nur, um sich frisch zu machen. So etwas wie ein Privatleben besaß er nicht. Er war, wie viele andere Gefährten der ersten Stunde, mit seiner Tätigkeit – seiner Mission – verheiratet.
Allan beugte sich über die Touchfläche und tippte auf das Symbol Musikbox. Part 13. Leise erklang aus dem verborgenen Deckenboxen klassische Musik. Klavierstücke von den alten Meistern Keith Jarrett, Georg Winston und Ludovico Einaudi.
Müde erhob sich der terranische Koordinator für Sicherheit von seinem aerodynamisch gepolsterten Stuhl, streckte seine Arme aus und machte ein paar Lockerungsübungen. Dann, mit einem Glas kühlem Mineralwasser in der Hand, ging er zum Fenster. Eine breite Glasfront gab ein beeindruckendes Panorama frei: Terrania, die Hauptstadt der Terranischen Union aus der schwindelerregenden Höhe des Stardust Tower.
Jedoch konnte Mercant diesen Ausblick nicht wirklich genießen. In seine Gedanken ging er noch einmal seine Analyse durch.
Ein innerer Rapport.

Die innere Bedrohung
Der erste Schwachpunkt in der inneren Sicherheit war just den Stolz und Zentrum der jungen Weltstadt: der Stardust Tower!
Allan erinnerte sich, als wäre es erst gestern gewesen, wie Lesly K. Pounder - inzwischen zum Raumfahrtkoordinator ernannt - dem gewählten Terranischen Bürgermeister, Bai Jun, begeistert vorgeschwärmt hatte: „Der Turmbau zu Babel wurde damals von einem ängstlichen Gott als Gefahr empfunden, worauf er den Menschen ihre gemeinsame Sprache nahm und sie über die ganze Erde zerstreute. Der Stardust Tower führt die Menschheit nun wieder zusammen. Er ist ein Symbol der Völkerverständigung, die durch Erfindungen wie das Echtzeit-Übersetzungsnetz TerraNet, die Kunstsprache Terranisch und diese neu entwickelten Translator-Positroniken Realität wird.“

Mercant teilte zwar diese Vision für die terranische Zukunft, doch hegte er arge Skepsis bezüglich der Sicherheitslage.
Die Entscheidung von Homer G. Adams, in den Stardust Tower - der bereits schon jetzt mit seinen 600 Stockwerken über zwei Kilometer hoch war - alle öffentliche und administrative Einrichtungen zu konzentrieren und darüber hinaus ebenda diverse private Gemächer hoher Funktionsträger zu integrieren, fand nicht seine Zustimmung. Vielmehr stellte dieses einen ewigen Alptraum für die Sicherheit da!
Noch viel zu frisch haftete die Erinnerung in ihm, wie vor ein paar Monaten der chinesische Geheimdienst eine Atombombe in den unterirdischen Gängen unter dem Schutzschirm zünden wollte. Nur durch das beherzte Eingreifen des jungen Teleporters Sid war dieser heimtückische Plan eines atomaren Massakers vereitelt worden. Nur wenige Menschen wussten davon und konnten diese Großtat des quirligen, manchmal etwas nervenden, jungen Mann würdigen.
Aber was hatte sich inzwischen verändert? Aus der Perspektive der inneren Sicherheit? Nichts!
Auch jetzt stellte es kein wirkliches Problem da, eine Rucksack-Atombombe in Terrania hinein zu transportieren und zentral im Stardust Tower zu deponieren. Die Sicherheitsvorkehrungen waren rund um und in dem Tower zwar streng. Dennoch!
Wie viele tausende Menschen gehen hier täglich ein und aus?
Immer mehr Funktionäre quartierten sich hier ein. Bai Jun wohnte gleich im zehnten Stock. Lapidar hatte dieser ihm erzählt: „Hoch genug, um die Dinge im Blick zu haben, aber nahe genug am Boden, um nicht abzuheben.“
Ja, diese Einstellung hatte ihm imponiert. Der Mann lag ganz auf seine Wellenlänge.
Die terranische Führungselite war sich einig in der Konzeption einer flachen Befehlsstruktur und einer entsprechenden Organisationsform. Allerdings sprach dieses eher für eine dezentrale Verwaltung – zumal solche auch weniger angreifbar wäre. Andererseits beinhaltete eine solche Entscheidung stets einen organisatorischen Reibungsverlust.
Wie immer galt es, zwei gegensätzliche Tendenzen durch einen Kompromiss auszusöhnen; aus den beiden das Beste nehmen und die schlechten Aspekte zu meiden.
Verdammt schwierig!
Jedenfalls hatte sich Homers Konzept durchgesetzt.
Ein Terroranschlag von irgendeiner Gruppe Ewiggestriger direkt gegen den Stardust Tower und die gesamten Führungsriege der Terranischen Union wäre bereits liquidiert! Politik – Wirtschaft - Wissenschaft – Weltraum.
Einfach alles!
Alle Menschen, die hier lebten und arbeiteten - die Elite des terranischen Aufbruch – könnten sterben. Von solch einem Rückschlag würde sich die Menschheit - zumindest jener Teil, der zu den Sternen strebte - schwerlich erholen!
Immerhin hatte er - Allan - durchsetzen können, dass in jedem 50. Stockwerk eine komplette ABC- Schutzetage eingezogen wurde. Nach modernsten terranisch-ferronischen-arkonidischen Gesichtspunkten waren Sicherheitstechniken installiert worden. Die Positronik konnte zur Abwehr von atomaren- biologischen- chemischen Angriffen diese Sicherheitszonen im Bruchteil von Sekunden hermetrisch abriegeln. Doch würde es nutzen?
Mercant schnaubte.
Wie akut diese Bedrohung war, zeigte der Fall „Chang“.
Ungefähr eintausend Zielpersonen würden im Stardust Tower einziehen oder wohnten bereits hier. Durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder Erpressung könnte theoretisch jeder Zugang zu den Gebäude und den Wohnkomplexen bekommen. Kein seelenloses Positronik würde die Gefahr registrieren. Die Aufnahmen der über Terrania schwebenden Drohnen wären bedeutungslos. Terroristen könnten dann ihre Geiselnahme oder Sabotage durchführen. Man konnte dem Himmel danken, dass die Renegatin „nur“ eine Erpressung von Bai Jun versucht hatte. Dumm und uneffektiv. Aber es hätte auch anders laufen können. Als Freund oder Freundin, Bekannter oder Verwandter getarnt mit zwei Taschen biologische Waffe im Handgepäck zur Kontaminierung der Lüftungsanlage und der Tower-Kantine – und das Desaster wäre perfekt! Nicht umsonst verfolgte er – Allan – die Forschung der Umbrella-Corporation mit äußersten Misstrauen. Ob in ein paar Tagen, Wochen oder Jahre: gegen die latente Bedrohung aus der finsteren Dunkelheit menschlichen Wahnsinns war man nicht wirklich geschützt. Da half nur ein ständig humaner präsenter Sicherheitsdienst, inklusive des Mutantenkorps.

Der zweite Schwachpunkt stellte die Vergabe der Lizenzen für die arkonidische Technologie für Wissenschaft und Forschung in aller Welt dar. Diese Praxis stabilisierte zwar die neue terranische Währung und führte zu einem enormen technologischen Aufschwung. Diese neue Technologie gelangte in allen Länder und Konzerne, die sie wollten und dafür bezahlen konnten. Die Frage lautete: was machten die Menschen daraus? Wie wurde diese Technologie konkret genutzt? Zum Wohle oder zum Wehe der Menschheit? Wer hatte die Kontrolle? Öffnete die TU nicht die Büchse der Pandora und stahl sich aus der Verantwortung? Hauptsache, die Summe stimmte? Und da gab es durchaus besorgniserregende Tendenzen von krimineller Energie, denen die normalen Ordnungs- und Sicherheitsorgane nicht gewachsen waren.

Dann folgten als dritter Schwachpunkt in der schier endlosen Parade der Hiobsbotschaften jene besorgniserregende Meldungen aus den verschiedensten Kanälen, dass sich eine subtile Stimmung gegen die Mutanten ausbreitete. Im Untergrund organisierte sich langsam eine Anti-Mutanten-Allianz, die zunehmend radikalisierend zu militanten Aktionen aufrief.
Damit würde neben dem Stardust Tower nun auch noch das Lakehurst Institut zu einem weiteren neuralgischem Epizentrum in der inneren Abwehr werden. Zwar hielt er - Mercant - die Mutanten durchaus für fähig, ihren eigenen Stützpunkt zu beschützen und sich gleich mit. Aber man konnte hirnrissige Kamikazeaktionen nicht auszuschließen. John Marschall hatte da seinen eigenen Notfalls-und Sicherheitsplan, den sie gemeinsam regelmäßig durchgingen.

Und ganz nebenbei käme als vierte Schwachstelle der neue arkonidische Fusionsreaktor im Yinshan-Gebirge. Sollte es irgendwelcher Spielart von Terroristen gelingen, diesen Reaktor zu sabotieren, dann – gute Nacht Hauptstadt Terrrania und Stardust Tower!

In seiner Liste käme anschließend als fünfter Schwachpunkt Fulkar.
Die terranischen Sicherheitskräfte hatten nach den Anschlag gegen den Tibet-Express auf der Mao-Zedong-Brücke 527 tote und 208 verletzte Passagiere geborgen. Im Rahmen der deprimierenden Aufräumaktion wurden auch die Terroristen gesichert. Allesamt tot! Offenbar gab es die rigorose Devise, keineswegs lebendig in die Hände der Gegner zu fallen. Zwar hegte Allan durchaus seine eigene Theorien, wer diese Saat des Gewalt gesät haben könnte. Doch ließ sich das nun nicht mehr beweisen. Ex-Volksmilizen gab es inzwischen wie Sand in der Gobi-Wüste. Es konnten Söldner oder Renegaten sein, aber auch nach wie vor intakte Geheimdienststrukturen eines inneren Kreises von Ewiggestrigen.
Nein - hier ging es um ein ganz besondere Problem. Der australische Arzt, Frank M. Haggard, hatte das Phänomen eher beiläufig entdeckt. Sieben Terroristen waren nämlich tot – einfach so. Wohlgemerkt: nicht erschossen, sondern inmitten einer Kommandoaktion ohne jegliche äußere Verletzung tot umgefallen. Das war extrem unwahrscheinlich, ja, bei sieben auf einem Streich faktisch unmöglich!
Als Dr. Haggard seinen Kollegen, dem ara´schen Arzt darauf ansprach und zu Rate zog, reagierte dieser zuerst mit einem bewundernswerten Eifer als handelte es um den nächsten Nobelpreis für Medizin. Und dann – so berichtete Dr. Haggard - schien Fulkar irgendwie entsetzt zu sein, ja, geradezu von einer gewissen unterschwelligen Furcht ergriffen. Einmal ließ sich der Ara zu einem Ausspruch hinreißen - 三只眼 吽迦羅 – was wie ein Fluch klang. Seitdem schwieg Fulkar wie ein Grab.
Verdammt und eins! Wieder bewahrte ein wichtiger Wissensträger seine Geheimnisse. Eine völlig verfehlte restriktive Informationspolitik, die möglicherweise zum Nachteil der Menschheit wirkte. Doch was konnten, durften, sollten oder mußten sie - der terranische Sicherheitsapparat - tun? Ihn zwingen! Auf welcher Grundlage? Den außerordentlichen Notstand deklarieren? Sich darauf berufen, dass die Menschheit buchstäblich auf jedes Quäntchen Information angewiesen war, und in Zweifelsfalle dieses in einer scharfen Befragung herauspulen?
Nein, dieses war nicht der Weg. Diesen Pfad der guten Vorsätze, der direkt in die Hölle führt – Der Zweck heiligt alle Mittel - würden Perry Rhodan und seine Gefährten der ersten Stunde niemals einschlagen. Oder gab es doch irgendwann einen Punkt; und wenn ja, worin begründete sich dieser? Wäre er dann bereit, den Jack Bauer zu geben?
Allan knirschte mit den Zähnen und ballte unwillkürlich seine Hände zu Fäusten. Sie mussten sich gedulden und hoffen, dass die Besucher Vertrauen fassten in die felllosen Affen - und dann bereit sein werden, ihr Wissen und Erfahrung mit der Menschheit zu teilen.

Und als letzter, sechster Schwachpunkt für die innere Sicherheit erwies sich der Komplott der „Jungen-Erde-Kreationisten“.
Vor knapp einem Monat war die Sabotage von Dr. Emily Tempsky auf den Mars entdeckt worden. Diese fundamentalistische Sekte gehörte zu jenen Sammelbecken all jener, die sich ängstlich und furchtsam allem Fremden und Neuen verwehrten; sich einigelten in einer Festung von rückwärtsgewandten Ideologien.
Nun, die Attacken von Dr. Emily Tempsky waren nur die Spitze des Eisberges. Und die Frage lautete: wie groß war der Eisberg?
Das Problem war noch nicht einmal deren dogmatischer Starrsinn. Heutzutage konnten jede Art von Sekten ihren Grillen folgen, solange sie andere Menschen in deren Denken und Tun nicht störten.
Getrost konnten diese ängstlich Wütenden und verstört Verwirrten die Wirklichkeit ignorierend in ihrem selbst gezimmerten Weltbild leben. Aber nein, nun waren sie dazu übergangen, die Wirklichkeit gewaltsam an ihr fundamentalistisches Weltbild anzupassen. Und das lief in letzter Konsequenz darauf hinaus: Zerstörung von außerirdischer Technologie und Vernichtung aller Aliens!
Besonders schwierig wurde diese tickende Zeitbombe, weil auch unerkannt hochkarätige Wissenschaftler bei den Sekten mitmischten, die im Rahmen der terranischen Technologie durchaus vernünftig waren und hervorragendes leisteten. Dann aber bei der ferronischen, arkonidischen oder fantanischen Technologie völlig ausflippten – und diese als satanisches Teufelszeug verdammten. Und im Grunde – das war das erschreckende – bedeutete ihre Sekten-Ideologie nichts anderes als die Propagierung der Ausrottung aller Aliensrassen in der Galaxis, weil nach deren Glauben nur die Menschen die Krönung der Schöpfung des Herrn waren. Manche mochten zwar den Aliens den Status einer minderwertigen Sklavenrasse zugestehen - und sie als solche nutzen. Doch letztlich, wenn es hart auf hart kam, bedeutete deren fundamentalistischer Wahn in der paradoxen Zuspitzung: die Auslöschung der Menschheit.
Mercant schüttelte schaudernd seinen Kopf. Wie konnte man nur so borniert sein, zu denken, dass die Alienvölker, die Jahrtausenden die Raumfahrt beherrschten und einen entsprechend hohentwickelten militärischen-industriellen Apparat besaßen, sich von solch mickrigen kleinen aufstrebenden Völkchen wie den Terranern ihre Vernichtung androhen liessen!? Absurd!
Und da begann der Übergang von der inneren zur der äußeren Bedrohungslage.
Der Übergang resultierte in der bestürzenden Ankündigung von Dr. Emily Tempsky, dass Mitglieder der Sektenbewegung „Jungen-Erde-Kreationisten“ auch die TOSOMA infiltriert hatten. Die Fanatiker waren fest entschlossen, auch dort Sabotageakte zu unternehmen - bis hin zur Selbstzerstörung.
Allan lies sich für einen kurzen Moment von seiner aufkommenden Düsternis hinabziehen. Alleine die Vorstellung, dass Perry Rhodan und Reginald Bull, Crest und Thora, über die Hälfte des Mutantenkorps sowie viele hochkarätige Wissenschaftler und Personal gefährdet waren - ja, womöglich schon nicht mehr am Leben –, war so schrecklich, dass er bei sich selbst die Mechanismen der Verdrängung deutlich spürte. Das kann, das darf nicht sein!

Die äußere Bedrohung
Als erster Schwachpunkt an der äußeren Sicherheitsfront galt Arkon!
Mercant erinnerte sich an das ungewohnt entschlossenen, fast heftigem Verlangen von Crests und Thoras nach Arkon zu fliegen. Unterstützt von Perry Rhodan, der argumentierte:“ Wir hatten Besuch von den Fantan, mussten gegen die Topsider kämpfen, alles innerhalb von wenigen Monaten. Terra ist nicht länger ein weißer Fleck auf der galaktischen Sternkarte. Früher oder später wird unweigerlich das Imperium der Arkoniden auf uns aufmerksam werden. Es ist uns unendlich überlegen. Es könnte uns jederzeit vernichten. Mit einem Fingerschnipsen. Unsere einzige Chance liegt in der Flucht nach vorne: Wir stellen den Kontakt her, nicht andersherum. Wir müssen nach Arkon, basta! Mit Crest da Zoltral und seiner Ziehtochter hat die Menschheit zwei wertvolle Fürsprecher, die zweifellos über einen gewissen Einfluss verfügen. Etwaige Wirren der Vergangenheit werden sich aufklären, Animositäten oder Missverständnisse ausräumen lassen.“

Und genau da lag der Hase im Pfeffer. Dieser schiere Optimismus von Perry war unglaublich blauäugig.
Unverantwortlich!
Oder intuitive Verzweiflung?
Er – Allan - teilte jedenfalls die Skepsis von Reginald, der in der entscheidenden Konferenz wieder und wieder gegengehalten hatte: „Ich unterstelle den beiden ja nicht, dass sie uns hintergehen oder unsere Gutwilligkeit für ihre Zwecke ausnutzen wollen. Aber meiner bescheidenen Einschätzung nach hat Crest den Status eines Flüchtlings, wenn nicht eines Exilanten. Auf Arkon hält man ihn bestimmt für tot und ist froh darum.“
Wer sagte denn, dass der arkonidische Regent nicht genauso eigenwillig die Dinge der Welt handhaben wollte wie die hiessige terranische Sekte? Nach dem Motto: „Was nicht sein darf, wird ungeschehen gemacht“; heißt hier: wenn Crest und seine Ziehtocher nicht tot waren, so würden sie bei ihrer Ankunft liquidiert und damit ein lästiges Problem gelöst.
Und die terranische Besatzung der TOSOMA wird gleich mit ausgelöscht. Ein lösungsorientierter Ansatz für eine machiavellische Großmacht!
Was – zynisch betrachtet – für die Sicherheitslage der Terranischen Union bei allem Desaster sogar noch die bessere Variante wäre! Deutlich schlechter käme es für die Menschheit nämlich, wenn der Regent eine Flotte gegen die Barbaren von Larsaf III schicken täte. Entweder um das Sol-System gleich ins Große Imperium zu integrieren und somit die Terraner zu Untertanen zu degradieren – oder gleich wie eine lästige Laus zu zerquetschen. Das wäre der worst case. Andererseits gab es keinen vernünftigen Grund, davon auszugehen, denn schließlich war dieser Planet einmal eine arkonidische Kolonie in Gründung gewesen. Die arkonidische Verwaltung musste sich auch was dabei gedacht haben. Und das war ihr Trumpf in der Argumentation: Crest und Thora beriefen sich darauf, Larsaf III wiederentdeckt zu haben. Was allerdings ein zweischneidiges Schwert war, eben auch genau diesen alten Status als Kolonie wieder aufleben lassen zu wollen.
Ein wesentliches Problem lat indes im Verhalten von Thora und Crest. Nicht, dass man ihnen misstraute; das wäre zu stark akzentuiert. Man könnte eher sagen, die terranische Elite wäre über deren restriktive Informationspolitik unglücklich. Was könnte die junge Terranische Union alles lernen; das Jahrtausend alte Wissen über die galaktischen Völker mit ihren politischen - sozialen – kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen sowie ihre diplomatischen-militärischen Allianzen würde sie schlagartig um Jahrhunderte in der galaktischen Völkerfamilie voranbringen! Eine Orientierung von unglaublich unschätzbaren Wert – und genau das wurde ihnen vorenthalten!
Die Positronik der alten TOSOMA hatte vor 10.000 Jahren in den Kriegswirren beim Absturz alle sensiblen Daten gelöscht. Das war ein Standardverfahren für alle Machtgebilde. Universal. Dennoch: Crest als Historiker und Thora als Kommandantin eines Forschungsraumschiffes hatten – brandaktuell – Informationen, die sie nicht preisgeben. Ganz offenkundig fühlten sie sich an diese imperiale Direktive ihrer arkonidschen Heimat gebunden!
Allan knurrte grollend. So ein – unerreichbarer – kostbarer Schatz!
Und dann blieb noch die Frage offen, worauf Crest und Thora eigentlich ihren Optimismus gründeten, mit der herrschenden Elite Arkons einen annähernd günstigen Bündnisvertrag für die junge terranischen Sternennation aushandeln zu könnten. Und natürlich - was sie dabei gewinnen.
Wie dem auch war. Sollte die `Mission Arkon´ misslingen und es erfolgte auch nur eine einzige Attacke der arkonidischen Raumflotte gegen Terra - zum Beispiel gegen den Stardust Tower -, dann wäre die terranische Elite wie eine Schneeflocke in der Wüste Gobi dahingeschmolzen. Ausgelöscht!

Und an diesem Punkt der Bedrohungsanalyse angelangt, stach der zweite Schwachpunkt immens ins Auge: die Topsider.
Der Friedensvertrag zwischen den Ferronen und den Topsider hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Zwar wurde der Vernichtungskrieg der Topsider gestoppt und die Zivilisation der Ferronen kurz vor dem Abgrund gerettet. Dennoch: Dass die Topsider als Siegestrophäe hochbegehrte Transmitter einheimsen konnten und dafür als Wiedergutmachung sich am ferronischen Wiederaufbauprogramm beteiligten, war wirklich hart. Ein Sieg, nur karg kaschiert! Und dabei war noch offen, ob damit das aggressive Kriegsziel des topsidischen Despoten erreicht worden war - oder noch mehr auf der Agenda stand.
Ebenso verhielt es sich mit den Fantan. Das war nämlich der dritte Schwachpunkt. Die hatten zwar mit ihrer plötzlich auftauchenden Flotte einen wesentlichen Beitrag in der Waagschale gegen die Topsider geleistet. Doch auch sie ließen sich ihre „Hilfe“ teuer bezahlen. Als Besun: Transmitter!
Insgesamt waren die Aussichten beängstigend. Egal wie man es drehte oder wendete.
Die Fantan kannten bereits die Position vom Sols. Und sie waren nicht von Terra geflohen, wie einige Politiker mit einem hohen Maß an Verdrängungspotenzial meinten, sondern hatten den Ruf nach einer erheblich besseren Beute vernommen und hatten ihren Abflug gen Wega gemacht.
Es gab keine begründete Hoffnung, dass die schwer einzuschätzenden Fantans in einem Akt des gnädigen Vergessens die galaktische Position von Terra ins ewige Nirwana begraben würden. Sie konnten sich besinnen und erneut mit ihrer ganzen Sippschaft hier einfallen.
Und die Topsider können sich ausrechnen, dass die zu Hilfe eilenden Terranern aus der galaktischen Nähe gekommen waren. Ein Katzensprung. Sollte die Flotte der Topsider hier auftauchen, dann hätte die Menschheit dem nichts entgegenzusetzen.
Das war mal Fakt!
Statt bei der Wega dann hier ein ausgewachsener galaktischer Krieg. Die Menschheit komplett unvorbereitet und hilflos - das war der aktuelle Horror in der nicht gerade kurzen Hitliste der Alpträume, die Mercant plagten.

Die einzigen wahren Verbündeten der Menschheit waren die Ferronen. Die blauen Aliens leisteten voller Hingabe – trotz der vielen Nöte im eigenen System – hier Entwicklungshilfe. Ob Planetenforming auf den Mars oder bei der intensiven Zusammenarbeit des allgemeinen Technologietransfer. Und das, obwohl die Ferronen die eigentlichen Verlierer waren. Denn wie viele Transmitter waren nun vergeben und verloren; eine Technologie, die sie selbst nicht erfunden, sondern nur geschenkt bekommen hatten.
Aus seiner Sicht – und diese Ansicht teilten Perry und Homer – waren die Ferronen die ersten, wirklichen Bündnisgenossen. Die Terraner durften die ihnen gereichte Hand der Völkerverständigung nicht durch gedankenlose Attitüden von vermeintlicher Selbstverständlichkeiten geringschätzen. Das Wega-System – nur ein Katzensprung entfernt – blieb eine unabdingbare Säule der aktuellen und künftigen Außenpolitik von Terra.
Allein - und damit kam der vierte und letzte Schwachpunkt - aus dem Wissen heraus, dass dieses System als ein zentrales Zugangsportal zu der mysteriösen Entität namens ES galt. Erst aus dieser Begrifflichkeit erschließt sich, warum in dieser gottverlassenen Gegend sich binnen Monaten vier galaktische Aliensvölker tummeln. Und sicherlich nicht erst seit Monaten. Nur seit Monaten bemerkte die Menschheit dieses außerterranische Verkehrsaufkommen am Rande der Galaxis. Und daran würde sich vermutlich auch nichts ändern. Insofern stimmte es, was Crest und Thora meinten: in der gesamten Milchstraße gäbe es Legenden von der Unsterblichkeit. Und das bedeutet wiederum, dass es immer wieder und zu aller Zeit wie ein Magnet die verschiedensten Völker hierher in genau diesen Spiralenarm der Milchstraße zieht! Sicherlich gab es anderswo auch entsprechende Portale zu ES. Doch eben auch hier. Offenkundig nutzte die Entität ES den Ruf der Unsterblichkeit als Rekrutierungspotenzial hochbegabter Wesen, die ihm – sofern sie es überlebten – als nützliche Handlanger dienen durften.
Konkret auf die Menschheit bezogen galt die völlige Unwägsamkeit des Hilfeersuchens von ES. Was für ein Problem mag eine Entität wie der Unsterbliche haben, dessen Macht und Wirkungsform sich gänzlich dem menschlichen Ermessen entzog? Sollte es sich womöglich gar um eine Konfrontation zwischen zweier oder mehr Entitäten handeln? Dann, und wirklich dann wäre gewiss das größte Problem, welches sich für die Menschheit stellte: sich möglichst nicht in diesem Konflikt hineinziehen zu lassen! Sicherlich kam es nicht von ungefähr, dass ES nichts offenbaren wollte. Sein Beharren, erst seinen angebotenen Zellaktivator zu akzeptieren, stank zum Himmel, dass man schier vor innerer Verweigerung aufschreien mochte. Allein ein solches kostbares Kleinod geschenkt zu bekommen, sprengte alles Denken! Und nun? Nun wird es einem angeboten wie fauliges Wasser! Das war totsicher ein faust´scher Pakt! Die Annahme des Zellaktivtors begründet einen Vertrag. Solch ein Abhängigkeitsverhältnis mochte man gutmütig eine „begründete Gefälligkeit“ nennen oder eher skeptisch einen „Vasallenstatus“ gegenüber einer übergeordneten Entität. Jedenfalls – aus der Sicht eines möglichen Kontrahenten – war dieses gehupft wie gesprungen. Und das hinterließ bei Mercant ein mieses, ganz mieses Gefühl.

Allan D. Mercant gab sich einen Ruck und wand sich vom Fenster ab, deren herrlichen Panoramaausblick er bei seinem inneren Rapport gar nicht wahrgenommen hatte. Also gut - soweit die zehn Schwachpunkte der möglichen und realen inneren und äußeren Bedrohung für die noch junge Terranische Union.
Morgen würde ihn der Administrator und seine Koordinatoren mit der zentrale Frage konfrontieren: Und was gedachte der Koordinator für Sicherheit zu unternehmen?
Das war der springende Punkt, nicht wahr?
Er stände da wie der Kaiser in seinen neuen Kleider. Mit nichts. Nackt!
Abgesehen vom Titel hatte er praktisch nichts in der Hand. Nur ein dünnes Blatt Papier in einer ebenso dünnen roten Mappe mit den Vermerk „Streng geheim“. Allan würde diese dünne Ausarbeitung zum Aufbau einer Terranische-Abwehr-Föderation, kurz TAF, gegen den inneren und äußeren Feind einreichen. Nach einer sicherlich heftigen Debatte würde diese dann hoffentlich als Kabinettbeschluss zur parlamentarischen Beratung vorgelegt werden.

Aber jetzt - Mercant lächelte vergnügt - würde er endlich sein Büro verlassen; die Willi-Voltz-Allee entlang schlendern und am Ende in diesem schnuckeligem kleinen Terrania-Cafe sein obligatorischen Latte Macchiato schlürfen.

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Bei meiner 09. Skizze „Ein faustischer Pakt“ ging es mir um zwei Aspekte.
Erstens was passiert, wenn unkontrolliert die arkonidische Technologie an jeden Konzern und jeder Nation weitergegeben wird, sofern dafür genügend Lizenzgebühren bezahlt wird. Also nicht nur der enorme revolutionäre technologische Schub für die gesamte Menschheit, sondern eben auch die dunkle Rückseite der kriminellen Energie. Und wie geht die Terranische Union damit um.
Zweitens frage ich mich, ob NEO als eine Neu-Erzählung, als eine Neu-Interpretation, auch in der Lage ist, jene Alternativ-Welten mehr oder weniger in sich zu integrieren oder zumindest ab und an Schnittpunkte zu adaptieren, die sich im Verlauf der letzten 50 Jahren herausgebildet haben. Parallelwelten wie „Star Trek“ oder „Star Wars“ sind da ja nur die gängigen, weil weltweit bekannten Alternativuniversen. Es gibt natürlich auch andere, durchaus interessante Denkmodelle.
In diesem Sinne habe ich hier zwei Schnittstellen zu Parallelrealitäten aufgebohrt.

Dank an Old Man für seine Korrektur - alle Fehler gehören mir.


Zu # 19: „Unter zwei Monden“ von Marc A. Herren

09. Skizze „Ein faustischer Pakt“
vom 01.10.2012
Terrania / Terranische Union
Februar 2037

Mit einem leisen Zischen öffnete sich die Tür.
Gemächlich walzte sich ein feister Körper in den hellen Raum. Mit einem strahlenden Grinsen streckte der lächelnde Mann seine Hand weit aus und meinte leutselig: “Herzlichen Dank, dass Sie Zeit gefunden haben, mich zu empfangen.“
„Nun“, erwiderte der hagere Mann trocken,“als Gefangener der Terranischen Union habe ich gerade nichts besseres zu tun. Was verschafft mir die unerwartete Ehre, Herr...?“
„Dr. Faustus. Johann W. Faustus. Wissenschaftler wie Sie, verehrter Dr. Whistler.“
„Mmh. Dann nehmen Sie doch bitte Platz in meiner bescheidenen Hütte.“
Allister T. Whistler trat einen Schritt zurück und gab den Weg frei. Ein 3-Zimmer-Gefängnis mit Küche und Bad. Nachdem er vom terranischen Mutantenkorps unter Leitung von John Marshall in Valle del Colca / Peru gefangen genommen worden war, lebt er hier in strenger Einzelhaft. Die neue Terranische Union mit ihrer Hauptstadt Terrania wollte zwar hoch hinaus – besaß aber noch nicht einmal ein funktionierenden Gefängnis.
Der Unterschied zwischen ihm und den gut bürgerlichen Nachbar von nebenan bestand darin, dass er die Wohnungstür nicht öffnen konnte und das Haus nach belieben verlassen durfte. Die großen hellen Fenster bestanden aus Gorilla-Panzerglas und waren fest verriegelt. Vollklimatisiert! Alle drei Tage kam ein Handlanger von der überall präsenten ehemaligen Miliz der chinesischen Volksarmee des hiesigen Bürgermeisters Bai Jun und brachte jede Menge an Lebensmittel und kleine Chips mit Informationen, Filmen und Musik. Ein eigener Pod blieb ihm indes verwehrt. Kommunikationsverbot! Ebenso gab es in der freundlich eingerichteten, dennoch kargen Wohnung keine elektronische Geräte wie eine Positronik. Bezüglich jeder Form von Technologie war er streng abgeschirmt.
Seit Wochen schon wartete Whistler auf seinen Prozess wegen Entführung und Mord.
Homer G. Adams hatte ihm persönlich das Gerichtsverfahren angekündigt. Doch genau darin lag das Problem. Auf der Baustelle Terrania fehlte es überall an entsprechenden Strukturen. Alles muss erst geschaffen und in einem aufwendigen legitimatorischen Verfahren begründet werden. Das terranische Recht muss erst aus den Besten der weltweit bestehenden Rechtsprechungen sondiert und dann in Gesetzesform implantiert werden. Gerichte mussten errichtet und Richter gewählt werden – eine unendliche Prozedur. Zwar gab es schon Krankenhäuser, aber noch kein psychiatrisches Klinikum. Ihm konnte es nur recht sein. Immer noch besser als die chinesischen Justiz. Dann würde er umgehend mit der Todesstrafe zu rechnen haben.
Obwohl er – streng genommen – niemanden getötet hatte.

Nachdem Dr. Faustus in der bequemen Sitzecke Platz gefläzt hatte und Allister mit der Darreichung eines Glas kühlem Mineralwasser seine Gastgeberpflicht nachgekommen war, begann Johann jovial:
„Zuerst möchte ich Ihnen versichern, Herr Whistler, dass ich ein großer Verehrer ihrer Kunst der Steuerung bin. Insbesondere die Biokybernetik ist äußerst faszinierend, nicht wahr!?“
Allister rang sich ein schmales Lächeln ab. Ihm war jedes längere Zusammensein mit irgendwelchen Menschen nicht nur lästig, sondern ausgesprochen zuwider. Er liebte seine Arbeit, seine Passion, die sein Leben war – und sonst gar nichts!
Schon als Kind musste er mit dem Stigma des Asperger-Syndroms leben. Und das nur, weil er mit den Anderen nichts anzufangen wusste, diesen nervigen Biestern im gleichen Alter, die doch irgendwie Fremdwesen waren. Jene, die nur plärren und quengeln, schwafeln und blubbern - ihr ganzes Getue und Spiele war ihm völlig egal. Dieses gemeinsame Lachen und Jammern, weil der eine nicht wollte wie der andere und der andere genau jenes Spielzeug haben wollte, was der eine besaß. So verwirrend, so unnütz.
Stattdessen hatte er sich auf Puppen fixiert, sein Interesse ganz und gar auf jene konzentriert, die ein ganz eigene Welt vermuten ließen. Puppen kannten keinen Schmerz und bluteten nicht aus irgendwelche Verletzungen! Wie oft war er auf dem Spielplatz gefallen und hatte sich weh getan. Wie oft konnte er andere Kinder beobachten, die aus der Nase bluteten oder sich am Knie grobe Schorfwunden zugezogen hatte.
Wie verletzlich der Mensch doch war!
Verwundbar!
Doch Puppen nicht!
Und je mehr er seine Puppen untersuchte; ihnen Arme und Beine ausriss und mit gefundenen Feuerzeugen ankokelte, ihre Körper mit Messer aufschlitzte und mit Nägel durchbohrte – desto mehr wandten sich zuerst die Kinder und dann die Erwachsenen von ihm ab. Dabei war doch die spannende Frage: aus welchen Material müssten zuerst die Puppen und dann die Menschen sein, um sich nicht mehr zu verletzten.
Nicht sterben zu müssen!
In der Schule hat er sich dieser Frage gewidmet und Biologie und Technik waren seine absolute Leidenschaft, in deren inneren, rationalen und logischen Welt er die äußere, soziale und irrationale Welt völlig vergaß. Und dann das Studium, wo seine wahrhaft aufopferungsvolle Pionierarbeit nicht gewürdigt wurde. Und ihn letztlich in die geschlossene Psychiatrie gebracht hatte.
Ein verkanntes Genie.
Endlich Anerkennung! Allister raffte sich auf und stieß grimmig hervor: „Immerhin einer, der meine Fähigkeiten zu würdigen weiß. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie dieser Ignorant Reginald Bull mich vor den Toren Terranias abgewiesen hat, als ich meine Dienste angeboten hatte.“ Und seine Mundwinkel zuckten in entgleisendem Zorn.
Dr. Faustus nickte eifrig. „Gewiss, verehrter Dr. Whistler. Ein Stümper, der sich zu einem selbst erklärtem Experten für solche perversen arkonidischen Technologie ausgerufen hatte und von den wahren Errungenschaften, die der geniale menschliche Verstand hervorbringt, nicht das Geringste versteht, sondern sogar niedermacht, unterdrückt und im Keim erstickt.“
Erhitzt schwieg er dann, sah mit stechendem Blick sein Gegenüber an und wartete lauernd auf die Reaktion des Anderen.
„Sie wissen von meiner Forschung?“, fragte Allister verhalten, jedoch mit langsam sich erwärmenden Interesse.
„Aber gewiss, mein Bester“, gluckste Dr. Faustus, „deswegen bin ich doch hier! Ich biete Ihnen unsere Zusammenarbeit an!“
„Wer ist `unsere´- genau?“
„Ich bin ein führendes Aufsichtsratsmitglied der Futschikama Corporation.“
„Oh!“, entfuhrt es Allister erstaunt. „Die Futschikama Corporation – der führende Konzern in Robotik. Die Erfinder des Futschikama-Panzers 2028, was die mobile Kriegsführung weltweit revolutionierte!“ In seiner Stimme schwang echte Begeisterung mit, durchdrungen mit einer gelbgrünen Spur vom giftigen Neid.
Johann winkte generös ab. Es brauchte keine Bescheidenheit oder Überschwang – die nackten Fakten sprachen für sich. Der Futschikama-Konzern war nach 2028 unaufhaltsam zum Primus auf dem Weltmarkt für robotgesteuerte Waffentechnologie aufgestiegen.
„Gewiss, die Futschi-Spinnen der Klasse I und II haben den Weltmarkt für die mobilen Panzergattung revolutioniert. Unsere erfolgreiche Verbindung von speziellen Titanlegierungen mit der Keramikpanzerung führte zu einer idealen effektiven Mischung von Festigkeit, die einem gewöhnlichen Panzer um 63% überlegen ist.“ Dr. Faustus nickte kurz und gewichtig. „Darüber hinaus führte die diffizile Performierung in Verbindung mit dem von uns patentiertem NVH-Modul - die wiederum in einer optimalen Weise Vibration und Härteschock auffängt - ,einerseits zu einer deutlichen Gewichtsreduzierung und damit zu einer Beschleunigung von fast 28% über Norm und andererseits zu einer extremen Flexibilität.
Die Spinnen-Konstruktion, nämlich die Möglichkeit, auf acht federnden Säulen bewegend das feindliche Gelände zu erschließen, also unabhängig von irgendwelchen befestigten Straßen oder flachem Gelände, ermöglicht es sogar über Unebenheiten zu klettern bis hin zu steilen Berghängen und aufragenden Häusern. Ideal für Aufstandsbekämpfung sowohl in den metropolianischen Zentren als auch in den entwicklungsgestörten Schurkenstaaten wie in Südamerika, Mittelafrika oder dem Nahen Osten. Kein Ziel ist für uns unerreichbar.
Während die Spider I klein und schlank und somit als vollrobotisch gesteuerte Einheit sehr wendig ist, birgt die Spider II in ihrem Innerem eine Kapsel. In dieser checkt sich der Soldat wie ein Pilot ein und die Maschine kann manuell gesteuert werden. Am Zielort, bei manchmal etwas kniffligen Entscheidungen in komplexen Situationen erscheint es ganz praktisch, direkt das Kommando zu übernehmen und zu handeln – statt wie als Standardmodus vorgesehen, den Robotpanzer quasi als Drohne per Autopilot und Software zu steuern.“
Allister nickte schweigend, eifrig und konzentriert.
„Aber ihre Entwicklung geht weit darüber hinaus, Dr. Whistler!“
„Prototypen...“, wiegelte Allister nicht ohne Stolz ab.
„Die vernichtet worden sind!“
Allister stierte entsetzt seinen Gegenüber an. Rang nach Worten und stieß japsten hervor. „Was? Der Stützpunkt ...“
„Ist von der peruanischen Regierung nach der Schließung zerstört worden“, erwiderte Dr. Faustus mit einer wohldosierter Nuance von abgezirkeltem Mitleids. „Es handelt sich dabei um einem absurden Aberglauben. Man kann von diesen Primitiven auch nichts anderes erwarten. Voodoo! Darauf reagieren nun mal die Zombies aus dem Tierreich der Nichtstudierten mit irrationaler Zerstörungswut. Verstehen Sie, verehrter Kollege? Ihre sogenannten Puppen sind als Asche verweht.“
Allister schwieg betroffen. Seine scheinbar distanzierte Souveränität löste sich langsam auf, zerfaserte und trieb zum Rande der Kontrolle, um dort drohend zu kollabieren. Kontrollverlust.
„Vernichtet?“, brabbelte er.
„Ja! Und es blieb kein Stein auf den anderen. Alles futsch!“
„Ermordet! Meine Familie und meine Freunde. Alle Tot.“
„Nun ja, Sie wissen doch, die meisten Menschen halten Sie für verrückt und deswegen wurden Sie – natürlich völlig zu Unrecht – in einer psychiatrischen Klinik eingesperrt. Aber ich weiß, dass Sie ein Genie sind! Und Genialität hat nun mal ihren Preis! Ich bin hier, um Ihnen ein Angebot zu unterbreiten!“
„Ja. Ja. Ja“, noch ganz mit seinen Emotionen ringend und in seiner Trauer verstrickt, winkte Allister fahrig ab. „Sie haben meine Puppen ermordet. Die Transformation vernichtet! Der Ignorant Bull sowie Marshall mit seinen verfluchten Mutanten! Das werden sie büßen. Unendlich bereuen!“
Dr. Faustus hütete sich, ihm zu widersprechen. Ihm war es ganz recht, wenn die Wut, ja, der verdichtende Hass sich gegen die Terranische Union und seine Elite richtete.
Nach einer Weile fasste sich Allister und funkelte seinen Besuch an. „Sie haben einen Vorschlag, Dr. Johann W. Faustus?“
„Wir holen Sie hier raus! Aus Terrania, Dr. Whistler, und bringen Sie an einen sicheren Ort in Australien. Dort erhalten sie alle notwendigen Mittel, die sie brauchen, um an ihrer Forschung und – praktischen - Entwicklung weiterarbeiten zu können.“
„An den Cyborgs?“
„Es fehlt Ihnen doch nur an den Mitteln; nicht an Ideen?“, erkundigte sich Dr. Faustus etwas besorgt.
Allister nickte, und meinte dann in einem leicht referierenden Ton fallend:“ Meine Konzeption zur Vollprothese ist ausgereift. Auf Basis eines Skeletts, deren Spezifizierung aus CoCrMo-Legierung und Keramik/Polmythen-Verbund besteht, die direkt über einen integrierten mikroprozessoralen Hochleistungschip gesteuert wird. Und die Hülle des kybernetischen Körpers besteht aus einem Bioplast-Verbund auf Silikon/Nylon-Basis mittel Tissue Engineering. Das Entscheidende ist jedoch die höchst empfindliche Schnittstelle zum integrierten Gehirn, die über optische Nanofasern gewährleistet wird. Dabei ist natürlich das ganze Gehirn mit dem Rückgrat in einer Titanschale mit Nährlösung eingebettet. Gerade ihre Entwicklung der Werkstoffe zu den Futschikama ...“
„Ich weiß, ich weiß“, grinste Johann breit, „das passt zusammen wie die Faust aufs Auge, nicht wahr?! Wir kommen der Philosophie des Transhumanisten Max More nicht nur nahe. Nein, wir werden mit Ihrer Hilfe, verehrter Kollege, diese Ideen in einer umwälzenden Praxis überführen.
Mit dieser kybernetischen Technologie werden wir die teuflische arkonidische Aliensbrut nicht nur ausstechen. Wir werden mit unserem eigenen, göttlichen beseelten Geist die Versuchung des Verführers Perry Rhodans von uns zurückweisen und den Ort des Bösen – Terrania - samt allen Lakaien des Satans mit unserer Technologie vernichten!“
„Werden wir das?“, fragte Allister nun deutlich ernüchtert und hakte vorsichtig mit etwas reserviertem Unterton nach. „Und wer genau sind - Wir?“
„Wir“, verkündete nun eifernd Dr. Johann W. Faustus,“sind die Jungen-Erde-Kreationisten. Wir sind jene Jünger des wahren Glaubens, die Gottes Wille in die Weite der Galaxis verbreiten werden. Wir werden die Horden der Dämonen - in welcher Form von Aliens diese sich auch kleiden mögen - bekriegen, besiegen und vernichten! Und mit ihnen all ihre verderbenden Technologien. Wir werden eine Legion von Infanteristen zu Cyborg-Kriegern des wahren Glaubens aufbauen. Unbeirrbar! Unschlagbar! Unbesiegbar!“
„Meine Cyborgs werden der Hammer Gottes sein?!“
„Genau, Dr. Allister T. Whistler. Die Legion des Erzengel Gabriel!
„Das Beste aus zwei evolutionären Entwicklungen. Übermenschlich schnell und stark wie die Mechs mit den entsprechenden Zusätzen, die jedem Lebewesen überlegen sind – in Kombination mit den Gehirnen von wahrhaftig gläubigen Menschen, die die sozial-religiöse Komplexität der Welt erkennen und die Situation angemessen einschätzen können, wozu eine noch so hoch entwickelte Positronik niemals in der Lage sein wird. Ja, das ist der evolutionäre Sprung in der Perfektion zweier Entwicklungslinien. Durch das satanische Komplott Rhodans mit den dämonischen Arkoniden hat die Menschheit nicht mehr Zeit sich angemessen auf natürlichem Wege evolutionär anzupassen. Doch Gottes Fingerzeig hat uns durch die moderne Technik den Weg geweist. Und Sie“, dabei stieß Dr. Faustus mit seinen Zeigefinger stechend in die Richtung von Allister, „mein Bester sind unser Joker!“
Allister grübelte: „Werde ich das sein?“, und lachte vergnügt auf.“Ich, Allister – Joker – Whister! Nun denn, dann werde ich der Joker sein.“
„Schön zu hören. Nun muss ich aber gehen. Mein Job ist hier in Terrania erledigt. Der Futschikama-Konzern hat einen teuren Technologie-Vertrag mit der Koordinatorin für Wirtschaft und Finanzen, Elodie Marceau, sowie mit den Koordinator für Wissenschaft und Technik, Fredrik Dahlgren, unterzeichnet. Wir haben jetzt Zugang zu den arkonidischen Blaupausen. Unsere Wissenschaftler werden die Daten genaustens studieren; nicht um irgendwelche billigen Dubletten zu produzieren und damit unsere menschliche Kultur zu entwerten. Nein, um den neuralgischen Schwachpunkt zu finden – und dann erbarmungslos zuzuschlagen.
Und Sie holen wir raus! In Australien können Sie die Whistler-Werke im Rahmen unserer Holding gründen und sich ganz ihrem gottgefälligem Werk widmen. Dafür stehen Ihnen Masamune Shirow und Dan Abbnett zur Verfügung!
Abgemacht?“
„Abgemacht“ ich werde die perfekten Whistler-Cyborgs bauen. Die Adamreihe.“
Whistler gackerte vergnügt und Faustus fiel wiehernd ein, während sie sich bekräftigen die Hand reichten, um den Pakt zu besiegeln.


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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Man kann sich - nach Allans Bedrohungsanalyse - natürlich fragen, ob die Verantwortlichen in der 4. Staffel Konsequenzen ziehen
und endlich aktiv werden in der TAF - zur Abwehr der inneren und äußeren Feinde der Terranischen Union.

Es ist mir gelungen einen geheimen Datensatz aus der Gründungsphase der TAF zu ergattern -
und dieses Dokument möchte ich meinen Mitforisten nicht vorenthalten!

Danke an Old Man für die Korrektur - alle Fehler gehören mir!


10. Skizze vom 06.10.2012

TAF – Team Sieben
Stardust Tower / Terrania
Anfang Februar 2037


John Harah
Im dritten Untergeschoss des Stardust Tower lud eine gigantische Sporthalle mit ihren vielfältigen Folterinstrumenten – auch Sportgeräte genannt - zum auspowern bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit ein. Diesem Angebot zur Selbstkasteiung kamen jedoch nur wenige Menschen nach. Nur knapp ein Dutzend hatten sich in diesem Fitnessstudio verirrt und gingen ihren schweißtreibenden Beschäftigungen nach.
John Harah war einer von ihnen.
Mit gut 196 cm Größe galt er als ein Riese von Mann und ragte weit sichtbar über alle andere Terraner heraus. In seiner Jogginghose und mit nacktem, ausladendem tapezförmigen Oberkörper hielt er furchterregend jeden Provokateur auf Distanz. Seine Beine waren dick wie kleine Bäume und seine Arme ließen Muskelstränge wie Wurzeln sprießen. Sein Waschbrettbauch konnte jeden Bergsteiger in Versuchung führen.
Gleich einem Trommelfeuer schlugen seine mit weißen Bandagen umgebundenen Fäuste auf den Sandsack ein, der ächzend pendelte wie ein ausgewrungenes Tuch auf der Wäscheleine.
Kraft, Ausdauer und Koordination.
Hundert Schlag-Serie, dann Ganzkörpereinsatz mit Ellbogen-Technik und Fußtritten.
Neue Serie starten... schneller – härter!
John war dankbar, hier in Terrania eine Bleibe gefunden zu haben und fühlte sich deswegen beschämt, nichts zum Ausgleich anbieten zu können. Doch heute war seine erste Arbeitsbesprechung. Und obwohl es Blödsinn schien, sich hier vorher körperlich zu verausgaben, so konnte er damit immerhin seine Nervosität niederringen, besiegen und vertreiben.
Im Trommelfeuer der Fäuste kam seine Erinnerung hoch - die entscheidende Wende in seinem Leben.

Im August 2036 war er aus seiner kanadischen Heimatstadt Huntsville, nahe dem Algonquin Park, wo er als Holzfäller und Waldpfleger gearbeitet hatte, fortgezogen. Sein Weg führte ihn nach Washington. Dort hatte er sich der Jungen-Erde-Kreationisten-Bewegung angeschlossen. Hier fand er seine geistige und spirituelle Heimat. Gemeinsam mit den vielen anderen wahren Gläubigen bildete die Bewegung bereit ein Millionenheer; weltweit vereint in ihrem Hass gegen alle außerirdischen Lebewesen, deren bloße Existenz bereits der Wahrheit der Heiligen Schrift Hohn spotten und aus dem Höllenschlund entsprungen sein musste. Für jeden aufrechten Christen galt das höchste Gebot, der Versuchung der Dämonen zu widerstehen und die Aliens zu bekämpfen, niederzuringen und in die Verdammnis der Hölle zurückzuschleudern. Natürlich besaß er, John Harah, nicht die innere Stärke und spirituellen Kräfte, allein den arkonidischen Dämonen zu trotzen. Trotzdem hatte er seinen bescheidenden Beitrag für den Herrn geleistet. Mit einer zweimeterlangen Stahllanze ging er und seine Kampfeinheit gegen die Pro-Rhodan-Demonstranten vor, mähte die Bastarde nieder wie die faulende Ähre auf dem Feld und schlug die Brut in die Flucht. Wer nicht weichen wollte oder nicht fliehen konnte wurde erbarmungslos mit seiner Lanze, die er wie eine Keule um seinen Kopf wirbeln ließ, niedergeschmettert. Verwundet oder Tot - das war egal, denn es waren Ketzer, die allesamt den Tod verdienten und in der Hölle schmoren würden. Da bräuchte er nicht zimperlich werden oder gar Mitleid empfinden und Gnade vor Recht ergehen lassen. Nein, die Heuschrecken des Satans mussten unter den Füssen der zornigen Gläubigen zertreten und zermalmt werden.
Amen!

Kraft, Ausdauer und Koordination.
Hundert Schlag-Serie, dann Ganzkörpereinsatz mit Ellbogen-Technik und Fußtritten.
Neue Serie starten... schneller – härter!

Nachdem der Dämon Brest jedoch von den Widersachern befreit wurde und sich damit der gerechten Strafe durch die wahren Gläubigen im gelobten Land entziehen konnte; und noch furchtbarer: der amerikanische Präsident gefallen war - verließ ihn jegliche Hoffnung. John erkannte, dass die Schlacht der Gerechten verloren war. Entmutigt kehrte er heim. Huntsville.
Dort erfuhr er zu seinem Entsetzen, dass seine Eltern und seine Schwester von der einheimischen Sektion der Bruderschaft der Jungen-Erde-Kreationisten erschlagen worden waren. Seine Familie war - im Gegensatz zu ihm und seinem Bruder - den außerirdischen Fremden aufgeschlossen gewesen. Sie hatten sich der Vision dieses Perry Rhodan angeschlossen, welcher als falscher Messias ein neues Zeitalter der vereinigten Menschheit beschwor - und sich von allen bisherigen etablieren Großmächten losgesagte. Ja, das war der wesentliche Grund für die Entfremdung und den Streit gewesen. Deswegen hatte er seine Siebensachen gepackt und seine Familie verlassen.
In seinem nun persönlich empfundenem Schmerz erkannte er, wie viel Kummer und Schmerz er der anderen fremden Menschen zugefügt hatte. Sein Glaube war der eines Eiferers gewesen, der unbeirrt und hemmungslos Elend und Leid über andere Mitmenschen gebracht hatte. Doch dieser Fanatismus konnte gewiss nicht im Sinne des Herrn sein. So beschloss er am Grabe seiner ausgelöschten Familie, Buße zu tun und nach Terrania zu ziehen, um dort demütig seine bescheidenen Dienste anzubieten.
Amen!

Kraft, Ausdauer und Koordination.
Hundert Schlag-Serie, dann Ganzkörpereinsatz mit Ellbogen-Technik und Fußtritten.
Neue Serie starten... schneller – härter!

„Bora, tolle Kondition – Mann“, erklang eine hell klingende Stimme aus dem Hintergrund und riss ihn aus seine Gedanken und Rhythmus heraus.

John riskierte einen Blick und sah eine junge, schlanke Frau. Eine Schwarzhäutige mit kurzen krausen Haaren. Sie war in einem hautengen, ärmel- und beinlosen schwarzen Nylonbody gekleidet und trug schwarze leichte Lederstiefel sowie dünne schwarze fingerlose Handschuhe. Eine Gestalt der Dunkelheit. Ihre Hände hatte sie auf ihre Hüfte gestemmt, leicht herausfordernd-provozierend, während ihre geschmeidigen Muskeln dezent unter der Haut spielten. Sie blickte ihn keck an.

„Püppchen – geh woanders spielen. Hier ist eine Sporthalle, kein Friseursalon“, keuchte Harah, genervt darüber, aus seinem Rhythmus gerissen worden zu sein.
„Oh, ein harter Kämpfer, was?!“, lachte die junge Fremde auf, während der Schalk und etwas anderes aus ihren Augen blitzte und reichte ihm die Hand. „Das war die falsche Antwort. Ich heiße übrigens Padme.“
Als John seine Hand - wenn auch widerwillig - ausstreckte, griff sie beherzt zu. Padme packte seinen starken Arm und zog sich mit Schwung hoch, drehte dabei ihren Körper und kickte mit einem gellenden Schrei ihren rechten Fuß mit vollen Schwung gegen Harahs Kinn.
John taumelte überrascht und mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück und schwankte.
Doch die junge Frau stand inzwischen wieder auf den festen Boden; wirbelte einmal um ihre eigene Achse wie eine sich selbst aufziehende Spirale und sprang erneut. Im Sprung rammte sie den linken Fuß direkt in seine Weichteile, während ihr rechter Fuß einen Volltreffer gegen sein Solarplexus landete.
100 Punkte in drei Sekunden!
John japste, brach zuerst auf die Knie ein, dann folgte mit einem Zittern der Oberkörper, sodass er spastisch zuckend auf die Holzboden lag.
„Übrigens, meine Stiefel haben eingearbeitete Stahlkappen. Und ich bin auch keine Barbie-Puppe, Ken“, waren die letzten Worte die er hörte, bevor ihm die Sinne schwanden.

Padme Chiana
Mit heiß lodernden Zorn eilte sie mit energischen Schritten aus dem Fitnesscenter. Als Padme letzten Monat in Terrania ankam, dachte sie noch, alles würde anders werden. Dabei war es hier genauso wie daheim. In Südafrika. Der Machismo, der das weibliche Selbst verletzt und die Seele kränkt. Männer!
Chiana spuckte aus.
Padme war eine Khoikhoi – eine junge Frau aus dem Volk mit den ältesten lebendigen Wurzeln des menschlichen Seins, die auf Erden existierten. Ihr Stamm wanderte bereits durch den Dschungel, bevor die Aborigenes sich in Australien ausgebreitet hatten.
Mit 20 Jahren hatte sie ihre Sippe aus der Steppe nahe Thabazimbi verlassen und war in die Großstadt Johannesburg gezogen. In ihrer grenzenlosen Naivität trat sie in den dortigen Polizeidienst ein. Zuviel Kriminalität – Raub und Mord, Gewalt und Vergewaltigung – waren an der Tagesordnung, als das Chiana die Augen davor verschließen hätte können. Ihrer Sippe zu helfen – den Khoikhoi – hieß auch sich den modernen Methoden zu öffnen, die die Zivilisation mit sich brachte. Bodenlose Einfältigkeit einer dummen jungen Frau, die sie war. Damals.
Schnell erwies sich der südafrikanische Polizeidienst als enttäuschend. Es war nicht nur der alltägliche Rassismus, der nicht nur von den – überwundenen – Weißen kam. Auch andere südafrikanische Völker, wie die Bantus und Zulus dünsteten einen gewissen elitären stinkenden Ethnizismus aus. Und zu allem Überfluss drang aus allen männlichen Poren selbstgefälliger Machismo, so widerwärtig wie Aas, dass ihr Tag für Tag schlecht geworden war. Kein Wunder, dass angesichts Chianas schroffer Ablehnung bald niemand mehr von den männlichen `Kollegen´ mit ihr gemeinsam Dienst machen wollte. Zuoft hatten diese Typen nach deren vermeintlich `kollegialen´ zärtlichen Annäherungsversuchen sich im Krankenhaus zur ambulanten Behandlung wiedergefunden.
Alles Missverständnisse? Überempfindliche Animositäten?
Natürlich!
Schon ging die Runde: Durchgeknallte Lesbierin – männermordernde Gorgonin.
Klar doch!
Zwar war sie eine Frau - dennoch nicht wehrlos.
Das hatte Padme von Anfang gelernt.
Mit sechs Jahren: Jeet Kune Do!
Hart und diszipliniert.
Mit 24 Jahren schlug Chiana die Laufbahn einer Kriminalistin in Soweto ein, welche bereits nach einem Jahr abrupt endete. Ihr Einsatzleiter hatte beim `praktischen Training´ in einer Undercover-Ermittlung im Prostituierten-Milieu seine Rolle als Zuhälter deutlich zu engagiert ausgelebt. Und sie hat sich handfest - nicht ihrer Rolle konform - gewehrt. Damit sogar angeblich den Einsatz gefährdet! Jedenfalls verhalf dieser `Ausraster´ ihrem Vorgesetzten zu einer stationären Behandlung in der Klinik von Soweto - und brachte ihr den Rauswurf aus dem Polizeidienst.
Angeekelt nahm sie das unvermeidliche Ende ihrer jungen Karriere zum Anlaß nach neuen Wegen zu suchen, ihren Platz in der Welt zu finden. Ihrem Leben einen Sinn zu geben. Und ihre Suche fand das Ziel: Terrania!
Nun war sie bereits seit ein paar Wochen hier und ging heute im Stardust Tower zu ihrer ersten Arbeitsbesprechung.

Im Büro des Koordinators für Sicherheit, Allan D. Mercant
Ein Summton erklang und die Tür öffnete.
John Harah trat ein. Sein Kinn war geschwollen und er wirkte lädiert.
„Entschuldigung“, begann er etwas abgehetzt und verlegen, „mir ist etwas ...“
Er stockte, als er außer den kleinen Mann hinter dem großen Schreibtisch die andere Person erblickte.
„Hi“, grüßte Padme Chiana mit scheinheilig zuckersüßem Ton. Sie fläzte bequem in der Sitzecke und schlürfte genüsslich ein Glas Apfelsaft.
„Sie hatten bereits Kontakt?“, fragte der Koordinator für Sicherheit freundlich-interessiert nach, dabei die offensichtlich ramponierte Erscheinung Harah ignorierend.
„Ja“, presste John hervor, während sich vor Wut sein Magen verknotete und er unwillkürlich seine Hände zu Fäusten ballte.
„Voll!“, ergänzte keck Padme.
„Nun, dann nehmen Sie doch bitte ebenfalls Platz“, lud Allan ein, „und ich komme gleich zum Kern dieser Zusammenkunft.“
Zögernd setzte sich O´Harra möglichst weit von der jungen Frau entfernt, wahrend er im Stillen fluchte: Verdammte Tussy. Rotzgöre!
Chianas Miene ließ nicht die geringste Spur von Schuldgefühlen entdecken.
„Sie beide sind vor ein paar Wochen hier in Terrania eingetroffen und haben sich in der Zentrale arbeitssuchend gemeldet. Nachdem die Positronik ihre Daten analysiert hat, wurden sie beide für die TAF vorgeschlagen. Die Terranische Abwehr Förderation ist eine junge Organisation und fasst – im Prinzip – alle nationalen Geheimdienste unserer Welt zusammen.“
Allan seufzte bedrückt und nickte zögernd zur Bestätigung des Gesagten.
„Wie sie sich sicherlich denken können, ist dieser Prozess der Umstrukturierung nicht ganz so einfach. Viele ehemalige starke Nationen hegen nach wie vor deutliche Vorbehalte gegen die Terranische Union. Demzufolge ist damit zu rechnen, dass die verschiedenen Geheimdienste und militärischen Apparate - nun sagen wir mal - mindestens doppelgesichtig fahren. Darum erscheint es mir wichtig, neben der Intensivierung der Zusammenarbeit im Rahmen der schrittweisen Integration zu einem planetenumspannenden Abwehrsystem gegen die inneren und äußeren Feinde Terra auch ganz neue, frische Kräfte zu rekrutieren. So wie sie beide, Frau Chiana und Herr Harah!“
Er nickte den 30-jährigen Mann und der 26-jährigen Frau zu.
„Wenn Sie einverstanden sind, bilden Sie ab heute das Team Sieben der TAF. Ich werde Ihren den ersten Einsatz erläutern und sie haben zwei Wochen Zeit, sich intensiv darauf vorzubereiten.
John hob leicht die Hand und meinte:“Ich bin ein einfach Holzfäller und Waldpfleger aus Kanada – kein Spion oder Agent. Weder James Bond noch Jack Bauer, Herr Mercant.“
„Das ist mir durchaus bewusst“, erwiderte der Koordinator für Sicherheit ruhig. „Wie ich gerade angedeutet habe, können wir uns keineswegs auf die traditionellen Geheimdienste verlassen. Vielmehr müssen wir im schlimmsten Falle vom Gegenteil ausgehen. Das weiß niemand so gut wie ich. Aus dieser Überlegung heraus erscheint es mir sinnvoll mit Amateuren wie Ihnen zu arbeiten, die unter dem Ereignishorizont der Professionellen agieren. Das heißt: sie fallen durch das engmaschige Netz der Apparate! Natürlich erhalten sie alle notwendigen Instruktionen und werden von Fall zu Fall mit einer Weiterbildung im Rahmen unseren Möglichkeiten geschult. Dennoch haben sie Recht. Es ist extrem gefährlich. Wir befinden uns im Stadium des Aufbaus der TAF – und wir müssen kreativ improvisieren – und leider tragen Sie dabei das volle Risiko.“
Allan nickte nachdenklich den beiden Anwärtern der Terranische Abwehr Förderation in Aufbau zu. „Sie, Herr Harah, waren eine Zeitlang ein aktives Mitglied der Bewegung Junge-Erde-Kreationisten und kennen sich aus mit Denken und Motiven dieser Sekte“, erklärte Mercant - ohne eine Spur eines moralischen Vorwurfs in seiner Stimme - gelassen. „Sie haben in diesem Umfeld bereits agiert.“
„Das stimmt“, gab John zu, während ihm vor Scham eine brennende Hitze durch den Körper brannte und er rot im Gesicht anlief.
„Wie süß“, spottete Padme, während sich ihre Stirn nachdenklich krauste.
„Das ist nicht unbedingt hilfreich, Frau Chiana“, meinte der Koordinator für Sicherheit ernst. „Ich weiß, dass die Ausrottung des männlichen Geschlecht durchaus eine Option in ihrem Weltbild darstellt. Dennoch müssen auch Sie sich entscheiden, ob sie den Job machen wollen oder nicht. Immerhin wollten sie einst Kriminalistin werden, nicht wahr? Und ihr Einsatz erfordert, ihre Aversion gegen Männer zurückzustellen.“
Padme verzog ihren Mund zu einer Schmollschnute. Dann nickte sie widerwillig.
„Mit der da?“, vergewissert sich John entsetzt.
Allen nickt stumm.
„Das wird nie was. So Eine...“, und in seiner Stimme schwang eine geronnene Spur von angeätzter Ablehnung, “bekommt keinen Fuss in der weißen Bewegung der JEK!“
Chiana schnaubte und ihre Augen begannen wild aufzuglühen, während sich ihr Körper fast unmerklich in einer Angriffsposition verschob.
„Mir ist klar, dass dieser Einsatz von ihnen Beiden viel abverlangen wird. Wirklich viel und darauf basiert auch mein Plan, sie bei der amerikanischen Sektion der Jungen-Erde-Kreationisten einzuschmuggeln.
Sehen Sie, Herr Harah, sie haben dort durchaus einen nachdrücklichen Eindruck hinterlassen. Die kanadische Geschichte“, dabei nickte Mercant Padme zu, „können wir sicherlich frisieren. Und begründen, warum sie nun wieder zurückkehren.
Andererseits, Frau Chiana, werden Sie komplett unterschätzt werden. Sie sind ein nettes Anhängsel von Herrn Harah, der nicht auf sie verzichten will. Genau das ist die Legende für Kanada! Es wird niemand auf die Idee kommen, dass Sie es sind, die die Ermittlung gegen die JEK führen!“
„Und ich bin der große Baum – der manifestierte Blitzableiter, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht?“
„So ist es!“
Schweigen breitete sich aus, während sich die Gedanken ineinander drehten wie ein Rädchen in das andere griff.
„Also gut“, lachte dann Padme widerwillig auf, „dann werde ich mal die Barbie-Puppe für dich spielen. Ken!“
Doch John schnaufte bloß und verdrehte die Augen.“Wahnsinn – das wird niemals funktionieren. Aber ich bin dabei!“

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a3kHH
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von a3kHH »

Gut.
Mehr !
Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Nun also der Einsatz vom Team Sieben.
Zugleich ist diese Skizze eine Hommage an
David Weber´s „Nimue Alba“
sowie
William Gibson´s „Neuromancer-Trilogie“
und
Hans Joachim Alpers „Deutschland in den Schatten“

Da der Text doch recht umfangreich ausgefallen - 30.000 Zeichen - und etwas kompliziert geraten ist, empfehle ich vor dem Lesen einen Ausdruck.

Dank an Old Man für die Korrektur - alle Fehler gehören mir.



11. Skizze
„Team Sieben im Einsatz“


Holy Trinity Catholic Church / 36.th Straße NW / Washington / USA
19. Februar 2037

Im Foyer der Holy Trinity Catholic Church
John Harah öffnete die wuchtige Kirchentür und eine satte Orgelmusik begrüßte sie. Präludium und Fuge D-Dur von Johann Sebastian Bach.
Padme Chiana huschte in den Vorraum der Holy Trinity Catholic Church und war froh, dem eisigen Biss des Wintersturm entkommen zu sein. Zumindest vorläufig. Wie kann es sein, dass – 15 Grad `normal´ist? Sie zitterte wie Espenlaub. John Harah schloss hinter ihnen die massive Tür und lies seinen Blick durch das Foyer schweifen. Vor den beiden glasverzierten – natürlich mit Engelsmotive - Pendeltüren, die den Durchgang zum Kirchenschiff abschirmten, saß ein harmlos erscheinender buckliger Mann in einer braunen Kutte hinter einem hölzernen Tisch. Eine Kassette thronte darauf und bat um mildtätige Kollekte.

„Heute ist geschlossen“, murmelte der gebeugte Kirchendiener und hob sein wie zu einem Gebet geneigtes Haupt. Zwei blinde Augen – Glasaugen – nahm sie vage ins Visier. Der Wächter wiederholte mit dezenten, dennoch unüberhörbarem Nachdruck:“Heute hat unsere Gemeinde geschlossen!“
„Schon gut, Bruder Markus. Wir möchten zu Pater Isaac!“, erwiderte John mit einem etwas gezwungen wirkenden Gleichmut. „Er erwartet mich!“
„Er erwartet Dich? Du, der im Moment der Krise geflüchtet bist, statt mannhaft wie ein wahrer Gläubiger für den Herrn zu streiten ...“, erhob sich streitsüchtig mit kaum verhohlenen Zorn die nun keifende Stimme des Blinden. Und damit gab Bruder Markus zu erkennen, dass er den Besucher identifiziert hatte.
„Darüber wird Pater Isaac zu befinden haben - und nicht du. Wir sind allein gekommen, wie du wohl weißt. Draußen ist es kalt und nass. Von daher“, und John lächelte grimmig, „erscheint ein warmer Platz für ein verlorenes Schäfchen sicherlich angebracht.“
Der Bucklige knurrte verächtlich und starrte schweigend in die scheinbare Leere.

Padme Chiana hatte während des Geplänkels nichts gesagt. Kein Sterbenswörtchen würde über ihre Lippen kommen. So war die Vereinbarung. Harah war derjenige, der sich mit dieser Sekte der Jungen-Erde-Kreationisten auskannte. Vom Inneren des Wales. Da half es nur sich klein zu machen und den Mund halten. Wie sie das hasste!
Doch das war der Plan für das Team Sieben der TAF. John Harah quatschte und kümmerte sich um das Überleben; sie indes - Padme Chiana – hielt die Klappe und reißt dafür Augen und Ohren offen. `Informationen´ hieß das Zauberwort!

Aufmerksam beobachtete Padme alles und jeden, während sie sich ihren Teil dachte.
Der Typ an der Kollekte, der angeblich so arg vom Schicksal mit Blindheit geschlagen worden war, agierte in Wirklichkeit als hochspezialisierter Rigger für die JEK. Bruder Markus mochte zwar keine echten Augen sein Eigentum nennen, dafür besaß er nun hochwertige Implantate. Sicherlich aus der Produktion der ersten Generation. Von der Futschikama-Corporation. 2028. Sündhaft teuer. Kein Privatmensch könnte sich solche speziell aufbereitete Glasaugen leisten. Es sei denn, der Patient wäre ein Millionär oder ein auserlesener Experte – hochwertiges Humankapital - eines Megakonzerns.
Dieser krankhafte Scheiß begann 2019, als die Transy Corportation die ersten echten Cyberworks auf den Markt warfen. Für viel Kredits war es nun möglich, sich Hände mit Implantate aufrüsten zu lassen, die eingearbeitete Titan-Klingen wie ein Schnappmesser ausfahren konnte. Um die Schulden zu begleichen, verdingten sich die Niemands als `Mecki Messer´. Messerkralle für Jedermann; jene, das nötige Kleingeld besaßen. Natürlich zuerst die Elite aus MegKonz. Danach folgten ihre Büttel aus Politik und Wissenschaft. Das war die Geburtsstunde der „Dornen-Reich“-Söldner, die universal durch alle Herren Länder marschierten, um Aufständische und Streikende zu massakrieren. Danach breitete sich diese Perversion wie eine Seuche immer weiter aus. Naturwüchsig wie ein Krebsgeschwür fraß sich die Cyberhyper in die Polizei - und Militärapparaten sowie Geheimdienste - und Bodygardskartellen hinein. Nun war der Punkt erreicht. Wer in der ersten Liga mitspielen wollte, musste notgedrungen die biooptimierte Hardware haben.
Ein explodierender Markt mit extraordinären Profiten!

Als dann Futschikama 2028 ihre `Spinnen´ auf den Markt warfen und damit die Panzer-Technologie revolutionierten, war der Damm endgültig gebrochen. Es wurden nun die `Rigger´gebraucht. Militärspezialisten, die die Panzer-Spinnen effektiv handhaben konnten. In der ersten Ausführung der bahnbrechenden Produktion – Spider I – griff der MegKonz auf ein satellitengestütztes Steuerungssystem - SSS - zurück. Alleine diese Software - SSS/OS.01 - hatte Milliarden Kredits gekostet. Die Operateure – im Grunde genommen ein Speziallistenstab von Megafon-Lohnsklaven – steuerten über eine im Nacken implantierte Cyberbuchse die Panzerspinnen. Winzige Nanorobots frästen elektronischen Schaltkreise auf Keramikbasis in die Wirbelsäule und verband die so implantierten Datenbuchsen mit den entsprechenden Nervenfasern. Der Energieverbrauch erfolgte über die durch den Körper erzeugte Bioelektrizität. So ein Chiphead war direkt mit dem komplexen Überwachungsapparat verbunden: waffenstarrende Drohnen, Panzer-Spinnen und Satellitenkameras.
Die Kommandos erfolgten im wahrsten Sinne des Wortes: Gedankenschnell!
Nun per Hardware biotechnisch optimiert, waren die Operateure jeden Menschen an Informationsfluss und Reaktionsgeschwindigkeit zig-fach überlegen. Und banale Standardrobots, die nur nach Schema F ihre Programme abarbeiten, versagten vor jeder komplexen Situation.
Dann kam die zweite Stufe: Spider II.
Um passgenaue Lösungen für die zahlreichen Mandanten aus der Sphäre von Finanz und Wirtschaft weltweit zu liefern, genügte es nicht, bloß weit ab vom Schuss in irgendeine mobile Zentrale wie in einem Flugzeug oder Caravan seinen Arsch platt zu sitzen. Hautnah und mittendrin – lautet die Devise. Das waren die `Rigger´in den Kapseln der mobilen Panzer. Komplexe Operation vor Ort durchzuführen hieß situativ über Leben und Tod zu entscheiden. Eine rasante Kommando-Sturmtruppe gegen Aufständische, Streikende und Oppositionelle. Jederzeit.
Die `Riggers´waren die bestbezahlten Killer auf der Erde!

Der frömmelnde Bruder Markus konnte daher nicht nur die Informationen flugfähiger Drohnen rundherum um die Kirche abfragen und installierte Kameras im Kirchenschiff selbst jederzeit beobachten. Auch die am Körper rundum angebrachten stecknadelkopfgroßen Teleobjektive gaben ihm einen immerwährenden Rundum-Blick und somit Schutz. Alles war per Datenbuchse über Funk auf den inneren Monitoren der Kryolithaugengläsern zu sehen und per interner Nervenschnittstelle auch zu hören.
One-Man-Big-Brother-Modus!
Ein netter Bonus war das implantierte Speichermodul in den Glasaugen, die jederzeit 100 Terabyte digitales Material speichern konnten. Am ehesten wurden diese stummen Zeugen als direkte Aufzeichnungsgeräte bei Verhandlungen und geheime Sitzungsprotokolle benutzt.
Doch die Option, per Gedankenimpuls Waffen zu aktivieren, um unliebsame Eindringlinge und sonstige Gegner zu liquidieren, war essenziell. Praktisch als digitales Beweismaterial für Prozesse, z.B. als Beleg für die Erschießung renitenter Ungläubiger in präventiver Notwehr.
Solche `Rigger´ gab es nicht viele. Knapp 500 Mann weltweit.
Es stand außer Frage, dass diese Spezialisten selbst gegen Diebstahl oder Selbstentführung gesichert waren. Mikrobisch kleine Schädelbomben an den Datenbuchsen verhinderten jede Fahnenflucht beim Militär oder schützen vor Verrat bei den Konzernen.
Eine saubere Sache.
Der Chiphead diente bis zum Ende seiner Tage als Lohnsklave seines Herrn.
Sie konnte nicht glauben – Padme ballte schmerzhaft ihre Finger zur Faust, während sie die ganz Zeit auf Weibchen machend blöde aus der Wäsche guckte –, dass der Idiot von John Harah das alles nicht wusste. Natürlich kannte er diesem verdammten `Rigger´-Dreck. Und hat die Klappe gehalten. Hatte es nicht für nötig gefunden, dem Koordinator für Sicherheit und ihr auch nur ein Sterbenswörtchen ins Ohr zu flüstern. Nee bewahre! Warum auch?

Wenn sie hier lebendig raus kommen sollten, woran sie langsam ernsthaft zu zweifeln begann, dann würde sie ihn in den Arsch treten – und zwar mit Anlauf!
Fakt Nr. 1: Die Bewegung Jungen-Erde-Kreationisten waren fett mit dem hiesigen Militär vom Pentagon und den Megakonzern Futschikama im Geschäft!


Bruder Markus gab sich indes einen Ruck und erwachte aus seiner Starre, nachdem er einige ungemütliche Minuten geschwiegen und still per Datenbuchse kommuniziert hatte, was offenkundig eine recht einseitige Angelegenheit gewesen war.
„Ok Bruder Harah“, knurrte Bruder Markus widerwillig, „Pater Isaac erwartet dich. Du kennst den Weg. Den Hauptgang des Kirchenschiffs entlang bis zum Altar und dann ...“
„Geschenkt“, winkte John großspurig ab und setzte sich in Bewegung. Chiana folgte brav. Gemeinsam gingen sie durch die prachtvolle Kirche.
Ganz nach vorn.
Dort sprang John auf dem Podest und drehte das Kreuz auf dem Altar um 180 Grad. Nun schob sich lautlos eine Bodenplatte zur Seite und gab eine Treppe frei. Neonlicht flackerte an den Wänden. Ohne sichtbaren Zögern, stieg Harah die Stufen hinab. Seufzend sich dem Schicksal ergebend folgte Padme hinterdrein.
Ganz nach unten.

In der Katakombe der Holy Trinity Catholic Church
Harah und Chiana waren kaum zehn Meter in den unterirdischen Katakombe eingedrungen, als sie das leise Klacken der Waffen hörten.
„Das reicht für ein `Hallo´, John“, begrüßte sie eine bassige Stimme, deren Klang in dem feuchten Mauerwerk widerhallte. Dann erblickte Padme im flackernden Neonlicht die Runde Männer mit ihren gezogenen UZI, Marke MP-K 30.

„Gott Lob, Pater Isaac“, erwiderte John bemüht gelassen, „lange nicht gesehen.“
„Jepp, und jetzt bist du wieder hier. Gott zum Gruß – und wie kommt´s?“, grollte Pieter, wobei eine gewisse unterströmige Reserviertheit mitklang.
Als Hüter der hiesigen Gemeinde, die wahrhaftig nicht klein zu nennen war, nahm er seine gottgefällige Pflicht sehr ernst. Und so blickte er mit einer deftigen Portion Misstrauen seinen einst eifrigsten Schüler forschend an. Trotz den 68 Jahren, die auf seinen Schultern lasteten und ihre Spuren in Form eines kahlköpfigen Geierkopfes und einer gemästeten Wampe hinterlassen hatten, strömte aus ihm eine gewisse Vitalität, wie sie nur eifernde Entschlossenheit zustande brachte und die über den welken Körper triumphierte. Er war ein wahrhafter Streiter seines Herrn.
Padme schwieg und linste verstohlen, während ihr Hirn rotierte.

Schlimmer geht immer!
Rund hundertzwanzig Mann – allesamt mit der UZI MP-K 30 bewaffnet. Geladen mit Explosivgeschossen auf kurzer Distanz. Das neuste Modell von Hecker-Krupp, dem deutschen MegaKonz. Noch ein Weltkonzern mit dem Status der Exterritorial. Waffenlieferant in allen Herren Länder. Und wer will es sich schon mit denen verderben? Niemand! Schließlich könnte man auf ihre Dienste angewiesen sein. Irgendwann. Irgendwo. Irgendwie.
Es sind ja nicht nur die Waffen, sondern vor allem die Bereitstellung von Söldnertruppen! Rekrutiert – mehr oder weniger freiwillig – aus Kenia und Somalia sowie ähnlich gescheiterten Staaten wie Griechenland. Eltern verkauften ihre Kinder für eine Handvoll Kredits, um für paar weitere Jahre ihre nackte Existenz fristen zu können. Oder ein Selbstverkauf, um die Familie vor den Hungertod zu bewahren. Möglicherweise bloß von der Straße weg entführt und in die Sklaverei verschoben. Der Handel mit menschlicher Ware besaß in ihrer einfachsten und ehrlichsten Form eine über fünftausend Jahre alte Tradition. Und war immer noch schwer angesagt. Natürlich nicht so direkt in den sogenannten humanen `kulturellen Zentren´. Dennoch dicht davor. Ungarn und Serbien kurz vor den USE sowie Mexiko und Haiti vor den USA.


John beschloss in die Offensive zu gehen. „Als ich das letzte Mal hier war, mussten wir uns nicht wie Ratten in den Katakomben verstecken. Sind die Diener des Herrn schon so in die Enge getrieben?“
Padme stöhnte innerlich auf. Sie wusste genau, worauf dieser Macho-Scheiß hinauslaufen würde.
Die Mündung von einigen UZIs fokussierten sich bedrohlich auf Harah.
Yo, dieses hier war kein Klein-Fritzchen-Spielchen für Kiddies und auch kein Ponyhof für die nächste Youngster-Generation.
Provokationen blieben unerwünscht.

Padme erinnerte sich noch gut daran: Damals, als der größte Gold- und Platinproduzent der Welt, der südafrikanische MegKonz Anglo-Ashanti, im Jahre 2032 von der Firma Hecker-Krupp 1.000 Exemplare der neusten UZI eingekauft hatte.
Da in Deutschland Menschenrechte und Wirtschaftspolitik zweierlei Rechtssphären waren und somit einfach mit zweierlei Maß gemessen wurde, gab es null Probleme. Genauso wenig, wie die Durchsetzung des Hausrechts des Exterritorial von Anglo-Ashanti. Die 1.000 Mann starke paramilitärische Garde ging gegen die Minenarbeiter vor und erschoss knapp 5.000 Arbeiter. Ein Zehntel der Streikenden! Ein Exempel war statuiert worden. Die herrschende Schicht war zwar geneigt, für die Bevölkerung ein wenig Theater zu spielen, welches sich „demokratische Wahlen“ nannte, jedoch dieser kulturelle Touch hörte vor dem Werktor auf. Das musste jedermann begreifen. Entweder auf der modern vorgebrachten Weise per Dialog durch gutbezahlte Sozialtechniker oder eben auf der klassischen Tour, wo traditionell die Macht aus den Gewehrläufen kommt.
Die spezielle Raffinesse der UZI MP-K 30 lag in ihrer um 30 Minisekunden verzögerten Explosion. Egal, ob Volltreffer oder Streifschuss. 30 ms später erfolgte eine in der Kugel eingelagerte Zweitzündung, die alles rund um 10 cm Radius zerfetzte. Haut, Knochen, Gedärme.
Natürlich war nach diesem aufsehenerregendem Massaker an den südafrikanischen Arbeitern das Entsetzen und die Empörung groß. Der Sprecher des deutschen Wirtschaftsministerium beeilte sich zu versichern, dass dafür natürlich keine Exportgenehmigung der Waffen gegeben worden sei. Man werde einen Untersuchungsausschuss einberufen und sehr lange und sehr gründlich über mögliche Konsequenzen debattieren. Blieb nur noch die Frage im politischen Raum schwebend offen, wofür die deutsche Waffenexporte denn sonst getätigt werden sollen. Zum Tauben schießen?


„Du reißt wieder einmal groß deine Fresse auf, John“, klang aus dem abgedunkelten Hintergrund eine raue Stimme wie ein Brecheisen. „Heute halten wir eine besondere Versammlung mit einem besonderen Gast ab. Und der bist nicht du!“
Harah brauchte sich erst gar nicht zu dem Sprecher drehen, um zu wissen, wer dieser war. Er kannte ihn bereits, schon sein ganzes Leben lang.
Sein echter und wahrhaftiger Bruder Joshua.
„Du hier? Mein Lieber, ich war hier, als die großen Kämpfe stattgefunden hatten und unser Präsident gefallen war!“
„Und ich“, zischte sein Bruder wutentbrannt, „habe mir das zugelegt.“
Joshua hob seine beiden Arme. Aus den Händen klickten Titan-Klingen heraus.
Der große Bruder war wirklich riesig. Womöglich noch ein paar Zentimeter höher und gewiss ein paar Zentimeter breiter als John.
Ein Bär von einem Mann.
Ein Mann zum fürchten.
Ein fürchterlicher Mann.
„Verstehe, eine Messerklaue bist du geworden. Ein großer Wolverine – für dein kleines Ego?“
Chiana stöhnte.
„Ja, Bruder John. Ich war zu Hause in Huntsville und habe da die Ungläubigen zur Verantwortung gezogen. Mit meinen eigenen Händen“, wobei er triumphierend mit seinen Messerkrallen fuchtelte.
„Zu Hause – bei uns? Du hast...?“
„Genau. Unsere Eltern und unsere kleine Schwester getötet. Ein wahrer Gläubiger erkennt seine Pflicht, wo er sie findet. Vor allem: erst einmal vor der eigenen Tür kehren. Worum du dich gedrückt hast.“
John sprang mit einem gewaltigen Satz vor – und wurde von den Läufen der UZIs gestoppt.
„Genug mit dem Unsinn. Alle Beide! Doch jetzt sag, John: Wo bist du gewesen? Was willst du wieder hier?“
„Pater Isaac“, erwiderte Harah stockend, noch voll überschäumendem Hass geschüttelt, „nach der blutigen Niederlage bin ich nach Huntsville zurückgekehrt. Dort holte ich mein Weib ab. Da der Kampf noch länger anhalten wird, wollte ich nicht auf sie verzichten.“
„Eine Nutte. Klar. Aber: eine schwarze Hure. Sünde“, grölte Joshua gehässig.
„Sicher, du scheinheiliger Pharisäer. Verdamme nur, was du selber nicht besorgen kannst“, konterte John spöttisch.
Joshua kam knurrend mit seiner ausgefahrenen Titan-Klinge auf John zu.
„Ich sagte bereits: Aufhören!“, brüllte Pater Isaac.“Ich hab dafür keine Zeit!“
Er legte seinen Kopf schief, als würde er auf etwas lauschen. Auch er hatte sich eine Datenbuchse implantieren lassen. Damals nach dem dritten Irak-Krieg. Doch anderes als Bruder `Rigger´Martin war Pater Isaac ein Decker.

Padme sinnierte über die `Wolke´, die wie Saurer Regen über die Menschheit gekommen war.
Nachdem 2010 die `Wolke´, d.h. die Cloud-Technologie als globaler Standard der digitalen Informationsverarbeitung in der Wissensgesellschaft festgelegt worden war, übernahmen nach und nach eine Handvoll Konzerne, IBM, Intel, LavaChin, IndiRek und Sonytoky die Sache. Die MegKonzs buddelten bis zu 50 Meter unter der Erde tief und errichteten dort gigantische Rechenzentren. Atombombensicher. So entstand - völlig autark von Energie – und Demokratieproblemen - das Web 3.
Die Matrix wurde 2022 ausgerufen.
Ein Decker war ein hochqualifizierter Experte in der Datenbeschaffung und - verarbeitung in der virtuellen Welt. Gleich einem `Rigger´besaß er eine Datenbuchse im Nacken implantiert. Mit seinem Cyberdeck – einer hoch spezialisierten Tastatur mit frei programmierten integrierten Softwaretools konnte er sich im Net einspeisen und gedankenschnell durch die virtuelle Matrix in scheinbar unbegrenzten Welten surfen. Das Interface wurde nur durch spezielle Memorychips limitiert. Im Grunde gab es nur drei Kategorien: entweder der Decker war ein Lohnsklave für einen der diversen Konzerne und noch vorhandenen staatlichen Organisation oder er war ein NGO-Freischaffender und Pirat. Ansonsten blieb er Normalo, ein Gimpel für die Hausmannskost.
Die Front verlief quer durch das virtuelle Net.
Entscheidend in diesem Katz – und Mausspiel waren die Angriffs – und Verteidigungstools. Hochkomplexe Algorithmen im Cyberdeck eingespeist setzen das Limit des Deckers. Programmierung, Raffinesse und Glück entschieden über Reichtum oder Elend; womöglich zog manch einer sogar eine Niete in Form von schwarzem ICE, welches einem das Hirn grillte. Mit den Wächterprogramme der großen Fünf war nicht zu spaßen.
Und seit dem Terrania sich mit dem arkonidischen Positronik ins Net integriert hatte, leuchtete ein ICON von einem Raumschiff wie eine strahlende Nova in der Matrix.
Bereits jetzt schon legendär war der Shadowrunner `Prim´, der sich für irre sieben Minuten – eine digitale Ewigkeit - in die `Terrania Aktuelle Tagesschau´(TAT) gehackt und eine Warnung ausgerufen hatte. Niemand wußte, wer er war. Man sah nur sein digitales Ava – eine Icon in Form eines Indianerjungen. Er erklärte, dass ein Aspekt der arkonidischen Dekadenz in einer Form von digitaler Seuche vorliege, die eine kulturell-evolutionäre Grenze für jegliche Zivilisation darstellen würde. Erschwerend käme noch hinzu – so hätten seine theoretischen und praktischen Auswertungen ergeben – , dass ein gewisser digitaler `Medikamenten-Missbrauch´ in Form vom `grauem Eis´vorliege. Ursprünglich ein Wächterprogramm auf extrem hohen Level, würde dieses gezielt als Herausforderung benutzt werden - um dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit rettungslos süchtig sich in diesem digitalem Labyrinth zu verirren, apathisch dahin vegetieren und ohne Notfallsicherung zusterben.
Seit diesem `Prim Run´ wurden rund um den Globus seine Thesen heiß und kontrovers debattiert.


„Achtung, er kommt! Leute, reiß euch zusammen – unser Ehrengast ist da.“


Moncadas [*][/i]
Zuerst war nur ein leises Schaben aus der Tiefe der Katakombe zu hören. Dann trat ein großer schlanker, fast schon hager zu nennender Mann aus der Dunkelheit hervor. Er trug ein Hemd, Hose und Stiefel in schwarz und alles sehr elegant. Im Grunde genommen wäre er ein anziehendes Wesen zu nennen gewesen. Doch seine weichen Gesichtszüge wurden durch die harten Linien um den Mund verunstaltet und seine grünbraunen Augen blickten eiskalt wie der Tod. Sein offenes Satinhemd entblößte ein Christus-Tattoo auf der Brust und darüber trug er zu allem Überfluss noch ein eisernes Christus-Kreuz.
„Monk“, rief John erstaunt und ein freudiges Grinsen breitete sich wie die sonne im Morgengrauen über sein Gesicht aus.
Moncadas nickte würdevoll. „Ja John, ich bin es.“

Chiana spürte wie sich ihr Magen zusammenkrampfte zu einem Klumpen verhärteter Sorge und Kummer.
Monk, ein Antimutant, der alle Mutantenfähigkeiten zu neutralisieren vermochte, hatte vor paar Monaten ein Dutzend Mutanten auf einer Farm in Virginia gefangen genommen. Erst mit Hilfe von Mildred Orson und Julian Tifflor gelang es einem Sonderkommando diese zu befreien. Dazu noch zwölf weitere `normale´ Personen, wobei Tiffs Vater als der jetzigen Koordinator für Justiz und Menschenrechte wohl der bekannteste Gefangene gewesen war.
Wie kam dieser Fanatiker hierher?


„Wow, ich dachte, du wärst auf der Guantanamo Bay Naval Base in Kuba?“, fragte verblüfft Harah.
„War ich auch. Für ein paar Monate, bist sich der Wirbel gelegt hat. Dann hat mich die DHS rausgeholt. Schließlich kämpfen wir von der Jungen-Erde-Kreationisten-Bewegung und das United States Department of Homeland Security zusammen. Gemeinsam Hand in Hand gegen Terroristen und Dämonen, die das amerikanische Volk und die gesamte Menschheit bedrohen.“
Monk lachte leise wie ein geschliffenes Messer. „Diese idealistischen Spinner in der Terranischen Union. Der Administrator Homer G. Adams mag sich einen Plan zur Vereinigung der Menschheit machen und in seinen Träumen die über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen der Staatengemeinde vereinheitlichen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Im Rahmen der Globalisierung sind seit 2020 weltweit das Militär und die Polizei, die Geheimdienste und die Gefängnisse privatisiert worden. Alle Organisationen der Macht stehen unter der Kontrolle der Mega-Konzerne; sei es in den USA und USE oder in Australien, China und Japan. Daran wird sich nichts ändern. Die exterritoriale Justiz und Exekutive sind bereits soweit fortgeschritten, dass diese unwiderruflich zementiert worden sind.
Perry Rhodan und sein Schiff voller Narren mögen durch die Galaxis fliegen und Kontakte zu den Dämonen pflegen, doch damit bewirken sie hier auf Erden nichts. Wir werden das durch arkonidischen Technologie erzeugtes Ungleichgewicht wieder ins rechte Lot bringen. Und das“, dabei blickte Monk - dessen letzte Sätze zunehmend die Litanei einer Predigt angenommen hatte und seine Augen voller innerer religiöser Gewißheit feurig leuchteten - die Männer an,“ wird unsere Aufgabe sein. Wir sind die Sintflut der wahrhaft Gläubigen und werden den ersten Schlag gegen das Fundament der Ketzer führen: Direkt gegen Terrania!“
„Amen.“ flüsterte John Harah ergriffen.
Nach und nach fielen weitere heisere Stimmen ins Credo ein.
„Amen.“
„Amen.“
„Amen.“

„Aber was macht diese Nutte hier“, zischte Monk entzürnt, der erst jetzt Chiana wahr genommen hatte.
„Sag ich doch - erschlage das Luder!“ sekundierte Bruder Joshua.
„Sie gehört mir! Ich habe sie mitgebracht. Sie kann nützlich sein“, erwiderte John mit aller Entschlossenheit gegen die nun langsam erneut aufkommende angespannte Atmosphäre.
„Nützlich? Wie kann die nützlich sein?“, höhnte Monk.
„Nun sie hasst die Dämonen wie wir und kämpfen kann sie auch.“
Empörtes Murmeln breitete sich unter den gläubigen weißen Bürger aus. Und die anwesenden `Dornen-Reich´- Söldner aus Deutschland spuckten angewidert zu Boden.
„Brüder, hört mich an“, begann Harah erneut eindringlich zu reden, wohl wissend, dass dieser Moment die einzige Chance bot, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. „Nur weiße Männer sind wahre Gläubige vor dem Herrn. Gewiss. Jedoch bedenkt: Draußen im Weltraum lauern Horden von Dämonen, ein Millionenheer von Bestien. Es sind nicht nur die Arkoniden, sondern auch die Topsider, die Aras und die Fantan. Und noch mehr Abscheulichkeiten, die wir bis jetzt nicht kennen. Unser Kreuzzug hat erst begonnen - und wir sind nur wenige! Wir müssen mehr werden und dürfen in dieser Phase des gerechten Kampfes nicht wählerisch sein. Wir müssen auch das Gesindel nehmen, sofern diese für uns nützen sind. Sogar Frauen. Und sei es bloß als kleine Belohnung und als netter Zeitvertreib.“
Zustimmendes Gemurmel schwoll an und brach sich dann ins Gejohle Bahn.
Johns Botschaft kam an.
Sogar Priester Isaac nickte zustimmend und grummelte:“Da ist was Wahres dran.“
Moncadas stierte Harah paar Sekunden nachdenklich an, lachte dann in einem unangenehm hohen Fisteln auf und meinte: „Gar nicht mal so schlecht, John. Du bist auf zack. In der Tat ist es so, wie du sagst. Auch wir hatten genau darüber nachgedacht. Die JEK brauchen viele Krieger und Knechte. Und in der Sektion Australien läuft bei der Futschikama-Corporation gerade ein sehr spannendes Experiment. Darüber darf ich hier nichts verraten. Nur soviel: die brauchen viele Testpersonen, bevor wir wahren Gläubigen daraus nutzen ziehen können. Der MegKonz bedient sich natürlich aus den üblichen Quellen: der Ghettos von Melboune und Sydney bis Jakarta und Brunei.“

Monk wandte sich an Pater Isaac und flüsterte ihm etwas zu. Isaac nickte, während sich sein Gesicht zu einer gehässigen Miene verzog und eilte in die Tiefe der Katakomben davon.
„Dann zeig mal, wie gehorsam dein Spielzeug ist“, wandte sich Monk breit grinsend Harah zu.
Der nickte und rief gedämpft: „Sitz, Barbie.“
Chiana zuckte zusammen und funkelte ihn zornig an.
John seufzte:“ ´Tschuldigt. Eigentlich ist die Kleine lammfromm, wenn ich das mal so sagen darf. Aber hier vor so viel Publikum, da geniert sie sich.“
Dann hob Harah barsch die Stimme:“Barbie - Platz!“
Zähneknirschend hockte sich Padme vor John nieder und schwor im Stillen, bei der erst besten Gelegenheit ihm die Weichteile zu zermalmen.
„Geht doch, nicht wahr?“, meinte John jovial und tatschte grob ihren Kopf. Eine Geste, die zwischen Streicheln und Schlagen lag.

Inzwischen war Isaac zurück und reichte Monk einen Gegenstand. Dieser gab es an Harah weiter: „Hier haben wir ein hübsches Halsband. Ursprünglich für die Dressur von Hunden konzipiert und von uns weiterentwickelt. Nützlich für widerspenstige Weiber und natürlich für alle anderen aufsässige Gesindel auch. Wir erproben diese Halsband gerade an den mexikanischen und kubanischen `Haushaltsgehilfen´ in den Südstaaten. Hier, nimm. Leg es ihr an!“

Damit reichte er Harah das Halsband und sah zu, wie John dieses um Chianas Hals einschnappen lies.
„Stahl-Kupfer-Legierung. Stabil und geschmeidig zugleich. Liegt direkt auf der Haut. Und nun schau mal.“, sinnierte Monk genüsslich und zog mit einer gewissen zurückhaltenden Begeisterung eine kleine Fernbedienung.
„Grün leuchtet – wie jetzt – wenn das Halsband geschlossen und aktiviert worden ist. Drücke ich den gelben Sensor wie jetzt...“ – Chiana spürte ein Brennen um ihrem Hals, welches langsam sich schmerzhaft steigerte - „Je länger ich den Sensor gedrückt halte, desto mehr schwillt dieser Stromimpuls an. Damit dressieren wir die Mexis.
Monk nickte Harah zu.
Du kannst deine Barbie-Puppe behalten, John. Aber du übernimmst die Verantwortung. Wenn die Kleine M*** baut, ist sie tot – und du auch. Verstanden?“
„Verstanden.“ John nahm die Fernbedienung. „Und nun?“
„Jetzt besprechen wir die erste Welle. Meine Leute von der Anti-Mutanten-Allianz werden den ersten Schlag gegen die Missgeburten führen. Die AMA wird gemeinsam mit den JEK und den Söldnern von Dornen-Reich Terrania stürmen. Unbemerkt. Zugangscode und Einsatzpläne erhalten wir vom chinesischem Geheimdienst. Dann stürmen wir das Lakeside Institute und schalten die Mutanten aus. Es werden keine Geiseln genommen und keine Gefangene gemacht.
Alle werden bei Sichtkontakt sofort liquidiert!
Danach startet die zweite und dritte Welle: es folgt der Sturm auf den Stardust Tower und das neue Fusionskraftwerk.
Entscheidend bleibt in der ersten Phase die Exekution aller PSI-Bestien. Damit steht oder fällt die Operation `Hammer´. Ich bin mir sicher, dass nach diesem Sieg auch viele Ex-Soldaten der chinesischen Miliz des Bai Jun sich auf unsere Seite schlagen werden. Zumindest versicherte dieses uns der Staatssekretär des Politbüros für Geheimdienste und militärische Sonderaktionen.
Ok, Jungs, lass uns nun die Details der strategischen Planung besprechen.
Und du, John, legst dein Puppe mal auf `Pause´.“

Monk zeigte auf die Fernbedingung.
„Der rote Sensor erzeugt eine kurzfristige Hochspannung. Damit legst du alle Puppen flach. Entweder fallen diese in Ohnmacht oder ihr Herz bleibt stehen. Wollen wir mal für dich hoffen, dass die Kleine ein starkes Herz hat. Nicht? Und der schwarze Sensor da: ein Doppelklick und die im Halsband implantierte Sprengkapseln explodiert und zerfetzt die Arterie. So, nun drück mal auf den roten Sensor.“
Padme dachte noch gerade: Fakt zwei – die Anti-Mutanten-Allianz unter Führung von Monk machen gemeinsame Sache mit der JEK. Fakt drei – die DHS mischt in dieser Schweinerei kräftig mit. Fakt vier – überlebe ich diesen Scheiß, bring ich Harah um!
John richtete seine Aufmerksamkeit auf Chiana, während er genüsslich grinsend den roten Sensor bestätigte: „Barbie, Schlaf schön!“
Chiana schrie gellend vor Schmerz auf, bäumte sich auf, um dann kopfüber zu Boden zu stürzte.
Im tiefen Fall hörte sie noch John satt zufrieden sagen:“ Mann, ich bin ganz heiß – endlich wieder bei euch mitmischen zu können.“
Dann schwanden ihre Sinne und sie stürzte in der Dunkelheit.

[*] # 18 - „Der erste Thort“ von Michelle Stern.


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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Und hier die Fortsetzung ...

Zugleich ist es eine Hommage auf Stephen R. Donaldson´s Amnion-Zyklus
sowie - wieder einmal - auf George R.R. Martins "Das Lied von Eis und Feuer".

Die Skizze hat diesmal 33.000 Anschläge -
daher mein Tip: erst ausdrucken, dann lesen.

Danke an Old Man für die Korrektur - alle Fehler gehören mir.


12. Skizze:
Der Angriff auf Terrania

Stadt Sainshand / Lakeside Institute / Terrania
23. Februar 2037

04:50 Uhr
In einer Lagerhalle von Sainshand / Gobi-Wüste /VR China
Hundertzwanzig Mann und eine Frau hatten sich in einer stickigen Lagerhalle der chinesischen Volksarmee von Sainshand versammelt. Ihre Gesichter blickten angespannt. Ihr Zielobjekt fast erreicht – lag unmittelbar vor ihnen.
Eingeschleust in Hong Kong, dann in einem geschlossenen und verplombten Personenzug der Volksmiliz die Strecke über Wuhan und Beijing bis Sainshand zurückgelegt, um hier letzten Halt zu machen. Eine solche operative Durchführung in diesem großen Stil war nur mit Einwilligung hochrangiger Offiziere des chinesischen Geheimdienstes möglich gewesen; womöglich sogar gedeckt von `höchster Stelle´- also vom ZK oder gar dem Politbüro. Und das musste wohl stimmen, denn sonst wäre es absolut unmöglich gewesen, zwei tragfähige Booster-Gum-Atombomben ins Land zu schmuggeln. Eine Sonderanfertigung von amerikanischen Atomwissenschaftlern, die ein Design entwickelt hatten, womit ein 20-kg-Sprengsatz aus Uran-Kobalt-Gemisch das Maximum an Zerstörung an tödlicher Ernte einfuhr.
Bombe I war für den arkonidischen Fusionsreaktor `Guanghu´ - so die chinesische Folklore - gedacht, welcher aus den demontierten Werk in der Venus-Zuflucht hier im Yinshan-Gebirge erneut zusammengesetzt worden war, um nun als `Glorienschein´- so die terranische Bezeichnung - Terrania mit Energie zu versorgen. Den vierzig Söldnern von `Dornen-Reich´war absolut klar, dass diese Mission nicht nur ein Himmelsfahrtkommando war, sondern sie definitiv nicht lebendig aus dieser Sache herauskommen würden. Sie waren Todgeweihte und das Erfolgshonorar würde an den gewünschten Hinterbliebenen ausbezahlt werden. Alles streng juristisch im Testament verfügt und unterschrieben. Hauptmann Siegfried `Samson´ Mayer würde die Atombombe selbst tragen.
Bombe II war für den Stardust Tower gedacht. Speziell wegen diesem Operationsziel war auch diese besondere Materialkombination gewählt worden. Neben der extremen Zerstörungswucht kam das Element der „dreckigen Bombe“ zum tragen. Durch den intensiven Ausstoß der Neutronenstrahlen würde, selbst bei einen möglichen weiteren Bestand durch die ultrastabile arkonidischen Bauweise des Tower, das Gebäude dermaßen mit harten Strahlen bombardiert werden, dass alle anwesenden Menschen im Radius von 1000 Meter qualvoll sterben und eine auf ewig verseuchte strahlende Ruine hinterlassen würde. Diese Bombe würde Pastor Isaac persönlich tragen. Es ist sein Kreuz in Demut vor dem Herrn.
Auch der von ihm geführte vierzig Mann zählenden Zug von Jungen-Erde-Kreationisten würde nicht überleben. Die wahren Gläubigen hatten mit ihrem Leben im Gebet abgeschlossen und würden nun jubelnd ihrer heilige Pflicht nachkommend in den Opfertod gehen, denn ihnen war das Himmelreich gewiss.
Blieben noch die letzten vierzig Kämpfer der Anti-Mutanten- Allianz. Unter der Führung von Monk würden sie das Lakeside Institute stürmen und alles was sich dort regte liquidieren. Gefangene würden nicht gemacht.
Auch die Männer der AMA waren sich bewusst, dass sie nicht lebendig aus der Hochburg der Bestien herauskommen, sondern im Kampf gegen Terrania sterben werden.

Entscheidend war der Zeitplan.
Um 10:00 Uhr war der Sturm der Truppe „Beast“ auf das Lakeside Institute angesetzt.
Dann, um 10:15 Uhr würde der sie begleitende Trupp “Dust“ vom erobertem Gelände aus gegen den Stardust Tower los schlagen. Aber erst, wenn gesichert war, dass die Psi-Monster durch den Anti-Mutanten ausgeschaltet worden waren.
Und um 10:45 Uhr würde die bereits im Gebirge stehende Truppe “Feuer“ das Fusionskraftwerk stürmen.
Es war die letzte Ruhepause vor dem Sturm. Die Einsatzbesprechung mit den letzten Details war abgeschlossen. In einer Stunde würde die letzte Etappe beginnen.

Chiana kroch auf allen Vieren durch die große Lagerhalle. Sie trug wie alle anderen auch eine chinesische Milizuniform. Natürlich erkannte jeder sehende Mensch, dass sie keine Einheimischen waren. Dennoch: soweit möglich sich unters Volk mischend tarnen. So lautete die Ausbildungsrichtlinien für subversive Elemente, die sie waren. Damit hörte aber bereits die Gemeinsamkeit auf.
Padmes Uniform war steif vor verkrusteten Dreck und zerschlissen von den ungezählten Rissen. Ihr Gesicht offenbarte ein Schlachtfeld von geschwollen blauen Flecken und aufgeplatzten Lippen.
Bereits seit vielen Tagen führte sie ein erbärmliches Hundeleben. Sicherlich, als Harahs `Spielzeug´ `genoss´ sie einen gewissen Schutz. Eine Rücksichtnahme, die sich allerdings nur darauf beschränkte, dass ihr vor der gesamten Horden nicht die Klamotten vom Leib gerissen und sie einer Gruppenvergewaltigung zur Belustigung und Entspannung aller Männer unterzogen worden war. Das war die einzige Fürsorge, die John ihr – eher beiläufig, ja geradezu widerwillig - zukommen ließ.
Doch nun – wie in jeder größeren Pause – lief sie ganz auf läufige Hündin dressiert durch das in mehreren Grüppchen aufgeteilte Lager. Als geile Töle musste sich betatschen und verspotten lassen, während die Söldner von `Dornen-Reich´ sich gegenseitig ihre mehr oder weniger ausgeschmückten Heldentaten aus vergangenen Zeiten und verbrannten Ländern erzählten. Derbe Schläge, die als Streicheleinheiten getarnt waren, brachten jede Menge blaue Flecken und Schmerzen; immerwährende Schmerzen, die weit über das körperliche Maß hinausreichten.
Meistens bekam Chiana nach einer gewissen Zeit einen derben Tritt und dann kroch sie winselnd weiter.
Ihre nächste Leidenstation waren die etwas abgegrenzt sitzenden wahren Gläubige der Jungen-Erde-Kreationisten, wo sie auch nicht gut gelitten war. Die belauerten Padme die ganze Zeit über mit verhüllten, nichts-desto-trotz vorhandener verzerrender Gier . Jedoch die Pharisäer konnten gegenüber ihren Mitbrüdern und sich selber nicht eingestehen, dass sie notgeil waren und am liebsten über diese verlockende Sünde herfallen würde. So blieb ihnen frustriert nichts anderes übrig, als ihre implantierten Krallen auszufahren und sie auf dem Rücken zu `streicheln`. Daher rührte die zerfetzte Uniform und ihre blutigen Streifen auf dem Rücken, die Nachts verkrustete, um am Tag erneut aufzureißen. Dennoch - oder gerade deswegen - erzählten auch diese gläubigen Peiniger von ihren Leben und Erlebnissen. Und jagten ihren Träume vom Fall Babylons - welches in diesem Zeitalter Terrania und die Terranischen Union war - nach.
Irgendwann stießen auch die JEK-Jünger sie mit Fußtritten davon und so landete Padme zum Schluss bei der AMA.
Chiana hasste diese rechtschaffenen weißen Biedermeier-Rassisten aus tiefsten Herzen. Ungehemmt von irgendwelcher durchgeknallter Söldnerehre oder scheinheiligem Keuschheitsgewäsch der wahren Gläubigen bediente sich das elitäre Pack der Anti-Mutanten-Allianz hemmungslos in ihrer Gier. Doppelt und dreifach taten sie das, was die anderen Fraktionen ihr angetan hatten. Die weißen Herrenmenschen hatten eine ungehemmte Lebensfreude an ihren sadistischen Spässchen - frei von jeglichen Skrupel und Hemmungen. Einfach deshalb, weil sie es tun konnten.

„Genug jetzt“, durchschnitt die eiskalte Stimme des AMA-Führers das fröhliche Gejohle der Männer. „Männer, es geht los. Jetzt.“
Hundertzwanzig Mann wurden schlagartig ernst. Ihre harten Gesichter verschlossen sich noch tiefer bis zur gefrorenen Versteinerung. Griffen zu ihren Waffen, die sie liebevoll ihre `Braut´nannten und machten sich auf den Weg zu ihrem Militärbus.
Der Countdown lief …

08:10 Uhr
Lakeside Institute / Terrania
Fulkar, der Arzt von Aralon, blickte nervös zur Eingangshalle des Lakeside Institute of Metal an Physical Health – kurz Lakeside Institute genannt – und wand sich innerlich gegen seine Funktion als gleichberechtigter Gesellschafter. Gemeinsam mit John Marshall, dem Leiter des Mutantenkorps, kümmerten sie sich um die geistigen, körperlichen und seelischen Belange der hier lebenden psi-begabten Lebewesen. Menschen und Mausbiber.
Fulkar blickte verstohlen John an, der ganz in sich ruhend gelassen das kommende erwartete. Nun ja, schließlich ging es um eine Rasselbande von terranischen Kids und deren Eltern, die hier – ganz unverbindlich und nur aus Spaß an der Freude – sich in einer Testreihe auf mögliche latente Para-Fähigkeiten untersuchen lassen wollten.
Ein Förderprogramm der Terranischen Union, um mögliches Potenzial der Menschen zu entdecken und dann deren Fähigkeiten zu entwickeln. Eine ganz besondere Art von Humankapital; extrem selten, wie die Arkoniden Crest und Thora offenbarten und er – Fulkar - aus Sicht eines ara´schen Arzt nur bestätigen konnte. Mutantenfähigkeiten waren in der Galaxis eine exotische Rarität. Ob es an die 5-D-Strahlen der einheimischen Sonne oder an einer Besonderheit des menschlichen Genoms lag, blieb dahin gestellt. Natürlich hatte es solche Begabungen schon immer gegeben, doch wurde diese aufgrund der abergläubigen Vorbehalten in den breiten Schichten der Bevölkerung – sprich: irrationaler Mord und Totschlag aus Angst und religiösem Wahn – meistens geheim gehalten. Erst in den letzten Jahrhundert – im Zuge der „Aufklärung“ und des sich verdichtenden Informationsflusses im Rahmen der Globalisierung - kamen immer öfters exotische Geschichten über die Mutanten in die Öffentlichkeit. Und jetzt – mit Perry Rhodan – fassten sich viele ans Herz, sammelten Mut und outen sich. Nach und nach trudelten aus aller Welt die Menschen mit besonderer parapsychischen Macht hier ein. Natürlich auch solche Personen, die hofften und glaubten, auch sie gehörten zu jenen besonderen Menschenschlag. Eine wirkliche Geisteswende. Was zuerst wie ein Fluch schien, erwies sich jetzt als Segen – jedenfalls nicht mehr als Krankheit und Makel. Auch wenn natürlich immer noch viele Menschen auf Erden massive Vorurteile pflegten.
Etwas zutiefst menschliches. Angst und Aggression – Angriff oder Flucht – schier unausrottbare Triebe und Instinkte der menschlichen Spezies. Vielleicht gar universal für das Leben.
Fulkar seufzte.
Dennoch, musste er denn hier stehen? Die Begrüßung der neuen Besuchergruppe könnte John auch alleine durchführen. Die Leute wollten schließlich ihn sehen. Natürlich auch Sid und Betty.
Sid Gonzalez lümmelt, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, neben John und strahlte wie ein Honigkuchenpferd breit über sein ganzes Gesicht. Er war schließlich der jugendliche Held, der nicht nur Terrania bereits vor dem Untergang gerettet, sondern auch die eine oder andere Befreiungsaktion durchgezogen hatte. Und er war auf jeden Fall bereit, sich von den ankommenden Kids angemessen bewundern, sogar anhimmeln zu lassen. Ganz im Gegensatz dazu seine Nachbarin. Betty Toufry fummelte verlegen an ihren Jackett herum, womit sie erwachsene Seriosität vortäuschen und ihre Nervosität übertünchen wollte. Sid schüttelte nur mitleidig den Kopf und dachte: nee, nee, nee – Betty, so wird das nichts. Es fehlte ihr an Erfahrungen, die er ihr – noch – voraus hatte.
Gemeinsam hatten sich der Teleporter und die Telekinesin, die sogar noch Telepathin dazu war, bereit erklärt, als Bewunderungsobjekt und lebendige Motivationshilfe zu dienen. Für die ersten drei Testreihen, die allen Besucher offen standen, die es wollten. Ergäben sich aus dieser Serie irgendwelche positiven Befunde, würde dem Besucher eine weitere Übungsreihe vorgeschlagen werden – selbstverständlich bei voller Übernahme der Kosten plus Übernachtung und Verpflegung im Lakeside Institute. Und – das war der Clou – die spätere Überreichung einer Urkunde – unterschrieben vom Leiter des terranischen Mutantenkorps, John Marshall, und dem Administrator der Terranischen Union, Homer G. Adams.
Wer kann damit schon vor seinen Freunden protzen? Eben!

Der Sonderbus hielt. Ein Flut kreischender Kinder schwappte aus dem Bus. Zwanzig Zwerge zwischen sechs und zwölf Jahren stürmten auf Betty und Sid zu, während sie beim vorbei wirbeln bloß einen scheuen Blick auf John und den Ara Fulkar warfen. Deutlich gelassener – eben cool – verließen dann die Jugendlichen den Bus. Es waren deren Fünfzehn zwischen dreizehn und achtzehn Jahren. Und ganz zum Schluss kam noch ein Schwung Eltern und Bekannte hinterdrein.
Ein Bus voller Träume, Hoffnung und Wünsche.

Ohne besonderen Grund – nur aus einem vagen Gefühl heraus – veranlasste John Marshall, ein nicht gerade schüchternes, sondern eher reserviert wirkendes Mädchen genauer zu betrachten. Irgendetwas ließ seinen empathischen Sinn anschlagen. Intuition. Komisch, er konnte keine Gedanken bei ihr lesen, jedoch Emotionen empfangen. Sie war ein Lebewesen und definitiv irgendeine Besonderheit.
Nicht alle Besucher kamen aus welchen Ländern auch immer. In erster Linie handelte es sich um Kinder von Neu-Terranern, d.h. von Zugezogenen, die hier in Terrania eine Bleibe gefunden hatten, um den Aufbau mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen zu unterstützen. Dazu gehörten auch jene zurückgelassenen Kindern, deren Eltern in den letzten Monaten aufgrund von Unfällen oder Sabotageakten gestorben waren; oder die kamen, sahen und enttäuscht wieder die Stadt verließen und von dannen zogen – und dabei ihre Kinder als `Altlast´ hier `vergaßen´. Schwer vorstellbar, aber so etwas gab es auch. Ihn packte jedes Mal die kalte Wut, wenn er daran dachte; doch letztendlich war er froh, dass jene gegangen waren, die dermaßen lieblos und verantwortungslos gegenüber ihren Nachwuchs handelten. Nein, solche Leute wurden hier nicht gebraucht.
Dennoch hinterließen diese Personen ein wichtiges Problem: wohin mit diesen biologischen und sozialen Waisen? Bai Jun hatte rigoros gleich ein großes Arsenal akquiriert und mit arkonidischen Robots ein weiträumiges Gebäude aus dem Boden stampfen lassen. Das Ursula Le Guin – Kinderhaus. Dort wohnten nun aktuell 54 Kinder in verschiedenen Altersgruppen und wurde vom einem Personal fürsorglich betreut, welches ebenfalls dort wohnte und so das soziale Leben gemeinsam teilte. Das ersetzte natürlich nicht die liebenden Eltern oder sonstige Bezugspersonen. Aber immerhin...

„Willkommen alle miteinander“, begrüßte John Marshall in seiner charmanten Art die tuschelnden und aufgeregt hippelnden Kindern. „Am besten machen wir eine Rundum-Begehung durch das Lakeside Institute, bevor wir mit den Tests beginnen. OK?“

Während John die Gruppe durch die Räumlichkeiten führte und Sid dabei das eine oder andere an Funktion und Zweck kommentierte, dachte der Sprecher des Mutantenkorps an die entscheidende Konferenz im Dezember 2036. Damals, kurz vor Weihnachten, trafen sich Perry Rhodan und Reginald Bull sowie Homer G. Adams und Allan D. Mercant im Stardust Tower. Bai Jun und er kamen noch hinzu. Einziges Thema auf der Tagesordnung dieser Sitzung: der Status der psi-begabten Menschen. Es war einer jener denkwürdigen seltenen Momente im Leben, wo alle anwesenden Beteiligten eine in sich und zueinander tief verwurzelte innere Gemeinsamkeit verspürten. Ohne irgendwelche großartigen Debatten verständigte sich der innere Kreis der Entscheidungsträger: Die Mutanten wurden formal einer Körperschaft – Mutantenkorps – zugeordnet, die ausschließlich als eine Sonderorganisation dem Administrator der Terranischen Union unterstellt wird und wo nur dieser Weisungsbefugnis besaß. Diese Regelung wurde in den Statuten der TU festgelegt und parlamentarisch verabschiedet.
Zweck dieser Prozedur war es, jegliche Begehrlichkeit auf ein `Zugriffsrecht´ seitens nationaler Bestrebungen oder anderer politisch-militärischer Interessen zu verwehren. Natürlich konnte sich der Administrator nicht mit dem alltäglichen Klein-Klein dieser Körperschaft beschäftigen. Weder wollte dieses Homer noch war das überhaupt die Intention.
Nein, John Marshall, der gewählte Sprecher der para-begabten Menschen, war die Schnittstelle nach außen und der Ansprechpartner für die formale Struktur. Behörden, Verbände, NGOs sowie Einzelpersonen konnten sich jederzeit an ihn wenden und ihre Wünsche und Bitten, Ersuche und Anregungen vorschlagen – doch Befehle erteilen und abkommandieren konnte man ihn und seinem Mutantenkorps nicht!
Und so oblag es John Tag für Tag in schönster routinierter Langeweile die Last auf sich zu nehmen und die 30 bis 50 eintrudelnden Anfragen zu sichten und zu sieben.
Mit der übrig gebliebenen Handvoll Begehren trat er vor die im Lakeside Institut anwesenden Mitgliedern und trug das jeweilige Ansinnen nach und nach vor. Falls einer oder eine der Anwesenden den Job machen wollte, war es gut; wenn jedoch sich niemand dafür interessierte, auch. Das nannten sie `Einsatzbesprechung´ - und John teilte das Ergebnis jeweils diplomatisch den Interessierten mit.
In der konkreten Praxis kristallisierte sich indes heraus, dass vor allem die Telepathen die meisten Anfragen positiv beschieden. Dabei handelte es sich oft um Bitten von zu Tode verurteilten Häftlingen, die trotz erdrückender `Beweislast´ ihre Unschuld beteuerten – und nun nur noch in der telepatischen Sondierung ihre letzte Chance auf Gerechtigkeit sahen.
Natürlich würde dieses interne Verfahren im Mutantenkorps geradezu jedem gestandenen Manager die Haare zu Berge steigen lassen, wenn er nicht bereits durch eine Herzattacke tot zusammengebrochen war.
Doch das war der Preis der Selbstbestimmung, den selbst Perry Rhodan und Homer G. Adams bezahlen und sich daran halten mussten – was sie bereitwillig aus vollem Herzen taten.
Dafür empfand John tiefe Dankbarkeit.
Man muss die innere Logik und informelle Struktur verstehen, die dieser Konzeption zu Grunde lag.
Als Perry mit Hilfe der Arkoniden Crest und Thora das neue – terranische – Zeitalter ausrief, strömten hunderttausende Menschen aus aller Welt freiwillig und selbstlos in die Gobi-Wüste, um dieser Vision mit ihren Fähigkeiten und Begabungen zu unterstützen und gemeinsam ein tragfähiges Fundament zu schaffen. Es kamen keine Arbeiter und Angestellte, keine Techniker und Manager – sondern Menschen, die Willens waren alles zu geben was sie aus freien Stücken und offenen Herzens schenken wollten. Und das galt insbesondere für die psi-begabten Menschen.
Diese träumten ebenfalls von ihren alltäglichen Dingen und gewöhnlichen Jobs; nur wenige – wie Sid – fühlten sich zum Helden berufen. Und das war genau die Gemeinsamkeit der Mutanten: sie besaßen ohne Wollen die Macht und mussten lernen, diese besondere Begabung in ihren Lebensplan zu integrieren. Sie fühlten sich nicht als Waffe oder Ressource und wollten demzufolge auch nicht entmenschlicht als Werkzeug benutzt oder als Rohstoff ausgebeutet werden.
Darum kam es bei jedem einzelnen Anliegen darauf an, die Notwendigkeit zu verdeutlichen und das persönliche Interesse an einer Lösung in Übereinstimmung zu bringen, damit es zu einer Zustimmung und praktischen Aktion kommt. Solche Verfahrensweisen mögen - theoretisch - verwaltungstechnisch äußerst zeitraubend erscheinen, aber es gab keine einfache Befehlsstruktur. Niemand war hingegangen und hat Sid befohlen, jetzt Terrania vor der atomaren Zerstörung zu retten – per Dienstanweisung. Keiner hätte Sue, die gerade mit Mühe und Not ihr eigenes Leben gerettet hatte, zwingen können, auch Reginalds Leben zu retten. Oder den Teleportern Ras und Tako, die so viele Gefährten - und insbesondere auch Perry Rhodan - unter Einsatz ihres Lebens aus brenzligen Situationen geholt hatten. Ja, der ferronische-topsider´sche Krieg wäre ohne Hilfe der Mutanten gar nicht zu beenden gewesen; jedenfalls nicht so, wie es dann den Sternen sei Dank geschehen war.
Solche existenziellen Einsätze werden nicht mit Besoldungsstufe A 13 nach Beamtenrecht vergolten. Und so etwas funktioniert niemals auf Basis von Befehl und Gehorsam – sondern nur und ausschließlich aus der inneren Überzeugung heraus.
Und letztendlich war der springende Punkt:Das Mutantenkorps signalisierte weltweit, dass sie – die psi-begabten Menschen – auf Seiten der Terranischen Union standen. Hier hatten sie ihre Heimat – Terrania – gefunden; wo sie in ihrer Wahlfamilie im Lakeside Institute gemeinschaftlich lebten.
Ein Machtfaktor für die terranische Vision.
Und dafür würden sie immer kämpfen.

8:50 Uhr
Irgendwo in der Gobi-Wüste
Die drei Militärbusse hielten in einer Geröllhalde. Langsam heizte sich die Wüste auf. Es wurde bereits jetzt schon unangenehm warm und stickig.
Monk stieg aus und schritt zum Bus der Truppe „Feuer“. Hauptmann Siegfried `Samson´ Mayer von ´Dornen-Reich` blickte ihm gelassen entgegen. „Letzter Uhrenvergleich!“ Monk hielt sich mit Höflichkeiten nicht länger auf. Er blickte auf seine Zeiss: „8:50 Uhr. Noch 1:10 Stunden bis t0! Zündung erfolgt um tO +45!“
„Korrekt!“ knurrte bestätigend Mayer. Winkte und fuhr ohne weitere Worte los.
Es gab nichts weiteres zu besprechen. Es war alles gesagt. Es folgte nun die Tat.
Dafür waren sie schließlich da.

9:40 Uhr
Lakeside Institute
Aya blickte miesepetrig zu ihren drei neuen Freundinnen, mit denen sie sich ein Zimmer im Ursula Le Guin-Kinderhaus teilte. Natürlich konnte sie nicht einfach `Nein´ sagen, als die Leiterin des Hauses, Frau Marianne Sydow, im großen Essraum den ganz unverbindlichen Vorschlag unterbreitet hatte, hier im berühmten Lakeside Institute das möglicherweise vorhandene Potenzial an Psi-Kräften zu testen. Der aufbrausende Jubel und die schiere Begeisterung hatten Aya um ihre Fassung gebracht. So was kannte sie nicht. Weder war dieses in ihrer Heimat Tibet üblich noch entsprach es ihrer eigenen Art. Sie war eher die Stille. Aus gutem Grund, wie sie fand.
Aber so wie die Dinge lagen musste sie nun ebenfalls zustimmen, um nicht aufzufallen.

Nach den Terrorüberfall Anfang Februar hatte sie gehofft, bei den jungen Tibeter Lhundup bleiben zu dürfen. Immerhin eine Seele aus ihren gemeinsamen Heimatland. Auf der Fahrt nach Terrania hatte er von der Hochlandsteppe erzählt und das t´ong-skad angestimmt, ein traditionelles Feld – und Wiesenlied. Und dann erzählte Lhundup lustige Geschichten, die er als Weidenjunge erlebt hatte. Es war so schön gewesen, dass sie weinen musste. Und so konnte sie los lassen und aufgehen in ihrem Schmerz. Endlich trauern um ihre verstorbene Mutter.
Diese Fahrt hatte solche Nähe, solche Geborgenheit geschaffen; schöne Träume und Hoffnungen geweckt. Doch dann – in Terrania – ließ dieser dumme Erwachsene, dieser dumme Mann, dieser dumme, dumme Erwachsen-Mann alle schönen Wunschbilder wie Seifenblasen platzen.
Lhundup meinte, als Sekretär vom Bürgermeister Bai Jun hätte er viel zu tun und wäre dauernd unterwegs. Und im übrigen bräuchte ein junges Mädchen wie sie gleichaltrige Gefährtinnen, mit denen sie sich austauschen und Dummheiten begehen könnte. Was halt Mädchen in ihrem Alter so tun. Das fand sie nicht nur fies , sondern auch ungerecht. Was wusste der schon von Mädchen? Aber dagegen konnte sie nichts tun.
Und so fühlte sie – Aya – sich nach einer eingehenden ärztlichen Untersuchung ins Kinderhaus abgeschoben.

Sie kam in ein großes helles Zimmer, welches bereits von drei Mädchen bewohnt wurde. Auf der Wohnungstür war ein buntes Pappschild angepinnt, worauf geschrieben stand: „Hier wohnen die drei !!!.“ Und so stellten sich die achtjährige Kim, die neunjährige Franziska und die siebenjährige Marie vor. Nun ja, als Siebenjährige passte Aya ganz eindeutig in dieser Mini-Bezugsgruppe. Sie bildeten ab sofort ein Quartett. Am selben Tag noch wurde der veränderte Status korrigierend dokumentiert. Ein neues dickes Ausrufezeichen wurde auf das Pappschild hinzugefügt – und damit hatten alle ihren Spaß. Irgendwie.
Bereits nach wenigen Tagen wurde ihr zunehmend drängend bewusst, dass sie ein Problem besaß. Einerseits lebte sie ganz innig für sich, so wie früher nur gemeinsam mit ihrer Mutter am Rande eines Dorfes. Andererseits brauchte sie dringend Vitalenergie, wenn der dunkle Hunger nagte. Damals konnte Aya einfach durch die umliegenden Wiesen und Felder streifen und kleine Tiere energetisch ausweiden, um anschließend ein kleines Festmal zu veranstalten. Doch hier gab es so was nicht. Die Stadt bestand nur aus Stein und Stahl, Beton und Plastik. Sonst nichts. Tot! Aya war jedoch darauf angewiesen, sich von den überall frei herumwirbelnden Emotionen und vitalen Ausstrahlungen des Lebenden zu ernähren. Notgedrungenermaßen labte sie sich von den Menschen in Terrania und insbesondere aus dem Kinderhaus, wo sie sich häuslich eingerichtet hatte.
Niemand nahm Schaden. Und doch. Irgendwie spürten ihre Wohnungskameraden ihr Anderssein. Mädchen können sich mögen oder nicht. Gemeinsam miteinander Spaß machen oder sich anzicken. Die vier Ausrufungszeichen waren guten Willens.

In dieser vertrackten Situation gelang es Aya zufällig, ein Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter zu lüften. Der alte abgenutzte Phurbu, den der Abt von Lhasa, Shen Miwoche, ihr zum Abschied als Erbstück überreicht hatte, besaß eine durchaus nützliche Eigenschaft. Während des Kampfes gegen die Terroristen an der Mao-Zedong-Brücke hatte Aya dermaßen viel an Vital – und Seelenenergie verschlungen, dass sie fast am schieren Überfluss platzte. Intuitiv versenkte sie dieses Übermaß in ihrem Phurbu, der diesen Überschuss wie ein trockenen Schwamm in sich aufnahm.
Ein Speichermedium umgewandelter psionischer Energie!
Aya begriff vage, dass ihre mentale Kapazität mit sieben Jahren noch zu gering war, um solche Mengen von drei, vier große ausgeweideten Lebewesen speichern zu können. Nun ja, so ein Festmahl war außerdem echt selten. Und einerseits würde sie im Laufe der Jahre sicherlich weitere mentale Kapazitäten aufbauen und andererseits die Handhabung davon effektiver nutzen können. Entscheidend war die Umwandlung von Vital – und Seelenenergie in reine höhere psionische Energie – und deren Rückwandlung. Das bekam sie noch nicht hin. Dazu war sie noch zu jung. Vielleicht auch noch nicht entwickelt genug. Wer weiß?
Doch inzwischen hatte sie alle gespeicherte Energie aus ihrem Phurbu wie eine Verdurstete ausgesaugt und der `heilige Dolch der Bön´war knochentrocken wie ein poröser Stein.
Nun jedenfalls hatte sie intuitiv das Geheimnis ihrer Mutter erkannt: In den früheren Jahrhunderten, als dieses mit ihrer Gemeine den heiligen Jahrestag mit Opferungen gefeiert hatte, saugte ihre Mutter nicht nur die Seele des Yak in sich auf, sondern auch die Emotionen der in heftiger Ekstase schwelgenden Gemeinde – und schuf sich damit eine wahrhaft vollen Vorratskammer für den schwarzen Hunger. Aya erinnerte sich nur allzu gut an jener Huldigung im Tempel von Lhasa, die ihr von der Gemeinde entgegen gebracht worden war. Ach hätte sie bloß damals schon ihren Phurbu besessen. Hätte sie bloß …

Frustriert und in Selbstmitleid versunken sah die siebenjährige Aya zu, wie ihre Mitbewohnerinnen wie blöde auf flauschige Bällchen starrten, die an einen dünnen Faden hingen und an einer Armatur mit drei Zeigern befestigt waren. Sinn der Übung war es, mit reiner Gedankenkraft diese zu bewegen. Die Gesichter liefen rot voller Anstrengung an. Doch vergeblich alle Mühe. Natürlich hatte sie diese Übung auch probiert. So getan, als wolle sie mit aller Kraft die flauschigen Dinger durcheinanderwirbeln. Tja, wahrlich bemüht - aber es hatte nicht gereicht. Und räumte dann – mit einem wohl inszenierten Schulterzucken – aufseufzen das Feld.
Jetzt besaß sie ihre Ruhe – und langweilte sich fürchterlich.

Immerhin, in den ersten paar Tagen, als Lhundup bei ihr immer mal wieder interessiert vorbei geschaut hatte, zuerst im Klinikum im Stardust Tower und dann im Ursula Le Guin-Kinderhaus, konnte sie ihn vorsichtig über den Bürgermeister Bai Jun ausforschen. Was er ihr erzählte, hatte Aya gar nicht gefallen.
Nein, Jun sei kein Monster und er würde gewiss keine unschuldigen Menschen abschlachten. Nein, der Bürgermeister sei nicht der Diktator von Terrania, sondern der Beschützer mit seiner ehemaligen Division Volksmiliz, die zum größten Teil sich ihm angeschlossen hatten. Ja, Jun setzt sich für eine umfassende soziale, kulturelle und ökologische Reform der Provinzen innerhalb des chinesischen Territoriums ein. Ja, der Bürgermeister tritt für die Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung aller Menschen und Völker im Rahmen der Terranischen Union ein.
Irgendwie alles so wischiwaschi und so breiig, das man nichts dagegen sagen konnte. Vor allem, wenn man das Gesagte zwar hörte, aber nicht wirklich verstand – und so ein blödes Erwachsen-Ding ist. `Alle Dinge brauchen ihre eigene Zeit´ - nun ja, und trotz aller Einsicht blieb doch eine gewisse Unzufriedenheit. `Die Welt könne nicht von heute auf morgen in Ordnung gebracht werden´ - vor allem nicht von denen, die von solchen Zuständen profitierten. Die hatten nämlich immer unendlich Zeit, faule Ausreden zu erfinden. M***, und das war das eigentliche Ärgerliche überhaupt, irgendwie war dabei ihr schon liebgewonnenes wichtige Feindbild abhanden gekommen. Und darum zweifelte Aya, ob sie denn Lhundup – immerhin ihr Landmann – wirklich Glauben schenken wollte ... durfte ... konnte.
Sei´s drum!

Blieben somit immer noch zwei unerledigte Dinge auf ihrer nicht all zu langen Liste.
Zum einem die Suche nach dem vermissten Unsterblichen, wo ihre Mutter im Auftrag von ES diesen daran erinnern sollte, endlich nach Arkon zu fliegen.
Auch zu diesem Anliegen hatte der Assistent von Bai Jun ihr gesteckt, dass der Unsterbliche Crest mit Perry Rhodan und seinen Gefährten mit der TOSOMA auf den Weg nach Arkon, der Hauptwelt des arkonidischen Großen Imperium war. Aya erinnerte sich, wie frustriert sie innerlich aufgestöhnt hatte. Da hatte ihre Mutter Jahrhunderte auf dieser Welt zugebracht, um im Auftrag des mysteriösen Wesens den seit Jahrtausenden trödelnden Unsterblichen in den Arsch zu treten; und nun, wo sie – Aya Bön – hier in Terrania war, war er weg. Sie konnte es noch gar nicht fassen: kaum hatte sie die psionische Signatur des Unsterblichen erspürt, war just dem Kerl eingefallen, sein Versprechen wahr werden zu lassen und hat mit einem Raumschiff die große Sause gemacht. Ganz toll.
Und schwupp war damit auch der zweite Punkt von ihrer Liste gesprungen!

Somit blieb nur noch ein einziger Punkt übrig. Aya wollte selber nach Wanderer düsen, um Nachforschungen über ihre Spezies anzustellen. Dazu musste sie in das Wega-System fliegen. Das war der Plan: Bei der erstbesten Gelegenheit würde sie bei den Ferronen mitfliegen, die zwischen ihrem und dem hiesigen Sonnensystem pendelten und Entwicklungshilfe gaben. Aktuell wuselten sie auf den Mars herum. Doch wenn sich mal wieder ein Gruppe der Ferronen auf den Weg gen Wega machte, würde sie - mit oder ohne Erlaubnis - mitfliegen.

Solange musste sie sich gedulden und hier das liebe kleine Mädchen Bön spielen.
Und da sie dieses nun auch war, nutzte sie gleich den damit verbundenen Vorteil schamlos aus. „Du, wo gibt es denn hier heiße Schokolade zu trinken“, fragte sie zaghaft den jungen Mann, der sich vorhin mit geschwollener Brust als Sid vorgestellt hatte.
Er blickte sie lächelnd an und sagte ganz auf netten Onkel machend: „Komm mit, ich zeig dir den Servo-Automaten auf dem Flur“ und schritt schon mal voran.
Erleichtert, diesen Raum für experimentelle Versuche verlassen zu können, tapste sie hinterdrein.
Den nachdenklichen Blick des Arztes von Aralon bemerkte sie jedoch nicht.

10:07 Uhr
Lakeside-Institute
Die Reifen quietschten, als die zwei Militärbusse auf den Parkplatz des Lakeside- Institut eine Vollbremsung hinlegten.
Unzufrieden blickte der Anführer der Anti-Mutanten-Allianz auf seine Uhr. „Jungs, wir sind sieben Minuten über die Zeit. Fertig machen zum Abrücken!“
Die AMA-Truppe sprang in voller Militärmontur und die UZI-MP-K 30 im Anschlag aus den Bus. Vierzig entschlossene Männer, die den festen Willen besaßen, die entarteten Bestien zu töten.
„Pater Isaac – wegen der Verzögerung reduziert sich eure Welle von t0 – 15 auf t0 - 8.“, rief Monk zu den gegenüberstehenden Bus. „Sturm auf das Stardust Tower in 8 Minuten. Ab jetzt!“
Er ließ die JEK-Sekte mit ihren vierzig Mann zurück.

Chiana entstieg taumelnd den Bus und wurde gleich wieder brutal von Monk zurückgestoßen. „Hier ist Schluss mit lustig, Puppe. Du bleibst hier, bis die Show zu Ende ist.“
Harah betatschte sein Püppchen grob auf dem Rücken, nickte zustimmend und meinte anzüglich: „Die Party kann beginnen, Padme!“
Stumm nickte Chiana. Es war alles gesagt, was es zwischen ihnen zu sagen gab.
Mit einem Signalpfiff rannte die Truppe in geordneten Reihen auf das Lakeside Instute zu.

Kaum war der Sturmtrupp der AMA im Schnellschritt fort, griff Padme hinter sich. Hinter ihrem Rücken hatte Harah die Fernbedienung unbemerkt fallen gelassen. Mit einem Aufseufzen tiefster Erleichterung drückte sie den grünen Sensor, bis die Beleuchtung erlosch und sie ein feines Klicken vernahm. Mit zittrigen Händen riss Chiana das verhasste Hundeband von ihrem Hals ab. Schmerz überflutete sie, als die madig eitrigen und verbrannten Hautfetzen sich lösten. Im nächsten Augenblick beugte sie sich zu der Funkanlage und riss die Kabel heraus. Damit erlosch auch der Code für die Zugangsberechtigung in Terrania, den die chinesischen Geheimdienstler installiert hatten. Für jeden Wagen gab es ein speziellen Code, der ununterbrochen von den Drohnen des terranischen Positronik empfangen und abgeglichen wurde. Das erlöschen des Signals sollte nun den internen Alarm auslösen.
Chiana griff sich die Ersatz-UZI hinter dem Fahrersitz und stieg aus. Padme hörte zuerst ein leises Schnappen von ausfahrenden Krallen. Dann folgte die schnarrende Stimme von Pater Isaac, der gehässig fragte: „ Was glaubst du, was du da machst?“

HH Bild
Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

So, pünktlich ist die Fortsetzung draußen ...

Hiermit ist eine Hommage an Suzanne Collins "Die Tribute von Panem" verbunden.
Und natürlich längst, längst überfällig: Yozo Takada und sein Epos "Sazan Eyes".

Mein Dank gilt Old Man für seine Korrektur - alle Fehler gehören mir!


13. Skizze: der Angriff auf Terrania / 2 Teil

Lakeside Institute
Chiana überlegte nicht, sondern handelte.
Intuitiv – situativ – ultimativ!
Im Umdrehen drückte sie auf den Auslöser ihrer erbeuteten UZI MP-K 30 und schoss eine Kugel in den Unterleib. Ein Zentimeter unter den Bauchnabel. 30 ms später erfolgte die zweite Explosion. Pater Isaac riss staunend die Augen auf und sackte lautlos in sich zusammen, während Blut, Fleisch und Gedärme aus seinem Leib spritzten. „Dich töten“, zischte Padme hasserfüllt: „Stirb langsam!“
Dann griff sie in seiner ausgebeulten Brusttasche und fingerte den Zünder der tragbaren Atombombe heraus. Chiana hörte bereits die ersten Rufe aus dem zweiten Bus und begann in Richtung Gebäude zu laufen. Die UZIs hatten eine Reichweite von zehn Meter.
Sie könnte es schaffen.
Die ersten Schüsse fielen schon. Weitere folgten. Padme lief in einem engen Zick-Zack-Kurs den Eingang entgegen. Nun prallten die ersten Kugeln knapp hinter und neben ihr auf dem Boden. Explosionen ließen Gestein und Metallsplitter als Querschläger zur unmittelbarer Gefahr werden. Ein direkter Treffer und sie war erledigt. Da - brennender Schmerz. Zwei aufgewirbelte Steinsplitter hatten ihre Beine gestreift. Sie fühlte warmes Blut fließen. Pulsierende Wunde. Doch dafür hatte sie keine Zeit. Sie musste es schaffen. Jetzt oder nie.
Verzweifelt hinkte sie weiter und warf sich dann zum Schluss entkräftet in den Foyer des Lakeside Institute.
Sie war drin!

10:12 Uhr
John Marshall bemerkte es als erster. Wie in einer sich verdichtende Nebelwand verschwanden die als Hintergrundrauschen um ihn herum fiepsenden Gedanken. Rasch warf er einen Blick zu Betty hinüber, die bereits blass wurde.
„Er ist hier!“ schrie sie entsetzt mit überschlagender Stimme. Panik ergriff sie und Angst bebte durch ihren Körper. „Monk!“
Sid blickte sie verwirrt an und verstand nicht, was geschah. Ebenso Fulkar. Die Kinder sahen sich unsicher an und wurden unruhig. Alle spürten, dass da etwas ganz und gar nicht in Ordnung war .
Dann hörten sie Schüsse. Explosionen hallten durch die Gänge.
„Die Haupttür verriegeln, Fulkar!“, übernahm Marshall wie selbstverständlich das Kommando. „Sid! Betty! Bring die Kinder in den Nebenraum. Los! Los! Los!“
Sid und Betty trieben ihre Gäste wie herumflatternde Hühner zusammen, während die Schüsse und Explosionen immer bedrohlicher näher kamen. Sie hörten das Gekreische und die Schmerzensschreie von den Institut-Personal und Besuchern, die aus den anderen Räumen heraus geeilt kamen, um zu sehen, was der Krach bedeutete. Darunter viele Eltern und Begleitpersonen der hier anwesenden Kindern.
„Mama! Papa!“
„Ich bin der Letzte! Verriegele jetzt den Zugang, Fulkar!“, rief John. Im verbarrikadierten Nebenraum betätigte Marshall das Notsignal seines Pod. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine terranische Schutzeinheit kam. Die Frage war bloß: Wie viel Zeit blieb ihnen?
Er schimpfte sich leise fluchend einen Narren. Der Plan, den er mit Allan zum Schutz des Lakeside Institutes ausgetüftelt hatte, basierte auf der völligen `Selbstverständlichkeit´, dass sie – die Mutanten – es natürlich sein würden, die mit ihrer Macht das Gebäude und sich selbst verteidigen würden. Nie wäre er auf die Idee gekommen, dass sie es selbst seinen könnten, die hilflos wären und Hilfe brauchten. Sicherlich lagerten Waffen im Institut. Strahler. Aber nicht in jedem Raum. Und vor allem nicht in den Labors, wo die Besuchergruppen die Tests absolvierten. Wer immer da draußen war, wenn diese erst einmal hier reinkamen, waren sie allesamt verloren.

Die Männer der AMA schossen auf alles, was sich bewegte; und das war vor allem das medizinische und wissenschaftliche Personal, da hier nicht nur die Mutanten in einem separaten Komplex wohnten, sondern auch viele andere Menschen, die psychische und allgemein-medizinische Betreuung suchten. Diese wurden nun, sobald sie aus Neugierde oder Besorgnis aus ihren Zimmern kamen, von den Salven der UZIs niedergemäht. Die Männer von der Anti-Mutanten-Allianz wussten nicht, ob sie die gesuchten verhassten Mutanten eliminierten. Und es war ihnen auch egal: jeder der hier war, verdiente die Exekution!
Bleich lief Harah der Truppe hinterher und biss verzweifelt die Zähne zusammen, bis der Kiefer schmerzte. Er konnte all das hier nicht mehr ertragen; durfte dieses Massaker nicht länger dulden. Die Zündung der Atombombe musste verhindert und Monk ausgeschaltet werden. Er musste handeln. Aber wie?
So erreichte er entsetzt seinen Bruder. „Joshi“, schrie er gequält und stieß ihn gegen die Wand; entriss ihm die UZI. „Das muss aufhören!“
„Was ist, John“, höhnte grimmig sein Bruder, “jetzt doch das große Muffensausen bekommen? Willst du abhauen? Uns verraten?“
Weiter vorne kommandierte Monk:“Brecht diese Tür auf. Hier sind sie. Das Pack!“
„Ich werde dem ein Ende machen. Hier und jetzt!“, stöhnte John.
„Hier und jetzt?“, höhnte Joshua und mit einem Schnappen sprangen die Klingen aus seinen Händen. Blitzschnell stieß die linke Hand vor und seine Krallen bohrten sich tief in Johns Bauch. Dann rammte er seine rechte Krallen in die Brust seines Bruders.
John schrie gepeinigt auf, wankte, riss dabei seine Rechte hoch und stach mit gespreizten Fingern dem Gegner, der sein Bruder war, tief in die Augen. Bohrend tief ins Hirn.
„Für unsere Eltern. Für Anna.“
Auch wenn er versagt hatte und Terrania in einer atomaren Hölle und mit dieser auch der terranische Traum verging – zumindest das hatte er geschafft, dachte John mit letzter Kraft.
Dann sackten beide, ineinander im Körper des Anderen verkeilt, zu Boden.

Chiana schleppte sich den Gang entlang und hinterließ dabei eine blutige Spur. Sie konnte nicht mehr weiter. Und als sie die zusammengesunkenen Brüder erblickte, biss sie die Zähne zusammen und schaffte sich dorthin. Beide verwaiste UZIs sammelte sie ein und legte sich anschließend hinter zwei männliche Leichen im Ärztekittel. Das war ihre provisorische Barrikade gegen die heranstürmende Meute von der JEK-Sekte. Hinter sich hörte sie Harah stöhnen. Einerlei. Sollte er leiden, soll er krepieren, soviel Schmerz wie sie durchlitten hatte, könnte er nicht empfinden oder gar ertragen.
Padme entledigte sich der Milizenjacke. Nun lag sie zwar halbnackt hinter den Leichen, doch sollte tatsächlich irgendwann Hilfe erscheinen, dann wäre es sinnvoll, in diesem ganzen Geballer nicht mit den Feind verwechselt zu werden.
Unter dem Kugelhagel zerbarst die Eingangstür. Die Meute war da.
Padme konnte die Spannung kaum noch ertragen. Wenn der Zünder doch bei ihr gefunden und der Code eingegeben würde, wäre alles verloren. Ihr geschundener Körper, ihre gepeinigte Seele, ihr zerbröseltes Selbst – alles verginge in der atomaren Glut. Unkontrolliertes Zittern erfasste ihren Körper und mit einem unartikulierten Schrei ließ Padme ihre Verzweiflung heraus.

10:15 Uhr
Aya kauerte unter einem Tisch, wohin sie sich im allgemeinen Wirrwarr verkrochen hatte. Nun wartete sie gierig auf Beute. Draußen lauerte der Feind und versuchte hier einzudringen. Das machte die Sache einfach. Viel einfacher. Als Siebenjährige schien es schwierig, bei den ganzen unterschiedlichen Verhältnissen Freund und Feind zu unterschieden. Aber wenn die anderen Kinder Angst um ihr Leben hatten und die Beschützer sie nicht mehr schützen konnten – dann war die Sache klar. Hier kam ihre Beute!
In den letzten Wochen hatte sie sehr vorsichtig agieren müssen. Abends, wenn die Anderen im Kinderhaus in ihren Betten lagen, hatte sie stets langsam und behutsam, vorsichtig die wirren und doch so betörichten Emotionen geschmeckt und langsam die überquellende Vitalenergie geschlürft.
Doch dieses konnte den schwarzen Hunger nur lindern, niemals wirklich sättigen. So wie damals. Bei dem Terrorangriff auf die Mao-Zedong-Brücke, wo sie richtig satt geworden war, als sie den Mördern ihre Seele entriss.
Doch nun würde sie noch geschickter vorgehen. Dieses Mal hielt sie ihren Phurbu bereit. Sie würde keine vitale Energie ans Nirwana verlieren, sondern alles sammeln und in sich aufnehmen. Ihr Phurbu war leer und sie sehr hungrig.

Die Tür wurde mit einem Stemmeisen aufgebrochen, nachdem die elektronische Verriegelung zerschossen worden war. Männer stürmten herein und fuchtelten mit ihren Maschinenpistolen hektisch herum. Jetzt war der richtige Zeitpunkt da.
Die junge Bö öffnete sich innerlich ihrer vitalen Kraft und murmelte „NYN“.
Im Nu verspürte sie die molekulare Veränderung, die sich wie ein brennender Blitz durch ihren Körper ausbreitete. Dennoch blieb sie vor erst unter dem Tisch hocken und saugte gierig die Lebensenergie der Feinde in sich hinein. Die Ersten brachen krächzend zusammen, ohne sich bewusst zu werden, was mit ihnen geschah. Dann stürzten die Nächsten zu Boden. Fluchen und Schreie – Geschosse sirrten blindlings durch den Raum und explodierten nach dem Aufprall. Abgefeuert in der irrationalen Angst und verzweifelten Hoffnung, damit das Irgendwas – was auch immer es sei - stoppen zu können.
Aya fauchte wie eine Wildkatze: „Narren!“
Ihr drittes Auge war nun offen; weit geöffnet strahlte das goldgelbe Licht satt und ihre anderen beiden Augen glimmten katzenähnlich gleichermaßen hell.
Nun stand sie in einer raubtierartigen geschmeidigen Bewegung auf und sah ein dutzend Männer mit ihren Waffen an der Tür stehen. Aya huschte lautlos auf sie zu. Ein hungriger Panther auf der Jagd. Dann stand sie vor den Feinden, richtete sich in ihrer vollen Größe einer stolzen Siebenjährigen auf und strahlte die in ihr innewohnende Macht selbstbewusst aus.
Sie war Srid Pai Rgyalmo!
Die verzerrten Gesichter und vor Angst aufgerissenen Augen belustigten die junge Bön. Leise kichernd breitete sie weit ihre Arme aus, um ihre Beute zu berühren. Geschosse zerfetzten ihre Kleider, doch konnten ihre Haut nicht durchdringen.
Die Srid Pai Rgyalmo machte genüßlich alle nieder. Noch bevor sie die Männer erreichte, waren diese im Niedersinken bereits ausgedörrt und verwelkt. Die junge Seelenverschlingerin tanzte in taumelnder Ekstase. In sinnlicher Betörtheit hielt sie ihren Phurbu in der Höhe.
Aya stieg achtlos über die Leichen hinweg, trat aus dem Raum hinaus in den langen Flur. Vor ihr stand nur noch ein hagerer Mann mit ausgezehrten Gesichtszügen und kalten Augen wie toter Fisch. Doch jetzt waren auch diese vor Grauen aufgerissen und er stammelte entsetzt:“Du kannst das nicht tun! Ich neutralisiere alle Mutantenkräfte. Warum? Wer bist du?“ Und dann mit einem Schrei: „Raphaela?“
Doch die junge Bön wusste nicht, was er meinte und es kümmerte sie auch nicht. Alle Menschen müssen sterben!
Sie sprang mit einem Satz zu ihm und berührte ihn. Voller überschäumender Lust verschlang sie seine Seele wie Nektar und spürte die Tsunamienergie des Lebenselixiers durch ihr Sein fluten.


Padme wusste, sie würde gleich sterben. Die beiden Barrikaden-Leichen waren schon fast gänzlich zerfetzt und bildeten keinen Schutz mehr. Der Kugelhagel der wütenden Meute war unerbittlich und sie zu Tode erschöpft. Nur noch eine Minute bis zum bitteren Ende, dann wäre alles vorbei.
Sie war zu erschöpft, zu verletzt und jenseits aller Wirklichkeit, um noch ein Erstaunen darüber zu empfinden, was sie aus dem Augenwinkel sah: ein dreiäugiges Mädchen schritt wie in Trance lächelnd zwischen zusammenbrechenden sterbenden Männer der Anti-Mutanten-Allianz. Ohne Zweifel erkannte sie den Todesengel: Azrael. Eine wahrhafte Shinigami. Und diese blickte sie für einen kurzen Moment an, um dann mit einer schwebenden Eleganz der Vernichtung sich gegen die voller Grauen aufschreienden und Kreuze schlagenden Jungen-Erde-Kreationisten zu wenden.
Chiana lachte hysterisch auf und ließ die ihren Geist zermürbende Anspannung los. Dann umfing sie eine wohltuende Dämmerung.

10:35 Uhr
Zuerst hörte Chiana Stimmen und dann öffnete sie die Augen und sah: sie. Das Mädchen, welches wie eine Nemesis über alles und jedem gekommen war. Nun hockte diese an ihrer Seite und ihre kindlich-zierliche Hand lag auf ihrer Brust – und Padme spürte wie das Leben selbst in sie hineinströmte.
Daneben standen Allan D. Mercant und Bai Yun. Ihr Blicke schweiften umher. Ein Mann mit einem komisch länglichen Kopf – es muss der Ara sein - kümmerte sich um Harah, der in einer weitläufige Blutlache lag und erstaunlicherweise immer noch mit dem Tode rang.
Überall ringsherum lagen Leichen verstreut auf dem Flur – allesamt von der JEK! Dazwischen schritten Milizen aus Terrania mit Strahler bewaffnet systematisch durch die Gänge. Von Parterre bis hinauf zum ersten und zweiten Stock. Hier und dort fielen noch entfernte Schüsse.
Mit einem „Plopp“ erschien aus dem Nichts ein junger Mann und hielt dabei eine junge Frau und einen mittelalten Mann. Mutanten!
„Koordinator“, krächzte sie.
„Ruhig, Frau Chiana, ganz ruhig“, beeilte sich Allan zu sagen,“ es ist vorbei. Ruhen sie sich aus.“
„Nein“, und die Panik brach sich durch die Erschöpfung bahn. „Nein! Es ist noch ein Kommando mit einer schmutzigen Bombe unterwegs. Ein Anschlag gegen das Fusionskraftwerk. Um 10:45 Uhr. Der Anführer selbst trägt die Atombombe.“
Der Chinese reagierte umgehend und sprach in einem Funkgerät. Und der junge Mutant meinte: „John, wir schaffen das. Betty und ich.“ Und die junge Frau nickte, mehr zweifelnd als zuversichtlich. Aber sie besaßen kaum noch Zeit. „Sieben Minuten“, meinte Allan knapp, nach einen kurzen Blick auf die Uhr.
„Das reicht!“ erwiderte Sid salopp und reichte Betty die Hand. Sprang.

„Koordinator“, begann Padme erneut mit schwacher Stimme,“ich rede, solange ich noch kann. Als erstes, hier ist die Zündung für die zweite Atombombe, die draußen auf dem Gelände im Militärbus liegt.“ Sie zog den Zünder hervor und reichte ihn Allan. Dann begann Chiana in abgehackten Sätzen und groben Züge zu berichten, was sie seit Washington in der Kirche erlebt und erfahren hatte. Erzählte, wenn auch widerstrebend, von all jenen Gesprächen, die sie aufgeschnappt hatte, während sie gequält, gedemütigt und gefoltert worden war.
Berichtete … bis sie erschöpft zusammenbrach.


10:35 Uhr
Fusionskraftwerk `Glorienschein´/ Yinshan-Gebirge / nahe Terrania
Knapp 500 Meter vor dem gesicherten Grundstück des Fusionsreaktors hielt der Militärbus der chinesischen Volksmiliz. Hauptmann Siegfried `Samson´ Meyer nachdenklicher Blick wanderte von seiner Zeiss zu dem wolkenlos blauen Himmel. Mehr als die Zeit – 10:35 Uhr – hatte seine Uhr nicht zu melden – und doch war dieses bedauerlicherweise mehr als genug. Die nüchterne Information besagte nämlich nicht anderes, als dass ein wichtiges Teilziel ihrer Mission gescheitert war.
Die Jungen-Erde-Kreationisten hatten um 10:15 Uhr den Stardust Tower zu stürmen und die erste Atombombe `Dust´zu zünden. Ein nukleares Signal – weit sichtbar als brennende Stadt Terrania. Das Symbol des Scheiterns von Perry Rhodans Vision!
Jedoch, man mochte es drehen und wenden, wie man wollte: Die verdammte Stadt der Terraner stand nach wie vor friedlich und unberührt da.
Möglicherweise gab es bloß eine technische Verzögerung, vielleicht waren der Infantriezug der JEK auf unerwarteten Widerstand gestoßen. Sei es wie es sei: aktuell schien dieser Aspekt des Plans gescheitert zu sein.
Siegfried straffte unwillkürlich seine Schultern und blickte ernst seine Männer an. Um so wichtiger war es nun, jetzt und hier professionell zu arbeiten. Zumindest sie durften nicht scheitern. Sie hatten ihre Pflicht zu erfüllen, ihren Job zu erledigen und der Ehre von `Dornen Reich´Genüge zu tun...

… Sechs Wochen zuvor betrat Hauptmann Mayer das Büro des Oberst Herbert von Strauß, seines Zeichen Oberbefehlshaber des Bataillons `Dornen Reich´, der paramilitärischen Söldner-Einheit des MegKonz Hecker-Krupp. Zwar kam Siegfried gerade frisch von seinem Stützpunkt Bad Tölz, doch kannte er blind den Weg zu der ehemaligen BND-Zentrale in München.
Schweigend wies Oberst von Strauß auf einen Pneumosessel vor seinem wuchtigen Schreibtisch und wartete, bis sein bester Mann Platz genommen hatte.
„Siggi, ich kenne deine Krankenakte“, kam Herbert gleich auf den Punkt. Ja das war sein Boss. Kurz und knackig. Kein Gedöns und breiige Laberei, um Zeit und Platz zu schinden. Kein Raum für Ausflüchte und Mehrdeutigkeiten. Hinter vorgehaltener Hand witzelten die Männer, dass der Strauß wohl keine Eier, sondern Handgranaten ausbrüten täte. Handgranaten-Herbert kannte das Schlachtfeld und wusste, wie der Hase läuft. Bei den `Dornen Reich´ war es von immenser Wichtigkeit, klare Ansagen zu treffen: Klare Führung – klare Befehle – klare Aufgaben – und natürlich bedingungsloser Gehorsam. Hier in ihrer Truppe waren die Verhältnisse eindeutig und überschaubar. Da verirrte sich niemand im Wirrwarr offener Interpretationen. Hier fand sich jeder zurecht. Da hatte ein Jedermann – endlich – seinen Platz.
So waren die Jungs gestrickt.
Allesamt Gescheiterte an der gesellschaftlichen Realität: Asoziale, Vergewaltiger, Sadisten und Mörder. Gestrandet in der Kloake, Abschaum in den Rinnsalen der Metropolen. Der letzte Dreck. All jene, die eine Chance erhielten, aus den Psychiatrien und Gefängnissen zu `Dornen Reich´entlassen zu werden. Ob als Soziopathen oder Todeskandidaten – hier konnten sie den Rest ihres Lebens in der Truppe dienen. Entlassung nur im Sarg.
Für diese geschenkte Galgenfrist besaßen die Männer während ihrer Einsätze ein gewisses Maß an Narrenfreiheit. Etwas Spaß, sich – beim Niedermetzeln von Zivilisten wie Streikende oder Oppositionelle - an den fliehenden und flehenden Frauen zu weiden. Weniger lustig war dagegen die direkte Konfrontation mit anderen bewaffneten Formationen. Da war der Spaßfaktor eher gering und der Blutzoll verdammt hoch.
Jedenfalls fungierte das Bataillon als die `Cleaner´:Nach innen um den ganzen soziopathischen Humanmüll zu sammeln und nach außen um genau dieses dafür zu verheizen. Eine geniale Konzeption – Resteverwertung mit höchster Effizienz!
Mayer konzentrierte sich auf seinen Kommandeur, um jede Nuance zu erfassen.
„Siegfried, Sie befinden sich in einem fortgeschrittenem Stadium... Ihr Bauchspeicheldrüsenkrebs ist unheilbar und die Ärzte geben ihnen noch sechs Monate. Darum, Hauptmann, biete ich Ihnen einen `Q´-Auftrag an.“
Zugführer Siegfried `Samson´Meyer nickte. Das war das übliche Verfahren des MegKonz Hecker-Krupp, um todkranke und verkrüppelte Angestellte – die Todgeweihten auf Lebenszeit – die Möglichkeit zu geben, in Ehre für die Legion der Verdammten auf dem Schlachtfeld zu fallen. Statt dem Konzern unnötig auf der Tasche zu liegen und feige in einem der Siechhäuser in den berüchtigen Baracken dahin zu vegetieren.
„Wir habe eine vertrauliche Anfrage von einem befreundeten Konzern unseres Auftragsgebers. Für diese streng geheime Mission braucht der Mandant vierzig Mann – einen Infantriezug – zu den üblichen Konditionen“, ergänzte Herbert von Strauß.
Mehr an Information war – vorerst – nicht nötig.
`Q´ bedeutet eine Sammlung von Freiwilligen quer durch alle militärischen Instanzen und Reorganisierung zu den Infantriezug `Q´. Bei einer Ist-Stärke von 1.150 Mann, die aktuell das Bataillon zu biete hatte, sollte das kein Problem darstellen. Die letzte `Q´-Mission lag drei Jahre zurück. Damals in Nepal. Und in ihrer Söldner-Laufbahn waren drei Jahre eine verdammt lange Zeit. Eine kleine Ewigkeit.
`Übliche Kondition´ bedeuteten 100.000 Kredits für den Nachlass; egal wer dafür testamentarisch eingetragen worden war. Die Auszahlung wurde garantiert.
Zugführer Meyer brauchte nicht zu überlegen. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde. Hatte sogar darauf gehofft – und endlich war dieser Moment da...

„Alle Mann raus. Angriffsformation!“, bellte er seinen Befehl.
Stiefelgetrampel dröhnte. Waffen klirrten – und schon standen seine Jungs stramm im Wüstensand. Er selbst wuchtete sich den Spezialrucksack mit der Atombombe auf den Rücken. Den Zünder steckte er in der Brusttasche seiner Uniform.
Dann winkte er kurz seine rechte Hand in die Höhe und lies sie fallen. „Vorwärts!“

10:37
Sid teleportierte und überbrückte die Entfernung vom Lakeside Institute zum Gebäude des Fusionsreaktors in einem Sprung. Sie landeten knapp 1000 Meter entfernt auf einer Schotterdüne. Erschöpft wankte er und hielt sich an Betty fest.
„Dort!“, rief sie und zeigte auf den Militärbus.
Ja, sie waren nahe dran und es wurde knapp. Die Söldner hatten fast das Eingangstor des Gebäudes erreicht.
Sirenen begannen aufzuheulen. Ein dutzend Mann der terranischen Schutztruppe für Reaktorsicherheit bildeten eine bewaffnete Barrikade vor dem Eingang. Vom Dach erhoben sich zwei Gleiter und hielt auf den Infantriezug zu.
„Was können wir tun, Sid?“ fragte Toufry.
„Wir schnappen uns die Atombombe“ erwiderte er mit einer Selbstverständlichkeit, die er bereits trotz seiner jungen Jahren hatte. Sprach und sprang. Er teleportierte direkt zum Hauptmann, stellte Kontakt her und sprang im Nu zurück, bevor auch nur einer der Söldner realisierte, was geschah.
Sid wankte stärker. Drei Sprünge so kurz hintereinander war eindeutig zu viel.
„Betty halt ihn fest“.
Die junge Mutantin konzentrierte sich und fixierte den Hauptmann, sodass dieser weder Arme noch Hände mit den bereits ausgefahrenen messerscharfen Titan-Krallen bewegen konnte. Sid tastete die Taschen ab, bis er den Zünder fand. Er hob ihn triumphierend in der Höhe, während Samson sich fluchend wand und um sich trat. .
„Schnell, Sid. Er ist unglaublich stark. Ich kann ihn selbst mit meinen telekinetischen Kräfte nicht lange halten“.
Sid riss sein Vibromesser aus dem Gürtel und schnitt die Rucksackträger durch. Mit Wucht knallte der Rucksack mit der Atombombe zu Boden.
„Vorsichtig. Das Ding geht sonst hoch“, empörte sich Betty.
Gonzalez berührte den Rücksack und griff dann nach ihr. „Lass ihn los. Jetzt!“
Mit einem „Plopp“ waren sie weg. Nur knapp 200 Meter entfernt materialisierten sie wieder. Der Abstand war knapp. Vielleicht zu wenig. Aber mehr war nicht drin. Sid brach zusammen.
Maschinengewehr-Salven dröhnten aus den beiden Gleiter und Kugelhagel zischten wie heiße Hornissen aus den UZIs, deren Salven wiederum von modernen Strahler der Reaktorschutztruppe erwidert wurden.
Das Gefecht war noch im vollen Gange. Aber die Entscheidung war bereits gefallen!
Fluchend blieb Samson alleine im Wüstensand zurück. Er wusste, wann die Schlacht verloren war.
Jetzt!
Dennoch stürzte er mit einem tierischen Wutschrei zurück zu seinen Männern. Gemeinsam zum letzten Gefecht, wo endlich – auch für ihn – die Erlösung wartete.


26. Februar 2037
19:00 Uhr
Klinikum Terrania

Chiana saß im Wartezimmer auf dem Flur vor dem Krankenabteil für Patienten der Intensivstation in Dr. Haggards Klinik. Sie selbst war erst heute früh gegen 9:15 Uhr – auf eigener Gefahr - entlassen worden war. Nach gefühlten Stunden ausgiebigen Badens, hatte sie ihre Klamotten angezogen. Ihre geliebte ärmel- und beinlose schwarze Catsuit. Dann war sie wieder gemächlich – nach einem ausgiebigen Brunch im Café Terrania – ins Klinikum im dritten Stock des Stardust Tower zurückgekehrt. Nun wartete sie geduldig auf ihre Besuchserlaubnis.

Gelangweilt verfolgte sie auf einen großen Monitor die ´Terrana Aktuelle Tagesschau ´. Wie immer moderierte Elena Zelazny von der TAT kompetent und akkurat.
„Wie uns Fulkar, der Arzt von Aralon, mitteilte, wird ab den 1.März 2037 das Lakeside Institute wieder für die Allgemeinheit zugänglich sein. Die materiellen Schäden sind behoben worden. Doch die Opfer des Terroranschlages, insgesamt 87 Tote – davon 44 Mitarbeiter und 43 Besucher – stellen einen schweren Verlust da. Auch wenn unter den Opfern keine Kinder zu beklagen waren, so sind gerade diese doch die Leidtragenden, da es sich bei den Toten überwiegend um die Eltern und Begleitpersonen der letzten Besuchergruppe handelte. Und so muss das Ursula LeGuin-Kinderhaus leider siebzehn neue Bewohner aufnehmen.“
Nach ein paar Sekunden betroffenen Schweigens räusperte sich Frau Zelazny und fuhr fort.
„Und nun zum Ausland.
Der Regierungssprecher des chinesischen Politbüros bekundigte nachdrücklich sein Bedauern darüber, dass der Besuch des terranischen Bürgermeisters, Bai Jun, von einem schweren Zwischenfall überschattet worden war. Bai Jun, der überraschenderweise zu einem kollegialen Gespräch mit seinem ehemaligen Vorgesetzten, dem Staatssekretär für Verteidigungsfragen, Herrn Deng Lau, sowie dem Direktor für den Militärischen Geheimdienst, Herrn Li Nasu, sowie dem namentlich nicht genannten Direktor für militärische Sonderdienste, in Beijing eingetroffen war, wurde bei einem Schusswechsel im `Pavillion der Stille´ schwer angeschossen. Für die drei führenden chinesischen Persönlichkeiten kam indes jede Hilfe zu spät. Irrtümlich war zuerst Bai Jun selbst verdächtigt worden. Inzwischen ist eindeutig erwiesen, dass ein geistig Verwirrter sich unerlaubt Zutritt zu der diskreten Örtlichkeit verschaffte und im Anschluss an die verruchte Tat unerkannt fliehen konnte. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden verschärft. Die Fahndung läuft. Ministerpräsident Tsi Do Ceng erklärte in einer persönlichen Stellungnahme sein tiefstes Bedauern und äußerte nachdrücklich, dass das chinesische Volk weiterhin fest an der Seite der Terranischen Union stehe und die Integration auf globaler Ebene weiter mit voller Ernsthaftigkeit und großer Intensivität vorantreiben werde.
Der Bürgermeister Bai Jun befindet sich inzwischen auf den Weg zurück nach Terrania, um hier in vertrauter Umgebung seine Verletzungen auszukurieren.
Am Rande der Pressekonferenz wurde außerdem bekannt, dass die Rote Garde in Hongkong die Konzernzentrale des MegKonz Lavachin gestürmt hatte. Im Rahmen dieser Operation ereignete sich eine schwerwiegende Fehlfunktion im Rechenzentrum, denen 270 hochspezialisierte Softwareexperten zum Opfer fielen. Aus unbekannten Gründen zündeten die Sicherheitsplomben der Datenbuchse und zerfetzten die Arterie der sogenannten Deckers. Das Politbüro bedauerte diesen gravierenden Vorfall, erklärte jedoch auf Nachfrage, dass Lavachin die Extorrialität entzogen und der MegKonz dem chinesischen Wirtschaftsministerium unterstellt worden sei. Es gebe nur ein Recht auf dem Territorium der Volksrepublik - und das ist das Gesetz des chinesischen Volkes.“

Elena Zelazny blickte bedeutungsschwer ihren vermuteten Zuschauern in die Augen und griff sich ein neues Blatt – ein Relikt aus der Anfangszeit des Fernsehens, an dem man festhielt, obgleich jeder Zuschauer wusste, dass die Texte inzwischen vom Teleprompter abgelesen wurden.

„Und nun wenden wir uns den USA zu. Auch von dort erreichten uns besorgniserregende Meldungen. Der Direktor des DSA – auch unter den Namen `Heimatschutz´ bekannt - wurde vom amerikanischen Kongress vorgeladen. Der hochdekorierte Beamte soll umfassende Auskunft darüber geben, wie es möglich sei, dass ein hochgradig gefährlicher Terrorist wie Mr. Moncadas offenkundig auf höchster Weisung aus Guantanamo freigelassen werden konnte.
Unterdessen vermeldet das Presseamt des Vatikan, dass der Erzbischof Antonio Flaming seines Amtes enthoben und nach Italien zurückbeordert worden sei. Im Vatikan solle er dem heiligen Vater Rechenschaft abgeben, wie es möglich sei, dass in der Holy Trinity Catholic Church die Sekte der Jungen Erden Kreationisten Unterschlupf finden und ihr Unwesen treiben konnte.
Der dortige Küster, ein ehemaliger Rigger des Pentagons, Bruder Markus wurde inzwischen vom FBI verhaftet.“

Gewinnend lächelte die Nachrichtensprecherin der TAT in die Kamera. Ein echter Profi, die dem Publikum selbst bei höchst beunruhigenden Meldungen ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln konnte.
„Und zum Schluss noch eine kurze Meldung aus Deutschland. Das Ministerium für innere Sicherheit und Geheimdienste ließ durch seinen leitenden Ministerialdirektor Clemens von Strauß mitteilen, dass die Söldner-Truppe `Dornen-Reich´ als eine möglicherweise terroristische Organisation einzustufen sei. Der Stützpunkt in Bad Tölz wurde vorläufig geschlossen. Das Bataillon, die sogenannte `Legion der Verdammten´hat ihre Niederlassung nach Serbien verlegt.“

Padme nickte. Immerhin gab es deutliche Ergebnisse. Früchte qualvoller Arbeit. Aber es blieb ungewiss, ob sie sich jemals psychisch von diesem Trauma erholen würde.
„Frau Chiana, Sie können jetzt kommen“, schreckte eine freundliche Stimme sie aus ihren düsteren Gedanken auf. „Aber bitte nur kurz. Der gesundheitliche Zustand von Herrn Harah ist noch äußerst besorgniserregend. Sie verstehen?“
Oh ja, sie verstand. Sehr gut!
Padme betrat das Krankenzimmer und sah einen bleichen und ausgezehrten Patienten. Nur mit Mühe und Not war John dem Tod von der Schippe gesprungen. Die Ärzte hatten in einem stundenlangen Dauereinsatz die inneren Blutungen gestoppt und die zerrissenen Organe zusammengeflickt. Die Apparatur, an die er angeschlossen war, blinkte in einer beängstigend gelben Farbe. Achtung-labil.
Nachdem die Krankenschwester die Tür hinter sich schloss, meinte John schwach lächelnd um einen Scherz bemüht: „Ich hätte nicht gedacht, dass meine Barbie mich besuchen kommt“.
Padme grinste ihn mit blitzenden Augen an und meinte betont locker: „Das war die falsche Begrüßung, Ken!“ Während sie sprach, wippte sie mit dem Fuss und riss dann ihr rechtes Bein hoch, um mit einer seitlichen Drehung ihr Bein mit voller Wucht auf seine Wunde niederzuschmettern.
Harah schrie, bäumte sich auf und brach zusammen. Die Apparatur löste schrillen Alarm aus und ein durchdringend anschwellendes Pfeifen durchdrang den Raum. Leuchten blinkten hektisch in einer bedrohlichen roten Farbe.Achtung – kritisch.
Die Tür wurde aufgerissen und die Krankenschwester stürzte herein. „Um Himmels Willen – was ist hier passiert.“ Und schrillte ins Mikrophon, welches per Funk direkt mit den Lautsprechern auf dem Flur und den Etagen der Klinik verbunden war: „Doktor Smith, Professor Irikowa – OP. Achtung- akuter Notfall. Achtung – akuter Notfall...“
Gemächlich verließ Chiana das Krankenzimmer, schlenderte den Flur entlang und verließ das Krankenhaus.
Dabei sang Padme mit leiser Stimme ein altes Stammeslied der Khoikloi:
Heute
ist ein schöner Tag -
die Vögel fliegen im Sonnenschein,
die Büffel brüllen am Weiher,
der Wind weht sanft.
Heute
ist ein schöner Tag -
zum Leben
und
zum Sterben.

Während sie zufrieden lächelte, rannen die Tränen über ihre Wangen.

HH Bild
Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Hier also die letzte Skizze im Episoden-Reigen "Aufbruch"
Danke an Old Man für die Korrektur - alle Fehler gehören mir.


14. Skizze: „Was tun?“

01. März 2037
Stardust Tower / Terrania
In der geräumigen Suite des Administrators Homer G. Adams saßen in einer bequemen Sitzecke der Koordinator für Sicherheit, Allan D. Mercant, und der Sprecher des Mutantenkorps, John Marshall. Hinzu gesellte sich in einem separaten Servo-Roller der von seiner Verwundung noch schwer gezeichnete Bürgermeister von Terrania, Bai Jun. Als besondere Gästen nahm der Arzt von Aralon, Fulkar sowie die Leiterin des Ursula LeGuin-Kinderhauses, Marianne Sydow, an dieser streng vertraulichen Konferenz teil.
„Meine Dame und Herren“, eröffnete Homer souverän die Sitzung, nachdem sich alle Gäste etwas zum Trinken eingeschenkt und es sich in ihren Pneumosesseln bequem gemacht hatten, „wie es aussieht, haben wir leider keine Zeit uns von diesem brutalen Terroranschlag gegen Terrania zu erholen. Womöglich steht unsere Stadt, ja, vielleicht die ganze Terranische Union vor einer Katastrophe. Unser Gast von Aralon“, dabei nickte Adams Fulkar zu, „beschwört sogar das Schreckensgespenst eines latenten Genozides unserer Spezies herauf.“

Bedächtig nickte der hagere Ara, räusperte sich und ergriff das Wort:“Es mag für unterentwickelte Zivilisationen wie Ihre verrückt klingen - aber hören Sie sich erst an, was ich zu berichten weiß, bevor Sie über mich herfallen und ihr Urteil fällen.
Vor zwei Wochen bin ich auf eine merkwürdige Angelegenheit gestoßen, die mich um so mehr beunruhigte, desto länger ich darüber nachdachte. Sie erinnern sich gewiss noch an den Terroranschlag auf den Tibet-Express, wobei 527 tote und 208 verletzte Passagiere geborgen wurden. Das größte Desaster seit der Ausrufung der Terranischen Union. Der springende Punkt ist jedoch der“, und Fulkar hielt in seiner Rede inne, um jeden Einzelnen nachdrücklich anzublicken, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, “unter den Toten befanden sich sieben Terroristen, die nicht die geringste äußeren Verletzungen aufwiesen. Mit anderen Worten: diese Personen sind nicht in einem Gefecht mit der terranischen Schutztruppe getötet worden, sondern waren bereits vorher gestorben. Bei der anschließenden medizinischen Untersuchung stellte ich fest, dass ihre Körper den Eindruck von Verwelkung hinterließen, als wäre ihnen praktisch die vitale Lebensenergie entzogen worden.“
Der Koordinator für Sicherheit monierte schroff: „Also, das hätten Sie mir aber früher mitteilen müssen.“
Beschwichtigend hob Fulkar die Hände. „Sicher, Allan, aber ich hatte gezögert, die damit verbundene Schlussfolgerung zu ziehen. Ja, es widerstrebte mir, die damit einhergehende Konsequenz auch nur in Erwägung zu ziehen. Und ich wollte nicht – wie man hier auf Erden sagt – die Pferde scheu machen. Aber dann...“ und er nickte dem Administrator zu, „kam das.“

Homer sprach laut in den Raum hinein:“Positronik – Film ab!“

Die Gruppe sah, wie eine Szene aus dem Lakeside Institute auf der ihnen gegenüberliegenden Wand projektiert wurde. Eingeblendet war als Datum der 23.Februar 2037 , als 87 Menschen als Opfer des letzten Terroranschlages starben.
Auf dem Film erschien ein Mädchen, das aus einem Raum hinaus auf den Flur trat. Reihum stürzten Männer in Uniformen mit Angstgeschrei zu Boden. Zuletzt der Anführer Monk, nachdem das Kind ihn berührt hatte. Als die Kleine sich umdrehte ,war für Alle in aller Deutlichkeit zu erkennen: sie besaß ein drittes Auge auf der Stirne, welches weit geöffnet ein sattes goldgelbes Licht ausstrahlte. Und die beiden gewöhnlichen Augen strahlten katzenartig ebenso hell. Das Mädchen lächelte in Trance und bewegte sich mit träumerischer Eleganz von innewohnender Machtgewissheit und ekstatischem Rausch. Schüsse trafen und zerfetztes ihr Kleid, ohne nur im Geringsten einen Moment der Verzögerung zu erreichen. Keine Verwundung. Kein Blut. Nichts. Auch hier wichen die Männer im Foyer – allesamt Junge-Erden-Kreationisten – entsetzt zurück. Jene, die sich bereits am weitesten voran gewagt hatten, brachen sterbend zusammen. Dann zischten die ersten Strahler. Rufe ertönten. Die terranische Schutztruppe griff ein. Das dritte Auge erlosch. Das Mädchen steckte ihren Dolch, den sie die ganze Zeit feierlich wie in einer Zeremonie vor sich hergetragen hatte, zurück in den Gürtel. Anschließend tapste sie zu der am Boden liegenden Padme Chiana. Damit endete die Aufzeichnung.
„Himmel“, stöhnte Bai Jun.
„Faszinierend“, murmelte Marianne Sydow.
John Marshall meinte gedämpft: „Sie hat uns alle gerettet.“
„Das, was sie gerade gesehen haben, meine Dame und Herren“, erklärte Fulkar mit einer verzückt-entsetzten Stimme, „ ist das Schlimmste, was einer Spezies zustoßen kann. Sie haben eben eine 三只眼 吽迦羅 in Aktion gesehen. In ihrer terranischen Sprache heißt diese Spezies Sanjiyan Unkara - das galaktische Dämonenvolk.“
„Also gut“, seufzte gequält Homer auf, „Was tun?“
„Sofortige Liquidierung – noch ist sie hilflos und angreifbar!“, forderte Fulkar mit einer für ihn untypischen eisernen Entschlossenheit.
„Nun, hilflos würde ich das Verhalten nicht nennen“, meinte Mercant gedehnt. „Aber ich kann mich Ihrer Argumentation wegen der terranischen Sicherheit nicht verschließen und stimme der Exekution zu.“

Im Darkover-Park / Terrania
Zufrieden seufzend lag Padme Chiana unter einem Apfelbaum im ausgedehntem Darkover-Park, der von Marion Zimmer Bradley entworfen worden war und das Ursula LeGuin-Kinderhaus einkleidete. Hier konnten die Waisen herumtollen und fangen spielen; an den kleinen Weiher Enten füttern und Schwäne ärgern oder auf einem Abenteuerspielplatz sich an den verschiedenen Spiel – und Sportgeräten auspowern. Dieser Darkover-Park erwies sich als Anker im aufgewühlten Meer der Umwälzungen, als eine Oase des Friedens und der Erholung.
Doch heute früh, nachdem Padme erneut die Nacht hindurch von Alpträumen gequält worden und mit einem Schrei des Entsetzen durchgeschwitzt aufgewacht war, begann der Morgen mies. Ein Anruf des Koordinators für Sicherheit, Allan D. Mercant. In seiner trockenen Art setzte Allan sie darüber in Kenntnis, dass nach mehreren komplizierten Operationen John Harah außer Lebensgefahr sei. Und er schloss seine Information mit den Worten: „Ach ja, Frau Chiana, es würde mich wirklich freuen, wenn sie einen so hochtalentierten Mitarbeiter nicht weiter attackieren würden. Sie beide - Padme – sind mir lieb und teuer.“
„Ähm...ja, Koordinator“, erwiderte Chiana etwas beschämt über ihren Ausraster, obwohl John diese Attacke ohne Zweifel verdiente. Und während sie sich noch darüber wunderte, wie dieses unverwüstliche Urvieh ihren perfekten Beinschlag überleben konnte, hörte sie erstaunt ihre eigene Stimme fragen:“ Wer und wo ist dieses Mädchen, Allan?“
„Du meinst Aya; sie heißt Aya Bön und lebt im Ursula LeGuin-Kinderhaus. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“
„Nein“, lehnte Padme resolut ab und schaltete ihr Pod aus. Nachdenklich sinnierte sie darüber, warum ihr Boss so gar nicht von ihrer Frage überrascht war und sie sofort beantworten konnte. Merkwürdig, aber wahrscheinlich war dieses eine der Schlüsselqualifikationen, die man haben musste, um Koordinator für Sicherheit zu werden: Intuition mit einem Schuss Hellseherei!
Nachdem die junge Afrikanerin gebadet hatte, betrachtete Padme ihren Körper im Spiegel. Die Ärzte hatten ihr versprochen, dass weder auf dem Rücken noch an ihrem Hals irgendwelche Narben zurückbleiben würden. Die moderne Schönheitschirurgie ermöglichte fast alles. Und darüber hinaus hieß es ja: die Zeit heilt alle Wunden. Doch diese Phrase beachtete sie keine Sekunde. Padme wusste nur allzu gut um die tiefen Verletzungen in ihrem Inneren; die zerbröselnde Gewißheit in ihrer einst so stolzen Identität. Nachdenklich zog sie einen modischen Stretchanzug über ihren nackten Körper an. Kaum spürbar und wie Balsam für ihre geschundene Haut wirkend. Anschließend schlenderte Chiana die Caroline Janice Cherry – Allee entlang, bis sie sich unverhofft am Eingang des Ursula LeGuin-Kinderhaus wieder fand.
Verblüfft registrierte Padme wie irgendwas in ihrem Innersten sie hierher zog. Und während sie sich noch bemühte, ihre Gefühle zu klären, stand sie bereits inmitten der großen Esshalle des Kinderhauses. Hier pulsierte das soziale Zentrum, denn ringsumher brodelte ein Knäuel krakelender Kinder.
Padme sah Aya und Aya sah Padme. Verlegen gingen beide aufeinander zu. Die junge Bön lächelte zaghaft und reichte ihre Hand zum Gruß. Plötzliche Sorge durchflutete Chiana. Ein kurzer Moment der Ungewissheit. Was würde geschehen, wenn sie den Todesengel berührte? Sterben wie alle anderen Menschen? Dann schalt sie sich innerlich einer Närrin. Ringsherum quieckten und kreischten die Kinder voller Lust und Lebensfreude – und nirgendwo lagen dahingeraffte Leichen. Lächelnd ergriff sie die Hand. „Ich heiße Padme.“
„Ich bin Aya“, piepste aufgeregt die Kleine.
Danach gab es nichts zu klären.
Nachdem Chiana sich mit ihrem ID-Chip bei `Tante Beatrix´ausgewiesen hatte – einer der Vorteile, für Mercant zu arbeiten: es öffnet wie von Zauberhand alle Türen der Bürokratie - gingen sie hinaus in den umliegenden Darkover-Park. In schweigender Zweisamkeit spazierten sie an den kleeblättrigen Weiher und erprobten ihre Geschicklichkeiten auf den Abenteuerspielplatz auf dem Deck des Piratenschiffs von Käptain Monkey D. Ruffy – bis sie irgendwann am Apfelbaum Rast einlegten.
Entspannt lag Padme auf den noch schmerzenden Rücken und blickte verträumt der Wolkenwanderung hinterher, während sie den Wuschelkopf auf ihrem Bauch kraulte und dem entzückten Schnurren einer kleinen Wildkatze namens Aya lauschte.
Chiana fragte sich im Stillen, ob dieses merkwürdige Gefühl im Bauch jenes war, was die alten Dorfweiber in Thabazimbi gemeinhin `Muttergefühle´nannten. Beschützerinstinkt? An diesem Punkt angelangt, überlegte Padme sich, ob Aya ihre Situation überblickte.
Immerhin war sie - was?
Jenseits von allen religiös-philosophischen Aspekten eine – Anomalie?
Konnte die junge Tibeterin erkennen, wie absonderlich es war, als junges Mädchen mitten im blutigem Gefecht zu stehen, während sie von einem Kugelhagel getroffen wurde, welcher zwar ihr Kleid zerfetzte, jedoch sie unverletzt ließ?
War Aya sich darüber bewusst, dass diese Situation Fragen nach sich ziehen würde?
Womögliche Konsequenzen – welcher Art?
Nagende Fragen. Doch Padme schwieg. Jetzt war nicht der richtige Moment, diese schöne Stimmung und heilende Atmosphäre zu stören.
Der Kopf auf ihrem Bauch bewegte sich etwas hin und her, die kleine Nase schniefte.
„Hey“, rief Chiana in gekonnt inszenierter Empörung, „mein schöner Dress ist kein Taschentuch!“
Aya hob ihr Gesicht und kicherte:“Meine Nase hat bloß gejuckt. Du denkst an mich!?“ Und ließ ihr Haupt wohlig aufseufzend wieder auf Padmes Bauch sinken.
Irgendwann fragte Chiana behutsam:“Aya, was planst du für deine Zukunft? Was willst du tun?

Stardust Tower / Terrania
„Dämonenvolk?“, fragte Frau Sydow ironisch nach. „Sind wir nun auch auf dem Niveau der Junge-Erden-Kreationisten angekommen?“
Fulkar winkte ärgerlich ab. „Sie verstehen nicht, worum es geht. Ich bin Arzt und kein Historiker. Wenn Sie mehr Informationen haben wollen, wenden Sie sich an Crest. Schließlich war es das arkonidische Große Imperium, welches seit einigen Jahrhunderten, sogar seit Jahrtausenden die systematische Ausrottung der Sanjiyan Unkara betrieben hatte.“
„Die Ausrottung?“, vergewisserte sich der Administrator erstaunt.
„Genau! Ein konsequentes Genozid-Programm.
Sehen Sie, vor vielen Jahrtausenden stand das Große Imperium der Arkoniden vor einem Zwei-Fronten-Krieg.
Zum einem war der existenzielle Krieg gegen die Methanatmer. Das Problem war nicht die militär-technologische Überlegenheit, die die Maahks – wie sie sich selber nannten - zu einer solchen Bedrohung werden ließ, sondern die schiere Masse an Kriegsschiffen, die das arkonidische Reich damals zu zermalmen drohte.
Zum anderem vagabundierten die Sanjiyan Unkara durch die bekannte Galaxis.
Diese Spezies gründete kein Sternimperium und besaß keine Raumschiff-Flotte, sie wollte kein Reichtum und auch keine Macht...“
„Wahrlich sehr beunruhigend“, warf Marshall spöttisch ein.
„Warten Sie ab, John. Diese Spezies besteht aus Parasiten und ernährt sich von der vitalen Energie und den Seelen der planetarischen Lebensformen! Und das ist exakt das, was wir gesehen haben.“
Betroffenes Schweigen breitete sich im Raum aus.
„Wie gesagt, ich bin ein Arzt aus Aralon mit etwas Allgemeinbildung in galaktischer Geschichte. Für weiteres Details konsultieren Sie den Historiker Crest.
Im Groben verläuft das Drama jedoch wie folgt: Ein Sanjiyan Unkara landet auf irgendein Planeten. Dort setzt sich der Schmarotzer fest und ernährt sich energetisch von dem Wirt; überwiegend von der vorherrschenden Lebensform – aber auch über alle evolutionären Stämme hinweg!
Ein Sanjiyan Unkara lebt rund 500 Terrajahre. Kurz vor dem Tode zeugt die erste Generation dem Nachwuchs und stirbt rund 30 Jahre später. Die gesamten einheimischen Lebensformen siecht dahin. Einst von der führenden Spezies erreichte kulturellen Errungenschaften verkümmern, bis die degenerierte Spezies irgendwann ausstirbt. Sollte sich ein Raumschiff zu diesem Planeten verirren, könnten die Sanjiyan Unkara weiter durch die Galaxis fliegen und sich so ausbreiten und vermehren.
Sie sehen, das Dämonenvolk strebt zwar nach Nichts, saugen jedoch durch ihre bloße Existenz das Lebenselixier vieler intelligente Völker aus. Die Sanjiyan Unkara sind ein parasitärer Fluch für die galaktische Gemeinschaft.“
„Was Sie erzählen, Fulkar, klingt tatsächlich besorgniserregend. Aber ich kann das Gesagte unmöglich mit diesem Mädchen in Verbindung bringen. Auch wenn die Bilder ...“
„Frau Sydow, bitte machen Sie keinen gravierenden Fehler. Dieses Wesen ist kein menschliches Kind. Die Spezies Sanjiyan Unkara tarnt sich. Wenn die Zeit der Fortpflanzung gekommen ist, geht dieser Parasit eine Verbindung mit einem Mitglied der hochentwickelten Lebensform ein. Zu diesem Zeitpunkt hat der Parasit bereits die Kontrolle über den Planeten übernommen. Die Sanjiyan Unkara zeugt ein Nachwuchs, der genetisch angepasst ist. Hier auf Terra: der Mensch. Wenn jedoch die Reifezeit blüht – was hier die Pubertät genannt wird – verändert sich dramatisch die Wesensart.
Man sagt nicht umsonst, dass in der Pubertät die süßen Kinder zu Monster mutieren. Bei den Sanjiyan Unkara trifft das wahrhaftig zu. Je nach planetarischer Spezies dauert es rund dreißig Jahre, bis diese Brut diesen Punkt erreicht hat, dass sie die einheimische Mentalität abstreift und der wahre Charakter des Sanjiyan Unkara hervortritt. Dann erfolgt die weitere unerbittliche Versklavung des einheimischen Spezies durch den jungen Parasiten, während der alte stirbt.
So ist der Kreislauf der Verdammnis!
Für die einheimische Bevölkerung sieht es in der Zwischenzeit so aus, als würde sie ein schnurrendes kleines Kätzchen hegen. Dabei werden sie nicht gewahr, wie die Katz zu einem ausgewachsener Leopard heranwächst – und sie dann allesamt frisst.“
„Mmh, aber die Bevölkerung ist doch schon vorgewarnt durch das Verhalten der ersten Generation?“ hakte Bai Jun kühl nach.
„Ja, das schon“, stimmte Fulkar zögernd zu, während seine Stirn sich zu nachdenklichen Falten runzelte. „Der Parasit ernährt sich von jede Lebensenergie. Das ist ihr genetisches Programm. Es entspricht ihrer Natur. Wir – das Leben schlechthin – sind bloß Futter. Und das meine Liebe“, dabei nickte er freundlich Marianne zu, „ ist die gewöhnliche Form, denn es sterben nicht notwendigerweise Menschen, wenn die Sanjiyan Unkara nicht aus voller Gier oder purer Absicht das Leben erlöschen lassen will. Das Wesen eines parasitären Verhaltens besteht gewöhnlich darin, solange wie möglich sich am Wirt gütig zu tun.
Das Kind handelt entsprechend seinem genetischen Programm und entwickelt sich instinktiv mit innerer Intuition. Und“, Fulkar hob unheilschwanger seine Stimme, “wir sehen bereits die zweite Stufe der Entwicklung.“
„Die zweite Stufe? Was meinen sie damit?“, fragte Homer betont sachlich.
„Wie Sie auf dem Film erkennen konnten, hat das Wesen ihr drittes Auge geöffnet. Ab diesen Moment beschleunigt sich die Entwicklung zur drohenden Gefahr.
Lassen sie mich ein Modell aus der Ernährungslehre heranziehen.
Der Mensch ernährt sich von verschiedenen Fettsäuren, die lebensnotwendig sind.
Für eine Sanjiyan Unkara ist tote Nahrung wie ein gerupftes Huhn oder eine geschlachtete Kuh so wie die `gesättigte Fettsäure`. Man kann es essen, aber deren essenzieller Nährwert ist gering und bringt unerfreuliche Stoffwechselkrankheiten mit sich. Für die Dämonin wäre es so, als würde sie sich von Kokosfett oder Palmkernöl ernähren.
Doch sich direkt an Lebendigem als bionischer Energiequelle zu laben – also von Obst und Gemüse; dann über die Vitalenergie lebende Tiere wie Schaf und Huhn; bis hin zum Menschen in Form von absorbieren von Gefühlen, Körperwärme oder Körperelektrizität – wirkt für Aya wie die Zunahme einer `einfach ungesättigten Fettsäure´ wie in Form von Rapsöl und Olivenöl.
Das ist die Sublimierung der Lebensenergie in der ersten Potenz!
Nun kommt der Wechsel!
Sobald die Sanjiyan Unkara ihr drittes Auge zu öffnen vermag, findet eine enorme Veränderung statt. Diese wirkt auf mehreren Ebenen: Der erste Aspekt signalisiert ihre Reifung, nämlich die Fähigkeit das dritte Auge zu öffnen. Der zweite Aspekt hängt unmittelbar damit zusammen, dass Aya genügend vitale Lebensenergie in sich gspeichert hat, um die Anschubenergie für die Öffnung des dritten Auges aufzubringen. Ein wichtiger Punkt, denn kann die Sanjiyan Unkara nicht genügend Lebensenergie in sich akkumulieren, bliebe das dritte Auge geschlossen und ihre Entwicklung blockiert. Sie können sich den Prozess vorstellen wie bei Kohle - es bedarf eines Katalysators, um die Kohle zum Glühen zu bringen. Erst dann folgt als dritter Aspekt die Fähigkeit der Dämonin, direkt die Seelen – das saiwalo - der Lebendigen zu verschlingen. Eine psychische Essenz, die weit über die reine körperliche vitale Energie herausragt. Eine kleine Nova. Im Grunde genommen braucht sie ab diesen Moment sich nicht mehr wie ein Mensch ernähren. Es ist bloß nur noch bloße Gewohnheit. Tarnung. Nostalgie.
Und als vierten Aspekt transzendiert sie zum wahren Sein des Sanjiyan Unkara.
Mit ihrem dritten Augen wandelt die Dämonin einen Teil der Seelenenergie in reine psionische Energie – womöglich sogar in psionische Materie – um. Und, je mehr Aya Seelen verschlingt, desto schneller streift sie die Zivilisation der Wirtskultur ab und wird zum alles verschlingendem Parasit, der sie nun mal ist.
Seelenenergie – saiwalo - wirkt als eine Art von zweifach ungesättigten Fettsäure wie Distelöl oder Sonnenblumenöl.
Das ist die Sublimierung der Lebensenergie in der zweiten Potenz!“
„Moment“, stoppte John merklich irritiert den Erzählfluss. „meinen sie mit psionische Energie Mutantenkräfte?“
„Sehen Sie“, triumphierte Fulkar, „langsam begreifen sie. „Natürlich ist jede Spezies einzigartig und hat entsprechende besondere Ausprägungen. Der menschliche Genom besitzt offenkundig eine besonders reaktionsfreudige Tendenz zur Ausbildung von parapsychische Gaben. Diese sind deutlich ausgeprägter – quasi psionische Mengenelemente - als bei gewöhnlichen Menschen, die psionischen Spurenelementen in ihrer Seele tragen.
Die Mutanten haben per se´mehr an para-mentale Energie und diese sind zudem noch von einer anderen Qualität. Für eine dämonischen Seelensammlerin wirkt dieses wie eine dreifach ungesättigten Fettsäure wie Leinöl oder Windrosenöl.
Das ist die Sublimierung der Lebensenergie der dritten Potenz!
Es erfolgt eine enorme Beschleunigung im Aufbau der psionischen Energie, deren hyperphysische Komponente noch unspezifisch sind. Das ist der fünfte Aspekt.
Solche gewaltigen mentalen Kräfte bergen ungeheure Chancen und Risiken!
Je nach angegriffener Spezies können nach Bedarf die Fähigkeiten modifizierend spezifiziert werden. Das macht diese Sanjiyan Unkara so immens gefährlich.“
„Ich fasse zusammen“, meinte Homer angespannt. „ Diese Spezies kam von Irgendwo, lebte in der bekannten Galaxis individuell verstreut und ernährt sich als Parasit von Lebensenergie des heimischen planetarischen Wirtes. Die vitale Energie wird - wie bei den Bienen und dem Blütenstaub – gesammelt und als psionischen Nektar verdichtet und akkumulierend gespeichert. Hyperphysikalische Honigwaben. Was damit geschieht, wissen wir nicht.
Dann hat das arkonidische Große Imperium vor ungefähr 10.000 Jahren beschlossen, die Sanjiyan Unkara mit einem `Null Toleranz´- Programm auszurotten. Der Genozid der Sanjiyan Unkara. Dieses wurde soweit erfolgreich durchgeführt, dass die letzte Aktion nach Wissen von Fulkar vor vielen Jahrhunderte abgeschlossen wurde. Habe ich das soweit richtig verstanden?“
„Mmh ja“, grummelte Fulkar.
Erneutes Schweigen hing bedrückend im Raum.
Minuten später ergänzte der Arzt mit leiser Stimme: „Stellen Sie sich vor was geschehen könnte, wenn solch eine Kreatur einen Planeten besetzt, auf dem tausende, zehntausende oder hunderttausende Mausbiber leben. Und alle besitzen die Psi-Kräfte eines Gucky. Und es würde über Jahrtausende oder Jahrzehntausende hinweg diese enorme psionische Energie geerntet und gespeichert werden. Ein schier vorstellbares Reservoir an hyperphysikalischer Materie.
Homer , Allan, John und Bai sahen sich schweigend an, während sie gemeinsam an das Gleiche dachten: ES! Damals, als Perry und seine Gefährten vom Planeten Wanderer zurückgekehrt waren, kamen ihnen die Abenteuer durch Raum und Zeit im Wega-System im Rückblick merkwürdig vor.
Mit den jetzt aktuellen Informationen hatten sie nun ganz unvermittelt einen Zipfel des Geheimnisses von ES ergriffen. Die empörende Frage zu den Lebensbedingungen der Spezies der Mausbiber lies sich durchaus in zwei Richtungen lesen: einerseits als Schutzmaßnahme vor dem dämonischen Aliensvolk und anderseits aber, ob nicht ES selbst genauso handelte.
Hier schimmerte eine Transzendenz von einer höheren Ordnung durch, die sie als eine niedere Lebensform selten zu sehen bekamen und eher ein Ahnen denn ein Begreifen war.
Das Agieren der mystischen Entität in ihrer Wechselbeziehung von Strukturen und Funktionen zu einem übergeordneten System zum Zweck von – was?
Und jetzt hatten sie durch Zufall eine einzige Struktur aufgedeckt, deren Funktion – so unmenschlich dieses auch für sie als Menschen erscheinen mag, aber ES war kein Mensch und so erschien die Empörung des Terraners Perry Rhodan geradezu lächerlich kindlich-naiv – welchen Sinn ergab?
Wenn die Sanjiyan Unkara so etwas wie Bienen in der Sammlung von psionischer Energie in dieser Galaxis gewesen waren, damit die vitale Lebensenergie der galaktischen Völker nicht einfach ins Nirwana verpufft, dann lag der Zweck - im Aufbau und Unterhalt eines psionisches Reservoir der Entität ES?
Oder für einen psionischen Schutzschirm der einheimischen Galaxis – für oder gegen was?
Möglicherweise erwies sich die `Null Toleranz´- Politik des arkonidischen Großen Imperium seit 10.000 Jahren als ein Irrtum. Ein Missverständnis - gut gemeint, aber mit fatalem Ergebnis! Und das wäre welches?
Wie dem auch sei, das sogenannte galaktische Dämonenvolk war faktisch ausgerottet und was immer für welchen Zweck sie erfüllt hatten, war unwiderruflich vorbei. Sie, die Terraner, hatten es nur noch mit einem marginalen Rest zu tun - in der Verkörperung der jungen Bön.

Im Darkover-Park / Terrania
Aya richtete sich auf und setzte sich im Schneidersitz vor ihre neuen Freundin.
Ja, sie sehnte sich nach einer Freundin und darum schloss sie in ihrem Herzen spontan Freundschaft mit Padme. Nun strahlte die junge Tibeterin Chiana an: „Ach, im Kinderhaus finde ich es schon cool. Wir sind die vier Ausrufezeichen – eine kleine Mädchenbande und bemühen uns, soviel wie möglich auf den Kopf zu stellen. Jedenfalls meint das unsere Fluraufsicht, Tante Beatrix. Also da könnte ich mir durchaus vorstellen, noch eine Weile zu bleiben. Aber nicht zehn Jahre.“ Dabei sah die junge Bön ihre Freundin erwartungsvoll an.
Diese ungestellte Frage ignorierend meinte Padme: „Und was gibt es sonst noch?“
„Nun, ansonsten finde ich den jungen Tibeter ganz nett. Den Assistenten vom Bürgermeister Bai Jun. Aber Lhundup hat immer so viel zu tun – sagt er – und hat darum weniger Zeit für mich.
„Männer“, knurrte Padme.
„Tatsächlich will ich jedoch über kurz oder lang nach Wega fliegen...“
„Nach Wega?“, echote Padme erstaunt.
„Jepp. Zu den Ferronen, um dort ...“ nun stockte Aya, um lahm zu enden...“ die ferronische Kultur kennenzulernen. Vielleicht werde ich Kosmonautin, nicht?“
Chiana nickte nur. “Also das sind deine Ideen? Das willst du tun?“
„Yo, mit dir!“ strahlte Aya sie mit ihren ganz eigenen Charme kindlich-naiver Offenheit an.
„Also gut, Aya“, erwiderte Padme gedehnt, „dann will ich dich unterstützen.“

Stardust Tower / Terrania
„Was schlagen Sie vor, Fulkar?“, erkundigte sich Bai nach einer unendlichen Weile.
„Wir müssen das Dämonenkind töten. Wir könnten eine Räumlichkeit in der Wüste errichten und Aya dorthin zu locken. Dann entweder die Luft bis zum Vakuum absaugen, um sie zu erstickt oder ein toxonisches Gas einleiten, um sie zu vergasen.“
Die Menschen sahen den Ara entsetzt an.
„Bitte gucken sie nicht so, als wäre ich hier das Monster. Es geht um das Überleben der Menschheit. Ihrer Menschheit! Natürlich können sie auch mit einer Strahlkanone den Schädel der Dämonin zerdampfen oder mit einem bakteriologischen Cocktail vergiften. Egal was - es muss nur schnell geschehen. Diese Sanjiyan Unkara kann ihre Haut binnen 30 ms molekular modifizieren. Jede Aktion muss daher unter diesem Limit erfolgreich sein. Entscheidend ist, dass sie kein Misstrauen hegt. Denn, wenn sie sich erst einmal bedroht und verraten fühlt, dann wendet sie sich feindlich gegen ihren Wirt. Und der Vergeltungsschlag wäre katastrophal.“
„Grauenhaft!“ meinte Bai Jun.
Fulkar lachte leicht hysterisch: „Das war die humane Variante!
Das Große Imperium handhabt dieses Problem etwas anders. Es schickt drei Raumflotten zum Planeten. Dann wird dort eine Arkonbombe mit kürzester Laufzeit gezündet. Das Zielobjekt - der gesamte Planet – wird hermetisch abgeriegelt und jedes Raumschiff, das versucht zu fliehen wird ohne Ausnahme zerstrahlt.
Es gibt kein Entkommen für Niemand!
Die Dämonenbrut wird in einem glühenden Ball vernichtet. Definitiv!
Das wäre die arkonidische Variante!
Das kann sich nur das Große Imperium leisten. Man kann sagen was man will - und viele Sternnationen hassen die arroganten Arkoniden –, aber das findet ihre Zustimmung. Jede Brut weniger schützt ihren eigenen Planeten.
Dumm ist es allerdings für jene, die nur einen Planeten bewohnen“, und dabei blickte er in die Runde und nickte gewichtig, „dann fällt die Entscheidung für einen kollektiven Selbstmord zugegebenermaßen schwer.
Dann bleibt nur jahrhundertelanges Siechtum bis zum Erlöschen.
Oder andere Sternnationen bieten - mit oder ohne Erlaubnis - „Sterbehilfe“ an.
Daher leistet das arkonidsche Große Imperium durchaus selbstlos und ohne langatmige Nachfrage Hilfe durch Genozid! Das ist eine reale Option.
So stellt sich mittelfristig die Situation für die Terraner da: Entweder lösen sie ihr leidiges Problem– oder das große Imperium kommt auf die Idee, Medizin zu schicken, die den Patienten tötet.“
„Das ist ungeheuerlich“, empörte sich Frau Syndow bleich, während die Männer vor grauhäutigem Entsetzen schwiegen.
„Das“, und Fulkar nickte nachdrücklich in die Runde, „ist galaktische Realpolitik!“
Doch dann durchschnitt eine fest entschlossene Stimme entschieden das Grauen. “Fulkar, Sie lassen sich zu sehr von ihrem eigenen Horror jagen“, wies Bai Jun das worst case – Szenarium zurück. „Aya ist nicht jene, für die Sie sie halten! In den vorliegenden Berichten entschied die junge Bön bewusst und gezielt, auf welcher Seite sie steht und wen sie tötet, wenn sie muss. Wenn es wirklich so uneingeschränkt wäre, wie Sie sagen, dann müsste auf der Erde bereits seit langem dieses grauenhafte Phänomen feststellbar sein. Bevor Aya Bön vor sechs oder acht Jahren geboren wurde, muss ja die Mutter schon paar Jahrhunderte hier gelebt und die beschriebenen Symptome erzeugt haben. Vielleicht gehen wir von einer völlig falschen Prämisse aus? Möglicherweise reagiert diese Spezies ebenso wie wir Menschen: individuell und entsprechend den erlebten Erfahrungen mit ihrem planetarischen Wirt?“
„Das stimmt“, sekundierte Marianne verblüfft, um dann mit großem Eifer fortzufahren: „Wenn es so wäre, dann müsste – nachweisbar – Tibet ein völlig ausgesaugtes, ja totes Land sein. Aber was wir wissen ist, dass dieses Land seit Jahrzehnten – Entschuldigung Bai, wenn ich das so sage – eine unterdrückte Nation durch die VR China ist. Und die Bön-Religion gilt durchaus als friedlich, auch wenn ihr Ursprung in einem blutigen Kultus wurzelte.“
„Also gut, wir handhaben diese Angelegenheit wie folgt“, fasste nun der Administrator mit der Stimme und dem Gewicht seines Amtes zusammen: „So wie ich es verstanden habe, sind Fulkar und Allan für die Exekution sowie Marianne und John für eine Verständigung. Bai für eine neutrale Beobachtung. Wir warten auf die Rückkehr von Perry und Reginald sowie den Arkoniden Crest und Thora; während wir in der Zwischenzeit weitere Informationen sammeln. Dann beraten wir erneut darüber, was wir tun werden.“

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Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Mit meiner 14. Skizze „Was tun?“ endet das Episoden-Reigen
und fügt sich – in elf Pflöcken – zu einer Komposition zusammen:

01. Das Ringen in der Mächtigkeitsballung (03. Skizze)
02. Die Ehrenwerte Bön (05. Skizze)
03. Abschied von Tibet (06. Skizze)
04. Der Terroranschlag (07. Skizze)
05. Allans Bedrohungsanalyse (08. Skizze)
06. Ein faustischer Pakt (09. Skizze)
07. TAF – Team Sieben (10. Skizze)
08. Team Sieben im Einsatz (11. Skizze)
09. Der Angriff auf Terrania – 1.Teil (12. Skizze)
10. Der Angriff auf Terrania – 2.Teil (13. Skizze)
11. Was tun? (14. Skizze)

in deren Ausformung eine Novelle aus den Anfängen des NEOversum entstehen könnte.
Ich schnüre diese Episoden in meiner Arbeitsmappe mit dem Titel „Aufbruch“ zusammen.
Und ab: Schreibtischschublade.


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DelorianRhodan
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von DelorianRhodan »

Honor_Harrington hat geschrieben:Mit meiner 14. Skizze „Was tun?“ endet das Episoden-Reigen
und fügt sich – in elf Pflöcken – zu einer Komposition zusammen:

01. Das Ringen in der Mächtigkeitsballung (03. Skizze)
02. Die Ehrenwerte Bön (05. Skizze)
03. Abschied von Tibet (06. Skizze)
04. Der Terroranschlag (07. Skizze)
05. Allans Bedrohungsanalyse (08. Skizze)
06. Ein faustischer Pakt (09. Skizze)
07. TAF – Team Sieben (10. Skizze)
08. Team Sieben im Einsatz (11. Skizze)
09. Der Angriff auf Terrania – 1.Teil (12. Skizze)
10. Der Angriff auf Terrania – 2.Teil (13. Skizze)
11. Was tun? (14. Skizze)

in deren Ausformung eine Novelle aus den Anfängen des NEOversum entstehen könnte.
Ich schnüre diese Episoden in meiner Arbeitsmappe mit dem Titel „Aufbruch“ zusammen.
Und ab: Schreibtischschublade.


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Schreibtischschublade?
Viel zu schade! :st:
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Slartibartfast »

DelorianRhodan hat geschrieben:Schreibtischschublade?
Viel zu schade! :st:
So ist es. Auch wenn ich nicht so oft etwas direkt dazu schreibe, finde ich die Skizzen sehr lesenswert. :st: Danke dafür!
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overhead
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von overhead »

Ich sage auch, viel zu Schade für die Schublade. :gruebel: .........

Sag mal, Honor, bist Du in irgendeinem Klub :gruebel: ?

Da wäre vielleicht der "Verein", bei dem jetzt Kurpfälzer ist, der PROC :st: ...........

Vieleicht wäre das eine Möglichkeit, diese tolle Geschichte in PDF-Form oder ähnlich "unters Volk" zu bringen, wo sie auch hingehört :st:

Gruß overhead
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Yo – erst einmal vielen Dank für die Blumen.
Ich bin selber etwas überrascht wie sich nach und nach die einzelnen Episoden zu einer schönen Komposition fügte.

Geschrieben habe ich die Skizzen aus dem Bedürfnis heraus, bestimmte Aspekte herauszuarbeiten und auszuloten oder Fragen nachzugehen, die sich mir stellten. Es ist die reine Lust an die Freude.

Dabei ist mir bewusst geworden, dass hier im Forum (rund 800 Foristen) vermutlich um die 150 Members im NEO-Unterforum unterwegs sind. Davon lesen zwischen 80 und 120 meine Skizzen.
Das stellt natürlich auch ein Motivationsschub da.
Etliche Foristen hatten mir eine PN geschrieben mit den Vorschlag, diese Skizzen in einem speziellen Thread zu sammeln, sodass diese nicht vereinzelt im Unterforum umher schwirren. Eine gute Idee und so habe ich dieses auch umgesetzt.

Als drittes Moment hege ich die Hoffnung, dass auch die NEO-Autoren in diesem Thread hineingucken und sich aus den Gedanken und Handlungslinien die eine oder andere Ideen aneignen. Für mich stellt es die produktivste Form einer Interaktion zwischen Leser und Autor da.

Und manchmal, wenn ich in Fieberträumen im Bett liege, stell ich mir vor, wie hier und da am PC-Stammtisch der eine den anderen Member agitiert: „Eh Mann, komm doch auch mal im `Galaktischen Forum´.“
„Nö, mir reicht mein NEO als E-Book oder als Totbaum vom Kios“
„Ja schon, aber im Forum gibt es ein Thread mit NEO-Skizzen, die sind wirklich als kritische Ergänzung – gerade zu den Punkten, womit du so unzufrieden bist - gut und kannst du sonst nirgends wo sonst lesen. Das ist ein Bonus!“
„Echt jetzt? Na schön, dann werde ich mal rein schau´n. Versprochen!“
Ähm – nun ja, Fieberträume eben ...

Soweit zum Verlauf.

Ich denke, es ist eine günstige Gelegenheit nochmal auf Fragen und Vorschläge einzugehen, die über die Zeit hinweg in verschiedenen Threads und PN aufgekommen sind.

Ich bin kein verkappter Autor im PRversum!
Vermutlich würden mich die Kollegen trotz solidarisch gemeinter, dennoch kreativer praktizierter Kritik teeren und federn – und Frank Borsch höchstselbst mich an Marterpfahl fesseln.

Ich bin kein Schriftsteller!
Nun ja … Vor 30 Jahren habe ich oft und viel geschrieben; allerdings aus der damaligen sozialen Bewegung für die soziale Bewegung. Und ich denke, dass man diesen Hintergrund in meinen Skizzen erkennen kann.
Hoffentlich nicht so aufdringlich.
In diesem Sinne fühle ich mich auch der Social Fiction sehr nahe!
Jedenfalls habe ich ende der 80er Jahren mich entschieden, kein Karriere als professioneller Schriftsteller einzuschlagen. Lust an die Freude ist meine wesentliche Quelle an Kreativität und Lebensqualität – und der Einstieg in einer Schreibfabrik würde diese unweigerlich zum versiegen bringen.
Stattdessen habe ich mich als Kaufmann weiter zum Buchhalter qualifiziert.
Tja nun – ich will es mal so sagen: das ist eine berufliche Tätigkeit, die der Kreativität auch nicht gerade förderlich ist. Zumindest nicht, wenn man keine „kreative Buchführung“ betreiben will oder muss.
Wie dem nun auch sei, ich bin jetzt 57 Jahre jung (ja, jung, denn jeder ist so alt, wer er/sie/es sich fühlt), habe jedoch nicht den Ehrgeiz eine neue Karriere zu starten. Stattdessen fröne ich lieber ein Hobby, welches Spass macht.

Ein Roman schreiben
Sicherlich lässt sich aus dieser Episoden-Sammlung „Aufbruch“ ein Roman schreiben. Die entsprechende Substanz und Dichte ist vorhanden. Allerdings müsste das ganze Material noch einmal aufgebrochen und anschließend umgeformt werden. Solche Anstrengung würden sich nur lohnen, wenn bereits ein damit anvisiertes Ziel vorhanden ist. Ist es aber nicht.
Auch einfach so in einem erweiterten Rahmen zu veröffentlichen ist nicht so einfach. Es gibt beispielsweise ein Heft/Buchreihe der „FanEdition“, wo ich mir das Band 12 von Gerry Gaynaly „Opus Erawan“ gekauft habe. Mich hat halt interessiert, was er aus meinen Lieblingsfiguren Tatcher a Hainu und Dalaimoc Rorvic entwickelt hat. Mit 84 Seiten schon ziemlich umfangreich und vor allem nett geschrieben – und war seine Eintrittskarte in der SF-Serie `Sternenfaust´.
Der Verbreitungsgrad dieser Publikationen beträgt zwischen 100 und 150 Exemplare - und natürlich einen dann etablierten Autorennamen.
Da meine Episoden-Sammlung „Aufschwung“ sehr NEO-spezifisch ist, denke ich, dass mit der Veröffentlichung hier im Forum das größte Spektrum eines interessierten Leserschaft abgedeckt ist.
Um übrigen brauche ich für eine neue Novelle von rund 200 Seiten Standard ungefähr neun Monate.

Hinzu ist folgendes zu bedenken: Ich habe zwei Figuren benutzt, die anderen Autoren „gehören“, nämlich Monk (Michelle Stern) und Whistler (Marc A. Herren). Und auch wenn ich den Eindruck hatte, diese Figuren wären nur Bedingung für diesen einen Roman entwickelt und dann ab in die Versenkung geschickt worden (Gefangenschaft, um irgendwo im Knast für ewig zu verrotten), so muss man doch korrekterhalber nachfragen. Nach meiner Meinung nach, haben die Figuren ja an Substanz und Tiefe gewonnen, aber vielleicht haben die Schöpfer selber noch großes mit den Figuren vor? Ich weiss es nicht. Also so was muss man abklären.
Ebenso bin ich recht großzügig mit meinen Referenzen umgegangen; gewiss mit einer für Skizzen typischen Holzschnittsartigen Manier. Ob nun der Schöpfer von Warhammer 40.000 oder der deutschen und japanischen Cybermancer mit ihrer Nennung glücklich sind, oder die diversen Autorinnen wie Bradley, LeGuin usw. bis hin zu lebenden Personen, denen ich einer ungefragten Huldigung unterbreitet habe – all das wären Fragen und Überlegungen, die geklärt und vor allem deutlich umgeschrieben werden müssten.
Ich persönlich wäre auch empfindlich, wenn meine mir am Herz gewachsenen Figuren wie Aya, Padme und John plötzlich in irgendwelchen Kuddelmuddel verstrickt wären. Allerdings würde ich diese schon Alexander Huiskes oder Wim Vandemaan anvertrauen.

Aus dem gesagten ergibt sich für mich idealerweise: Sollte es irgendwann mal ein Projekt wie NEO Extra – Kurzgeschichten geben, dann würde ich mich mit entweder bereits vorhandenen oder noch zu schreibenden Stories beteiligen.
Damit wäre dann für mich das Ende der Fahnenstange erreicht.

Weiter?
Nach diesem Episoden-Reigen muss ich auch erst einmal tief durchatmen und den Stoff sacken lassen; mein Unbewußtsein für neue Impulse und meinen Geist für neue Ideen öffnen. Und es ist eine Phase, auf möglicherweise vorhandenem Echo zu lauschen – auf ein feedback, um diese zu berücksichtigen oder gar inspirieren zu lassen („Schau mal, Honor, die da im Dunklen sieht man nicht und fristen so ein kümmerliches Dasein– leuchte doch mit deiner Fackel dahin und schenkt den armen Kreaturen etwas Futter – mit Salz und Pfeffer, bitte!“)

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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Roi Danton »

Honor_Harrington hat geschrieben:Ich wurde in der letzten Zeit von verschiedenen Foristen darauf angesprochen,
ob ich nicht meine verschiedenen Skizzen zu NEO nicht in einem einzigen Thread bündeln
und im NEO-Forum pinnen lassen könnte.

Darüber habe ich hin und her nachgedacht und finde diese Idee hilfreich,
besser als wenn die einzelnen Skizzen zerflettert durch Unterforum schwirren.

Daher fasse ich die bisherigen und zukünftigen Skizzen hier in diesem Thread zusammen.
Debatten laufen ja meist im parallelen Thread (Spoiler #x).

HH
Hallo Honor,
Da hast du dir aber viele Gedanken über Neo gemacht. Ich bin beeindruckt von deinen vielen Skizzen. Ich hoffe doch mal, dass FB und Kollegen diese Skizzen immer wieder zur Hand nehmen und einige Ideen umsetzen.
Das Team 7 ist doch ein Shadowrun Team und du hast ursprünglich für SR geschrieben und es dann ins Neoversum angepasst. Oder? Zu welchem Zyklus gehören ursprünglich die Aya-Abenteuer? Oder ist dir die Idee beim Lesen des Thortthema im Neo gekommen, gewissermaßen ein tibetanischer weiblicher Thort?
Nun ein „Seelenfresser“ war auch der titanische Steuermann von MATERIA, der damals über Terra lief und Zehntausende umbrachte.
Diese Fähigkeit besitzen selbstverständlich auch die Superintelligenzen und die Negativen wenden sie auch rücksichtslos an, um sich zu „stärken“.
Inwiefern ES im Neoversum, diese Spezi schaffen ließ oder einfach für sich ausnutzte, um die ansonsten im Hyperraum verwehende Para-Energie einsammeln zu lassen und es irgendwann für sich zu nutzen, sei mal dahin gestellt. Die ES-Konzepte wären eine andere Möglichkeit.
In jedem Falle ist die Idee einfach Spitze und mir ist sie unabhängig von dir ebenfalls bereits im Kopf herumgespukt.

Ad Astra
Roi Danton
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

Ho Roi Danton,
danke für deinen Beitrag und den Fragen, die ich gerne beantworte.
Zu 1
Das Team 7 ist doch ein Shadowrun Team und du hast ursprünglich für SR geschrieben und es dann ins Neoversum angepasst. Oder?
Die Skizze zum Team 7 ist in der Tat inspiriert von den Shadowrun.
Ich habe dazu auch geschrieben, dass es sich dabei um eine Hommage auf "Deutschland in den Schatten" von Hans Joachim Alpers handelt, der leider vor kurzem verstorben ist.
Dieser Kontext ist ja auch immer eine indirekte Aufforderung an das Autoren-Team "neuere literarische Strömungen" einzubinden und nicht nur das Alte neu zu erzählen.
Es wäre meiner Meinung nach ein grober Fehler, weil die Leserschaft natürlich auch auf dem Stand der Dinge sind und nicht alte Klamotte wiederkäuern wollen.
Allerdings bin ich so weit einsichtig zu erkennen, dass just dieser Erzählstrang leider nicht ins NEOversum passt.
Im übrigen - falls du ein Fan von Mangas/Anime bist - war es natürlich eine Anspielung auf `Naruto´ und dem Team 7.
Zu 2
Zu welchem Zyklus gehören ursprünglich die Aya-Abenteuer? Oder ist dir die Idee beim Lesen des Thortthema im Neo gekommen, gewissermaßen ein tibetanischer weiblicher Thort?
`Aya´als Angehörige einer uralten Dämonenrasse basiert auf den 40 bändigen japanischen Manga `3x3 Augen´von 1991! Davon gibt es zum ersten Band auch eine Anime-Adaption!
Diesen - inzwischen weitgehend vergriffene - Manga habe ich 1996 gelesen und hat mich sehr faziniert (die Hauptperson hieß übrigens PAI). Dazu habe ich mir ein paar Notizen gemacht, um vielleicht irgendwann einen Fantasy/SF/Horror-Roman zu schreiben. Ist jedoch nix draus geworden.
Als ich Anno 2010 "das Lied von Feuer und Eis" von George R.R. Martin gelesen hatte, habe ich den Namen der mir liebsten Charakter Arya adaptiert und zu Aya transformiert.
Ich finde die Verschmelzung der beiden Chara faszinierend ...
Und als ich begann für NEO paar kritisch-orientierende Skizze zu schreiben, dachte ich mir: Jetzt kannst du deine Notizen mal produktiv aufpolieren und einbringen.
Die Einpassung war einfach. Es bedurfte nur wenige Anpassung, um geschmeidig in die NEO Terra-Ebene eingesponnen zu werden.
Den generellen Kontext zu ES sehe ich auch und deswegen auch die Kreisschließung in der letzten Skizze.
Allerdings konkrete Bezüge (Materia) waren nicht gegeben, da ich erst bei PREA 1.799 bin und sowieso erstmal Pause mache.

HH
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Roi Danton »

Honor_Harrington hat geschrieben:Ho Roi Danton,
danke für deinen Beitrag und den Fragen, die ich gerne beantworte.
Zu 1
Das Team 7 ist doch ein Shadowrun Team und du hast ursprünglich für SR geschrieben und es dann ins Neoversum angepasst. Oder?
Die Skizze zum Team 7 ist in der Tat inspiriert von den Shadowrun.
Ich habe dazu auch geschrieben, dass es sich dabei um eine Hommage auf "Deutschland in den Schatten" von Hans Joachim Alpers handelt, der leider vor kurzem verstorben ist.
Dieser Kontext ist ja auch immer eine indirekte Aufforderung an das Autoren-Team "neuere literarische Strömungen" einzubinden und nicht nur das Alte neu zu erzählen.
Es wäre meiner Meinung nach ein grober Fehler, weil die Leserschaft natürlich auch auf dem Stand der Dinge sind und nicht alte Klamotte wiederkäuern wollen.
Allerdings bin ich so weit einsichtig zu erkennen, dass just dieser Erzählstrang leider nicht ins NEOversum passt.
Im übrigen - falls du ein Fan von Mangas/Anime bist - war es natürlich eine Anspielung auf `Naruto´ und dem Team 7.
Zu 2
Zu welchem Zyklus gehören ursprünglich die Aya-Abenteuer? Oder ist dir die Idee beim Lesen des Thortthema im Neo gekommen, gewissermaßen ein tibetanischer weiblicher Thort?
`Aya´als Angehörige einer uralten Dämonenrasse basiert auf den 40 bändigen japanischen Manga `3x3 Augen´von 1991! Davon gibt es zum ersten Band auch eine Anime-Adaption!
Diesen - inzwischen weitgehend vergriffene - Manga habe ich 1996 gelesen und hat mich sehr faziniert (die Hauptperson hieß übrigens PAI). Dazu habe ich mir ein paar Notizen gemacht, um vielleicht irgendwann einen Fantasy/SF/Horror-Roman zu schreiben. Ist jedoch nix draus geworden.
Als ich Anno 2010 "das Lied von Feuer und Eis" von George R.R. Martin gelesen hatte, habe ich den Namen der mir liebsten Charakter Arya adaptiert und zu Aya transformiert.
Ich finde die Verschmelzung der beiden Chara faszinierend ...
Und als ich begann für NEO paar kritisch-orientierende Skizze zu schreiben, dachte ich mir: Jetzt kannst du deine Notizen mal produktiv aufpolieren und einbringen.
Die Einpassung war einfach. Es bedurfte nur wenige Anpassung, um geschmeidig in die NEO Terra-Ebene eingesponnen zu werden.
Den generellen Kontext zu ES sehe ich auch und deswegen auch die Kreisschließung in der letzten Skizze.
Allerdings konkrete Bezüge (Materia) waren nicht gegeben, da ich erst bei PREA 1.799 bin und sowieso erstmal Pause mache.

HH
HH:
„Die Skizze zum Team 7 ist in der Tat inspiriert von den Shadowrun.
Ich habe dazu auch geschrieben, dass es sich dabei um eine Hommage auf "Deutschland in den Schatten" von Hans Joachim Alpers handelt, der leider vor kurzem verstorben ist.
Dieser Kontext ist ja auch immer eine indirekte Aufforderung an das Autoren-Team "neuere literarische Strömungen" einzubinden und nicht nur das Alte neu zu erzählen.
Es wäre meiner Meinung nach ein grober Fehler, weil die Leserschaft natürlich auch auf dem Stand der Dinge sind und nicht alte Klamotte wiederkäuern wollen.
Allerdings bin ich so weit einsichtig zu erkennen, dass just dieser Erzählstrang leider nicht ins NEOversum passt.“

RD: „Das habe ich mir gedacht. Schade, dass Alpers gestorben ist. Ich hoffe wie du, dass die Neo-Autoren diese „neueren Literatur-Strömungen“ einbindet. Damals habe ich ebenfalls die Romane von Deutschland im Schatten von Shadowrun gelesen, allerdings glaube ich nicht, dass diese Richtung ins Neoversum passt.“

HH: „Aya´als Angehörige einer uralten Dämonenrasse basiert auf den 40 bändigen japanischen Manga `3x3 Augen´von 1991! Davon gibt es zum ersten Band auch eine Anime-Adaption!
Diesen - inzwischen weitgehend vergriffene - Manga habe ich 1996 gelesen und hat mich sehr faziniert (die Hauptperson hieß übrigens PAI). Dazu habe ich mir ein paar Notizen gemacht, um vielleicht irgendwann einen Fantasy/SF/Horror-Roman zu schreiben. Ist jedoch nix draus geworden.
Als ich Anno 2010 "das Lied von Feuer und Eis" von George R.R. Martin gelesen hatte, habe ich den Namen der mir liebsten Charakter Arya adaptiert und zu Aya transformiert.
Ich finde die Verschmelzung der beiden Chara faszinierend ...
Und als ich begann für NEO paar kritisch-orientierende Skizze zu schreiben, dachte ich mir: Jetzt kannst du deine Notizen mal produktiv aufpolieren und einbringen.

RD: „ Diese 40-bändige Mangaserie kenne ich leider nicht. Allgemein lese ich keine Mangas oder Comics. Vom „Lied von Feuer und Eis“, habe ich nur die ersten beide Bände gelesen, allerdings die komplette TV-Serie gesehen, soweit sie im Deutschen gesendet wurde. Deine Vorgehensweise hinsichtlich des Schreibens deiner Neoskizzen kann ich allerdings voll nachvollziehen.“

Da fehlt dir ja noch einiges bei der PREA. Die verfolge ich bereits seit Band etwa 250, mitten im MdI-Zyklus und habe die EA jede Woche gelesen, auch in den schwierigen Siebziger Jahre, als PR voll im Vorwurf stand Fascho-Literatur zu sein. Wenn ich an die damaligen Diskussionen beispielsweise im Science Fiktion Club Deutschland noch denke, graut es mir noch nachträglich, denn damals hatte ich auch meine „sozialkritischte Phase“, nichtdestowenig blieb ich PR treu.
Zum Glück kam dann William Voltz mit seiner Kosmologie, welche die Situation völlig entspannte.

Noch viel Spaß beim Nachlesen der PREA.

Ad Astra
Roi Danton
Honor_Harrington
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Re: Skizzen zu NEO

Beitrag von Honor_Harrington »

15. Skizze
Danke an Old Man für die Korrektur - alle Fehler gehören mir!


Das Interview

Stardust Tower / Terrania
15.September 2036
Elena Zelazny: “Vielen Dank, Herr Adams, daß Sie einen Tag nach der Wahl zum Administrator Zeit gefunden haben, der `Terrania Aktuelle Tagesschau´ein Interview zu geben.“
Homer G. Adams: “Gerne, Frau Zelazny. Ich freue mich, Sie als Erste in meinem neuen Büro im 50. Stock begrüßen zu können.“
Elena Zelazny: „Kommen wir gleich zum Punkt. Am 27. Juni 2036 hat Perry Rhodan sich öffentlich von seiner Heimatnation losgesagt und mit der Stadt Terrania den Kern der Terranischen Union gegründet. Dieser historische Augenblick ist knapp drei Monate her. Und in dieser kurzen Zeit ist bereits viel geschehen.“
Homer G. Adams: „Das kann man wahrlich sagen. Schon bevor Rhodan und seine Crew in die Wüste Gobi landeten, mussten sie enormen Schwierigkeiten meistern und ...“
Elena Zelazny: „Welche denn?“
Homer G. Adams: „Als erstes möchte ich natürlich die Kontaktaufnahme zu den Arkoniden Crest und Thora nennen. Es hätte auch ganz anders ausgehen können; nämlich mit der Vernichtung des Raumschiffs Stardust samt allen Astronauten. Es war Rhodan zu verdanken, dass durch seine innere Überzeugung und damit auch glaubwürdigen Argumentation eine Kooperation vereinbart wurde. Der erste Kooperationsvertrag zwischen zwei galaktischen Völkern, nämlich zwischen den Arkoniden und den Terranern.“
Elena Zelazny: „Lassen Sie mich bitte nachhaken. Die beiden Arkoniden Crest und Thora sind jedoch nicht legitimiert, im Namen des Großen Imperiums zu verhandeln und irgendwelche Vereinbarungen zu treffen. Oder habe ich etwas falsch verstanden?“
Homer G. Adams: „Nein. Sie haben durchaus Recht. Aber es waren nun jene zwei Arkoniden, die hier vor Ort waren und mit denen wir uns verständigen konnten. Immerhin hat dieses Kontakt bereits Früchte getragen.“
Elena Zelazny: „Sie sprachen von Schwierigkeiten. Welche denn noch?“
Homer G. Adams: „Als die Stardust zur Erde zurückflog, gerieten sie gleich unter Feuer von vielen Langstreckenraketen. Erst durch das Eingreifen von Thora da Zoltral wurden erstens dieser Angriff abgewehrt und zweitens konnte die Stardust in der Wüste Gobi landen.
Lassen Sie mich bitte dazu eine kleine Ausführung machen, Frau Zelazny.
Die – damaligen – Grossmächte USA, Großrussland und die VK China waren zwar untereinander spinnefeind, jedoch ihre Animositäten wurden überwunden durch ihr gemeinsames Ziel, die Rückkehr von Rhodans und seiner Crew zu verhindern, weil sie ahnten, dass Perry den langjährigen Status Quo aufbrechen und die Entwicklung der Menschheit in neuen Bahnen lenken würde. Und so geschah es auch.
Im nach herein kann man dieser aggressive Intervention sogar noch etwas Gutes abgewinnen. Sehen Sie, Rhodan hätte auch in der Wüste Nevada in den USA oder in der sibirischen Eiswüste Russlands landen können.
Welche Auswirkung hätte dieses gehabt?
Wäre die Stardust in den USA gelandet, hätte der amerikanische Präsident Anspruch auf die arkonidische Technologie erhoben. Prompt wäre es zum atomaren Weltkrieg zwischen den Großmächten gekommen, weil Großrussland und die VK China dieses mit allen Mitteln verhindern hätten wollen. Umgekehrt wäre dieses bei einer Landung in Sibirien genauso gewesen. In der Wüste Gobi bahnte sich dieser Konflikt ebenso an, hätten nicht weltweit überall subversive Sympathisanten die Kriegsmaschinerie sabotiert. Dafür mussten in der VK China und in Großrussland viele Menschen sterben. Etliche wurden wegen Hochverrat hingerichtet wie z.B. der Russe Juri Medwenkow und der Chinese Li De. Auch unser Koordinator für Sicherheit, Allan D. Mercant musste damals in den USA um sein Leben fürchten und konnte nur mit Hilfe anderer verdeckt agierenden Sympathisanten vor seiner Hinrichtung fliehen.
Das ist Fakt. Wir dürfen den Einsatz dieser mutigen Männer und Frauen nicht vergessen, deren Namen wir zum großen Teil noch nicht einmal kennen und wohl auch nie erfahren werden. Opfer der ersten Stunde - bevor unsere Stadt Terrania gegründet und die Terranischen Union ausgerufen worden ist.“
Elena Zelazny: „Und warum hat sich Mister Rhodan gegen die Sahara-Wüste entschieden?“
Homer G. Adams: „Nun, man nennt Perry Rhodan den Sofortumschalter – und er hat angesichts der zu erwartenden massiven Feindseligkeit reagiert. Stellen Sie sich vor, Frau Zelazny, die Stardust wäre in der Sahara-Wüste gelandet. Zwischen Algerien, Libyen und Niger. Allesamt Staaten in einem Gebiet, welches niemanden interessiert. Alle Großmächte hätten ohne Zweifel ihre Atomraketen gegen die Stardust eingesetzt und dabei die atomare Zerstörung von Nordafrika in Kauf genommen. Radioaktive Verseuchung über tausende Jahre hinweg und zerstörtes Leben in zertrümmerten Kulturen in unvorstellbaren Ausmaße. In der Konsequenz wäre zum einem das Erdöl radioaktiv verseucht und zum anderem Südeuropa ebenfalls kantaminiert. Außerdem hätte solche immense Aggression eine neue, und zwar erheblichen Radikalisierung der islamischen Bevölkerung weltweit provoziert.
Dennoch – die drei Großmächte hätten dieses in Kauf genommen, um zu verhindern, dass die jeweiligen anderen im Besitz von Aliens-Technologie kommen.
Das war eine Art von intuitiver Voraussicht, die etwas wesentliches über Perry Rhodan aussagt. Darum ist er in die Wüste Gobi gelandet. Sicherlich, der Empfang war ebenso feindselig. Doch ein konzentrierter atomarer Angriff hätte einen Weltkrieg zwischen den Großmächten entfacht. Bereits präventiv wurde diese Option von Perry mit der arkonidische Hilfe der Kommandanten Thora da Zoltral im Keim erstickt. Auch die VK China hat kein Interesse, ihr eigenes Hinterland in einer radioaktiv strahlende Wüste zu verwandeln.“
Elena Zelazny: „Obwohl sie es versucht haben.“
„Homer G. Adams: „Der chinesische militärische Geheimdienst. Dahinter stand nicht das gesamte Politbüro und erst recht nicht das vollständige Zentralkomitee. Es gab bereits in deren Machtstruktur die ersten Risse...“
Elena Zelazny: “Die der Genaral Bai Jun ausnutzte!“
Homer G. Adams: „Richtig! Bai Jun hatte in dieser Phase mehrere Male persönlichen Kontakt mit Perry Rhodan. Sie standen sich als Gegner Auge im Auge gegenüber und haben mit Worten um Klarheit und Wahrheit gerungen. Als die chinesische Regierung mittels des Geheimdienstes eine Atombombe am Rande es Energieschirms platzierte, um sich den Zugang mit ultimativer Gewalt zu erzwingen, war dies der Punkt, an dem sich der General von den damaligen Machthabern zu lösen begann.
Zwar vermochte der Mutant Sid Gonzalez die Atombombe noch rechtzeitig in die Wüste hinaus zu teleportieren. Jedoch die Explosion führte zu einer Massenpanik. Tausende verängstigte Menschen stürmten gegen den Energieschirm. So sah Perry Rhodan sich veranlasst, diesen abzuschalten und selber zu fliehen.
General Bai Jun konnte daher die Stadt Terrania einnehmen. Aber was tat er dann? Während der Siegesfeier erklärte er erneut die Unabhängigkeit von Terrania und setzte die anwesenden Funktionäre fest. Auch er riss – so zuvor Perry Rhodan – sein nationales Flaggzeichen von der Uniformjacke ab und trat in den Dienst von Terrania und der Terranischen Union.
Lassen Sie es mich ganz klar sagen, Frau Zelazny. Bai Jun hat eindeutig bewiesen, dass er ein Mann von Rhodan ist! Und er verdient es, bei der baldigen demokratischen Wahl der Bürgermeister dieser Stadt zu werden!
Elena Zelazny: “Nun haben Sie eine große Lanze für den Ex-General gebrochen.
Doch kommen wir jetzt zu Ihnen selber, Administrator Adams.
Gestern wurden Sie – völlig überraschend – von 3.798 Delegierten aus allen zweihundertelf Staaten zum ersten Administrator der Terranischen Union gewählt.“
Homer G. Adams: „Stimmt. Und ich versichere Ihnen, dass ich genauso überrascht war wie alle anderen Delegierten, als Rhodan mich an seiner statt vorschlug.“
Elena Zelazny: „Und doch haben Sie die Wahl angenommen.“
Homer G. Adams: „Ja! Und lassen Sie es mich in aller Deutlichkeit sagen: Auch ich bin ein Mann Rhodans!“
Elena Zelazny: „Obwohl Sie nun der mächtigste Mann und ranghöchster Funktionär der Erde - der Menschheit - sind?“
Homer G. Adams: „Das sind strukturelle Notwendigkeiten, die wir Menschen uns selber geben müssen - für die Hackordnung und zu Orientierung. Aber sieht man mal von dieser strukturierenden Funktion ab, dann ist doch klar: Perry Rhodan hat die Stadt Terrania gegründet. Er war und ist ein Visionär. Durch die Einberufung der Versammlung schuf er die Plattform, auf deren Basis sich die Gründung der Terranischen Union vollzog. Es war sein inspirierender Geist, der diesen neuen Weg Impulse und Schubkraft gab. Er war und ist nicht allein. Unzählige Männer, Frauen und Kinder überall auf der Welt versuchen mit ihren Kräften und Begabungen ihren Anteil am Gelingen dieser - gemeinsam gelebten - Vision beizutragen. Jeder Mensch – und auch befreundete Aliens - dort, wo er sich mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten am besten nützlich machen und zum Wohle Aller einbringen kann.“
Elena Zelazny:“ Und Sie können sich am besten als Administrator einbringen?“
Homer G. Adams: „Ja. Das hört sich zwar unbescheiden an - aber so ist es wirklich .“
Elena Zelazny: „In der Tat. Können sie das etwas näher erläutern? Sehen Sie, es gibt viele Menschen – nicht nur in China – die sie als den reichsten Menschen der Welt ansehen und sagen: das ist der Traum aller Mächtigen - der reichste Mann der Welt hat zugleich auch die einflussreichste Position der Welt inne. Ist das nicht der Albtraum aller rechtschaffenen Menschen: die Machtergreifung?! Die Furcht vor einem verkappten, machtbesessenen Soziopathen und potenziellen Tyrannen. Die verdrehte Ideologie der Amerikaner vom angeblichen Gutmenschen. Der Milliardär, der zum sozialen Wohle Aller handelt. Sind Sie am Tag Bruce Wayne und der Nachts Batman, der die Bösewichte jagt?“
Homer G. Adams: „Frau Zelazny, ich bin nun über 70 Jahre alt und stehe bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 120 Jahren noch mitten im Leben. Zwar habe ich keine Kinder, dennoch ist schon lange der Punkt erreicht, wo ich schau, was kann ich tun, um die Weichen für einen grundlegenden Wandel für die kommende Generation, für die Menschheit zu stellen. Was ist mein Beitrag zum Gemeinwohl? Was kann ich tun?
Sehen Sie, mein Diäten als Administrator gehen – fast – komplett an das gerade gegründete Ursula LeGuin-Kinderhaus. Ein symbolischer Solar reicht mir.“
Elena Zelazny: „Nun ja, mit 35 Mrd. Kredit – demnächst Solar - ist man sicherlich auch nicht auf dieses Kleingeld angewiesen. Nun sagt ein Sprichwort: wo Reichtum ist, ist auch Armut! Woher und wie haben Sie also so viel – so unmoralisch viel – Geld akkumulieren können? Kann ein einfacher Mensch überhaupt dermaßen viel Reichtum mit eigenen Händen erarbeiten – im Rahmen eines gewöhnlichen Lebens?“
Homer G. Adams: „In einem normalen Leben sicherlich nicht. Aber ich habe auch kein normales Leben geführt. Als Spekulant an der Börse habe ich an dem Hin – und Herschieben gigantischer Aktienpakete Millionen und später hunderte von Millionen verdient. Mit dem Leverage-Effekt ist so etwas durchaus möglich - auch wenn es dabei zu enormen Marktverzerrungen kommt. Manchmal klappt es auch nicht, wie bei der dot.com-Blase. Dennoch kann ich für mich sagen: aufgrund der besonderen Fähigkeiten eines photographisches Gedächtnisses und einer instinktiven Vorahnung des ökonomischen Trends war es mir möglich, gegen den Markt zu spekulieren und so Extraprofite zu maximieren. Anders gesagt: Wenn alle auf das Pferd A wetten und gewinnen, dann ist die Quote gering. Setzten Sie jedoch nach der Unwahrscheinlichkeit in der Gauß-Kurve auf den „schwarzen Schwan“ - das bedeutet hier auf das Pferd Z - , dann haben sie eine enorme Gewinnquote. Und nichts anderes habe ich getan. Ich habe also den Markt – insbesondere die globale Börse – mit ihren eigenen Mitteln geschlagen!
Aber das war nur ein Standbein. Der lukrative Aspekt.
Daneben hatte ich mir ein Konzern-Imperium aufgebaut, welches durchaus mit den MegKonz vergleichbar war. Mit einen bedeutenden Unterschied: es ging mir nicht um die Fokussierung auf einen bestimmten Sektor wie Rohstoffe oder Waffen, sondern um einen Mischkonzern, der sich tatsächlich an den Bedarf der Bevölkerung orientiert. Das bringt zwar keine hohen Profite, schafft dafür Arbeitsplätze und darüber hinaus ein weitverzweigtes Netz an Informationsfluss und Verankerung in der Bevölkerung. Ich hatte immer den Finger am Puls des gesellschaftlichen Trends. Als Vorsitzender des General Cosmic Company besaß ich Zugriff auf nationale und internationale Ressourcen, der weltweit seines gleichen sucht.
Und – das ist der entscheidende Punkt – ich suchte eine wahre Sinnerfüllung für meine bemerkenswerten Fähigkeiten. Das klingt etwas esoterisch, ist jedoch ernst gemeint.
Ich sah die Machtergreifung der Konzerne auf der ganzen Welt, die Umformung der sozialen Gemeinschaft unter der funktionalen Knute einer wuchernden Plutokratie ungeheurem Ausmaßes, die sich langsam in die menschlichen Zivilisation festfraß. Seit über 20 Jahren suchte ich einen Ausweg aus der sich anbahnenden Katastrophe.“
Elena Zelazny: „Und dieser Ausweg hieß Perry Rhodan?“
Homer G. Adams: „Genau. Perry Rhodan symbolisiert den Aufbruch unserer modernen Zeit.
Noch bevor er dieses sich selbst bewusst war, hatte ich ihn in jeder Hinsicht unterstützt. Mittelbar durch Unterstützung anderer Menschen und Gruppierungen; durch kleine Aufträge, die große Wirkungen erzielen sollten. Das Leben der Raumschiffscrew retten oder das Abwenden eines umfassenden Atomkrieges - ein Billardspiel über Bande – , um die Vision des Mannes wahr werden zu lassen, der das Zeug hatte, der erste Terraner zu werden.“
Elena Zelazny: “Wollen Sie damit andeuten, das haben sie bereits vorausgesehen?“
Homer G. Adams: “Nun meine besonderen Fähigkeiten einer intuitiven Voraussicht ist in der Tat sehr weitgehend; sie nähern sich der Hellsichtigkeit. Zwar nicht 100 % aber doch so bei 78 %.
Und ich hatte über die GCC Kontakte in aller Welt zu allen Schichten und zu allen Ebenen. Das war ja der eigentliche Sinn und Zweck des langfristigen Unternehmens. Die Strategie. Und so besaß ich auch Zugang zu den geheimen Aufzeichnungen von Pounder – die Mondbildern von den Aliens.“
Elena Zelazny: “So gesehen sind Sie nach eigenen Worten der Pate, der das alles für Perry Rhodan ermöglicht hat und nun wie bei Frau Hölle, wenn ich das mal so sagen darf, sich den gerechten Lohn – das Amt des Administrator - verdient hat?“
Homer G. Adams: „Nun, so wollte ich das nicht gesagt wissen. Ich würde es eher dahingehend reformulieren: durch meine Vorarbeit bin ich prädestiniert, die Tätigkeit eines Sisyphos zu tätigen. Wie Sie ja wissen - in Anlehnung an Albert Camus - gilt der Sisyphos-Mythos in das ewige Abarbeiten und Überwinden der selbst gewählten Lebensaufgabe zum eigentlichen Erlangen eines freieren Bewusstseins. In diesem Sinne also ein Handeln von existenzieller Sinnerfüllung – wo der Weg das Ziel bereits antizipiert.“
Elena Zelazny: „Das haben Sie wirklich schön formuliert, Herr Adams. Jedoch können Sie diese Herkules Aufgabe mit ihren 70 Jahren noch stämmen?“
Homer G. Adams: „Ich bin dem Schicksal dankbar, diese Arbeit beginnen zu dürfen. Und wenn ich das Vertrauen und das Mandat dafür erhalte, werde ich dieses noch viele Jahre tun können. 80 Stunden in der Woche ist sicherlich hart, dennoch leistbar. Und es stehen mir auch viele kompetenten Menschen zur Seite.“
Elena Zelazny: „Die Koordinatoren, die Sie als erste Amtshandlung heute berufen haben.“
Homer G. Adams: „Ja!“
Elena Zelazny: „ Könnten sie zu den einzelnen Persönlichkeiten etwas sagen?“
Homer G. Adams: „Nun ich bin der Ansicht, jede Person ist sicherlich ein eigenes Interview wert, Frau Zelazny. Daher lassen sie mich an dieser Stelle nur kurz vorstellen:
Im Konferenzraum im 49. Stockwerk des Stardust Tower – also eine Etage unter den hiesigen Räumen - findet ab sofort eine wöchentliche Routinesitzung statt, an der die acht Koordinatoren des Rats und Bai Jun als militärischer Befehlshaber Terranias teilnehmen.
Allan D. Mercant ist der Koordinator für Sicherheit;
Lesly K. Pounder ist Raumfahrtkoordinator;
Lygia Cielo ist Koordinatorin für Kultur und Humanitäres;
William Tifflor ist Koordinator für Justiz und Menschenrechte;
Elodie Marceau ist Koordinatorin für Wirtschaft und Finanzen;
Kareene Chopra ist Kodinatorin für Verwaltung und Haushalt;
Maui John Ngata ist Koordinator für Völkerverbindung;
und
Fredrik Dahlgren ist Koordinator für Wissenschaft und Technik.“
Elena Zelazny: „Was nun doch deutlich auffällt, ist das Fehlen des Hoffnungsträgers Perry Rhodan und seines engsten Gefährten Reginald Bull.“
Homer G. Adams: “Das stimmt.
Perry Rhodan ist ein kulturelles Phänomen, welches versöhnt und zugleich polarisiert. Ein Paradox. Auf der aktuellen Handlungsebene ist unser Mann dort, wo er gebraucht wird: Im Wega-System. Der Krieg zwischen dem ferronischem Volk und dem topsidischem Aggressor trifft die Menschheit nur scheinbar mittelbar. Strategisch betrachtet jedoch entscheidet diese Etappe auch über den Weg in die galaktische Völkergemeinschaft. Lassen Sie mich ein paar Facetten andeuten.
Erstens ist das Wega-System unsere direkte astronomische Nachbarschaft. Was dort geschieht, kann uns nicht gleichgültig sein. Denn der Weg von dort nach hier ist nur ein kleiner Sprung und plötzlich steht irgendein Problem vor unserer Tür.
Zweitens hatten die Ferronen uns um Hilfe gebeten. Zwar mag die Verbindung, wie sie auf uns kommen im wahrsten Sinne mysteriös erscheinen. Nichtsdestotrotz war der Hilferuf existentiell ernsthaft gemeint. Sie erwarten am Abgrund ihrer Zivilisation – im Moment der höchsten Not – praktische Solidarität. Diesem Begehren konnte und will sich Perry Rhodan nicht entziehen. Das ist der Weg des Terraners!
Und damit setzt er – schlicht und bescheiden, fast geradezu beiläufig – Pflöcke, die nach und nach die terranische Außenpolitik und den Standpunkt der Menschheit innerhalb der galaktischen Gemeinschaft bestimmt.
Drittens war und ist die Kehrseite eines überschäumenden Optimismus die zweifelnde Frustration. Perry Rhodan als Projektionsfläche unzähliger Menschen mit ihren oft zueinander im schroffen Gegensatz stehenden Bedürfnissen und Wünschen, kann nur enttäuschen. Der glorifizierte jugendliche Held oder der aus tiefsten Herzen herbeigesehnte Messias entpuppt sich als ein – wenn auch ungewöhnlicher – Mensch mit Fehlern und Schwächen. Doch wenn man sich anguckt, was er alles in diesen drei Monaten mit den wenigen, eher zögerlichen, dann doch nachdrücklich beharrenden Entscheidungen geleistet hat – also die Weichenstellung in die Zukunft für die Menschheit – dann fragt man sich unwillkürlich: ja was denn noch? Das ist doch bereits mehr, als 99,99 % der Menschheit je in ihrem ganzen Lebens zusammengenommen erhoffen könnten, einen Beitrag zum Wohle der Menschheit leisten zu dürfen. Ein Mann, eher medial und meditativ, der dennoch unbeirrbar seinen Weg geht. Ob das reicht, muss sich zeigen.
Auch wenn man selbst ungeduldig ist, sollte man zumindest soweit einsichtig sein, dass Perry auch in seinem Leben und an seinem Werk wächst. Er war ja nicht als göttlicher Übermensch geboren worden. Jeder Mensch wie jedes Ding braucht seine eigene, ihr innewohnende Zeit zur Entfaltung seines Seins. Auch unser Mann braucht seine angemessene Zeit, zu wachsen und zu werden, der er ist. Diesen inneren Reifungsprozess kann man nicht durch Ansporn und Druck beschleunigen. Es wäre im Gegenteil kontraproduktiv. Wer kennt nicht die unzähligen Erzählungen von den gescheiterten Existenzen, ja sogar deformierten und am Ende dysfunktionalen Wracks am Lebensrand, weil sie den Erwartungsdruck nicht aushalten konnten?!
Viertens lassen Sie mich noch das Besondere, das außergewöhnliche an Rhodan benennen. Der Wissenschaftler Robert Jordan hat in seiner Analyse über das Karma – auch das Rad des Schicksals genannt – herausgefunden, dass in manchen Epochen immer wieder Wesen in Erscheinung getreten waren, die „Ta´veren“ sind.“
Elena Zelazny: „Ta´veren?“
Homer G. Adams: „Ja. Es handelt sich dabei um Wesen, die nicht wie gewöhnlich vom Laufe der Zeit geprägt und geformt werden - sondern selber im Zentrum des Gewebe des Schicksals stehend, die um ihn herum verwobenen Lebewesen formt und deren Lebensweg und Schicksal massiv beeinflusst.
In gewisser Weise eine karmatische Anomalie. Das ist die Zeit des Wandels!
Perry Rhodan war und ist ein Langzeitphänomen, von dem tiefgreifende Transformationen mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Menschheit ausgeht – wie ein Stein, der in einem großen See geworfen wird und nun Welle auf Welle auslöst. Gleichermaßen nach innen wie auch außen. Es kann nicht ausbleiben, dass sich so mancher Flügelschlag eines rhodanischen Schmetterling in ferner Zeit als brausender Orkan oder reißendem Tsunami erweist.
Und damit komme ich zum letzten Aspekt.
Viele Menschen sind nun darüber enttäuscht, dass Perry Rhodan das Amt des Administrators abgelehnt hat. Aus ihrem Verständnis heraus muss der „beste Mann“ auch das „höchste Amt“ haben. Punkt. Diese Meinung ist ein verständlicher Kurzschluss. Sehen Sie, jeder kann dort optimale Erfolge erzielen, wo er entsprechende Fähigkeiten und Bedürfnisse sowie ein tiefgreifendes Verlangen, also leidenschaftliche Motivation besitzt. Der beste Schauspieler der Welt ist nicht automatisch auch der fähigste Präsident der Welt. Und das weiss auch Rhodan. Er war und ist Astronaut. Er sehnt sich nach den Sternen. Er möchte die kosmischen Wunder erleben. Er möchte vielfältiges Leben und Aliens begegnen.
Perry Rhodan ist unser Mann im All!
Glauben Sie denn wirklich, dass Perry als Administrator hier in diesem Büro im Stardust Tower glücklich sein würde? 60 bis 80 Stunden regelmäßig Akte um Akte zu wälzen, Dokumente und Protokolle zu studieren und zu kommentieren, sich in den Ausschüssen und Plenums mit versierten Politikermasken herumzudebattieren und zu feilschen? Das ist der Job eines Administrators. Wer das Perry Rhodan wünscht, muss ihn irgendwie ziemlich intensiv hassen. Oder will man ernsthaft glauben, man könne sich als gewählter Administrator einfach in ein Raumschiff setzen und nach Lust und Laune auf Abenteuerreise gehen? Was wäre das für ein Verantwortungsgefühl, gar Pflichtbewusstsein?
Nein, den Job eines Administrators plus seiner Koordinatoren überlässt er denen, die es gewohnt sind, im Streit 200 Bände im Recht und Gesetz zu wälzen; die es gewohnt sind, mit Intriganten und korrupten Beamten und Direktoren über die 57. Vorschrift über die Norm-gerechte Abmessung von ökologisch gerechten Plumpsklo zu verhandeln. Mit anderen Worten: es ist das Territorium der aufgeblähten Beamtenheinis und von sich eingenommen Sesselfurzer, die sich leider immer und überall in einer Großorganisation einrichten.
Und das – Frau Zelazny - kann niemand ernsthaft Perry antun wollen.“
Elena Zelazny: „Wenn man so darüber denkt, sicherlich nicht. Also sind Sie, Herr Adams, das arme Schwein, der die Last des Administrator als Kreuz auf sich geladen hat – um Perry Rhodan den Rücken frei zu halten?“
Homer G. Adams: „Ja – und mit Freuden. Gewiss bin ich in gewissen Sinne ein sisyphosischer Masochist.“
Elena Zelazny: „Danke für das Gespräch.“

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